Protocol of the Session on September 28, 2011

Jetzt also die dritte Strophe, Frau Kollegin Vogt, die Sie jetzt auch mitsingen! Wir sollen unbedingt jeden Euro ausgeben, der uns jeweils vielleicht, möglicherweise, wir wissen es nicht genau, zur Verfügung steht. Ich frage mich in der Tat dann auch, worin liegt eigentlich der Skandal, wenn wir heute mehr sparen und weniger Schulden aufnehmen, damit wir auch morgen noch unsere Ziele aufnehmen können? Wo soll da der Skandal liegen? Umgekehrt frage ich mich, wo ist der Sinn darin, wenn wir heute in einem Umfang, den Sie ja immer verlangen – Sie haben es ja mit dem Zwischenruf noch einmal gemacht –, Lehrerinnen einstellen, Leistungen einführen, die wir morgen und übermorgen dann nicht mehr bezahlen können? Wo liegt da der Sinn? Wir wollen nämlich, wir

müssen jedes Jahr mehr als 100 Millionen Euro einsparen, falls Sie das vergessen haben!

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Das haben wir nicht vergessen!)

Sie machen in Ihrem Antrag auch scheinbar pragmatische Vorschläge zur Glättung der Ausgabenentwicklung. Ehrlich gesagt, Ende September, Anfang Oktober jetzt noch darüber zu sprechen, dass wir Investitionen für dieses Jahr vorziehen wollen, ist vielleicht ein bisschen spät. Sie haben recht, dass wir die geplanten Investitionen sehr sorgfältig beobachten werden, dass die Mittel auch tatsächlich abfließen. Wir haben nämlich ein hohes Interesse an einer stabilen und kontinuierlichen Ausgabenentwicklung.

Sie sprechen in Ihrem Antrag von überschüssigem Geld. Das würde bedeuten, dass wir vielleicht eine Milliarde und 50 Millionen Euro aufnehmen können, aber vielleicht 30 Millionen weniger aufnehmen. Das nennen Sie überschüssiges Geld. Das wollen Sie in städtische Betriebe stecken oder eine Stiftung gründen, die wir dann bei Bedarf wieder auflösen. Glauben Sie ernsthaft, es würde sich rechnen, dass wir Guthabenzinsen aus einer Stiftung bekommen, anstatt weniger Zinsen für weniger neue Schulden zu bezahlen? Das ist eine Milchmädchenrechnung. Entschuldigen Sie, ich möchte niemanden beleidigen! Ich nehme das mit dem Milchmädchen zurück, das sollte man schon lange nicht mehr machen!

(Zuruf von der CDU: Das Milchmädchen hat es nicht verdient!)

Das stimmt, sage ich ja gerade, ich habe mich dafür entschuldigt!

Ich halte es für vollkommenen Unsinn, und um solche Tricks zu vermeiden, hat die Verwaltungsvereinbarung auch geregelt, dass Vermögensverkäufe und -ankäufe gerade nicht eingerechnet werden. Mit solchen Tricks kommen wir also gar nicht durch.

Auch wir gehen davon aus, das will ich abschließend sagen, wenn es in Zeitpunkt und Höhe vertretbar, machbar und sehr gut begründbar ist, dass wir Geld heute ausgeben, wenn wir dadurch morgen Geld sparen können. Das machen wir beim Zinsmanagement so – das ist der Grund dafür, warum wir es machen –, weil wir morgen Geld sparen, nicht, weil wir es hin- und herschieben.

Wir werden 2012 und 2013 Maßnahmen in der öffentlichen Verwaltung finanzieren, die es uns später möglich machen, die Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger auch bei sinkenden Beschäftigtenzahlen noch zu erbringen. Es ist auch die Notwendigkeit vorhanden, das sehr gut zu begründen. Das ist in der Tat eine Ausgabe, die wir heute machen, aber deshalb, um morgen weniger auszugeben und nicht, um unseren Etat aufzublähen. Wir werden heute nicht

