Protocol of the Session on January 24, 2013

Tagen und Wochen oft über Asylpolitik auf teilweise sehr lokaler Ebene diskutiert haben, richtet sich nun der Blick auf das große Ganze in Europa. Niemand lebt auf einer Insel, weder in der Asylpolitik noch sonst irgendwo, und für Deutschland gilt dies in diesem Fall nicht nur geografisch.

Seit dem Jahr 2003 gilt in der EU die sogenannte Dublin-II-Verordnung, nach der jeweils nur ein Staat für einen eingereichten Asylantrag zuständig ist. In der Regel sind dies natürlich die Staaten an der EUAußengrenze wie Spanien, Griechenland, Italien oder Malta. Diese gelten als sogenannte sichere Drittstaaten, das heißt, dass Abschiebungen von Deutschland dorthin stattfinden, auch wenn nicht gewährleistet werden kann, dass dort gültige Mindestanforderungen eingehalten werden. Die Zustände, die in den EU-Mitgliedstaaten herrschen – wie meine Vorrednerin Frau Dr. Mohammadzadeh schon erwähnt hat –, sind menschenunwürdig und nicht hinnehmbar. Die EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström nannte dies kürzlich eine „grausame Lotterie“.

Je nachdem, wo Flüchtlinge in Europa ankommen, werden sie sehr unterschiedlich behandelt. Während in Deutschland Asylsuchende eine relative Freiheit genießen, werden sie anderswo eingesperrt. Besonders die Staaten an den Außengrenzen, die viele Flüchtlinge aufnehmen, sind da besonders restriktiv. Manche Staaten haben Anerkennungsquoten von 50 Prozent, bei anderen liegen sie bei fast null Prozent. In einigen Staaten dürfen die Asylsuchenden relativ schnell reguläre Arbeit aufnehmen, anderswo werden sie in die Illegalität gedrängt. Deutschland schiebt im wahrsten Sinne des Wortes gesamteuropäische Verantwortung an die südlichen Mitgliedstaaten ab. Zwar gibt es den Versuch, auf EU-Ebene zu mehr gemeinsamen Standards zu kommen, aber die DublinII-Verordnung wird in ihrem Prinzip nicht angetastet. Dabei ist im Vertrag von Lissabon ein gemeinsames Asylrecht verankert, dem auch Deutschland seinerseits zugestimmt hat.

Europa ist nicht nur eine der wohlhabendsten Regionen der Welt, sondern bezeichnet sich auch selbst immer gern als einen Ort der Toleranz, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Trotzdem werden nach wie vor Menschen eingesperrt, obwohl sie keine Straftat begangen haben. Ebenso ist völlig unverständlich, dass in einem EU-Land bestimmte Asylanträge angenommen und in einem anderen abgelehnt werden, selbst wenn die vorgebrachten Gründe identisch sind. Menschenrechte werden nicht national definiert, sondern sind universell gültig. Es ist natürlich immer so, dass bei Verhandlungen auf europäischer Ebene jedes Land versucht, seine Egoismen ein Stück weit durchzusetzen, aber es muss möglich sein, sich zumindest auf gemeinsame Kriterien der Anerkennung beziehungsweise die gegenseitige Anerkennung von Asylanträgen zu einigen. Auch die Zustände, die in einigen Ländern herrschen, sind nicht hinnehmbar.

Ein Mindestmaß an gesundheitlicher und materieller Versorgung steht jedem Menschen zu.

Angesichts der derzeitigen Wirtschafts- und Finanzkrise fällt es einigen Mitgliedstaaten sicher schwer, hier kurzfristig in der Breite für Abhilfe zu sorgen. Deshalb sollten wir langfristig dazu übergehen, die Europäische Union an dieser Stelle nicht als die Summe seiner Nationalstaaten zu begreifen, sondern die Lasten innerhalb Europas gerecht zu verteilen. Anstatt also Menschen von A nach B und dann weiter innerhalb der EU nach C abzuschieben, sollte es zu einer Verteilung nach einem Schlüssel kommen, so wie wir es innerhalb Deutschlands schon seit Langem erfolgreich praktizieren.

