Protocol of the Session on November 21, 2012

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Mir ist auch sehr wohl bewusst, dass viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit der Situation, die sie vorfinden, nicht unbedingt zufrieden sein können, Sie haben es angesprochen. Unsicherheit in der Zeit der Karriere- und Familienplanung ist mit Sicherheit ein großes Problem, und das läuft an der Universität und an den Hochschulen auch auf. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz – Sie haben es kurz erwähnt – ist ein erhebliches Problem. Mit der Befristung auf zwölf Jahre haben wir natürlich den Punkt, dass ein großer Teil der Stellen an den Hochschulen Qualifikationsstellen sind, die auch nicht als Dauerstellen angelegt sind.

Die besondere Situation im Hochschulbereich ist, dass die Qualifikationsphasen besonders lange dauern. Deswegen ist es bei den Stellen, die von Bremen bezahlt werden, so geregelt, dass die Zeiten für die Promotion festgelegt sind. Dennoch, auf Bundesebene ist das nicht der Fall, und deshalb muss das Gesetz aus meiner Sicht an der Stelle auch geändert werden, damit klar ist, dass man feste Ausbildungszeiten hat, auch in den Arbeitsverträgen, damit man erfolgreich die Promotion oder Habilitation erlangen kann. Ich finde es auch positiv, Frau Vogt, dass wir in den letzten Jahren eine erhebliche Zunahme von Promotionen haben, ich finde es auch gut, dass viel mehr Menschen in den Wissenschaftsbereich gehen.

Sie haben die unterjährigen Verträge angesprochen. Das ist sicher ein Problem, aber in Bremen sind es sehr häufig Promotionsabschlussverträge, und da finde ich es auch besser, dass man es mit Stellen macht als mit Stipendien. Ich finde, das ist ein qualitativer Fortschritt. Sie haben in Bezug auf die Universität gesagt, es gebe eine Vereinbarung mit dem Personalrat, dass die Drittmittelstellen auch entsprechend der Laufzeit der Drittmittelbewilligung laufen sollen. Ich finde, dass Bremen in dem Bereich im Bundesvergleich eher fortschrittlich ist und dass man die Universität an der Stelle auch dafür loben muss. Das Problem ist, dass das gesamte System im Wissenschaftsbereich überdacht werden müsste, und ich würde mich freuen, wenn wir an anderer Stelle noch einmal eine Debatte dazu führen würden.

Ich bin beispielsweise nicht der Auffassung, dass Stellen für nicht wissenschaftliches Personal unter das Wissenschaftszeitvertragsgesetz fallen sollten. Dort sollte das ganz normale Teilzeit- und Befristungsgesetz gelten, weil das einfach Stellen sind, die es dauerhaft an der Universität gibt. Aus meiner Sicht wird das Wissenschaftszeitvertragsgesetz an der Stelle missbräuchlich verwendet. Das muss geändert werden, und ich finde im Übrigen auch, dass die Hochschulen und Forschungseinrichtungen, die auf das Wissenschaftszeitvertragsgesetz zurückgreifen, zur Personalentwicklung verpflichtet werden müssen, weil

für diese jungen Menschen klar sein muss, welche Perspektive sie denn haben, ob sie eine Perspektive im Wissenschaftsbereich haben oder au-ßerhalb. Dort werden sie genauso gebraucht.

(Glocke)