Geld ausgeben, das wir nicht haben, um uns morgen dann, Herr Rupp, von Ihnen vorhalten zu lassen, dass die Konsolidierung scheitert. Dann kommt nämlich die erste Strophe, siehe oben! – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt verschiedene Kritikebenen, und wenn das bei den Grünen auf Deutsch mehrere Strophen heißt, ja, dann singe ich mehrere Strophen. Wir haben die Situation, das habe ich vorhin gesagt, dass wir vor der Wahl stehen, Minderausgaben und Mehreinnahmen entweder in die Entschuldung zu stecken oder nicht. Der Nachweis, dass diese Tatsache – auch im Hinblick auf die Logik der Schuldenbremse und der Perspektive der nächsten vier oder fünf Jahre – die ökonomisch beste Lösung ist, ist meines Erachtens nicht erbracht. Diesen Nachweis sind Sie schuldig geblieben. Sie behaupten schlicht, das sei die vernünftigste Lösung, aber Sie erbringen nicht den Nachweis. Sie haben zu keinem Zeitpunkt nicht einmal ansatzweise dargelegt, dass es möglicherweise Alternativen gibt und diese aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen nicht funktionieren. Es hat irgendwann einmal ein Konjunkturpaket II gegeben. Ich erinnere mich, es ging für Bremen um 100 oder 117 Millionen Euro. Ich erinnere mich sehr gut daran, dass wir innerhalb von 14 Tagen oder drei Wochen in der Lage waren, ganz konkrete und sinnvolle Projekte zu formulieren, zum Beispiel zur Wärmedämmung und so weiter. Es ist eine ganze Reihe von Projekten formuliert worden. Ich bin überzeugt davon, dass wir mit konkreten Investitionen in diesem Jahr noch fertig werden könnten und dass es Möglichkeiten gibt, Folgekosten aufgrund von nicht durchgeführter Instandhaltung und Sanierung in einer bestimmten Größenordnung zu vermeiden. Das sind mittlerweile die drei Prozent Zinsen, die wir auf 100 Millionen Euro bezahlen müssen, nämlich drei Millionen Euro. Das ist dann wirtschaftlicher, als jetzt mit 100 Millionen Euro zu entschulden. Auf jeden Fall ist der Nachweis nicht erbracht. Es kommt noch eines hinzu: Sie sagen immer, wir müssten auf jeden Fall eine fiskalische Entschuldung erreichen. Sie wissen, dass ich das grundsätzlich ablehne, aber jetzt befinden wir uns in einer Logik – und deswegen spreche ich von Planübererfüllung –, in der wir auch in der Lage sein müssten, ganz bestimmte Vorgaben unserer Verfassung einzuhalten. In Artikel 49 steht, dass jeder Mensch, der in Bremen eine Arbeit haben will, in die Lage versetzt werden ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

muss, von seiner Arbeit leben zu können und dass der Staat dafür Sorge zu tragen hat, dass das passiert. Das ist in Bremen über weite Strecken nicht der Fall.

Wir haben nicht nur bei der Frage der finanziellen Überschreitung von verfassungsrechtlichen Vorschriften, sondern auch in dieser Frage ein Problem mit der Landesverfassung, weil wir in dieser Frage die Landesverfassung nicht einhalten. Es ist ein Zeugnis von Armut und der Notwendigkeit, diese zu bekämpfen, wenn man sich darüber Gedanken machen muss, ob wir den Plan der Sanierung übererfüllen? Sparen und kürzen wir über den Durst, oder nutzen wir die durch diese Menschen in diesem Land erarbeiteten Steuermehreinnahmen auch für sie, um sie ihnen zurückzugeben und die Probleme, die sie haben und die nicht unbedingt nur fiskalischer Natur sind, zu lösen? Das ist mein Vorwurf. Ich glaube, dort könnten sich auch die Damen und Herren der CDU durch allgemeine Vorwürfe und Vorwürfe aus der Mottenkiste der Plattitüden, die Sie regelmäßig gegenüber uns aussprechen, nicht herausreden.

Frau Piontkowski, Sie haben keine einzige konkrete Zahl genannt, Sie haben nicht nachgewiesen, dass Ihr Vorschlag, auf jeden Fall eine Neuverschuldung zu machen, der beste aller Vorschläge ist.

(Präsident W e b e r übernimmt wieder den Vorsitz.)

Das haben Sie nicht einmal ansatzweise gerechnet und nicht einmal ansatzweise eine Alternative vorgetragen, die unter Umständen auch Ihren Leuten, beispielsweise der Wirtschaft in Bremen, gut tun würde, wenn man zu diesem Zeitpunkt möglicherweise Geld dafür ausgeben könnte.

