Zweitens, wir brauchen einen Mechanismus, der das offenlegt, und wir brauchen eine Möglichkeit, auch frühzeitig darauf zu reagieren. Deswegen bin ich anders als meine Vorredner der festen Überzeugung, dass es keine schnellen und auch keine einfachen Antworten auf diese Krise gegeben hat. Wer jetzt den Eindruck vermittelt, dass mit der Einrichtung oder der Schaffung von Eurobonds das Problem gelöst wäre, meine Damen und Herren, der täuscht! Damit gewinnt man auch nur Zeit, die man sich teuer erkauft.
Wir müssen über Mechanismen reden, durch die wir in Zukunft überhaupt nicht in die Lage geraten, in der wir heute sind. Das ist meine feste Überzeugung, und das ist übrigens auch die Aufgabe des nächsten Schrittes nach dem Euro-Rettungsschirm, der uns ja nur Zeit gibt, die grundlegenden Fragen zu lösen. Es wird die Aufgabe sein, Mechanismen zu entwickeln, die erstens dazu führen, dass so etwas in Zukunft vermeidbar ist und uns zweitens auch in die Lage versetzen, dass es auch am Ende entsprechend solidarisch innerhalb der Europäischen Union gelöst wird.
Solche Prozesse, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind schwierig, und sie gelingen nicht über Nacht, und einfache, wechselseitige Schuldzuweisungen helfen uns nicht weiter. Der Friedensnobelpreisträger und langjährige frühere Bundeskanzler Willy Brandt hat einmal gesagt: Mit den europäischen Verhandlungen ist es so wie mit dem Liebesspiel von Elefanten. Alles findet auf hoher Ebene statt, wirbelt viel Staub auf, und es dauert lange, bis etwas dabei herauskommt, und deswegen gibt es eben nicht die schnelle Antwort auf die Krise.
Ich kann uns nur alle ermuntern, auch in unserem eigenen Interesse als überzeugte Europäer, in unserem eigenen Interesse als ein Land, das immer von der wirtschaftlichen Stärke des Euros und der Eurozone profitiert hat, als zwei Städte, die von Internationalität und Exportabhängigkeit viel ihres Wohlstands selbst aus diesen Bereichen erwirtschaften, mit Augenmaß vorzugehen und für Europa die richtigen Entscheidungen zu treffen, damit Europa auch in Zukunft ein Garant für Frieden, Freiheit und Wohlstand und die gemeinsame europäische Währung ein stabiler Anker für den Handel innerhalb Europas und von Europa ist und damit wir am Ende in der Lage sind, solche Situationen wie die derzeitige mit einem transparenten, wirkungsvollen und am Ende erfolgreichen Mechanismus zu bewältigen. Das wird unsere gemeinsame Aufgabe sein.
te Mehrheit, nicht nur von CDU und FDP, sondern auch von SPD und Grünen, für den Rettungsschirm geben wird, und wir begrüßen auch ausdrücklich, dass der Senat beschlossen hat, sich am Freitag im Bundesrat auch an dieser Debatte zu beteiligen und insbesondere dem Rettungsschirm zuzustimmen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin ein bisschen überrascht, dass nun eine Debatte der staatstragenden Erklärungen vorweggeht und wir nicht im Wesentlichen darüber diskutieren, was jetzt eigentlich morgen auf der Tagesordnung im Bundestag steht und welche Probleme es damit möglicherweise gibt. Ich kann dem durchaus etwas hinzufügen – ich nehme Herrn Dr. Kuhn ausgesprochen aus, er hat eigentlich einen guten Aufschlag für die Debatte gemacht, aber wir sind jetzt bei den Bekenntnissen –: Ich bin sehr froh darüber, dass die CDU ein Europa des Friedens, des sozialen Fortschritts und der Demokratie will. Das sind Ziele, die wir teilen. Wir wollen auch ein Europa ohne Grenzen, aber dieses friedliche Europa, dieses Europa der sozialen Perspektiven und ohne Grenzen wird es in einem Europa ohne Regeln nicht geben.
Wir haben jetzt ein Europa, das Krieg führt, wir haben jetzt ein Europa des Sozialdumpings, wir haben jetzt ein Europa der ruinösen Konkurrenz einzelner Staaten untereinander innerhalb eines vermeintlich gemeinsamen Projektes. Wir haben ein Europa der Privatisierung, eines der Entmachtung von Staaten und des Demokratieverlusts. Deswegen wird ein Europa ohne Regeln nicht funktionieren.
