Protocol of the Session on August 28, 2013

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Golasowski.

Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort, Drucksache 18/969, auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.

Ich gehe davon aus, Herr Staatsrat, dass Sie die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE nicht mündlich wiederholen möchten.

Ich frage, ob in eine Aussprache eingetreten werden soll. – Das ist der Fall.

Die Aussprache ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bernhard.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben im Januar begonnen, darüber zu debattieren, wie wir mit den Bewohnern und Bewohnerinnen der Kaisen-Häuser umgehen sollen. Anlass war der Abriss des Kaisen-Hauses von Herrn Geiger, der in dem Zusammenhang wohnungslos gemacht wurde.

(Abg. Frau D r. S c h a e f e r [Bündnis 90/ Die Grünen]: Er hat ja eine Wohnung! Es ist ja nicht so, als wenn er wohnungslos wäre!) ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft. (A) (C)

Ja, das ist jetzt eine Frage der Interpretation, jedenfalls war das sein Heim, und das hatte er danach nicht mehr!

Wir hatten eine ausführliche Diskussion über meine Frage in der Fragestunde geführt, und ich hatte eigentlich den Eindruck, dass wir einen Konsens darüber hatten, dass wir den Vorgang, so, wie er dort durchgeführt worden ist, nicht wieder erleben wollen, das war ungefähr der Tenor. Außerdem war mein Eindruck, dass es niemanden stört, wenn es ein paar Hundert Menschen gibt, die in den Kaisen-Häusern leben, und der einzige Grund, der für diesen Abriss vorgebracht wurde, war, dass man nicht wieder gegen einen Schwarzbau vorgehen kann, wenn man an der Stelle nicht entsprechend handelt und exzerpiert.

Wir sind übereingekommen, dass man eine Lösung finden muss, wie es mit den Kaisen-Häusern weitergehen soll. Von dieser Aufgabenstellung, über die wir uns eigentlich im Januar verständigt hatten – das war jedenfalls meine Auswertung der Antwort auf unsere Frage –, ist der Senat inzwischen wieder abgerückt. Sie können mich gern in der weiteren Debatte korrigieren, aber die Antwort zielt darauf ab, dass es keine Ausnahmen, keine Duldung und keine Sonderfälle geben soll.

Wir haben eine Vielzahl von Möglichkeiten abgefragt, und nichts davon wird in Betracht gezogen, der Senat will keine dieser Möglichkeiten verfolgen. Er plant eine minimale Überarbeitung der berüchtigten Dienstanweisung 422. Ich kann Ihnen empfehlen, diese Dienstanweisung 422 zu lesen, sie bedeutet letztendlich, dass es darauf hinauslaufen wird, die Bewohner und Bewohnerinnen der Kaisen-Häuser dort wohnen lassen zu wollen, die noch die Möglichkeit dazu haben, aber grundsätzlich Perspektive für jegliches Wohnen in Kleingartengebieten zu verhindern. Das ist das Ziel, und ich halte dieses Ziel für falsch.

Es wird immer Menschen geben, die in Kleingartengebieten wohnen. Warum denn auch nicht? Es ist ein Stück Bremer Tradition, und wir haben uns hier auch schon an anderer Stelle über Traditionen gestritten. Ich bin der Meinung, Bremen wäre ärmer, wenn es diese Kaisen-Häuser nicht gegeben hätte und wenn sie nicht auch fortbestehen dürften. Sie waren ein Ausweg aus der Wohnungsnot in den Zwanzigerjahren, in den Dreißigerjahren haben sich dort Sozialdemokraten und Kommunisten versteckt. Insbesondere nach dem Krieg waren sie ein wesentlicher Schwerpunkt, um letztendlich wohnen und überleben zu können. Ich bin dafür, dass wir dieses Erbe auch bewahren, schätzen und respektieren und diese Tradition nicht aufgeben.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Senat sagt, ihm seien keine Erfahrungen anderer Kommunen mit der Legalisierung ähnlicher Wohnformen bekannt. Dabei gibt es Möglichkeiten!

