Meine Damen und Herren, zur Abwicklung der Tagesordnung wurden interfraktionelle Absprachen getroffen, die Sie dem Umdruck der Tagesordnung mit Stand von heute, 9.00 Uhr, entnehmen können.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich Ihnen mitteilen, dass nachträglich interfraktionell vereinbart wurde, beim Tagesordnungspunkt 12, Pflegeplan für das Land Bremen entwickeln, auf eine Aussprache zu verzichten und bei den miteinander verbundenen Tagesordnungspunkten 47 und 48, Hilfesystem für von häuslicher Gewalt betroffene Frauen und Kinder überprüfen, eine Aussprache durchzuführen.
Für die Aktuelle Stunde ist von den Abgeordneten Möhle, Tschöpe und Fraktion der SPD und den Abgeordneten Schmidtmann, Dr. Güldner und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen folgendes Thema beantragt worden:
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! „In Würde altern – keine Gewalt in der Pflege“ ist deshalb das Thema der Aktuellen Stunde, weil „buten un binnen“ kürzlich ein Video gezeigt hat, in dem eine ältere Dame, ich sage es einmal verkürzt, misshandelt wurde. Die Würde des Menschen ist unantastbar, sagt unser Grundgesetz. Der Akt, der dort im Beitrag von „buten un binnen“ sichtbar wurde, war ganz klar ein Verstoß gegen die Würde.
Ich möchte an dieser Stelle zunächst einmal mein und auch unser Mitgefühl gegenüber der älteren Dame und ihrer Familie zum Ausdruck bringen.
(Beifall) ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft. Wir haben die Frage schon in der Deputation diskutiert, und ich weiß – und da war ich anwesend –, die Seniorenvertretung hat auch darüber geredet. Ich finde aber, diesem Haus steht es gut an, dieses Thema in dieser Situation aufzugreifen. Jeder von uns kann relativ schnell, relativ plötzlich und unerwartet zum Pflegefall werden. Das allein schon sollte Motiv genug sein zu sagen, dass wir in dem Bereich genauer hinschauen wollen und die Frage stellen müssen, wieso das so passiert ist. Es gibt viele, die mit Gründen argumentieren wie zu viel Stress der Pflegekräfte et cetera – das will ich an späterer Stelle vielleicht noch einmal ein wenig genauer ausführen –, aber wenn in diesem System alle alles richtig gemacht hätten, dann hätte es diesen Fall gar nicht gegeben. Das allein ist Grund genug, darüber nachzudenken, was wir verbessern können. Ich trete hier nicht an, um irgendjemanden zu kritisieren im Sinne von Schuldzuweisungen, Sie waren es, Sie haben es falsch gemacht, sondern ich möchte eher das Bewusstsein dafür wecken, insgesamt eine Diskussion darüber zu führen, wie wir eigentlich mit der Pflege umgehen. Wir haben eine Vielzahl wissenschaftlicher neuer Erkenntnisse im Pflegebereich. Mir sagen relativ viele aktive Menschen, die dort arbeiten, dass diese Erkenntnisse nur teilweise und in vielen Bereichen auch ungenügend umgesetzt werden. Auch da, finde ich, gibt es gute Gründe, sich dafür einzusetzen, dass sich das ändert. (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)
In der Diskussion muss man aus meiner Sicht sehr genau darauf achten, dass man nicht zu Pauschalurteilen kommt. Die meisten Pflegerinnen und Pfleger leisten Schwerstarbeit, und sie leisten sehr gute Arbeit.
Man muss aber auch die Mängel aufzeigen und über die Schwierigkeiten diskutieren, damit man sie abstellen kann. Ich bin der festen Überzeugung, dass es in der Pflege wichtig ist, den Grundsatz zu formulieren, dass man denjenigen Menschen, die dement und nicht mehr in der Lage sind, komplett ihr eigenes Leben zu kontrollieren, so viel Eigenständigkeit belässt, wie sie haben können, und so viel Pflege gibt, wie nötig ist. Manches Mal ist in den Abläufen der Pflegeheime deutlich erkennbar, dass man aus Zeitmangel jemandem das Frühstück schon klein portioniert serviert, obwohl er oder sie durchaus in der Lage wäre, das noch selbst zu tun. Auch das hat schon etwas mit Würde zu tun, und auch da fängt es schon an, die Würde des Menschen zu verletzen. Es gibt das Argument, das ich vielfach gehört habe, dass man so et
was nicht ausschließen kann, es werde immer solche Fälle geben. Ich sage dazu ganz deutlich, das Grundgesetz in Deutschland hat keinen Raum für ein Restrisiko. Die Würde des Menschen ist unantastbar!
Ich möchte nicht, dass wir in die Diskussion gehen und von vornherein sagen, man kann es nicht ausschließen. Ich möchte, dass wir versuchen, dem Grundgesetz an dieser Stelle Geltung zu verschaffen und alles dafür zu tun, dass solche Fälle nicht wieder vorkommen.
Es gibt das Argument zu sagen, der Angehörige hätte diese Filmaufnahmen nicht machen dürfen, sie seien illegal. Das mag sein, aber ich finde, dass die Bilder uns noch einmal deutlich gemacht haben, dass wir an der Stelle einen außerordentlichen Diskussionsbedarf haben.