Ich komme sofort zum Schluss, Herr Präsident! Das sind aus meiner Sicht alles Dinge, die wir angehen sollten. Dort ist der Bundesgesetzgeber gefordert, aber ich würde mich freuen, wenn wir das hier im Land Bremen machen würden. Die Universität, jedenfalls bei allem, was ich darüber weiß, versucht, sich so gut es geht, so gut, wie die Rahmenbedingungen sind, auf den Weg zu machen, und dafür bin ich dankbar. – Herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tsartilidis.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Frau Vogt, haben Sie recht herzlichen Dank für Ihre Anfrage, die uns wieder einen guten Einblick in die Beschäftigungssituation an bremischen Hochschulen geliefert hat! Die in der Mitteilung des Senats genannte Situation ist aber nicht nur an bremischen Hochschulen Realität, sondern, wie eben angeklungen ist, in der gesamten Hochschullandschaft Deutschlands vorzufinden. Die in Teilen schwierige Situation befristet Beschäftigter und die daraus resultierenden Probleme bei der Lebens- und Familienplanung verdanken wir auch dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz, das im April 2007 mit der Drittmittelbefristung einer wissenschaftsspezifischen – –. Lassen wir einmal das ganze Theoretische weg! Also, im Jahr 2007 ist das Ganze auf den Weg gebracht worden, es betrifft künstlerische und nicht wissenschaftlich Beschäftigte. Ich denke also aufgrund der schwierigen Situation der Beschäftigten, dass es sinnvoll ist, an dieser Stelle das Wissenschaftszeitvertragsgesetz als eine wesentliche Rahmenbedingung von Beschäftigung an bremischen Hochschulen zu betrachten und darüber in eine Diskussion zu kommen. Das Gesetz enthält die aus dem Hochschulrahmengesetz bekannten Sonderregelungen für die befristete Beschäftigung des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals während der Qualifizierungsphase, die sogenannte Zwölfjahresregelung. Das bedeutet in der Praxis, dass in der Qualifizierungsphase das wissenschaftliche und künstlerische Personal, das nicht promoviert hat, bis zu sechs Jahre befristet beschäftigt werden kann, nach Abschluss der Promotion ist eine weitere Befristung von bis zu sechs Jahren, in der Medizin von bis zu neun Jahren möglich. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Hinzu kommt eine weitere Besonderheit des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes: Die sogenannte Tarifsperre verbietet den Hochschulen und den zuständigen Gewerkschaften, im Rahmen eines Tarifvertrags abweichende Regelungen zu vereinbaren. Diese Tarifsperre nimmt also den Gewerkschaften die Grundlage für in anderen Bereichen übliche Tarifverhandlungen. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz schafft angesichts der gestiegenen Bedeutung von Drittmitteln bei der Hochschulfinanzierung neue Möglichkeiten befristeter Beschäftigungen aufgrund von Drittmitteln und legt hier keine Obergrenze für die Gesamtdauer einer Beschäftigung fest.

Der Gesetzgeber hat mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz scheinbar mehr Sicherheit im Drittmittelbereich erreicht, fraglich bleibt jedoch, ob das in Gänze und für alle Beteiligten zufriedenstellend gelungen ist. So ist Flexibilität zwar gerade im Wissenschaftsbereich durchaus sinnvoll – Wissenschaft und Forschung leben schließlich vom kontinuierlichen Wechsel und Austausch, außerdem sind die Hochschulen vor allem auch Ausbildungsbetriebe –, aber ein Verbleib an den Hochschulen ist natürlich nur einem geringen Teil der Absolventinnen und Absolventen möglich und wird von vielen auch gar nicht gewollt. Gerade nach der ersten Qualifikationsphase, der Promotion zum Beispiel, werden und sollen viele Absolventen in andere Bereiche wechseln, zum Beispiel in die Wirtschaft. Nur so ist aus unserer Sicht zu gewährleisten, dass immer neue Ausbildungsjahrgänge ihre jeweiligen Qualifikationsphasen durchlaufen können.

Drittmittelprojekte, die hier angesprochen sind, derer wir uns immer rühmen, da sie auch Ausweis der hohen Qualität und des hohen Renommees unserer Hochschulen sind, sind zeitlich befristet. Wenn wir also in diesem Kontext keine Befristungen mehr zulassen würden, dann bedeutete dies hohe Finanzierungsrisiken für die Hochschulen, die in ihrer künftigen Handlungsfähigkeit stark eingeschränkt werden würden.

Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs ist dementsprechend eng an die finanziellen Ausstattungen der Hochschulen gebunden. Hier ist unser Handlungsspielraum leider angesichts der engen Haushaltslage naturgemäß klein, sodass es vor allem darauf ankommt zu erreichen, dass sich der Bund in weitaus stärkerem Maße an der Finanzierung der Hochschulen und der Wissenschaft beteiligt.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Die unbefriedigende und belastende Situation für befristet Beschäftigte und die starke Zunahme dieser Beschäftigungsverhältnisse in den vergangenen Jahren wirft jedoch auch für uns die Frage auf, ob die neu geschaffene Flexibilität nicht überbeansprucht

beziehungsweise missbräuchlich verwendet wurde, wie Frau Schön es eben genannt hat. Wir Sozialdemokraten wie auch unser Koalitionspartner sehen durchaus mögliche Anknüpfungspunkte für Verbesserungen der Beschäftigungssituationen von Hochschulangehörigen, die wir überprüft und diskutiert haben möchten. Hier ist beispielsweise die Frage der Aufhebung der Tarifsperre zu nennen oder die Frage, wie wissenschaftlichen Mitarbeitern neben anderen Aufgaben genügend Zeit für ihre Promotion oder Habilitation zur Verfügung gestellt werden kann.

