Protocol of the Session on February 22, 2012

Wir müssen heute feststellen, und das auch nach zehn Jahren und in aller Deutlichkeit, dass Hartz entgegen allen Versprechungen nicht zu mehr Arbeitsplätzen geführt hat. Teilweise sind in den Statistiken Arbeitsplätze nominell zwar gestiegen, aber man muss feststellen, das sind Arbeitsplätze, von denen Menschen nicht leben können. Ganz im Gegenteil: Hartz I bis IV hat vor allem zu einer wilden Wucherei von prekärer Beschäftigung geführt. Prekäre Beschäftigung heißt hier Minijobs, Teilzeitarbeit, Leiharbeit, befristete Beschäftigung und nicht zuletzt Ein-EuroJobs.

Für uns LINKE, die wir auch sehr häufig mit Beratungsinstitutionen und Betroffenenverbänden in den Stadtteilen zusammenarbeiten, hat die jahrelange Erfahrung damit ganz deutlich gezeigt, dass Empfängerinnen und Empfänger von Hartz IV von Armut und Willkür bedroht sind, sich schikanieren lassen müs––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

sen und ständig von Leistungskürzungen bedroht sind. Die sogenannten Sanktionsparagrafen von Hartz IV sind sozial und menschlich ein sehr dunkles Kapitel.

Mittlerweile arbeiten, auch das muss man feststellen, fast eine Million Menschen in Leiharbeit, viele davon zu Armutslöhnen, und insgesamt sind sechs Millionen Menschen zu Niedriglöhnen angestellt, Tendenz überall steigend. Auch das ist eine Folge von Hartz I bis IV.

Dann, meine Damen und Herren – darauf muss ich leider auch hinweisen –, kommt das Bundesverfassungsgericht 2010 und stellt fest, dass die Regelsätze nicht zu hoch und nicht zu niedrig sind, aber zumindest in verfassungswidriger Weise bestimmt wurden. Da muss ich doch sagen, und da schaue ich in die vorderen Reihen, in dem Fall natürlich besonders zur Sozialdemokratie: Was für eine Steilvorlage! Was haben Sie eigentlich daraus gemacht?

Wenn man im Endeffekt schaut, was dabei herausgekommen ist, und bedenkt, dass Sie zur damaligen Zeit die Mehrheit im Bundesrat hatten, dann muss man doch fragen: Was haben Sie getan? Sie haben die Betroffenen von Hartz IV verkauft für fünf Euro und ein schlecht geplantes, schlecht organisiertes und als solches abzusehendes Bildungs- und Teilhabepaket auf den Weg gebracht. Ich finde, das ist unsäglich und gebührt eigentlich einer Sozialdemokratie nicht. Ich bin immer ganz ratlos, wie man so etwas machen kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Hartz I bis IV, darauf möchte ich in aller Deutlichkeit hinweisen, ist natürlich auch Klassenkampf. Ich kann mich genau erinnern, dass der Wissenschaftliche Beirat von Attac damals gemeinsam mit allen alternativen Ökonomen gut nachgewiesen hat, dass die geplante Einsparung durch die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, die man angedacht hatte – es ist dann anders gekommen –, genau der Summe entsprach, die Rot-Grün damals eingesetzt hat, um die Reichen und die Konzerne von Steuern zu entlasten. Das war also die Gegenfinanzierung. Das ist, sage ich einmal, in der Tat Klassenkampf von oben nach unten, aber es ist ja egal, ob von oben nach unten, es ist Klassenkampf.

Aus Sicht der LINKEN ist das gesamte System Hartz I bis IV einzuordnen in eine viel größere Umverteilungskampagne, nämlich eigentlich in die Agenda 2010. Noch nie in der Geschichte in Deutschland, das muss man einmal deutlich sagen, ist so viel von unten nach oben umverteilt worden wie durch diese Agenda 2010 und die letzten zehn Jahre. Die Armuts- und Reichtumsberichte dieser Stadt dokumentieren es auch immer wieder aufs Neue, gerade die letzten Berichte der Arbeitnehmerkammer zeigen es deutlich.