Mir ist durchaus klar, das ist Zukunftsmusik. Deutliche Verbesserungen zum Status quo sind aber auch heute und jederzeit schon problemlos möglich und finden auf europäischer Ebene eine Mehrheit. Jetzt ist also die Bundesregierung am Zuge. Deutschland, in Person unseres Innenministers, gilt momentan als einer der Blockierer bei den Verhandlungen in Brüssel. Im Interesse nicht nur der Asylsuchenden, sondern auch zur Verwirklichung der im Vertrag von Lissabon festgehaltenen Ziele ist es an der Zeit, diese Blockade zu beenden. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Grönert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es gibt innerhalb der EU sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie eine sinnvolle Flüchtlingspolitik aussehen könnte, und so ist es leider bisher auch nicht gelungen, gemeinsame europäische Lösungen zu finden. Da nützt es nichts, darauf zu verweisen, dass es schriftliche Vorlagen gibt, die Umsetzung kann nur dadurch erfolgen, dass man alle EU-Staaten in die Pflicht nimmt.

Nicht nur auf EU-Ebene, auch innerhalb Deutschlands gibt es sehr unterschiedliche Forderungen. So sollten nach Meinung mancher die EU-Außengrenzen für Flüchtlinge immer offen sein. Das Dublin-IIAbkommen soll ausgesetzt werden, wobei damit eigentlich sinnvollerweise verhindert werden soll, dass eine Person mehrere Asylanträge stellt und so das System missbraucht. Mit allen diesen Maßnahmen möchte man den verfolgten und notleidenden Menschen der Welt in Deutschland eine neue Heimat geben. Vom ersten Tag an soll jeder freien Zugang zu den Sozialleistungen, zu den Integrationskursen, zum Arbeitsmarkt und zum Gesundheitssystem haben. Mit Blick auf die Not der Flüchtlinge kann ich diese For––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

derung sogar gut verstehen, doch aus meiner Sicht und auch aus Sicht der CDU kann mit der Umsetzung all dieser Forderungen leider keine bessere Welt geschaffen werden.

(Beifall bei der CDU)

Seit dem Jahr 2011 schickt Deutschland übrigens wegen der schlechten Versorgung und Behandlung keine Flüchtlinge mehr nach Griechenland zurück. Somit ist ein Teil der Dublin-II-Verordnung zurzeit ohnehin außer Kraft gesetzt. Deutschland hat sich im Laufe der Jahre mit seinen Sozialsystemen im europäischen Vergleich einen sehr hohen Standard erarbeitet. So ist auch die Grundsicherung in Deutschland verhältnismäßig hoch, und Asylsuchende bekommen hier mit der Anerkennung als Flüchtlinge viel mehr Unterstützung, als sie sie beispielsweise in Lettland, Griechenland, Italien oder Spanien bekommen würden. Natürlich machen sich in einer aufnehmenden Gesellschaft dann auch Sorgen breit, wenn zunehmend mehr Menschen kommen, die sich verständlicherweise ein sicheres Leben erhoffen, was aber wiederum nur durch Teilen und Verzichten der Aufnahmegesellschaft gelingen kann.

In einem Artikel im „Weser-Kurier“ stand im Dezember letzten Jahres Folgendes: Sozialforscher der Universität Bremen unter der Leitung von Professor Dr. Uwe Engel ermittelten in einer repräsentativen Umfrage, dass sich ungefähr 70 Prozent der Deutschen „nur bedingt mit den notleidenden Staaten der EU solidarisch verbunden fühlen“ und Hilfen auf EU-Ebene nicht noch mehr zu eigenen Lasten gehen sollten. Nun aber allen Bundesbürgern, die in der Asylpolitik Aufnahmebegrenzungen und andere Regelungen sinnvoll finden, zu unterstellen, dass sie die Menschenrechte missachten, kann nicht richtig sein. Wir werden den Ländern weltweit, aus denen die Flüchtlinge kommen, auf Dauer nur helfen können, wenn wir darauf achten, unseren eigenen Standard zu erhalten. Deutschland selbst kann und sollte nur begrenzt Flüchtlinge aufnehmen.

Der Weg, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben, ist der sinnvollere Weg. So gehört Deutschland schon lange zu den wichtigsten Staaten bei der Finanzierung der Arbeit des UNHCR, deren Mitarbeiter sich weltweit um den Schutz von Flüchtlingen kümmern. Außerdem nimmt Deutschland im Rahmen des ResettlementProgramms immer wieder Flüchtlinge aus besonders aussichtslosen Situationen auf, die dann sofort als Flüchtlinge anerkannt und dementsprechend unterstützt werden. Die Bundesregierung setzt sich auf EUEbene und weltweit für eine Verbesserung der Lebensbedingungen für Flüchtlinge in ihren Heimatländern ein. Das heißt auch, dass Gelder eingesetzt, Gespräche geführt und auch Fachleute von Deutschland direkt in solche Länder geschickt werden, um Unterstützung zur Selbsthilfe zu geben.

