Andererseits bleiben noch die anderen 80 Prozent und damit der ganz überwiegende Teil der Varianz, also die Unterschiedlichkeit, die dadurch noch nicht erklärt ist. Der Faktor Migrationshintergrund ja, aber nur zum Teil, denn diesbezügliche Disparitäten sind eben in den genannten 20 Prozent zumindest teilweise schon enthalten. Soziale Benachteiligung und der Faktor Migrationshintergrund kommen leider häufig zusammen.
Werfen wir doch einen weiteren lohnenden Blick in die Studie! Prägnant, gerade zu trotzig betonen die Autoren in ihrer abschließenden Kommentierung, ich zitiere erneut: „Allgemein weist die relative Konsistenz der Befunde darauf hin, dass in Ländern, in denen eher ungünstige Ergebnismuster zu beobachten sind, versucht werden sollte, die Qualität schulischer Lernprozesse insgesamt zu optimieren. Dies gilt insbesondere für die Stadtstaaten und innerhalb dieser Gruppe vor allem für Berlin und Bremen.“ Dass die überwiegend schwachen Ergebnisse dieser Länder nicht nur auf die soziodemografische Zusammensetzung der Schülerschaft zurückzuführen sind, wie etwa einen besonders hohen Anteil von Heranwachsenden aus sozial schwachen und zugewanderten Familien, wird
Meine Damen und Herren, hierin sind drei Botschaften enthalten. Sie sind erstens nicht Opfer widriger Verhältnisse, sondern haben diese Verhältnisse maßgeblich zu verantworten. Zweitens gibt es ein insgesamt zu niedriges Niveau in Bremen. Drittens, Hinweise auf die relative Konsistenz der Ergebnisse sind eine kaum verhohlene Kritik der Wissenschaftler, dass nicht nur die gegenwärtigen Ergebnisse schlecht sind, sondern dass Sie in der Vergangenheit eben auch nicht genug getan haben, um aufzuholen.
Wo liegen die Faktoren einer verfehlten Politik? Sicher sind nicht alle Begründungen aufgeklärt, aber Hinweise liefert auch hier die Studie. Hier ein Beispiel – und bleiben wir wieder bei der Mathematik –: Seit Jahren weist die CDU-Bürgerschaftsfraktion auf eine fatal hohe Quote fachfremd erteilten Unterrichts hin. Die Studie spricht in diesem Zusammenhang davon, dass die Art und Weise der fachdidaktischen Unterrichtsgestaltung eine „der wichtigsten Determinanten der Schulleistung ist“. Ergebnisse der Vergleichsstudie: Im Durchschnitt aller Länder geben 27,3 Prozent der Unterrichtenden in Mathematik an, den Unterricht zu erteilen, ohne das Fach studiert zu haben. In Bremen sind es sage und schreibe 46,4 Prozent. In vorn liegenden Ländern wie Bayern sind es 15,8 Prozent, in Thüringen sogar nur 1,3 Prozent.
Dies bedeutet einen Unterschied von 18 Punkten in der Rankingtabelle, bei den besonders Leistungsschwachen übrigens sogar von 58 Punkten. Das ist bezogen auf eine vierjährige Grundschule ein Dritteljahr Unterrichtsdefizit. Besonders betroffen sind die besonders Förderungswürdigen. Dieses Ergebnis ist ein beispielhafter Beleg dafür, dass wir in Bremen nicht nur eine Gelddiskussion führen müssen, sondern insbesondere eine Qualitätsdiskussion, eine Diskussion über Ihre Politik.
Ein anderes Beispiel für verfehlte Politik: In Bremen liegt der Altersschnitt der Lehrerinnen und Lehrer bei knapp über 50 Jahren. Das liegt zwar nur leicht über einem schon katastrophalen Bundesschnitt, aber besonders bemerkenswert für Bremen ist, dass nur circa fünf Prozent der Lehrerinnen und Lehrer unter 29 Jahre, aber 12,6 Prozent über 60 Jahre alt sind. Um nicht missverstanden zu werden: Das Alter hat mit der Qualität des Unterrichts nichts zu tun, aber in sehr überschaubarer Zukunft wird es eine noch stärkere Konkurrenz der Länder um unterrichtenden Nachwuchs geben.