Von daher kann ich eigentlich nur schließen mit dem klaren Wort: Zehn Jahre Hartz IV sind mehr als

genug, Hartz IV muss weg, ohne Wenn und Aber! – Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Reinken.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zehn Jahre HartzIV-Kommission, nicht die gesetzlichen Entscheidungen, sind sicherlich ein Anlass, ein paar kritische Betrachtungen dazu anzustellen, darin gibt es Übereinstimmung, keine Frage! Natürlich ist es, vermute ich, für die Sozialdemokraten, aber vermutlich auch für die Grünen ein schwieriges Thema, mit dem man sich auseinandersetzen muss, weil es die Konsequenz von politischen Entscheidungen ist. Ich will es jetzt aber einmal nicht so holzschnittartig versuchen, sondern etwas mehr in die Analyse und die Tiefe gehen! Ich werde mich zunächst auf den arbeitsmarktpolitischen Teil dessen beschränken, was im Antrag angesprochen wird, denn man muss sich auseinandersetzen mit den sozialen und ökonomischen Folgen und den politischen Konsequenzen, die dieses Gesetz hatte. Die politischen Konsequenzen sind im Übrigen ja bekannt, und über die ökonomischen Folgen gibt es einen wissenschaftlichen Streit. Dazu aber vielleicht gleich noch ein bisschen mehr! Zunächst aber gestatten Sie mir einen Rückblick! Wie war damals die ökonomische Lage? Mir ist es wichtig, dies auch vor dem heutigen Hintergrund zu diskutieren. Wie war die Debattenlage? Wir hatten Anfang dieses Jahrtausends in diesem Land eine hohe verfestigte Arbeitslosigkeit und eine Analyselage, die so aussah, dass wir eine Finanzmarktorientierung in der Wirtschaftswissenschaft hatten, die solche Stilblüten hervorbrachte wie: Das mit der umlagefinanzierten Rentenversicherung brauchen wir hier nicht mehr, wir können das künftig über die Kapitalmärkte organisieren. Wir hatten eine Debattenlage, die sagte, die industrielle Fertigung in unserem Land ist eigentlich Quatsch, wir sollten uns vielmehr daran orientieren, Dienstleistungen, am besten Finanzdienstleistungen zu produzieren. Wir hatten eine Debattenlage, die sagte, wir brauchen eine Angebotsorientierung, das Angebot der Ware Arbeitskraft muss billiger werden, dann löst sich alles wie von selbst. Das war die Debattenlage, die wir damals hatten. Sie war talkshowfähig, aber ideologisch verquer, ökonomisch falsch orientiert und sozial verfehlt.

(Beifall bei der SPD)

Nun zu den Ergebnissen! Ziel war damals die Senkung einer verfestigten Massenarbeitslosigkeit, und die Hypothese war, den Langzeitarbeitslosen fehle der ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Anreiz, eine Arbeit aufzunehmen, deswegen Druck, deswegen fördern und fordern und Leistungen einschränken. Ich will mit Erlaubnis des Präsidenten aus einem Aufsatz von Mitarbeitern des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zitieren, die im Jahr 2011 festgestellt haben: „Vor Hartz IV dauerte die Arbeitslosigkeit im Mittel zwölf Monate, nach den HartzIV-Reformen dauerte sie im Mittel 13 Monate. Nach einem Jahr waren vor Hartz IV 49 Prozent der Arbeitslosen wieder in Arbeit, nach Hartz IV waren es 50 Prozent.“ Was will ich damit sagen? Das Ziel, die verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit aufzubrechen, wurde nicht erreicht, sondern wir haben es trotz HartzReformen nach wie vor mit einer verfestigen Langzeitarbeitslosigkeit zu tun.

Ein zweites Ziel war es, Flexibilität an den Arbeitsmärkten zu erreichen, Mobilität der Menschen, der Arbeitnehmer, der sein Leben lang auf einer Stelle sitzt, behindert sozusagen die wirtschaftliche Entwicklung, er muss mobil gemacht werden. Dazu mit Erlaubnis des Präsidenten ein zweites Zitat aus einer neueren Untersuchung von Professor Dr. Knuth vom Institut für Arbeitsmarkt und Qualifikation an der Universität Duisburg! Er stellt drei Thesen auf und sagt:

„Die Flexibilisierungspolitik des vergangenen Jahrzehnts hat nur einen Teil des Arbeitsmarktes in Bewegung gebracht, Bezieher von Arbeitslosengeld I nehmen heute schneller Stellen an. Beschäftigte sind jedoch verunsichert und wechseln seltener den Job als in früheren Jahren.“ Er fasst es zusammen, indem er sagt, der Rückbau der Arbeitslosenversicherung scheine sich auf den Arbeitsmarkt insgesamt lähmend ausgewirkt zu haben. Soweit zu einigen Ergebnissen, wie sie heute wissenschaftlich diskutiert werden, Ergebnissen von Anspruch und Wirklichkeit, das muss man heute nach Hartz-Reformen selbstkritisch feststellen!

Ich will aber auch in aller Deutlichkeit sagen, die Hartz-Gesetzgebung enthielt damals Verschlechterungen, die sich als falsch herausgestellt haben, die von vielen zu Recht als eine Bedrohung aufgefasst wurden und die zu Fehlentwicklungen beigetragen haben, die korrigiert werden müssen. Die „taz“ hat damals irgendwann einmal getitelt, „Hartz IV ist die Angst der Mitte vor dem Abstieg“, und so war und ist es auch.