Ich erwarte aber auch, dass EU-Länder wie zum Beispiel Griechenland, Italien oder Spanien endlich Mindestanforderungen im Umgang mit Flüchtlingen akzeptieren und umsetzen. Ich wünsche mir lieber heute noch als morgen, dass Schluss damit ist, dass Flüchtlinge körperlich misshandelt werden, und Haft – besonders für jugendliche Flüchtlinge – und Ruhigstellung durch Medikamente darf es natürlich nicht geben. Deutschlands Umgang mit Flüchtlingen ist in der EU in vielerlei Hinsicht vorbildlich, obwohl es sich natürlich immer lohnt, für Verbesserungen zu kämpfen.

Hier in Bremen haben wir übrigens vieles selbst in der Hand, der Umgang mit den hier lebenden Flüchtlingen wird uns von keiner Stelle vorgeschrieben. Vieles könnte hier direkt vor der eigenen Tür verbessert werden, doch stattdessen wird immer wieder mit dem Finger auf den Bund gezeigt und ihm sogar auch die Missachtung der Menschenrechte unterstellt. Wir brauchen hier eine Clearingstelle, Deutschkurse und Wohnungen für Flüchtlinge.

(Abg. Frau D r. M o h a m m a d z a d e h [Bündnis 90/Die Grünen]: Es geht hier um EU-Asylpolitik und nicht um Bremen!)

Ja, es geht aber auch um Bremen, denn in Bremen könnte man auch noch vieles machen, und hier kann man anfangen!

(Beifall bei der CDU)

Ich verstehe aber natürlich auch, warum Bremen in dem Bereich kein zusätzliches Geld ausgibt, denn dann würden nämlich auch andere die Hand aufhalten, und man kann nicht alle Hände füllen. Obwohl Sie wissen, wie das läuft, verlangen Sie vom Bund, dass er das alles macht, dass er die Gelder woanders abzieht und in dem Bereich einsetzt. Das funktioniert so aber nicht! Wir sind der Überzeugung, dass weder Deutschland noch Bremen die Probleme der Flüchtlingspolitik Europas im Alleingang lösen kann. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab.

(Beifall bei der CDU)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Titel des Antrags heißt „Asylpolitik in Europa: Deutsche Blockade zugunsten von Menschenrechten und Harmonisierung beenden“. Europäische, aber auch deutsche Asylpolitik hat ehrlich gesagt äußerst wenig mit der Einhaltung von Menschenrechten zu tun. Wir werden uns bei diesem Antrag enthalten, weil uns nicht ganz klar ist, was er bezwecken soll. Er ist an einigen ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Punkten unlogisch, unkonkret und vage, ich will das kurz versuchen zu begründen. Die Situation an den Außengrenzen der EU ist uns, glaube ich, allen bekannt, sie war hier auch schon mehrfach Gegenstand der Debatte, das brauche ich nicht noch einmal zu erwähnen. Ich möchte nur in einem Punkt darauf hinweisen, dass sich die Situation für Flüchtlinge in den südeuropäischen Ländern auch im Zeichen der Schuldenkrise immer weiter zuspitzt. Die Situation ist gerade in Griechenland ziemlich dramatisch. Ich möchte an dieser Stelle erwähnen, dass nach dem Sturz Gaddafis in Libyen als Erstes zunächst europäische Emissäre der EU-Grenzschutzund Flüchtlingsbekämpfungsagentur Frontex vorstellig wurden und über Kooperationen gesprochen haben. Frontex und die EU-Mitglieder zahlen der neuen libyschen Regierung im Moment Millionen Euro dafür, dass sie Flüchtlinge – wie zuvor unter Gaddafi – aus dem südlichen Afrika dort einsammeln, einsperren und zurückschicken und das unter Bedingungen, die mit Menschenrechten nichts zu tun haben. Weshalb wir uns bei diesem Antrag enthalten, hat drei Gründe. Wir finden es erstens schade, dass die Europäische Agentur zur Flüchtlingsabwehr, Frontex, in Ihrem Antrag nicht erwähnt wird. Das hätte dort dringend hinzugefügt werden müssen, denn ansonsten ist der Antrag zahnlos. Zweitens kritisieren Sie zu Recht – auch meine Vorrednerin Frau Tuchel – das ganze Dublin-II-System, aber auch ein Beschlussvorschlag, dass sich die Bürgerschaft dafür einsetzt, dass die Dublin-II-Verordnung außer Kraft gesetzt wird, ist nicht in Ihrem Antrag vorhanden, er kommt einfach in dem Beschlusstext nicht mehr vor, sondern nur in der Begründung, und wir fassen hier Beschlüsse und beschließen nicht die Begründung. Drittens steht in Ihrem Antragstext etwas, womit ich richtig Bauchschmerzen habe. Sie sagen, der Europäische Rat und das Parlament haben erste Schritte für ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem unternommen, kurz GEAS. Das wird in Ihrem Antrag auch in der Begründung gelobt, und ich möchte an dieser Stelle einmal Ska Keller, die für die Grünen im Europaparlament sitzt, zitieren. Sie sagte im September 2012 nach einer Sitzung des Innenausschusses zum GEAS: „Von den Plänen für ein gemeinsames Europäisches Asylsystem ist praktisch nichts übrig geblieben. Das ist ein Armutszeugnis für die Europäische Union. Die Aufnahmerichtlinie führt zu entscheidenden Verschlechterungen. Asylbewerberinnen und -bewerber können künftig nach EU-Recht aus allen möglichen Gründen inhaftiert werden.“ Und weiter: „Auf eine solche Art gemeinsamer europäischer Standards können wir Grünen verzichten. Wir wollen ein starkes europäisches Asylsystem und kein Abschreckungssystem.“

