Protocol of the Session on January 24, 2013

Institutionen wie unsere Universitäten sind ein ungeschützter Raum des offenen Austausches von Argumenten, und dies ist für unsere Gesellschaft von besonders großer Bedeutung.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Gewalttäter diesen ungeschützten Raum nutzen, um einen streitbaren Austausch auf einem plural besetzten Podium zu verhindern, ist dies über die Universität hinaus auch Anlass, über die Debattenkultur unserer Gesellschaft und die Grenzen der Toleranz nachzudenken.

(Beifall bei der CDU)

Über Debattenkultur und Toleranz konnten wir heute exemplarisch schon eine Menge lernen. Dabei geht es uns nicht darum, den Protest zu verbieten, nein, im Gegenteil, das Recht auf Protest ist ein hohes Gut. Hätte es sich um eine einfache Demonstration gehandelt, würden wir hier heute nicht darüber sprechen, aber mit einer friedlichen Demonstration hatten die Ereignisse an dem Tag nichts zu tun. Weder Links- noch Rechtsextremen darf das Recht eingeräumt werden, Veranstaltungen nach eigenem Belieben zuzulassen oder zu verhindern, aber genau hier fängt das Problem an.

Mir wurde signalisiert, dass die Regierungsfraktionen unseren Antrag ablehnen werden mit der Begründung, es handele sich um eine interne Angelegenheit der Universität. Wir diskutieren hier über Themen von der „netten Toilette“ bis zum Weltfrieden, aber über dieses vielleicht lieber nicht? Da zeigt sich wieder die Doppelmoral.

(Beifall bei der CDU)

Ich frage mich, was wohl alles in dieser Stadt los wäre, wenn die Randalierer einem anderen politischen Milieu zuzurechnen gewesen wären. Dann würde hier auch wirklich niemand sagen, das geht uns nichts an. Nein, dann würden wir hier wild diskutieren, uns mit der Universität solidarisieren und natürlich auch einen Antrag nach dem anderen beschließen, und ich sage ganz deutlich, das ist auch richtig so.

(Beifall bei der CDU)

Doch nun passt der Vorfall anscheinend nicht so ganz in das Weltbild der Regierungskoalition, und somit wird das Thema als intern abgetan. Meine Damen und Herren, es tut mir leid, aber das, finde ich, ist ein Witz!

Jede Gewalt, ob links, rechts oder sonst wie geartet, darf nicht toleriert werden, und genauso formulieren wir das in unserem Antrag. In dem Beschluss heißt es nämlich, und hier zitiere ich wörtlich: „Das Recht auf Protest darf nicht dazu missbraucht werden, andere in ihrer Rede- und Meinungsfreiheit einzuschränken. Die Bürgerschaft bekennt sich ausdrücklich zur Vorreiterrolle der Bremer Hochschulen als Ort des kontroversen, pluralen und sachlichen Dialogs und wird Aktionen, die allein auf die Unterdrückung anderslautender Meinungen abzielen, entschieden entgegentreten.“

(Beifall bei der CDU)

Die Ablehnung eines solchen Beschlussvorschlags ist schon bemerkenswert. Wir allerdings lehnen auch den Änderungsantrag von Herrn Timke, in dem er disziplinarische Maßnahmen gegen die Studenten fordert, ab.

(Abg. T i m k e [BIW]: Schade!)

Wir halten auch das nicht für die geeignete Reaktion, aber dass die Bremische Bürgerschaft darüber nicht debattieren soll, halten wir für skandalös.

(Abg. Frau D r. S c h a e f e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Wir debattieren ja, wir be- schließen nur nicht Ihren Antrag!)