Wir haben eine Reihe von Urteilen durchgesehen, und wir sind auch auf interessante Beispiele gestoßen. Zum Beispiel gibt es in der Pfalz die sogenannte Pirmasenser Amnestie. Darunter versteht man die Möglichkeit, dass Gemeinden stillschweigend dulden, dass es ohne Genehmigung gebaute Wochenendhäuser gibt. Ich finde, wir sind doch darauf angewiesen, bestimmte Wohnformen einzubeziehen und relativ flexibel reagieren zu können. Das machen wir doch bei Umwidmungen auch. Wir sind dabei zu überlegen, wie Wohnungen zu gewerblichen Räumen und gewerbliche Räume zu Wohnungen werden können, wie man das alles regeln kann. Wir sind dabei zu überlegen, wie Individualisten leben können, wie junge Familien eine Möglichkeit bekommen, wie wir das attraktiver gestalten und bezahlbar machen können. Alles das sind Überlegungen, die wir in den letzten Wochen und Monaten hier aufgestellt haben.

Ich frage mich, warum es nicht möglich ist, darüber nachzudenken, ob man nicht flexible Lösungen einführen kann. Es gibt in praktisch allen Bundesländern Beispiele dafür, und auch in der Bremischen Landesbauordnung ist die Anordnung der Beseitigung eine Kannvorschrift, sie ist keine Mussvorschrift. Es gibt keinen Zwang, dass die Behörde mit Beseitigungsanordnungen reagieren muss. Es gibt ein Willkürverbot im Verwaltungsrecht, das verlangt, dass Gleiches gleich behandelt wird und es außerdem erlaubt, Ungleiches ungleich zu behandeln. So hat sich das auch in einem ähnlichen Fall ereignet.

Ich möchte, dass wir selbstverständlich darüber nachdenken, wie Willkür verboten wird. Es muss Raster geben, es muss auch eine Anweisung geben, die Kriterien enthält. Es muss auch Regeln geben, aber warum können wir nicht sagen, wir wollen eine bestimmte Dichte, eine bestimmte Quote, bestimmte einzelvertragliche Regelungen? Warum ist das alles nicht möglich?

(Beifall bei der LINKEN)

Auch wenn ein Bau illegal ist, ist er zunächst erst einmal Eigentum, und man braucht gute Gründe, um dieses Eigentum zu zerstören. Der Gehalt des Eigentumsbegriffs ist nicht statisch, sondern er ist durchaus flexibel, und er entwickelt sich auch im Laufe der Zeit durch gewohnheitsrechtliche Praxis.

Ich möchte, dass dieser Senat trotzdem darüber nachdenkt, wie wir zu anderen Lösungen kommen und nicht von vornherein festlegt, dass dieses Ziel in Blei gegossen wird in dem Sinne, dass ein Bewohnen dieser Kaisen-Häuser nicht möglich ist. Wir haben ja durchaus auch Wochenendgebiete, wir haben abgestufte Möglichkeiten, und ich verstehe nicht, warum wir nicht sagen können, dass diejenigen, die dort aktuell wohnen, nicht auch weiterhin die Möglichkeit dazu bekommen sollen. Es ist doch mitnichten so, in keinem Bundesland, dass jetzt in großer Zahl

Wohnungen in Kleingartengebieten entstehen. Das ist doch nicht die Realität, das müssen wir doch einräumen!

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Wenn man das freigeben würde!)

Deswegen möchte ich, dass mehr dabei herauskommt als eine sehr gering veränderte Dienstanweisung 422. Ich möchte nicht, dass immer wieder zur Sprache gebracht wird, es habe eine negative Vorbildwirkung, sondern ich möchte, dass wir praktisch anerkennen, was es dort gegeben hat, und auch weiter diese Möglichkeiten bestehen unter der Maßgabe, dass entsprechende Kriterien gefunden werden, auch unter Einbeziehung der Tatsache, dass dies mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht sehr viel genutzt wird. – Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Schaefer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Abriss des Behelfsheims von Herrn Geiger Anfang Januar 2013 sorgte für große Verunsicherung unter den Bewohnern der Kaisen-Häuser und innerhalb der Kleingartengebiete.

Ja, es stimmt, wir haben gesagt, der Fall Geiger darf sich so nicht wiederholen. Deswegen gab es eine Debatte in der Bürgerschaft, und es gab auch einen Beschluss dazu, weil wir – und das ist mir sehr wichtig! – natürlich nicht nur Gespräche mit dem Landesverband der Gartenfreunde führen, sondern auch mit Kleingärtnern und Vorsitzenden von Kleingartenvereinen. Es gab auch eine Verunsicherung unter den Bewohnern der Kaisen-Häuser, die ein Auswohnrecht haben, und deswegen lassen Sie mich zu ihrer Beruhigung erst einmal sagen: Wer jetzt schon auswohnberechtigt ist, der behält natürlich auch sein Auswohnrecht.