Wir brauchen Regeln, wir brauchen soziale Regeln, wir brauchen ganz dringend gemeinsame soziale Standards und einen gemeinsamen Mindestlohn in Europa. Wir brauchen dringend Regeln – das wurde schon gesagt – für die Eindämmung der Finanzmärkte, wir brauchen dringend gerechte Steuern in Europa und so etwas wie einen europäischen Länderfinanzausgleich.
Wir wollen einmal konkret zu dem kommen, was morgen auf der Tagesordnung steht! Morgen soll ein europäischer Stabilitätsmechanismus beschlossen werden. Der Vorteil daran, Abgeordneter zu sein, ist, dass man oft in die Situation kommt, innerhalb von zwei Tagen Experte für alle erdenklichen Dinge sein zu müssen, und ich habe auch versucht, mich entsprechend dem, was innerhalb von zwei Tagen an ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Informationen zugänglich ist, so schlau wie möglich zu machen. Ich habe Folgendes gelernt: Der europäische Stabilitätsmechanismus soll so etwas werden wie eine Bad Bank, also eine böse oder eine schlechte Bank, mit ungefähr 700 Milliarden Euro Kapital sein, wovon sie in irgendeiner Weise 620 Milliarden Euro zur Verfügung hat, um in Not geratenen Ländern zinsgünstige Kredite zu geben oder deren Staatsanleihen, die auf dem normalen Markt nichts mehr wert sind, in irgendeiner Weise zu kaufen. Das ist eine Menge Geld, und es ist der Sinn dieser Übung, diesen Ländern tatsächlich kurzfristig aus ihrer unangenehmen Lage zu helfen. So weit ist das auch erst einmal nachvollziehbar.
Ich finde es schwierig, dass diese Hilfe daran geknüpft ist, dass diese Länder zu sogenannten Sparpaketen gezwungen werden, die im Wesentlichen auf die Reduzierung des öffentlichen Dienstes, Sozialdumping, Privatisierung und auch die Aufkündigung von sozialer Daseinsvorsorge hinauslaufen. Das finde ich schwierig bei dieser Übung, und das hat zunächst nichts mit Hilfe zu tun, sondern es ist oftmals an der Grenze der Erpressung.
Es gibt ein Beispiel, das ich bezeichnend fand. Wer den „Spiegel“ zu diesem Thema gelesen hat, kennt dieses Beispiel schon: In Griechenland gab es 34 000 Lizenzen für Lkw-Fahrer. Diese wurden in der Vergangenheit immer vom Vater auf den Sohn vererbt und waren so etwas wie ein Familieneinkommen und eine Altersvorsorge gleichzeitig.
Jetzt hat die Europäische Union gesagt: Ihr bekommt Hilfen, wenn Ihr diese Dinge aufkündigt und mehr Lizenzen verteilt. Das ist zunächst erst einmal gar nicht so unlogisch, weil natürlich möglicherweise mehr als 34 000 Lkws gebraucht werden. Wenn damit aber gleichzeitig für 34 000 Familien die aktuelle Existenz und die Altersversorgung gefährdet sind, dann darf man sich nicht wundern, wenn die LkwFahrerinnen und Lkw-Fahrer sagen, nein, das wollen wir nicht so gern, und erst einmal ihren Betrieb schließen. Man muss dann Lösungen finden, die das eine tun, aber nicht den ganzen Berufsstand ins Elend stürzen. Wenn das der Mechanismus eines europäischen Stabilitätsmechanismus ist, finde ich das ausgesprochen kritikwürdig.
Es gibt verschiedene Risiken in diesem Zusammenhang. Ein Risiko sehe ich darin, dass dieser europäische Stabilitätsmechanismus im Wesentlichen eine Umverteilung ist. In der Vergangenheit trug das Risiko, auch für Staatsanleihen, die möglicherweise nicht werthaltig sind, die Bank oder der private Investor, das Unternehmen oder wer auch immer diese Anleihen gekauft hat. Im Wesentlichen waren es private Unternehmen oder Investoren oder Unternehmen, die sich darauf spezialisiert hatten. Platzte diese Staats
anleihe – das war sehr unwahrscheinlich –, dann lag das Risiko bei denen, die diese Anleihen gekauft hatten.
