Protocol of the Session on December 13, 2012

Es ist genauso absurd, dass dies in Bremen seine Schuld gewesen sein soll, sondern wir haben natürlich strukturelle Probleme, die mit der Einführung der DRG, der Fallpauschalen, zusammenhängen, die mit dem extremen Ökonomisierungsdruck auf die Pflege, auf die Gesundheit in Krankenhäusern in ganz Deutschland einhergehen. Mit diesem sehr anstrengenden Klima der Ökonomisierung und des enormen finanziellen Drucks müssen wir es schaffen, gute, für die Patienten hilfreiche und für die Beschäftigten auskömmliche Bedingungen an bremischen kommunalen Krankenhäusern zu schaffen, und ich bin mir ganz sicher, dass uns das in der Zukunft auch gelingen wird. – Vielen Dank!

(Beifall dem Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Gerade hatten wir in den kommunalen Kliniken die von der Senatorin Rosenkötter nicht beeinflusste und nicht kontrollierte Schreckensherrschaft des Geschäftsführers Dr. Hansen und dessen Mentoren Dr. SchulteSasse abgeschüttelt, den Keimausbruch durch Staatsrat Dr. Schuster

und Neugeschäftsführerin Frau Dernedde einigermaßen eingedämmt, und dann dieser Schicksalsschlag.

(Widerspruch beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Der Rücktritt von Gesundheitssenatorin JürgensPieper hat die Krankenhäuser, wie man so schön sagt, kalt erwischt. Unter der Ägide von Frau Jürgens-Pieper hatte sich über Nacht mindestens das Klima verändert. Der neue Staatsrat und die neue Geschäftsführerin Dernedde erlaubten plötzlich wieder Diskussionen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnten sich wieder einbringen, Besprechungsergebnisse auf den unterschiedlichen Ebenen wurden nicht mehr grundsätzlich zu Betriebsgeheimnissen erklärt.

(Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Was reden Sie denn jetzt hier?)

Die ganze Organisation schien plötzlich wieder zu atmen.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das gehört doch mehr auf die Ebene der Personalversammlung!)

Es gehört schon hierher, doch, es gehört ganz deutlich hierher!

Ich sage einmal, nach zwei Jahren dieser Legislaturperiode steht diese Koalition vor einem Trümmerhaufen in der Gesundheitspolitik und in der Bildungspolitik. Da können Sie jetzt nicht einfach so tun, jetzt wählen wir neue Senatoren, dann ist alles gut.

Der Senat – auch das will ich hier betonen – schien auch lernfähig zu sein. Er hat nämlich mit einer Staatsrätegruppe und dann später auch per Beschluss vom 12. Juli 2012 festgestellt, ich möchte zitieren: „Das Sanierungskonzept zur nachhaltigen wirtschaftlichen Sanierung und Weiterentwicklung der Gesundheit Nord GmbH ist aus heutiger Sicht als wirtschaftlich, aber vor allem auch zeitlich zu ambitioniert zu betrachten.“ Also gescheitert! „Die Investitionskraft des Verbundes wurde damals zu optimistisch eingeschätzt, die Erlösziele als Grundlage für die Finanzierung des Investitionskreditvolumens mit einer Marge von sieben Prozent sind unter den gegebenen Finanzierungsbedingungen für Krankenhäuser aus heutiger Sicht nicht mehr erreichbar. Darüber hinaus hat sich herausgestellt, dass die Leistungsfähigkeit des Klinikverbundes sowie die zurzeit eingeplanten Krankenhausförderungsmittel nicht ausreichen, die notwendigen Investitionen zu finanzieren.“ Das war Senatsbeschluss, und ich sage auch deutlich, das war sehr mutig!

Jetzt setzt der Senat im Grunde genommen eben den Hauptarchitekten dieses Sanierungskurses, von dem er selbst jetzt festgestellt hat, er ist gescheitert, ein. Dieser Hauptarchitekt soll nun neuer Gesund

heitssenator werden. Dies, meine sehr geehrten Damen und Herren, finde ich unfassbar.

(Abg. Frau S c h m i d t k e [SPD]: Das macht nichts!)

Nun ist es aber so, auch das will ich hier sagen, dass wir als LINKE schon immer klargemacht haben, dass es auf die Politik und nicht auf die Personen ankommt. Allerdings besteht zwischen Personen und Politik auch immer ein dialektisches Verhältnis.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das stimmt!)