In dieser Zeit bauen Sie nicht vor, sondern reduzieren gerade jetzt die Zahl der Referendare erheblich. Ihre aktuelle Politik, Ihre kurzatmigen Reaktionen auf Löcher im Bildungshaushalt sind genau das Gegenteil von dem, was als Antwort auf die Ergebnisse dieser Studie eigentlich erforderlich wäre.
Die Kultusministerkonferenz hat bereits im Jahr 1997 in den Konstanzer Beschlüssen die Sicherung der Qualität schulischer Bildung als zentrale Zielsetzung bezeichnet. Sie haben sich mit Ihrer Bildungspolitik halbherziger Schwerpunktsetzung hoffnungslos verzettelt –
ich komme zum Schluss! –, die, wie zum Beispiel bei den Ganztagsschulen, dann auch noch auf halber Strecke zum Stehen kommt. Die hintergründige Aufforderung dieser Studie ist: Tun Sie endlich das Richtige, und tun Sie es jetzt, insbesondere für die Kleinsten beim Start in ihr Leben! Es gilt auch im Bereich der Bildung: Ein von unten falsch geknöpfter Mantel lässt sich nach oben hin nicht mehr korrigieren.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Jeder vierte Viertklässler in Berlin und Bremen und jeder fünfte in Hamburg hat die Mindeststandards in dem Grundschulvergleich nicht erreicht. Das ist eine absolut schlechte Nachricht, das muss ich hier heute auch so deutlich sagen. Da gibt es unserer Ansicht nach auch nichts zu verharmlosen, das macht uns allen, glaube ich, ganz große Sorgen. Das zeigt, es gibt weiterhin viel zu tun, und deshalb müssen wir als Politik mit den Schulen gemeinsam die große Herausforderung annehmen und angehen.
Zunächst möchte ich ein wenig auf die Hintergründe für das Land Bremen eingehen, die aus grüner Sicht ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
wichtig sind. Der Grundschulvergleich bestätigt, dass Kinder aus sozial schwachen Familien in Mathematik und Deutsch deutlich schwächere Leistungen erbringen als ihre Mitschüler. In Bremen haben wir den höchsten Anteil an Kindern, die in Armut oder einem tendenziell bildungsfernen Haushalt aufwachsen. Fast jedes dritte Kind ist von der Risikolage Armut betroffen. Jedes vierte Kind wächst in einem Elternhaus auf, in dem kein Elternteil über eine Berufsausbildung oder gar ein Abitur verfügt. Der Anteil der Kinder in Bremen, der der Armut ausgesetzt ist – das heißt, Erwerbslosigkeit und schlechter Bildungsstand der Eltern und Armut –, ist bundesweit am höchsten. In Bayern sind es 1,7 Prozent, in Baden-Württemberg 1,8 Prozent, und bei uns waren es im Jahr 2010 ganze 12 Prozent.
Sie sehen, dass die Ausgangsbedingungen in Bremen deutlich schlechter sind als in allen anderen Bundesländern, und der Hauptrisikofaktor für schlechtere Lernergebnisse ist die Bildungsferne von Elternhäusern. Das muss man zunächst registrieren und auch berücksichtigen, finde ich.
Rot-Grün hat in den letzten Jahren sehr viel getan, um hier etwas zu verändern. In den Grundschulen gibt es seit Jahren Fördermaßnahmen, wie zum Beispiel Leseclubs, Lese- und Rechtschreibkurse und auch Vorkurse für Kinder mit Migrationshintergrund. Außerdem wurde die Lernzeit in den Fächern Mathematik und Deutsch bei Schulen in kritischer Lage auch erhöht und vieles mehr. In den Jahren 2010/2011 ist die „Offensive Bildungsstandards“ gestartet. Ziel dabei ist, alle Grundschülerinnen und Grundschüler, bei denen eine Gefahr bestand und besteht, dass sie die Mindeststandards nicht erfüllen würden, so weit zu unterstützen, dass sie die entscheidenden Grundlagen, insbesondere im Bereich der Lese- und Rechtschreibkompetenzen, erlangen.