Jetzt ist es so: Jetzt steigt das Risiko, dass sie tatsächlich einmal platzen, jetzt kommt der europäische Stabilitätsmechanismus und sagt, eigentlich kein Problem, wir übernehmen einerseits möglicherweise schlechte Staatsanleihen, andererseits geben wir zinsgünstiges Geld zum Beispiel nach Griechenland, damit sie die Ansprüche und Forderungen ihrer Schuldner befriedigen können, und dieser europäische Stabilitätsmechanismus garantiert sozusagen diese Form von Schulden. Damit ist das Risiko in der Tat auf die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler der anderen Länder, auch der Griechen im Übrigen, aber im Wesentlichen Deutschland, Frankreich und der ökonomisch starken Länder umverteilt.
Die Frage ist, und das wurde schon begründet: Ist das ein hinnehmbares Risiko? Ich sage deutlich, unter Umständen ja, weil es in der Tat so ist, dass die Folgen, etwas nicht zu tun, schwieriger sein können als das, was man jetzt hat oder was man möglicherweise durch diesen europäischen Stabilitätsmechanismus bekommt. Trotzdem bleibt die Tatsache bestehen, es ist eine Umverteilung zugunsten oder zuungunsten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in diesem Land. Wir sichern damit unter anderem Wucherzinsen ab, das heißt, die Zinsen für Staatsanleihen für Griechenland sind in den letzten Tagen und Wochen in einer Weise gestiegen, dass sie sich sehr weit von dem entfernt haben, was die Käuferinnen und Käufer von deutschen Staatsanleihen für Zinsen bezahlen müssen.
Das nächste Risiko ist – das hat die Kollegin Hiller schon erläutert –: Der griechische Staat ist in einer Situation, in der die Schulden so hoch sind, dass selbst zinsgünstige Kredite, die wir über den europäischen Stabilitätsmechanismus möglicherweise nach Griechenland geben, die Verschuldungsspirale und die Schuldenfalle nicht auflösen, weil sie überhaupt nicht in der Lage sind, in irgendeiner Weise – selbst, wenn sie sämtliche Staatsausgaben auf den Prüfstand stellen – diese Schulden zurückzuzahlen. Es ist ein systemisches Problem mit dem europäischen Stabilitätsmechanismus, für den man eine Lösung suchen muss.
Wir sagen also: Der jetzt vorliegende Entwurf ist keine Lösung. Wir sind der Meinung, dass zum Beispiel ohne einen Schuldenerlass für Griechenland dieses Gesetz zum morgigen Zeitpunkt so nicht verabschiedet werden sollte, denn das Problem ist, wenn wir das erst einmal so beschließen, ohne viele andere Dinge, die hier auch schon richtigerweise gefordert sind, wirklich ernsthaft anzugehen, dann laufen wir ernsthaft Gefahr, dass es wieder ein Jahr oder zwei Jahre dauert, bis die Not wieder so groß geworden ist, dass man wieder in eine Situation kommt, in der man unter Umständen einmal Entscheidungen trifft. Das wollen wir nicht abwarten. Berechtigterweise muss man jetzt handeln, und deswegen sind wir eher
der Meinung, dass man diesen europäischen Stabilitätsmechanismus morgen noch nicht beschließen sollte, sondern dass er dringend einer Erweiterung bedarf, unter anderem um einen Schuldenerlass.
(Beifall bei der LINKEN – Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen]: Alle oder nur ein paar, oder was?)
Es gibt einen Aufruf – der Kollege Dr. Kuhn fragt, alle oder ein paar –, den, glaube ich, zehn namhafte Ökonominnen und Ökonomen unterschrieben haben. Ich habe ihn dort liegen, es sind wirklich namhafte europäische Experten dabei, die sagen: Wir brauchen 50 Prozent Schuldenerlass für Griechenland und den europäischen Stabilitätsmechanismus. Die Frage ist: Wird das morgen gemeinsam so beschlossen? Meiner Meinung nach nicht, und wenn nicht, dann muss man meiner Meinung nach darüber noch einen Augenblick nachdenken! Das Zweite ist, und ich sage es hier noch einmal – ich bin an dieser Stelle in diesem Hause für diese Äußerung diverse Male ausgelacht, verspottet und für unklug bezichtigt worden –: Es ist nach wie vor so, dass nicht ausschließlich zumindest, sondern zum überwiegenden Teil, nicht die Schulden das Problem sind, sondern dass wir ein ökonomisches Problem mit anwachsendem privatem Reichtum haben.