Wir haben ganz bewusst gesagt, es gibt jetzt eine Frage, deren Beantwortung wir als kleine Fraktion nicht aus dem Ärmel schütteln können. Ich sehe nur die Verantwortung aller Parteien in diesem Hause und auch der senatorischen Behörden, zumindest zu überprüfen, an welcher Stelle es Alternativen zur Vermeidung einer Neuverschuldung gibt und ob wir nicht langfristig besser dastehen als bei der Lösung, keine Neuverschuldung zuzulassen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Bürgermeisterin Linnert.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Manchmal ist es zum verzweifeln! Wir stecken kein Geld in die Entschuldung, Herr Rupp, davon sind wir schlimmerweise Lichtjahre entfernt!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir haben im Jahr 2011 von diesem Hohen Haus eine Kreditermächtigung bekommen. Wir machen Schulden in einer Größenordnung von einer Milliarde Euro. Ist es nicht wirklich genug? Müssen wir jetzt nicht wirklich, weil es rechnerische Spielräume für ein Jahr gibt, die noch nicht einmal sicher sind, rasten und ruhen, weil es immer noch nicht gut ist, sondern die 100 Millionen Euro, die sich rechnerisch ergeben, jetzt auch noch unbedingt ausgeben? Das kann doch wirklich nicht wahr sein! Es geht um eine Kreditermächtigung.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Es war doch die Lebenslüge der Großen Koalition, die uns hier in einen Teil des Dilemmas hineingeführt hat –

(Zurufe von der CDU)

ja, das darf ich hier auch einmal sagen, ich habe es mir lange genug von dort angesehen! –, dass staatliche Investitionen sich auf jeden Fall immer rechnen und wir hinterher, wenn wir ganz viele tolle sinnvolle und weniger sinnvolle Dinge in Bremen machen, dann am Ende am Staatshaushalt sehen können, wie toll es sich gerechnet hat. Wie mühsam ist es gelungen, dieses Denken wieder einzufangen, indem man es sich über Wirtschaftlichkeitsberechnungen genauer anschaut und der Tatsache stellt, dass die sinnvollen und auch nicht sinnvollen Investitionen des Staates und auch seine Konjunkturprogramme am Ende immer verschiedene Effekte haben! Einen Effekt haben sie aber immer ganz sicher, nämlich den, dass der Staat höher verschuldet ist als zuvor, und dem müssen Sie sich endlich einmal stellen!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Die eine Strophe des Liedes der LINKEN, wie es Herr Dr. Kuhn gesagt hatte, kommt ja auch immer, nämlich die Landesverfassung. Die Ziele der Landesverfassung, dass jeder in Bremen ein Recht auf einen Arbeitsplatz und eine eigene Wohnung hat, sind Grundlage der Politik des Senats, das ist doch völlig klar. Wir könnten vielleicht wirklich einmal mit einem Verfassungsrechtler darüber sprechen, dass sich daraus ein individualisierter und quantifizierter Rechtsanspruch für Bremer Bürgerinnen und Bürger herleitet, der sozusagen gegen die Schuldenregel, der wir uns nun unterwerfen müssen, abgewogen wird. Das ist wirklich absurd, und Sie werden auch keinen Verfassungsrechtler finden, der diesen Unsinn unterstützt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Frau Piontkowski, der Wahlkampf ist doch irgendwie vorbei, und vielleicht haben wir ja jetzt dreiein

halb Jahre Zeit, hier an der Sache miteinander zu arbeiten. Ich würde mich jedenfalls freuen, wenn das gelingen würde. Die CDU hat mit dem Lied Kinder in Armut, Schuldenspitze und hohe Sozialausgaben Bremens den Wahlkampf bestritten und hat – das können Sie mir glauben! – weit über das, was sowieso schon passierte, Bremen richtig geschadet. Auch Sie als Opposition haben eine Verantwortung. Sie wissen ganz genau, dass der Spitzenplatz bei Kindern in Armut, bei den Schulden und den hohen Sozialausgaben heute so ist – das ist richtig und bedauerlich, und der Senat arbeitet daran, damit es mittelfristig, langfristig anders wird –, und Sie wissen erstens, dass so etwas nicht schnell geht, und zweitens wissen Sie auch ganz genau, dass dieser Zustand nach zwölf Jahren Großer Koalition ganz genauso war. Hören Sie auf, mit solchen Dingen hier Politik zu machen! Das nimmt Ihnen draußen sowieso keiner ab,

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Aber es ist Ihr zentrales politisches Anliegen!)