Was ist denn nach dem Bericht bei „buten un binnen“ passiert? Es gibt eine ganz breit geführte Diskussion auf vielen Ebenen. Ich hoffe, dass wir am Ende – und da steht die Senatorin für Soziales natürlich auch an vorderster Front – zu Verbesserungen im Bereich der Pflege kommen. Die Seniorenvertretung fordert, dass wir mehr Externe brauchen. Einige sagen, wir müssen die Heime mehr in den Stadtteil öffnen, damit wir eben nicht abgeschottete Heime haben, in die keiner hineinschaut. Das finde ich alles einleuchtend, und ich glaube, daran müssen wir auch weiter arbeiten.
Wir brauchen eine offene und ehrliche Diskussion über Beschwerden. Viele Angehörige oder auch die Betroffenen, soweit sie das können, sagen, sie haben Angst, ihre Beschwerden vorzubringen, weil sie glauben, dass sich ihre Lage vor Ort verschlechtert. Dann sagen Heimleitungen: Sie brauchen keine Angst zu haben, wir machen das doch! Was ist das für eine Antwort auf Ängste? Wenn man Angst hat und jemand sagt einem, das brauchst du nicht, dann herzlichen Glückwunsch, das hilft wirklich weiter! Ich glaube, das geht so nicht.
Wir brauchen eine offene Fehlerdiskussion und eine offene Bereitschaft, sich des Problems anzunehmen. Mich erinnern viele Dinge in diesem Bereich an das Thema Kindeswohlsicherung. Wir brauchen ein Netzwerk, eine Offenheit, und alle Beteiligten – auch überforderte Beteiligte, also überforderte Pflegerinnen oder Pfleger – müssen in der Lage sein, ihre Überforderung deutlich zu machen, damit man da Abhilfe schaffen kann.
Letzter Punkt: Ich glaube, dass wir gesamtgesellschaftlich die Frage neu stellen müssen. Wir wissen alle, die Gesellschaft wird älter, und wir wissen auch alle, das ist nicht zum Nulltarif zu bekommen, also muss man sich auch die Fragen stellen, wie das Pflegesystem eigentlich finanziell aufgestellt ist und ob man nicht tatsächlich mehr Pflegerinnen und Pfleger ausbilden muss. Wenn man auf die Zeitschiene schaut, weiß man, dass wir in einigen Jahren einen Pflegenotstand bekommen werden, der uns alle noch das Fürchten lehren wird. Ich glaube, wir müssen jetzt zukunftsweisend an diesen Fragen arbeiten, und ich empfehle uns hier im Haus, ganz deutlich hinzuschauen und die Fragen offen und ehrlich zu behandeln. – Viele Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Meine Damen und Herren, bevor ich dem Abgeordneten Schmidtmann das Wort erteile, darf ich jetzt auf der Besuchertribüne eine Gruppe Studentinnen und Studenten des ersten Semesters Internationaler Studiengang Politikmanagement der Hochschule Bremen und eine Besuchergruppe des Instituts Kunstwissenschaften/Kunstpädagogik der Universität herzlich begrüßen. – Seien Sie herzlich willkommen!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche heute in der Aktuellen Stunde über das Thema „In Würde altern – keine Gewalt in der Pflege“. Auch mich hat der Beitrag in „buten un binnen“ wütend gemacht, und es hat mich teilweise auch sprachlos gemacht, dass so etwas möglich ist. Wie hat diese Person das nur machen können, habe ich mich gefragt, warum ist so etwas geschehen?
Des Weiteren hat durch die Veröffentlichung in der Zeitung mit den vier großen Buchstaben dieser Fall auch bundesweit Aufsehen erregt. Alle wissen jetzt, dass es in Bremen Gewalt in der Pflege gibt. Sie war als Titelgeschichte in dieser Zeitung abgedruckt. Ich möchte daher für die Grünen erklären, dass wir jede Art von Gewalt ablehnen, also null Toleranz gegenüber jeder Art von Gewalt
und null Toleranz bei Gewalt gegen Schwächere und Schutzbefohlene, zum Beispiel gegen Kinder, Behin––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
derte und Pflegebedürftige! Es kann und darf auf keinen Fall toleriert werden, dass es in diesen Bereichen zu Gewalt kommt.
Ich finde es gut, dass die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben hat und dieser brutale Fall vor Gericht aufgearbeitet wird. Wir Grüne hatten in der letzten Legislaturperiode schon einmal eine Große Anfrage zur Gewalt in der Pflege gestellt. Das Thema ist also nicht neu für dieses Haus. In der 80. Sitzung der letzten Legislaturperiode wurde es hier im Januar 2011 schon einmal sehr ausführlich diskutiert. Aus der Antwort des Senats ging schon damals hervor, dass es Gewalt in der Pflege gibt. Wichtig ist, dass es nicht nur diesen Fall von direkter körperlicher Misshandlung gibt, sondern auch andere Formen von Gewalt. Herr Möhle hat das schon ausgeführt, ich gehe darauf noch ein bisschen spezifischer ein. Das eine ist die Vernachlässigung, das andere sind freiheitsentziehende Maßnahmen, dann kommen noch Psychoterror dazu und herabwürdigendes Verhalten. Dies alles ist Gewalt gegen zu Pflegende. Es ging weiter aus der Antwort des Senats hervor, dass es auch Gewalt in der ambulanten und häuslichen Pflege gibt, das ist durch Studien und Befragungen belegt.