Es ist eine ökonomische Binsenweisheit, dass es dort, wo es Schulden gibt, auch Forderungen gibt, und dort, wo es Forderungen gibt, Zinseinkünfte gibt, und dort, wo es Zinseinkünfte gibt, Guthaben vorhanden sind. Mittlerweile hat der private Reichtum auch in Deutschland eine Größenordnung erreicht, würde man ihn besteuern, wäre es deutlich leichter, unsere eigene Verschuldung und die Verschuldung Griechenlands in irgendeiner Weise aufzulösen. Wir reden immer über eine Schuldenkrise, ich glaube, in Wahrheit haben die demokratischen Staaten in Europa, in den USA und möglicherweise auch in Japan eine permanente Krise der nicht auskömmlichen steuerlichen Einnahmen, die sie durch weitere Kürzungen, durch weiteres Sparen, durch weiteres Reduzieren staatlicher Aufgaben keinesfalls in nächster Zeit in irgendeiner Weise in den Griff bekommen. Es ist absurd! Seit Jahren werden Steuererleichterungen versprochen. Diese Steuererleichterungen waren ja in aller Regel kreditfinanziert, weil man sagt, wenn wir die Steuern senken, dann boomt die Wirtschaft. Die Wirtschaft hat geboomt, aber dadurch, dass die Steuern so niedrig waren, sind sie nicht im ausreichenden Maße zurückgeflossen, und diejenigen, die das Geld über Steuererleichterungen bekommen haben, waren in der Lage, Staatsanleihen zu kaufen und bekommen jetzt für diese gesenkten Steuern sogar noch Zinsen. Das ist meines Erachtens an Absurdität überhaupt nicht zu überbieten.
Deswegen bin ich der Meinung, dass man in diesem Zusammenhang sehr wohl über die Regulierung der Finanzmärkte reden muss, aber im Wesentlichen auch über europaweit gerechte Steuern auf Vermögen, auf hohe Einkommen, Erbschaften und hohe Gewinne. Ansonsten löst man diese systemische Krise dieses Europas nicht, weil es eben nicht ausschließlich eine Schuldenkrise ist, sondern im Wesentlichen eine Krise der öffentlichen Einnahmen.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Morgen wird der Bundestag endgültig über den reformierten Europäischen Rettungsschirm, EFSF, abstimmen, der dann ab Mitte 2013 in den dauerhaften Europäischen Stabilitätsmechanismus umgewandelt wird. Wir BÜRGER IN WUT sprechen uns ausdrücklich gegen den Rettungsschirm aus, gegen das Rettungspaket, denn es stellt keine dauerhafte Strategie zur Lösung der Schuldenkrise dar. Vielmehr bringen die geplanten Maßnahmen Risiken in Milliardenhöhe für Deutschland mit sich. Ich komme jetzt noch im Einzelnen darauf.
Die Summen für das geplante Rettungspaket sind gigantisch. Um das effektive Kreditvolumen von 440 Milliarden Euro zu ermöglichen, wurden die Garantien der 17 beteiligten Länder von 440 auf 780 Milliarden Euro aufgestockt. Der deutsche Garantieanteil am Rettungspaket steigt damit von 123 auf 211 Milliarden Euro. Doch das dürfte erst der Anfang sein. Wenn auch große Euro-Länder wie Spanien oder Italien in eine finanzielle Notlage geraten, muss das Gesamtvolumen vervierfacht werden, um den Untergang der Gemeinschaftswährung zu verhindern. Weil zuletzt auch Italien als drittgrößte Volkswirtschaft Europas wegen seines hohen Staatsdefizits in den Fokus der Finanzmärkte geraten ist, hat die Europäische Zentralbank bereits eine Verdoppelung des Rettungsschirms auf 1,5 Billionen Euro gefordert.