Was haben wir beschlossen? Wir haben beschlossen, dass wir keinen Abriss von bewohnten Behelfsheimen wollen, die illegal bewohnt sind, bis ein Konzept vorliegt, wie mit diesen strittigen Objekten umgegangen werden soll. Wir haben gesagt, uns ist es wichtig, dass Ehepartner ein Auswohnrecht bekommen, und wir wollen einen umfangreichen Beteiligungsprozess mit allen Interessengruppen, nämlich mit den Beiräten, mit dem Landesverband der Gartenfreunde, aber auch mit den Kleingartenverbänden. Diesen Prozess fordern wir auch ein. Bisher hat er gar nicht stattgefunden, und insofern bin ich ein bisschen erstaunt – das ging mir gestern ehrlich gesagt auch bei der Frage der Rekommunalisierung so –, dass DIE LINKE meint, das Ergebnis schon vorher zu kennen, bevor überhaupt Beteiligungsprozesse gestartet sind.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, warum ist so ein Beteiligungsprozess notwendig? Bei den Gesprächen stellt man fest, dass es selbst innerhalb des Landesverbandes der Gartenfreunde unterschiedliche Strömungen gibt. Die einen wollen auf keinen Fall, dass dort das Wohnen erlaubt wird, sie lehnen das kategorisch ab, sie verweisen auf die Ziele eines Kleingartengebietes, nämlich Naherholung und Gartenbau. Natürlich gibt es auch Kleingartenvereine, die das Wohnen dulden oder erlauben wollen, das heißt, innerhalb einer Interessengruppe gibt es schon unterschiedliche Strömungen. Zu beachten sind aber auch die Ergebnisse des runden Tisches, der einst von Herrn Kudella moderiert wurde, an dem auch eine Vereinbarung mit den Beiräten getroffen worden ist, an die sich bisher der Senat oder die Behörde auch gehalten hat. Es gibt das Bundeskleingartengesetz, ich finde, das muss dringend novelliert werden. Ich finde es in vielen Bereichen sehr kleinkariert, aber es gilt erst einmal, und es gilt auch die Landesbauordnung. Wir wollen, dass das Konzept für den Beteiligungsprozess am Ende eine Lösung aufzeigt, wie mit den illegal bewohnten Behelfsheimen in Zukunft umgegangen werden soll. Meiner Meinung nach muss es eine Prioritätenliste geben, denn wir haben ein viel größeres Problem, wir haben eine sehr große Anzahl verfallener, kaputter, brachliegender Häuser in den Parzellen. Ich finde, man sollte erst einmal alle brachliegenden, verfallenen Häuser abreißen, bevor man ein Behelfsheim, das illegal bewohnt ist, abreißt, denn die verfallenen Häuser haben einen großen negativen Effekt auf das Umfeld.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wenn man sich die bewohnten Behelfsheime anschaut, dann, glaube ich, muss man das von Einzelfall zu Einzelfall bewerten und entscheiden. Es gibt unterschiedliche Hygienestandards, es gibt Häuser, in denen es keine Toiletten gibt, das muss man einfach auch einmal zur Kenntnis nehmen. Mich erreichte jetzt gerade ein Fall, der mich aus Umweltschutzgründen oder aus wasserrechtlicher Sicht beunruhigt. Es gibt nämlich Behelfsheime, in denen es einfache Ölheizungen gibt, und das in Kleingartengebieten neben der Weser! Dort gibt es dann Öltanks, und ich glaube, das ist wasserrechtlich gar nicht erlaubt. Das sind auch Probleme, die man dann angehen muss, genauso wie – das haben Sie auch in Ihrer Antwort auf die Anfrage erläutert – die Erreichbarkeit durch Krankenwagen und Feuerwehren, die berücksichtigt werden muss. Fazit: Wir brauchen erst einmal die Ergebnisse dieses Prozesses, wir müssen das Konzept abwarten, und ich bitte den Senat eindringlich, diesen Prozess jetzt auch zu beginnen. Wir wollen endlich darüber dis

kutieren, wir wollen dann Kriterien definieren, eine Prioritätenliste erstellen, wann Abrisse erfolgen sollen, nach welchen Kriterien diese Abrisse erfolgen oder nicht erfolgen, ob wir das Wohnen möglich machen, ob es Duldungen gibt oder nicht. Das ist am Ende das Ergebnis eines Prozesses. Wir müssen definitiv das Problem der leer stehenden verfallenen Parzellen in den Griff bekommen, und ich als Grüne sage, wir wollen definitiv, dass keine Grünflächen zu Baugebieten umdeklariert werden.