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen wundert es mich im Übrigen, dass Sie dies, was da übrig geblieben ist und sich GEAS nennt, in

der Begründung Ihres Antrags auch noch loben. Auch Pro Asyl sagt, das europäische Asylsystem, so wie es jetzt aussehen soll, sei eine Inhaftierungsrichtlinie. Das Problem, das wir sehen, ist, dass dieser Antrag aus mehreren Gründen unlogisch ist, die wichtigen Punkte nicht enthält und die Beratungen zum neuen Gemeinsamen Europäischen Asylsystem im Grunde abgeschlossen sind.

Wir wissen nicht, wohin dieser Antrag führen soll, das ist uns nicht ganz klar. Außerdem wird auch gar nicht so richtig deutlich, was Sie eigentlich wollen. Welche Verträge meinen Sie in Ihren Beschlusstexten? Das ist überhaupt nicht präzisiert. Insgesamt ist uns das zu vage und geht auch für uns nicht zielführend in die richtige Richtung, da die wichtigen Beschlusstexte nicht enthalten sind. Deswegen enthalten wir uns. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Staatsrätin Hiller.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Senat ist ebenso wie die antragstellenden Koalitionsfraktionen besorgt über die Situation von Flüchtlingen in einigen europäischen Staaten. Er verurteilt die menschenunwürdige Behandlung, der Asylbewerberinnen und Asylbewerber ausgesetzt sind, und begrüßt daher, dass sich die Bremische Bürgerschaft mit dem Thema Asylpolitik in Europa befasst.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wie die antragstellenden Fraktionen im Oktober letzen Jahres – man muss sagen, der Antrag ist schon etwas älter – ist der Senat außerdem besorgt darüber, dass Flüchtlinge auf Grundlage der Dublin-II-Verordnung in die europäischen Mitgliedstaaten zurückgeschickt werden, in denen eine menschenwürdige Behandlung nicht gewährleistet ist. Deswegen bin ich auch etwas irritiert über die Anmerkung von Frau Vogt – das sage ich an dieser Stelle –, dass es nichts mit Menschenrechten zu tun hat. Ich glaube, dass menschenwürdige Behandlung, menschenwürdiger Umgang sehr wohl etwas mit Menschenrechten zu tun haben.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Gerichtsurteile, die diese Praxis verurteilen, weil sie in ihr eine konkrete Gefährdung der Betroffenen sehen, müssen unbedingt beachtet werden. Zurzeit gibt es in der Bundesrepublik eine Ausnahme: Der Bundesinnenminister hat entschieden, dass Überstellungen nach Griechenland auf Grundlage der Dublin

II-Verordnung für ein weiteres Jahr, das heißt bis zum Januar 2014, ausgesetzt sind. Es zeigt also, dass es möglich ist, das macht diese Ausnahme deutlich. Das Bundesamt wird deshalb in diesen Fällen weiterhin das Asylverfahren durchführen.