Wir streben außerdem an, unterjährige Beschäftigung zu verhindern und die Beschäftigungszeiten nach Möglichkeit mit der Laufzeit von Projekten zu synchronisieren.

(Beifall bei der SPD)

Auch die angesprochenen Personalentwicklungsangebote, die Frau Schön erwähnt hat, sehen wir positiv.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es gilt hier aber, sensibel und mit Augenmaß vorzugehen. Starre Systeme und Ansätze können die Hochschulen stark in ihrer Handlungsfähigkeit einschränken. Auf der einen Seite wollen wir also die notwendige Flexibilität des Wissenschafts- und Forschungsbetriebs erhalten, aber auf der anderen Seite auch die berechtigten Wünsche und Interessen der Beschäftigten ernst nehmen.

Wir werden in Bälde versuchen, hierzu einen Antrag vorzulegen, der versucht darzustellen, an welchen Stellschrauben auf Landes- oder Bundesebene wir realistischerweise drehen können und müssen, um die Beschäftigungssituation an allen Hochschulen, nicht nur an denen Bremens, zu verbessern. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Grobien.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema, das hier von der LINKEN aufgerufen wird, „Beschäftigungsverhältnisse an bremischen Hochschulen“ oder genauer „die Gefahr von prekärer Beschäftigung an Hochschulen“, hat sicherlich seine Berechtigung und wird ja seit geraumer Zeit auch von der CDU-Bundestagsfraktion verstärkt diskutiert. Das Interessante an der Antwort des Senats ist aber die Tatsache, dass der Senat sich bei der Beantwortung der Fragen weitgehend darauf beschränkt, ein Konvolut an Zahlen zu liefern.

Die Behauptungen und Unterstellungen in der Vorbemerkung der Großen Anfrage stehen somit unkommentiert im Raum. Machen sich ausgerechnet an bremischen Hochschulen rücksichtslose Ausbeutung und entfremdete Arbeit breit, sozusagen von der Kaderschmiede zur Ausbeutungsmaschine? Wir sind der Auffassung, dass die Fraktion DIE LINKE hier ein Zerrbild der Lage an den Hochschulen zeichnet, und wir hätten erwartet, dass der Senat dies auch deutlich zum Ausdruck bringt.

(Beifall bei der CDU)

Man tut schließlich auch jenen Unrecht, die sich in der Verwaltung und als verantwortungsvolle Vorgesetzte um korrekte und faire Arbeitsverhältnisse an den Hochschulen in Bremen bemühen.

Nicht jede Befristung und nicht jede Teilzeitstelle ist Ausdruck von Prekarisierung.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Doch!)

Sie ist es dort, wo gegen geltende Arbeitsverträge verstoßen wird und beispielsweise Arbeitszeiten abverlangt werden, die nicht vereinbart sind. Treten solche Missstände auf, dann sind nicht zuletzt die Personalvertretungen gefordert, hier die Interessen der Betroffenen wahrzunehmen.

Wahr ist auch, dass befristete Verträge nicht per se schlecht sind, im Gegenteil, Teilzeitregelungen können den Menschen auch entgegenkommen. Schaut man sich den Wissenschaftsbetrieb an, muss man sagen, dass Stellen im akademischen Mittelbau in der Regel nicht dafür gedacht sind, dass man dort alt wird, sondern dass sie als Einstiegsplattform dienen, die nach einer gewissen Zeit wieder frei werden, um dann von nachrückenden Studenten, zum Beispiel im Rahmen einer Promotion, wieder besetzt zu werden. Wissenschaft lebt eben auch vom Austausch und von Ideen junger Menschen.

Grundsätzlich sind befristete Stellen und Teilzeitstellen, so wie der Senat es feststellt, ein wichtiges Instrument der Nachwuchsförderung, und die Teilzeitbeschäftigung ist auch ein wichtiges Mittel, um Familie und Beruf zu vereinen. Problematisch wird die Situation natürlich dann, wenn befristete Stellen einer klaren Planbarkeit der eigenen wissenschaftlichen Karriere entgegenstehen und auch die mittelfristige Lebensplanung der Menschen – zu der nicht zuletzt die Entscheidung gehört, Kinder in die Welt zu setzen – stark erschweren. Hier liegt die Lösung in einer verantwortungsvollen Ausgewogenheit. Dabei muss auf die Chancengerechtigkeit von Beschäftigten, von Frauen und Männern, geachtet werden. Hier gibt es offensichtlich zugunsten der weiblichen Beschäftigten noch Nachholbedarf, wie die Antwort auf Frage 13 zeigt.