Ich fand Ihre Fragen insofern noch ganz interessant, als sie zwei Aspekte aufzeigen, die ich hier auch noch einmal erwähnen möchte, nämlich in Frage 7 und 8 wird die Frage nach der Nachfragesituation und nach dem Altersdurchschnitt gestellt. Wenn man sich die Nachfragesituation nach Kleingärten und Parzellen in Bremen anschaut, so stellt man fest, dass es im Süden, Osten, Norden und in der Mitte keine Leerstände gibt. Auf dem Stadtwerder gibt es eine sehr große Nachfrage, dort gibt es Wartelisten, aber im Bremer Westen haben wir nach wie vor eine Leerstandsproblematik, und ich habe ein Interesse daran, dass wir uns überlegen, wie wir mit dieser Leerstandsproblematik umgehen. Ich kann mir immer noch vorstellen, Parzellen zusammenzuziehen – wir brauchen in Bremen Kompensationsflächen –, und bevor man sie vernachlässigt, brachliegen und verfallen lässt, sollte man daraus lieber Kompensationsflächen, Spielplätze oder Parks für die Naherholung machen, die dann allen Menschen zugutekommen.

Die Frage 8 nach dem Altersdurchschnitt, fand ich, ehrlich gesagt, am interessantesten. Es ist eine bundesweite Statistik, aber ich glaube, sie lässt sich auch auf Bremen gut übertragen. Die Frage war: Wie alt sind die Pächter durchschnittlich? Es stellt sich heraus, dass 3 Prozent der Pächter unter 55 Jahre alt sind.

(Glocke)

Das heißt – ich komme sofort zum Schluss! –, 97 Prozent der Pächter sind über 55 Jahre alt, 40 Prozent zwischen 55 und 49 Jahre, 48 Prozent zwischen 60 und 64 Jahre und 9 Prozent 65 Jahre alt oder älter, und das, glaube ich, ist kein gesundes Altersverhältnis.

Ich glaube, wir sollten uns alle fragen: Wie kann man die Kleingärten attraktiver für jüngere Menschen machen?

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Das fand ich früher auch schlimmer!)

Ja, Sie finden das vielleicht ganz witzig, aber ich glaube, es ist nicht so witzig, weil Kleingärten wichtige Funktionen haben! Sie sind wichtig für die Naherholung, für den Klimaschutz und für die Integration, und wenn wir sie langfristig sichern wollen, dann müssen wir uns auch Gedanken machen, wie wir sie langfristig attraktiver gestalten. Da sind alle gefragt.

Meine Damen und Herren, zum Abschluss: Wir wollen die Kleingärten in Bremen erhalten, wir wollen die Kleingartengebiete im Flächennutzungsplan absichern, wir müssen jetzt den Prozess zur Lösung der Frage der illegalen Behelfsheime starten und eine zufriedenstellende Lösung für alle finden. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Pohlmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eine Sache wurde in beiden Debattenbeiträgen eben schon deutlich: Wir haben uns seit Anfang des Jahres intensiv mit dieser Frage beschäftigt. Wir hatten eine Bürgerschaftssitzung am 12. März dieses Jahres mit einer Beschlussfassung, in dieser Debatte haben wir auch ein Stück weit Bilanz gezogen. Eines aber vorweg, ich bin sehr dankbar, dass diese Fragen von der Fraktion DIE LINKE gestellt worden sind, und ich bin auch sehr dankbar, Herr Staatsrat, dass vonseiten des Ressorts in einer sehr umfangreichen und detaillierten Form die Positionen der Verwaltung auch dargestellt worden sind.

Es ist vollkommen richtig – Frau Kollegin Dr. Schaefer hat es dargestellt –, wir befinden uns mitten in einem Prozess, den wir uns auch selbst verordnet haben, in dem wir einen Beschluss gefasst haben, dass wir darüber debattieren. Wir haben uns auch eine Terminierung der Debatte vorgenommen, und zwar bis zum Ende dieses Jahres. Wir wollen die Vorschläge in der Baudeputation entgegennehmen und auch, das ist mein Verständnis, in der Stadtbürgerschaft vorstellen und gegebenenfalls zu Anträgen oder zu weiteren Aufträgen kommen.