Die negativen Schlagzeilen, die es durch diesen Vorfall gab und die es bis Süddeutschland geschafft ha

ben, schädigen unser Image wieder einmal gewaltig, und was mich als Kämpferin für unseren Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort noch besonders stört, da können sich Dr. Sondergeld und Co. noch so viel Mühe geben, an der Profilierung der Marke Bremen zu arbeiten, in den Augen von Nicht-Bremern bleibt Bremen dann eben links und die Universität eine rote Kaderschmiede. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CDU – Widerspruch bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tsartilidis.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Frau Grobien, wir debattieren diesen Antrag und auch den Änderungsantrag ja sehr wohl. Wenn Sie von unserer Ablehnung wissen, dann würde ich sie Ihnen auch gern begründen, bevor Sie darüber urteilen, warum wir es ablehnen.

Natürlich muss man an der Stelle auch darauf achten, dass man nicht in ein Rechts-links-Schema gerät, wie Sie das eben gerade gemacht haben. Generell ist es so, dass auch wir als SPD-Fraktion jede Form von Gewalt ablehnen, wir lehnen jede Form von Bedrohung von Menschen ab.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Insofern sind wir natürlich auch für die Meinungsfreiheit und das damit in Zusammenhang stehende, weil sich das aus unserer Meinung bedingt, Recht auf Protest.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Aus unserer Sicht muss dieser Protest natürlich in einem rechtlich vernünftigen Rahmen stattfinden. Es stellt sich aber auch die Frage, wo wir da die Grenze ziehen, und jetzt kommen wir langsam zu dem Grund der Ablehnung.

Der Kollege Hamann hat mich auf einen Zeitungsartikel hingewiesen über den ehemaligen Verteidigungsminister zu Guttenberg, welcher am Dienstag in den USA an einem College oder einer Universität einen Vortrag halten sollte. Worum es bei dem Vortrag ging, ist mir nicht bekannt. Ich weiß nur, und das hat Schlagzeilen gemacht, dass sich über 100 Studierende und Professoren gegen einen Gastvortrag dieses Herrn zu Guttenberg, Doktor ist er ja nicht mehr, gewendet haben.

(Abg. I m h o f f [CDU]: Das ist die Begrün- dung für Ihre Ablehnung?)

Nein, ich will dazu nur etwas ausführen!

(Abg. I m h o f f [CDU]: Dann ist ja alles gut!)

Herr zu Guttenberg hat seinen Vortrag aufgrund dieser Online-Petition abgesagt und erklärte, unter diesen Umständen wolle er an dieser Stelle nicht mehr sprechen. Das haben die Studierenden wie auch die Lehrenden mit der Äußerung quittiert, alles andere wäre auch sehr merkwürdig gewesen. Insofern kann man auch die Frage stellen: Ist an dieser Stelle dieser Protest gerechtfertigt oder nicht, denn er hat im Ergebnis dazu geführt, dass eine bestimmte Veranstaltung nicht stattgefunden hat?

Ich will damit sagen, dass die Grenzziehung im Einzelfall sehr schwierigist. Die Frage, ob Gewalt im Spiel ist oder nicht, lässt sich sehr wohl beantworten. Da sind wir aber der Auffassung, dass die Universität wie auch die anderen Hochschulen sehr wohl von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und sehr wohl strafrechtliche Konsequenzen ziehen können. Insofern ist es erstens nicht unsere Aufgabe als Bürgerschaft zu bewerten, ob ein Protest legitim ist oder nicht, und zweitens ist es auch nicht unsere Aufgabe, dafür zu sorgen,dass ein Protest an der Universität korrekt ist, oder dem entgegenzutreten, wenn wir als Politiker der Auffassung sind, dass ein Protest an der Universität nicht korrekt ist. Wie soll das denn in der Praxis aussehen?

(Abg. B ö d e k e r [CDU]: Rede- und Mei- nungsfreiheit!)

Ja, aber wie soll das in der Praxis aussehen, das Entgegentreten? Wollen wir dann an dieser Stelle eine Sonderkommission einrichten bestehend aus Polizei, Verfassungsschutz und einem Abgeordneten, der in einer Weste durch die Universität geht und darauf achtet, wenn er im Bedarfsfall gerufen wird, ob ein Protest gerechtfertigt ist oder nicht?