sondern das ist eines der Probleme, die die Bevölkerung mit der Politik hat, diese Art der Unredlichkeit.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir bräuchten, um das zu machen, was die LINKEN verlangen, einen Nachtragshaushalt. Herr Dr. Kuhn hat darauf hingewiesen, dass wir das Geld in diesem Tempo auch gar nicht mehr ausgeben könnten. Sie unterschätzen völlig, welche Planungsvorläufe öffentliche Ausgaben haben. Im Übrigen ist es auch nicht richtig, dass die anderen Bundesländer das alles vollkommen in Ordnung finden würden, weil neben dem, das Sie hier zitiert haben, also der Größe, wie viel wir konjunkturbereinigt an Krediten aufnehmen dürften beziehungsweise welche Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben existieren darf, auch die Frage der Steigerung der öffentlichen Haushalte eine große Rolle spielen wird. Gnade uns Gott, wenn Bremen, dieses Bundesland, in der Lage, in der es ist, einen Spitzenplatz bei den Steigerungsraten im Bundesgebiet einnimmt! Mit mir als Finanzsenatorin und mit diesem Senat wird es diesen Platz nicht geben. Den allerdings würden wir erklimmen, wenn wir jetzt sagen, ach, wie schön, wir können diese rechnerischen Spielräume, die übrigens einmalig sind und die in den nächsten Jahren gewaltig weniger werden, ruhig ausgeben.

Ich möchte nicht, dass wir die Haushalte so auf Kante nähen, dass wir das ganze Jahr über zittern müssen, ob wir unsere 300 Millionen Euro bekommen. Das wäre absolut unverantwortlich, und deshalb bin ich sehr froh, dass sich dieses Jahr so positiv entwickelt. Es wird uns, wenn wir jetzt Ausgabendisziplin wahren – und darum bitte ich hier alle! –, das Leben, das in den nächsten Jahren schwer wird, ein kleines bisschen leichter machen, wenn wir der

Versuchung widerstehen, dieses Geld auch auszugeben.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. R u p p [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Rupp?

Gern!

Bitte, Herr Abgeordneter!

Frau Bürgermeisterin, gibt es in Ihrem Haus Abschätzungen, ob es Alternativen zur Vermeidung einer Neuverschuldung gibt? Ich betone es jetzt, weil ich möglicherweise das Wort Entschuldung in den Mund genommen habe, aber selbstverständlich weiß, dass es nur um die Vermeidung einer Neuverschuldung geht. Gibt es in Ihrem Haus Berechnungen, an welcher Stelle gegebenenfalls tatsächlich vorhandene Spielräume im Rahmen des Konsolidierungspfades wirtschaftlich effektiver eingesetzt werden könnten als bei der Vermeidung einer Neuverschuldung?

Wir vermeiden keine Neuverschuldung, sondern in diesem Jahr – das habe ich schon erwähnt – liegt die Kreditermächtigung bei circa einer Milliarde Euro. Wir vermeiden sie nicht, sondern wir müssen uns leider massiv weiter verschulden. Ihre Frage zielt aber darauf, ob es Möglichkeiten oder Investitionsmaßnahmen des Staates gibt oder Tätigkeiten, die am Ende einen Wert erzielen, der höher liegt als die Zinsen, die der Kredit auslöst. Herr Dr. Kuhn hat ja schon auf das 30- und 20-MillionenEuro-Programm hingewiesen, das wir im nächsten und übernächsten Jahr versuchen werden, aus einem kleinen Teil rechnerischer Spielräume zu entwickeln. Die Maßstäbe, die wir daran anlegen, sind sehr hoch, und es wird auch ein ganz langer Planungsvorlauf benötigt. Diese Maßnahmen werden wir versuchen, in einem ganz beschränkten Umfang zu nutzen, wenn sich das Parlament damit einverstanden erklärt. Es gibt also Überlegungen, aber wir werden die 100 Millionen Euro, die Sie hier im Blick haben, in diesem Jahr auf keinen Fall ausgeben.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Rupp?

Gern!

Bitte, Herr Abgeordneter!

Ich habe im Bericht des Rechnungshofs gelesen, dass es beim Sondervermö

gen Häfen einen Investitions- und Sanierungsstau von ungefähr 145 Millionen Euro gibt. Gibt es Betrachtungen darüber, welche Folgekosten entstehen, wenn wir diesen Sanierungsstau nicht langfristig auflösen?