Was können wir nun tun, um dieser nicht zu tolerierenden Gewalt in der Pflege Einhalt zu gebieten? Ich muss sagen, ich habe dazu auch kein Patentrezept, das hundertprozentig wirkt, aber es gibt meiner Meinung nach schon ein paar Möglichkeiten, die Situation in der Pflege zu verbessern, zum Beispiel den Pflegenden mehr Respekt und Achtung für ihre schwere Arbeit entgegenzubringen wie etwa in den skandinavischen Ländern oder auch in der Schweiz.
Die Arbeitgeber sollten aufgefordert sein, Weiterbildungsmaßnahmen verpflichtend anzubieten. Weiter sollten von den Arbeitgebern Beratungsmöglichkeiten gefördert werden, wie es zum Beispiel Supervision oder die kollegiale Beratung sind. Wir brauchen meiner Meinung nach auch mehr Geld im gesamten Pflegesystem. Dies wollen wir Grüne mit der Einführung der Bürgerversicherung erreichen.
Lassen Sie mich auch noch auf zwei weitere Punkte hinweisen! Ein Problem in Bremen ist das massive Überangebot an stationären Pflegebetten. Experten gehen von mehr als 1 000 nicht belegten Betten aus. Dieses Überangebot schafft für einige Einrichtungen große Probleme. Nicht mehr ausgelastete Betten und schlechte Belegung erhöhen den wirtschaftlichen Druck auf die Leitung der Häuser. Diesen Druck geben sie dann offen in Form von Stundenkürzungen, gestückelten Diensten, Lohnkürzungen oder Kündi
Wir brauchen meiner Meinung nach zurzeit keine neuen großen Einrichtungen mehr in Bremen. Es ist meiner Meinung nach nötig, dass hierzu vom Land durch das Baurecht Steuerungsmaßnahmen ergriffen werden. Wenn überhaupt, sollte für jeden neuen Bauantrag für eine Alteneinrichtung erst einmal eine Bedarfsermittlung durchgeführt werden. Auch sollten meiner Meinung nach nur Einrichtungen genehmigt werden, die nicht mehr als 65 Pflegebetten aufweisen. Großeinrichtungen mit mehreren hundert Pflegebetten passen nicht mehr in die Bremer Pflegelandschaft und auch nicht in die Ortsteile und Quartiere. Sie sollten daher auch nicht mehr gebaut werden.
Das Zweite ist, die Öffnung der Heime zu betreiben. Wir haben einen großen Bremer Pflegeanbieter, die Bremer Heimstiftung, der das sehr offensiv betreibt. Bekannt sind das Haus im Viertel oder auch die Einrichtung Tegeler Plate. Ich möchte Ihnen aber von einer Einrichtung in St. Magnus erzählen, die bei mir direkt vor Ort ist und mit der ich sehr viel zu tun habe. Früher – es ist etwa zehn bis fünfzehn Jahre her – lag diese Einrichtung der Bremer Heimstiftung, Haus Blumenkamp, hinter großen Bäumen versteckt im oberen Teil von Knoops Park. Es waren dort Schilder angebracht wie „Betreten des Rasens verboten!“ und „Bitte halten Sie Ruhe!“.
Was ist mittlerweile daraus geworden? Diese Einrichtung hat sich dem Stadtteil geöffnet. Es ist eine Minigolfanlage auf dieser Rasenfläche entstanden, die man vor Jahren noch nicht einmal betreten durfte, es gibt ein nettes Café für alle Bewohner, das auch für den Ortsteil und alle Einwohner von St. Magnus geöffnet ist. Dieses Café betreibt nebenbei auch noch einen netten Cateringservice. Es gibt einen Kindergarten in der direkten Nachbarschaft, eine EnglischLerngruppe für Kinder in der Einrichtung, und ab und zu gibt es auch einmal Sitzungen des Beirats Burglesum oder der Ausschüsse des Beirats Burglesum in dieser Einrichtung.
Es geht weiter mit der Öffnung in den Ortsteilen. Der TSV St. Magnus will jetzt in Kooperation mit dem Altenheim einen Bewegungspark erstellen. Hierzu sollen hochwertige Outdoor-Fitnessgeräte angeschafft werden, die es auch anderen Sportbegeisterten aus der Umgebung ermöglichen, dort ihren Sport durchzuführen. Das sind meiner Meinung nach konkrete positive Entwicklungen in diesem Bereich, die ich sehr begrüßen kann: die Öffnung der Heime!
Zum Schluss meiner Rede lassen Sie mich noch einmal versöhnliche Aspekte unserer Aktuellen Stunde erörtern, und zwar zu der Formulierung „in Wür