Auch der Senat hält eine Harmonisierung der nationalen Asylbestimmungen auf europäischer Ebene für einen richtigen Schritt. Daneben teilt er die im Antrag geäußerte Einschätzung, nach der ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem hilfreich wäre, um die bestehenden Missstände in Europa abzubauen. Eine europäische Harmonisierung kann nach Auffassung des Senats jedoch nicht auf dem Niveau des kleinsten gemeinsamen Nenners geschehen. So gehören nach Artikel 2 des Vertrags der Europäischen Union sowohl die Wahrung der Menschenrechte dazu als auch die Solidarität zum gemeinsamen Wertekanon aller europäischen Mitgliedstaaten. Darüber hinaus haben wir inzwischen in Artikel 18 der EUGrundrechtecharta eine gemeinsame europäische Basis für das Recht auf Asyl. Diese Bestimmungen fordern von allen Mitgliedstaaten ein Mindestmaß einer menschenwürdigen Behandlung von Flüchtlingen.

Für uns in Bremen – ich weiß, in diesem Antrag geht es hauptsächlich um Europa – heißt das, dass wir aufgrund der Vorgaben des Koalitionsvertrags sowie des Beschlusses der Stadtbürgerschaft vom April 2012 zum Thema „Mehr Wohnungen für Flüchtlinge statt Übergangswohnheime“ die Unterbringung von Flüchtlingen in Gemeinschaftsunterkünften stufenweise reduzieren wollen. Wie Sie alle wissen, sind wir hier trotz derzeitiger praktischer Probleme auf einem guten Weg. Zudem muss man auch sagen, dass gerade unser Innensenator sich sehr engagiert hat, wenn es um Fragen der Reduzierung von Duldung, aber auch um den Status von UNHCR-Flüchtlingen in der Bundesrepublik geht.

Meine Damen und Herren, auch bundespolitisch waren wir in der Zwischenzeit aktiv. So hat Bremen zusammen mit den Bundesländern Rheinland-Pfalz, Brandenburg und Schleswig-Holstein einen Entschließungsantrag zur Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes in den Bundesrat eingebracht,

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

der in den entsprechenden Ausschüssen im Oktober 2012 beraten wurde, dann aber im Bundesratsplenum im November leider keine Mehrheit fand. Ferner haben wir einen Entschließungsantrag von Rheinland-Pfalz und Brandenburg zur Aufhebung des Flughafenverfahrens unterstützt. Leider war aber auch dieser Antrag im Bundesratsplenum im September 2012 am Ende nicht mehrheitsfähig. Wir haben außerdem den Bürgerschaftsbeschluss vom Dezember letzten Jahres, eine Bundesratsinitiative einzuleiten, um Flüchtlingen im laufenden Asylverfahren und Geduldeten die Teilnahme an den Integrationskursen zu er

möglichen, umgesetzt. Wir werden anlässlich der Integrationsministerkonferenz im März 2013 bei den Bundesländern für unsere Ansinnen und auch die Ansinnen, die jetzt durch den Antrag formuliert worden sind, werben und uns sehr engagiert dafür einsetzen.

Ich will noch anmerken, dass wir uns aufgrund des Wahlergebnisses am letzten Wochenende in Niedersachsen auch Rückenwind für diese wichtigen Veränderungen erhoffen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Der Senat begrüßt die Forderungen der Koalitionsfraktionen, er wird sich dafür einsetzen, mit anderen Ländern eine Initiative mit dem Ziel einzuleiten, eine am Menschenrechtsschutz orientierte Harmonisierung der europäischen Asylpolitik zu erreichen und die Rechte der Flüchtlinge in Deutschland weiterzuentwickeln. Ebenso wird sich der Senat gegenüber dem Bund für eine unverzügliche Umsetzung künftiger Anhebung des europäischen Mindeststandards im innerstaatlichen Recht einsetzen.

Ich möchte abschließend auf eine Sache eingehen, die Frau Kollegin Grönert hier angesprochen hat. Ich glaube schon, wenn wir die Möglichkeiten, die wir haben, auch auf der Bundesebene einsetzen, dann können wir uns dafür engagieren, dass wir in einer besseren und auch in einer humaneren Welt leben. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.