Meine Damen und Herren, morgen wird der Bundestag nicht nur über die umstrittene Erhöhung, sondern auch über die Ausweitung der Aufgaben des Rettungsschirms abstimmen. Demnach soll der Europäische Rettungsschirm die ihm zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel einsetzen, um marode Banken zu stützen. Was heißt das im Klartext? Das heißt, Deutschland muss dann auch offiziell für ausländische Kreditinstitute einstehen, die sich bei der Zockerei mit hoch rentablen Staatsanleihen verspekuliert haben und deshalb in eine finanzielle Notlage geraten sind. Außerdem kann der Rettungsschirm Schuldverschreibungen direkt von angeschlagenen Staaten abkaufen, um ihnen neue Liquidität zur Deckung ihrer Verbindlichkeiten zu verschaffen.
Damit wird de facto eine Transferunion in der Eurozone geschaffen, denn das Geld für diese Käufe kommt von den reichen Mitgliedsstaaten, wie zum Beispiel Deutschland, und fließt durch den Erwerb der Anleihen über den Rettungsschirm in die Schuldenstaaten, wie zum Beispiel Griechenland und Portugal. Sollten die Staatsanleihen Griechenlands bei einer auch formalen Insolvenz des Landes ganz oder teilweise wertlos werden, wird das die Bilanz der Europäischen Zentralbank so stark belasten, dass sie ihrerseits Insolvenz anmelden muss.
Die Europäische Zentralbank hält derzeit Anleihen überschuldeter Eurostaaten im Wert von etwa 130 Milliarden Euro, davon circa 50 Milliarden Euro allein aus Griechenland. Um diese Insolvenz dann zu verhindern, müsste die Europäische Zentralbank von ihren Mitgliedern rekapitalisiert werden, sprich, es wäre Geld nachzuschießen. Deutschland ist am Kapital der Europäischen Zentralbank, bezogen auf die Staaten der Eurozone, mit 27 Prozent beteiligt, das heißt, es ist klar, wer dann die Zeche zahlt. Das sind dann die Steuerzahler in Deutschland.
Darüber hinaus hat die Deutsche Bundesbank sogenannte Target-Forderungen gegenüber der Europäischen Zentralbank, die aus Leistungsbilanzdefiziten hoch verschuldeter Eurostaaten wie Griechenland, Irland und Portugal gegenüber Deutschland resultieren. Diese Forderungen der Deutschen Bundesbank beliefen sich bis Ende März auf 323 Milliarden Euro. Bricht das europäische Finanzsystem zusammen, wird der daraus resultierende Ausfall der Target-Forderungen auch die Deutsche Bundesbank in den Abgrund reißen. Für diese Verluste stehen dann ebenfalls nur die deutschen Steuerzahler zur Verfügung. Die Dimension der Finanzkrise ist also weitaus größer, als von der Bundesregierung zugegeben.
Meine Damen und Herren, finanzstarke Mitgliedsstaaten in Europa müssen im Ergebnis für die Verbindlichkeiten von Euro-Ländern geradestehen, die schlecht gewirtschaftet oder über ihre Verhältnisse gelebt haben. Das verstößt gegen die europäischen Verträge, die die Nichtbeistandsklausel – also die Haftung für Verbindlichkeiten einzelner Eurostaaten durch die Europäische Union oder ihre Mitglieder – explizit ausschließen. Die Nichtbeistandsklausel war eines der zentralen Versprechen der deutschen Politik bei Einführung des Euro. Dieses Versprechen, das bereits durch die Hilfen für Griechenland, Irland und Portugal gebrochen worden ist, wird mit dem Euro-Rettungsschirm endgültig ad acta gelegt.
Die Verpflichtungen in Höhe von 211 Milliarden Euro, die Berlin auf EU-Ebene eingegangen ist, bergen erhebliche Gefahren für den deutschen Haushalt. Zum Vergleich: Die Haushaltsplanungen des Bundes für 2011 sehen Einnahmen von etwa 300 Milliarden Euro vor. Die Politik setzt also große Teile des deutschen Steueraufkommens für die Staatsschulden maroder Euro-Staaten ein. Kommt es dann tatsächlich zu Zahlungsausfällen, die zumindest mit Blick auf Griechen
land sehr wahrscheinlich sind, sind weitere Sparmaßnahmen in Deutschland und damit Einschnitte bei den öffentlichen Leistungen unabwendbar. Gleichzeitig wird die Neuverschuldung steigen, und das erhöht die Zinslast des Bundes. Weil Kapital, das als Darlehen in angeschlagene Euro-Staaten fließt, nicht für Investitionen im eigenen Land zur Verfügung steht, wird das Wirtschaftswachstum abgeschwächt. Das bedeutet weniger Arbeitsplätze und geringere Einnahmen bei Steuern und Sozialabgaben.