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

In der Mathematik habe ich gelernt, dass man Dinge auch einmal im Extremen denken sollte, dann kommt man nämlich ein bisschen näher an die Wahrheit heran. Insofern denke ich, es ist erstens nicht unsere Aufgabe, an der Stelle darüber zu urteilen, und zweitens sind wir auch gar nicht berufen, ein Urteil über diese Veranstaltung abzugeben, weder vonseiten der Universität noch vonseiten der Studierenden.

(Abg. I m h o f f [CDU]: Waren Sie bei den Demonstrationen dabei?)

Nein, ich war nicht mit bei den Demonstranten, aber ich habe an anderer Stelle demonstriert und

vielleicht nach Ihrer Definition auch nicht demokratisch richtig! Wenn ich zum Beispiel gegen die DVU in Bremerhaven demonstriert habe, dann habe ich auch eine Veranstaltung gestört und wollte auch, dass sie nicht stattfindet. Das war meine Form des Protestes, ja, das habe ich einmal gemacht.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich sage also, erstens ist die Grenzziehung schwierig, deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab, zweitens sehen wir es nicht als unsere Aufgabe an, und drittens sind wir nicht berufen, diese Grenzziehung oder eine Verurteilung vorzunehmen. Vonseiten der Universität kommt noch Folgendes hinzu: Ich glaube, dass dieser kleine Zwischenfall, so dramatisch er auch aus den verschiedenen Sichten sein kann, dadurch definitiv aufgewertet wird, dass wir uns heute hier damit beschäftigen.

Dann noch zu dem Antrag von Herrn Timke: Mir ist dazu spontan die Geschichte vom Karzer eingefallen, den es lange Zeit an Universitäten gab. In Göttingen können Sie noch einen Karzer besichtigen. Zwischen 1910 und 1914, je nachdem wie genau man das nimmt, sind die letzten Karzer als Disziplinierungsmaßnahmen für Studierende abgeschafft worden. Dabei wollen wir es bewenden lassen. Insofern lehnen wir auch den Antrag ab. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Grobien, ich fand jetzt Ihren Debattenbeitrag bemerkenswert. Ich fand es bemerkenswert, dass Sie schon eine dezidierte Interpretation zu dem haben, was ich sage, bevor Sie überhaupt gehört haben, was ich sage.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Worum geht es also in der Sache? Gegenwärtig findet am Institut für Politikwissenschaft an der Universität eine öffentliche Ringvorlesung zum Thema „20 Jahre Asyl- und Zuwanderungskompromiss – Bilanz und Perspektiven“ statt. Geplant sind dazu zwölf Einzelveranstaltungen, darunter die Veranstaltung „Der Asylkompromiss in der politisch-parlamentarischen Debatte“. Zu dieser Debatte waren Zeitzeugen von damals eingeladen, die daran beteiligt waren, diesen umstrittenen Kompromiss zu schließen, wie die damalige CDU-/FDP-Regierung inklu––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

sive der SPD-Opposition, und die, die wie wir Grünen vehement dagegen waren.

Eingeladen waren Herr Beckstein von der CSU, Frau Schmalz-Jacobsen von der FDP, Herr Wiefelspütz von der SPD und Herr Weiß, damals die Grünen, Vertreterinnen und Vertreter demokratischer Parteien. Thema war unter anderem, wie die damaligen Protagonisten ihre Entscheidung aus heutiger Sicht bewerten, wie sie ihr damaliges Handeln bewerten, welche Schlüsse sie daraus ziehen und was heute notwendig wäre.

Die Geschichte der Veranstaltung ist schnell erzählt, sie wurde massiv gestört. Sie wurde so gestört, dass sie nicht einmal beginnen konnte. Nach einer Stunde Deeskalationsversuche der Veranstalter wurde sie endgültig abgebrochen. Stein des Anstoßes war Herr Beckstein. Frau Grobien hat schon einige Details zum „buten un binnen“-Bericht gesagt. Für eine derart martialische Störung, die eine solche Veranstaltung und eine diskursive Auseinandersetzung nicht möglich macht, haben wir selbstverständlich kein Verständnis!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)