Es ist unbestritten, gestatten Sie mir dies noch einmal zu sagen, nicht nur eine Frage des runden Tisches mit Herrn Kudella an der Spitze aus dem Jahr 2003, sondern es ist jetzt genau 69 Jahre her, im August 1944, als wir einen verheerenden Bombenangriff auf Bremen hatten, die Älteren wissen dies noch aus persönlichem Erleben. Es war ein Ergebnis dieses schrecklichen Krieges und des Faschismus, dass dort vor 69 Jahren über 10 000 Menschen im Bremer Westen gestorben sind. Ein weiteres Resultat davon war, dass im Anschluss über 25 000 Menschen keine Wohnung mehr hatten. Als dann dieser Krieg beendet war und viele Menschen wieder in die Städte zurückkamen – hinzu kam die große Integrationsaufgabe der Menschen, die aus den Ostgebieten zu uns kamen –, hatten wir eine richtig verheerende Wohnungsnot.

Darum war es eine der ersten Aufgaben des damals noch nicht gewählten, aber von der Besatzungsmacht eingesetzten Bürgermeisters Wilhelm Kaisen, schon im Juni 1945 einen Erlass zu verfügen, der es den Menschen erlaubte, sich in ihren Kleingärten und Parzellen

Wohnraum zu schaffen. Das war eine notwendige und richtige Maßnahme gegen das Elend, das vorhanden war, um den Menschen wieder ein Dach über dem Kopf zu ermöglichen. Es ist neben dieser, wie ich glaube, großen Leistung, die die Menschen und die damalige Politik und Verwaltung vollbracht haben, auch ein großes Stück Baukultur entstanden. Ich finde, dass die Kaisen-Häuser ein Stück der Bremer Baugeschichte sind und es – Frau Kollegin Bernhard hat es angesprochen – auf den Parzellen während der Zeit des Faschismus und des Krieges viele Demokraten gab, die dort auch den Kampf gegen die Nazis geführt haben. All das gehört dazu.

Es gab aber auch immer die Frage, ob das Wohnen auf der eigenen Parzelle eine dauerhafte Form sein kann, und dies ist nicht nur eine Frage, die wir in diesem Jahr diskutiert haben, sondern über die ganzen Etappen der bremischen Geschichte. Es gab Ausnahmegenehmigungen und Duldungen, und ich möchte es einmal so sagen, ein entscheidender Schnitt für mich ist – das ist so gar nicht gefragt worden, aber ich glaube, das gehört historisch dazu – eine richtige Gerichtsentscheidung. Herr Staatsrat, ich glaube, es war das Oberverwaltungsgericht Bremen, das im Jahr 1993 in einem Fall eines Parzellenbewohners, der gesagt hat, ich möchte da eigentlich weiter wohnen und sogar anbauen, aber der Nachbar hat gesagt, nein, das geht nicht, eine Gerichtsverhandlung vor Ort am Hagenweg im Kleingartenverein Walle durchgeführt hat. Eine Gerichtsverhandlung vor Ort kommt selten vor, aber so ist es gewesen. Das Ergebnis war, dass der Bremer Senat vonseiten dieses Gerichts aufgefordert worden ist zu handeln. Es gab zwei Möglichkeiten, die erste Möglichkeit, dass die Parzellengebiete weiterhin als Dauerkleingartengebiete ihren Bestand behalten, oder zweitens, dass es jeder Frau und jedem Mann ermöglicht wird, hier zu bauen. Dies war der entscheidende Punkt des Urteils.

Auf dieser Grundlage hat der Bremer Senat dann bis zum Jahr 2003 – das wurde angesprochen mit dem runden Tisch, der von Herrn Kudella moderiert wurde, zum Bereich Waller Feldmark/Am Waller Fleet – diese breiten Debatten geführt, und ich glaube, wer dabei sein konnte, hat selbst miterleben können, wie um Möglichkeiten gerungen wurde, dass man es sozial verträglich gestaltet. Im Kern aber – und ich möchte noch einmal darauf kommen, weil das in dem Debattenbeitrag von der Kollegin Frau Bernhard nach meiner Auffassung nicht ganz richtig dargestellt worden ist – ging es immer um die Frage, ob es möglich ist, auch dort weiterhin zu wohnen. Dies wurde beantwortet, und ich glaube, es wird auch in der Antwort des Senats beantwortet, dass wir vor einer Grundsatzfrage stehen wie im Jahr 1993 vor dem Gericht: Dauerkleingartengebiet oder Wohnmöglichkeiten für alle? Das ist für mich auch noch einmal die deutliche Erkenntnis dessen, was hier in der Antwort des Senats steht. Hier können wir uns auch nicht herausreden, sondern wir müssen diese Frage beantworten.