Auch Herr Dr. Schulte-Sasse kann vom Saulus zum Paulus werden, wir wünschen ihm dafür die Kraft und werden das anhand seiner Taten nicht erst nach 100 Tagen bewerten, denn 100 Tage haben die Kliniken nicht mehr. Lassen Sie mich deshalb einmal kurz zu ein paar inhaltlichen Punkten kommen und damit auch zu den Erwartungen der LINKEN an den neuen Gesundheitssenator! Wir möchten als Erstes feststellen, wie das Papier des Senats ja selbst gesagt hat, dass der Sanierungspfad der rot-grünen Koalition für die kommunalen Kliniken durch eine Finanzierung über Bürgschaften und Personalabbau gescheitert ist. Wir wollen zweitens festhalten, dass auch das medizinische Zentralisierungskonzept – auch eines der Lieblingsprojekte von Herrn Dr. Schulte-Sasse – zumindest in der Neonatologie nicht nur medizinisch, sondern auch betriebswirtschaftlich gescheitert ist. Wir wollen drittens feststellen – es mag den einen oder anderen amüsieren, aber wir möchten noch einmal darauf hinweisen –, Kliniken sind keine Wurstfabriken, Rationalisierung und Stellenabbau haben natürliche Grenzen, jedenfalls solange Patienten durch Menschen behandelt und gepflegt werden sollen. Die Wurstfabrik, dies nur nebenbei, stammt nicht von mir, sondern es war einer der vorherigen Geschäftsführer, der immer gesagt hat, er könne Krankenhäuser leiten oder Wurstfabriken, es wäre egal, das wäre das gleiche. Viertens! Durch die falsche Sanierung und letztendlich auch den Keimvorfall ist eine Krise der Gesundheit Nord GmbH eingetreten, die unter anderem zu einem desaströsen finanziellen Zustand geführt hat. Der war schon immer kritisch, aber jetzt ist er äußerst kritisch. Fünftens! Ohne Betriebsmittelkredite der Landeshauptkasse, ohne Kredite der Kliniken untereinander und ohne die Möglichkeit des Cash-Poolings haben die Klinken Bremen Nord und Bremen Mitte bis Mitte des Jahres 2013 die wirtschaftliche und bilanztechnische Überschuldung, sogenannte Insolvenz, erreicht. Sechstens! Die Überbringer schlechter Nachrichten sind nicht die Verursacher der schlechten Situa

tion, auch wenn Sie uns nach alter Tradition köpfen mögen, der Senat muss jetzt handeln. Der Senat muss handeln, das bedeutet, wenn der Senat dem zukünftigen Gesundheitssenator keine Kapitalaufstockung der gefährdeten Klinken Nord und Mitte und keine rechtsverbindliche Zusage zur Finanzierungsübernahme des Teilersatzneubaus gibt,

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Was redet der Mann da eigentlich?)

dann – das muss man deutlich sagen – hat die Schuldenbremse über eine verantwortungsvolle Gesundheitspolitik für die Bremer Bevölkerung triumphiert. Ich möchte schließen mit den einfachen Worten: Lassen Sie es nicht so weit kommen! – Danke!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Tschöpe, der Hütchenspieler hat ja nur deswegen Erfolg,

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Was für einen Erfolg? Von welchem Erfolg sprechen Sie eigentlich?)

weil er so schnell ist, dass ihm seine Zuschauer nicht folgen können.

(Senator G ü n t h n e r: Während er be- trügt! – Heiterkeit)

Offensichtlich haben Sie Schwierigkeiten gehabt, der Argumentation zu folgen!

(Glocke)

Entschuldigung, ich wollte gerade darauf aufmerksam machen, dass von der Regierungsbank Zwischenrufe, Herr Senator, nicht gewünscht sind!

(Zuruf von Bürgermeister B ö h r n s e n)

Herr Bürgermeister, ich habe nicht zu befinden, ob er richtig ist! – Bitte, Herr Röwekamp!

Also, kurzum, ich will es Ihnen noch einmal ganz langsam erklären, weshalb wir der Auffassung sind, dass der Rücktritt von Frau Senatorin Jürgens-Pieper richtig war. Ich habe vorhin schon ausgeführt, dass sie bei Beginn der beiden letzten Schuljahre, also im letzten Jahr wie in diesem Jahr, für einen völlig katastrophalen Start gesorgt hat. Wir

hatten eine mangelhafte Versorgung und eine unzureichende Planungssicherheit für die jeweiligen Schulen, da wurden Lehrerinnen und Lehrer hin und her versetzt, da fiel Unterricht massenweise aus, weil sie vergessen hatte, die tatsächlichen Unterrichtsplanungen den Ressourcen anzupassen. Damals haben wir gesagt, das darf sich nicht wiederholen. Was hatten wir zu Beginn dieses Schuljahres? Ihr fiel plötzlich auf, dass ihr 110 Lehrerstellen fehlten, und nachdem diese dann beschlossen worden waren, fiel ihr auf, dass ihr noch einmal 90 Lehrerstellen fehlten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, man muss kein Hütchenspieler sein, um zu sagen, dass eine solche Serie von nachträglichen Fehlplanungen allein schon die Feststellung rechtfertigt, dass man in diesem Amt nicht die richtige Aufgabe hat. Das ist die Auffassung der CDU-Fraktion gewesen.