Ich glaube, da sind wir auf dem richtigen Weg. Wir waren gestern noch in einer Schule und haben gemeinsam mit meinem Kollegen Herrn Dr. Kuhn und den Pädagogen gesprochen, die diese Initiative sehr begrüßt haben und dies auch positiv erwähnt und gelobt haben.
Aus grüner Sicht ist es wichtig, den Übergang von Kita zur Grundschule zu verbessern, sodass beide sehr engmaschig zusammenarbeiten, um das Wissen, das bereits in den Kindertagesstätten vorhanden ist, in die Schulen tragen zu können. Ein wichtiger weiterer Punkt ist unserer Ansicht nach der Zugang zu Sprach- und Leseförderung in den Schulen, der bereits vorhanden ist. Viele von Ihnen wissen, wir haben auch eine Große Anfrage dazu eingereicht, aber da ist uns
Für uns Grüne ist es auch wichtig, dass die Unterrichtskonzepte für Jungen und Mädchen verbessert werden, weil hier auch deutliche Unterschiede erkennbar geworden sind, wie etwa im Bereich der Lesekompetenz von Jungen. Ich glaube, dass es tatsächlich wichtig ist, in der Bildungsdeputation gemeinsam eine Ursachenanalyse durchzuführen und bestimmte Bereiche auch vertiefter zu betrachten, wie zum Beispiel die Frage des Unterrichts mit Fachlehrern genauer zu diskutieren, was auch Herr Dr. vom Bruch angesprochen hat. Dazu habe ich noch sehr viele offene Fragen, die ich gern diskutiert und beantwortet sehen möchte. Deswegen haben wir die Bildungssenatorin gebeten, für die nächste Sitzung der Bildungsdeputation einen Tagesordnungspunkt zu diesem Grundschulvergleich vorzusehen.
Bei der ganzen Diskussion ist mir aber auch noch einmal ganz wichtig – das habe ich eben bei Ihrer Rede ein bisschen vermisst, Herr Dr. vom Bruch –, auch zu erwähnen, dass die Schulen wirklich vor besonderen Herausforderungen im Land Bremen stehen und täglich wirklich hervorragende Arbeit leisten. Man muss auch immer berücksichtigen, das habe ich eingangs auch erwähnt, dass die Kinder mit sehr vielen Schwierigkeiten und Problemen in die Schulen kommen. Das ist für die Lehrer und Schulen vor Ort auch nicht einfach. Wichtig ist dabei, dass man mit den Schulen im Gespräch bleibt, ihre Probleme ernst nimmt und diese gemeinsam versucht zu lösen.
Zum Schluss, Herr Dr. vom Bruch – ich spreche Sie direkt an, Sie haben ja vorhin die Bildungssenatorin gefragt, ob es ihrer Ansicht nach besser wäre, im frühkindlichen Bereich eine Kita zu besuchen –: Ich fordere Sie als CDU wirklich auf, dass das Betreuungsgeld absolut nicht kommt!
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: An dieser Situation ist das Betreuungsgeld nicht schuld!)
Frau Schavan hat zum Betreuungsgeld gesagt, dass sie die Expertenmeinung nicht interessiert, dass sie eine eigene Meinung von der CDU hat, und für sie die Expertenmeinung überhaupt nicht wichtig ist.
(Zurufe von der CDU – Abg. R ö w e - k a m p [CDU]: Vielleicht tun Sie einmal etwas dafür! – Glocke)
(Unruhe – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Dann tun Sie einmal etwas, um das zu ver- bessern, anstatt andauernd zu meckern und auf andere zu zeigen! – Glocke)
Ich bitte um einen respektvollen Umgang! Wir haben Gäste und meiner Meinung nach auch einen Vorbildcharakter!
Liebe Kollegen von der CDU, schauen Sie sich den Bildungsbericht der Bundesregierung an! Dieser kommt zu dem Schluss, dass gerade Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern und Einwandererfamilien vom Besuch frühkindlicher Einrichtungen profitieren und dass gerade diese Kinder in den Kernkompetenzen Lesen, Zuhören und Verstehen auch Lernvorsprünge dadurch erreichen. Durch dieses Betreuungsgeld wird das Problem insbesondere in Metropolen wie Bremen vergrößert. Das kann doch auch nicht in Ihrem Sinne sein!