Mit dem Euro-Rettungsschirm kommen auf Deutschland Risiken in Milliardenhöhe zu, die nicht nur heutige Steuerzahler, sondern auch zukünftige Generationen belasten werden. Wir BÜRGER IN WUT sind deshalb der Auffassung, dass der Deutsche Bundestag dem Gesetz nicht zustimmen darf. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Timke, Sie sind im Europaausschuss. Ich dachte immer, dass Sie von Europa durchaus ein positives Bild haben. Das, was Sie jetzt hier gesagt haben, zeigt, welche Auffassung BÜRGER IN WUT wirklich haben. Es sind Anti-Europäer, die sagen: Wir wollen eigentlich gar nichts machen, denn das, was jetzt passiert, wird alles schlimm, Politik kann nicht gestalten, und deswegen halten wir uns da heraus und lehnen alles Weitere ab.
Ich kann nicht verstehen, welche Stimmung Sie hier darlegen, nachdem sich hier heute alle Fraktionen bemüht haben, ernsthaft mit diesem Thema umzugehen. Sie skizzieren eigentlich nur ein Szenario und diesen – ich nenne das einmal – Kasinokapitalismus, der sich immer weiter ausdehnt, dem wir entgegenzustehen versuchen und auch um Einheit zu erreichen. Ich verstehe an dieser Stelle Ihren politischen Gestaltungswillen überhaupt nicht. Dann kann man eigentlich einpacken und gehen.
Ich hatte mich eigentlich gemeldet, um auch noch einmal auf Herrn Röwekamp einzugehen, der etwas zu Griechenland, der Staatskrise und der Überschuldung gesagt hat. Die Frage ist natürlich: Damals, als Griechenland der Europäischen Union beigetreten ist, hatte da nicht Deutschland ein nationales Interesse am Beitritt, damit der Export und die Wirtschaft besser funktionieren? Es ist sicherlich bekannt, dass ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
es Schwierigkeiten gab, aber es waren nicht alle Griechen, sondern es waren bestimmte Familien – das kann man überall lesen –, die sich über Korruption das Vermögen zugeschachert und keine Verantwortung für den gesamten Staat übernommen haben. Deswegen ist diese Überschuldung auch immer stärker geworden.
Wir können doch nicht erwarten, dass Griechenland die gleiche volkswirtschaftliche Strategie wie Deutschland wählt. Griechenland ist kein Exportland, wir hingegen schon. Wir exportieren 60 Prozent der Waren allein in die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Das kann Griechenland gar nicht machen. Wir freuen uns und können dort einen Urlaub verbringen, wir finden das alles ganz prima. Jetzt kann man lesen, dass sogar die Kanzlerin und ihr Vizekanzler gemeinsame Sänger haben, Udo Jürgens hat damals auch vom griechischen Wein gesungen. Man muss das doch genau und differenziert darstellen und kann nicht sagen, die Griechen sind selbst schuld, deswegen müssen sie hart sparen. Das schaffen sie gar nicht. Sie, Herr Röwekamp, wissen ganz genau, dass sie das aus eigener Kraft gar nicht schaffen werden.
Wenn man das historisch betrachtet – ich habe vorhin darauf verzichtet, das ist das, was Herr Dr. Kuhn schon dargestellt hat –, muss man den Vertrag von Maastricht nehmen. Damals wurde darüber debattiert, wie stark wird Europa zusammengehen. Jaques Delors hat sehr stark dafür gewirkt, dass wir eine noch stärkere Union werden. Das war nicht gewollt. Es war ein ganz klares Anliegen, einen wirtschaftlichen Binnenmarkt und Zusammenschluss zu erreichen, ohne die anderen Dinge auszuschlagen. Wenn man schon damals gesagt hätte, wir wollen auch die Finanzen einschließen und zu einer wirklichen Union wachsen, auch zu einer sozialen, dann wären vielleicht manche Dinge, die jetzt auf dem Tisch liegen, so nicht geschehen.