Ich möchte auch noch einmal kurz auf die Drittmittel eingehen, die von der LINKEN wieder einmal

kritisiert werden. Wenn private Unternehmen, die DFG oder andere beschließen, ein Forschungsvorhaben zu fördern, dann hat dieses Vorhaben normalerweise auch ein Forschungsziel, und wenn dieses Ziel erreicht ist, dann ist das Projekt auch beendet. Eine Fortführung des Beschäftigungsverhältnisses macht so weder für den Geldgeber noch für die Hochschulen Sinn.

DIE LINKE sieht unbefristete Beschäftigungsverhältnisse an den Hochschulen als Allheilmittel an. Natürlich sind wir uns auch einig, dass Beschäftigungsverhältnisse gerade auch in der Wissenschaft Sicherheit und Berechenbarkeit brauchen, aber das Wissenschaftssystem kann sich in dieser Hinsicht nicht vollständig von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung lösen. Der Arbeitsplatz auf Lebenszeit ist heute nicht nur im Wissenschaftsbetrieb, sondern auch in vielen anderen Arbeitsbereichen nicht mehr die Regel,

(Abg. Frau D r. S c h a e f e r [Bündnis 90/ Die Grünen]: Aber mehr als ein Jahr!)

übrigens nicht immer unbedingt zum Nachteil des Arbeitnehmers. Gerade gut ausgebildete Nachwuchswissenschaftler profitieren von den Freiheiten, die ihnen die globalisierte Welt bietet, und für gute und exzellente Wissenschaft brauchen wir exzellente Wissenschaftler und exzellenten Nachwuchs. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Grobien, ich glaube, Sie haben ein paar Sachen nicht so ganz verstanden.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum einen ist das natürlich kein Problem der Bremer Hochschullandschaft, ich kann das auch einmal hier verdeutlichen. Die GEW hat einen sehr interessanten internationalen Vergleich gemacht, wie es aussieht.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Den können wir hier nicht sehen!)

Ich erkläre Ihnen das!

Dies ist die Situation in Frankreich, England und den USA. Sie sehen, der wissenschaftliche Mittelbau, auf den Deutschland maßgeblich fußt, ist in allen anderen Ländern wesentlich geringer, und die Anzahl der fest angestellten Professoren und auch die An––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

zahl der Juniorprofessoren ist in allen Ländern im internationalen Vergleich erheblich höher. Lediglich in Deutschland ist der Mittelbau so ausgeweitet, und 74 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse bundesweit sind befristet. Das ist ziemlich einmalig, und alle anderen Universitäten und Hochschulen im internationalen Vergleich gehen mit ihren Beschäftigten anders um.

Der Grund liegt darin, dass zum einen die Grundfinanzierung in allen Bundesländern und auch durch den Bund stückweise immer weiter heruntergefahren wurde und es mittlerweile bundesweit zu einem ganz krassen Missverhältnis an Universitäten und Hochschulen kommt, wie sie ihre Beschäftigten bezahlen können. Es hat aber auch etwas damit zu tun, dass das Wissenschaftszeitvertragsgesetz erlassen worden ist, das wird zu Recht kritisiert, und da sind wir ja nicht die Einzigen.

Sie sollten sich vielleicht einmal die Mühe machen, mit dem Rektorat der Universität zu sprechen, dort wird das nämlich genauso kritisiert. Es wurde zum Beispiel durchaus, und zwar erst in diesem Sommer und auch aufgrund des Drucks, der entstanden ist, auch über die Personalräte, an einer ganz entscheidenden Stelle gegengesteuert, und das finde ich gut, aber das ist einfach nur die Universität Bremen. Von dort wurde gesagt, wenn Drittmittelprojekte laufen, dann laufen sie in der Regel über drei Jahre, und dann kann es nicht angehen, dass die Beschäftigungsverhältnisse dann auf ein Jahr befristet sind, sie müssten zumindest der Laufzeit der Projekte entsprechen.