(Beifall bei der CDU)

Zu den Mängeln im Gesundheitsressort im Zusammenhang mit dem Keimskandal am Klinikum Bremen-Mitte habe ich ja vorhin auch schon ausführlich begründet, weshalb ich glaube, dass sowohl die Fehler in der Struktur ihrer Verwaltung als auch die Fehler in der Aufsicht über das Klinikum Bremen Mitte – sie war ja auch Aufsichtsratsvorsitzende bei der GeNo – auch in ihrer politischen Verantwortung gelegen haben. Ja, es stimmt, natürlich ist sie weder persönlich dafür verantwortlich, dass ein Lehrer keinen Unterricht erteilt hat, noch ist sie dafür verantwortlich, dass jemand seine Handschuhe im Klinikum nicht angezogen hat, aber wir reden hier im Parlament nicht über strafrechtliche oder zivilrechtliche Verantwortung, wir reden über politische Verantwortung, und die lag bei Frau Jürgens-Pieper!

(Beifall bei der CDU und bei der LINKEN)

Deswegen war ihr Rücktritt richtig. Das ändert nichts daran, dass ihre Begründung zu ihrem Rücktritt auch richtig war. Das Problem der unzureichenden Versorgung mit Lehrerinnen und Lehrern wurde gerade nicht durch den Koalitionsausschuss gelöst; Sie haben das Problem vertagt.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Reden wir über 2014/2015?)

Ich habe keine HaFA-Vorlage gesehen, Herr Dr. Kuhn, mit der er das, was der Koalitionsausschuss miteinander beraten hat, jetzt irgendwo beraten hätte. Das war eine zahlenfreie Vorlage, die Refinanzierung wurde durch keine einzige Zahl hinterlegt. Nicht eine Stelle von denen, die Sie politisch jetzt angeblich gefordert haben, ist auch nur im Ansatz refinanziert, im Gegenteil, Sie belasten künftige Haushalte, ohne eine Perspektive für die langfristige Finanzierung von Lehrerbedarfen zu geben!

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Im Gegenteil!)

Das war der Rücktrittsgrund für Frau Senatorin Jürgens-Pieper, und in dem Punkt hat sie zu 100 Prozent recht. (Beifall bei der CDU)

Ich will, Herr Dr. Güldner, noch etwas zum Bildungskonsens sagen – keine Sorge, den Gefallen tue ich Ihnen nicht –, wir haben unseren Beitrag dazu geleistet, dass dieser Konsens zustande kommt. Ich sage ja nur, in der Umsetzung müssen wir alle jetzt auch darauf achten, dass das Ziel, nämlich Ruhe, Reformruhe in die Bildungsstruktur zu bekommen, nicht durch nachträgliche Beschlüsse überfrachtet wird.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich, als ich zur Schule ging, war es so, dass die Mitschülerinnen und Mitschüler, die Schwierigkeiten hatten, dem Unterricht zu folgen, am nächsten Tag plötzlich nicht mehr da waren, weil sie in Sonderschulen untergebracht wurden. Körperlich behinderte Kinder habe ich in meiner Grundschulzeit gar nicht in meiner Klasse gehabt.

Den ersten Kontakt zu Schülerinnen und Schülern, die wir – ich sage bewusst wir – in der Vergangenheit in Sonderschulformen unterstützt haben, habe ich als Politiker bekommen. Bis dahin hat in meiner schulischen Laufbahn das gemeinsame Lernen mit Kindern mit geistigen oder körperlichen Behinderungen nicht stattgefunden. Das lag nicht an mir, das war damals der Status quo. Das war auch nicht politisch verantwortet durch die damalige Regierung, sondern das war eben einfach so.

Ich erlebe jetzt genau das andere. Ich erlebe es mit meinen Kindern, die in völliger Natürlichkeit mit Menschen gemeinsam in den Unterricht gehen, die körperlich und geistig behindert sind. Ich erlebe es als Lesepate, wenn ich in der Schule in Suhrheide am Vorlesetag in einer Inklusionsklasse Bücher meiner Kinder vorlese. Deswegen sage ich, die Inklusion ist unbeschadet der Frage der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention eine große gesellschaftliche Aufgabe. (Beifall)

Ich sage auch, ich habe unterschätzt, als wir hier im Parlament gemeinsam den Rechtsanspruch für Eltern oder vielmehr deren Kinder auf inklusive Beschulung beraten haben, in welchem Umfang davon Gebrauch gemacht wird. Ich kann nicht nachvollziehen, ob die Zahl von Frau Jürgens-Pieper, dass uns das perspektivisch 150 zusätzliche Lehrerstellen kostet, stimmt oder nicht. Ich bin nur der festen Auffassung, dass bei allen erstrebenswerten Zielen wir uns jetzt auch nicht in der schwierigen Umbruchphase in unseren Schulen an der Inklusion verheben sollten.

Wenn wir das nicht schaffen und nicht ausfinanziert bekommen, dann müssen wir uns wahrschein

lich, wie in anderen Ländern auch, darauf verständigen, es langsamer zu machen. Es nützt weder den Kindern, die keine Beeinträchtigungen haben, noch denen, die Beeinträchtigungen haben, dass sie gemeinsam nicht unterrichtet werden. Deswegen bleibt die erste Aufgabe bremischer Bildungspolitik die Sicherstellung von flächendeckendem Unterricht, die Beseitigung von Unterrichtsausfall und die möglichst weiträumige, perspektivisch ganztägige Betreuung von Kindern, weil nach meiner Auffassung nur so der eklatante Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg durchbrochen werden kann.