Zuvorderst ist dabei aus meiner Sicht zu nennen die ungerechtfertigte Verkürzung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld gerade für Menschen, die langjährig versichert sind, die viele Jahre versicherungspflichtig in den Betrieben beschäftigt waren. Das war leider damals die Ansage an die Kernbelegschaften: Ihr müsst euch nach langjähriger Berufstätigkeit darauf einstellen, gegebenenfalls in den Fahrstuhl nach unten gesetzt zu werden. Meine Damen und Herren, das war etwas, was man nicht hätte machen dürfen gegenüber den Menschen, die zum Wohlstand dieses Landes entscheidend beigetragen haben, und das muss geändert werden.

(Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/ Die Grünen)

Natürlich hat die sinkende Absicherung auch dazu beigetragen, dass der subventionierte Niedriglohnsektor ausgeweitet wurde und dass eine Reihe von Fehlentwicklungen im Bereich prekärer Beschäftigung begünstigt wurden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dennoch sage ich, wir lehnen diesen Antrag ab. Warum lehnen wir ihn ab? Weil er rückwärtsgewandt ist! Er ist von der Zielstellung und Formulierung her ein Zurück zum Statusjahr vom Anfang des Jahrtausends, er dient zur ideologischen Positionierung – dafür mag er geeignet sein –, aber er löst an keinem einzigen Punkt eines der heute existenziellen Probleme, die wir in der Arbeitswelt, aber auch in der Sozialpolitik lösen müssen.

Die Krise 2008/2009 hat doch gerade deutlich gemacht, dass es richtig ist, sich wirtschaftspolitisch auf die industriellen Kerne, auf die wirtschaftspolitischen Stärken zu besinnen, und dass dies wichtiger ist als die Orientierung an den Finanzmärkten. Sie hat auch deutlich gemacht, dass wir eine Stärkung der Binnenmärkte brauchen, und das geht nicht über expandierende Niedriglohnsektoren. Sie macht aber zum Dritten deutlich – und darüber müssen wir zukunftsgerichtet diskutieren –, dass wir eine neue Ordnung der Arbeit brauchen, um all die Probleme, die entweder damals schon vorhanden waren oder in den letzten Jahren hinzugekommen sind, richtungsweisend zu lösen. Das ist doch die Agenda, um die wir uns heute kümmern müssen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir lösen doch mit einem Zurück vor Hartz IV weder das Problem der Sozialhilfe – wollen wir denn auch mit der Sozialhilfe wieder zurück auf das alte Niveau? –, noch regeln wir zum Beispiel das Thema der Leiharbeit und der zunehmenden Verdrängung von Leiharbeit durch Werkverträge. Wir regeln weder das Thema der Praktika und der Scheinpraktika noch das Problem des zurückgehenden Einflusses von Tarifverträgen über die unzureichende Ausrichtung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung, noch das Thema der Flucht aus der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, die wir an vielen Stellen haben.

Deswegen brauchen wir eine zukunftsgerichtete Agenda. Wir sind auf dem Weg, wir haben verschiedene Initiativen dazu eingebracht. Es gibt auf Bundesebene dazu verschiedene Initiativen, die leider abgelehnt worden sind. Das halten wir für zukunftsweisender, als sozusagen eine ideologiegeladene Debatte zu führen, die richtige Punkte aufgreift, aber ansonsten keines der aktuellen Probleme löst. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rohmeyer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! DIE LINKE zelebriert mit diesem Antrag nichts anderes als ihren Gründungsmythos, und dafür müssen wir hier wertvolle Debattenzeit verwenden. Sie haben den Namen nicht genannt, aber die Ablösung von Oskar Lafontaine von der SPD gehört genauso zu diesem Gründungsmythos, und der Prozess der Agenda 2010 ist der politische Prozess gewesen, aus dem ja die WASG und dann mit ihrer Vorgängerpartei zusammen die Partei DIE LINKE entstanden ist. Das ist die Wahrheit, weshalb Sie uns hier heute diesen Antrag vorlegen. Sie haben ein passendes Datum dafür gefunden. Die Dringlichkeit, die Sie generiert haben, ist nicht ganz erkennbar. Sie wollen es natürlich zum Datum für Ihre Klientel zelebrieren. Das ist die Wahrheit, warum wir heute hier diese Debatte haben.

(Beifall bei der CDU)

Die Wahrheit ist, Oskar Lafontaine hat schon in den Neunzigerjahren wichtige und notwendige Sozialund Finanzreformen in Deutschland blockiert, damals noch als Vorsitzender der SPD. Dann, als die rot-grüne Bundesregierung im Jahr 1998 die Arbeit aufnahm, hat er sich zunächst noch gewehrt, hat sich dann, als er festgestellt hat, dass er sich gegen Herrn Fischer, Herrn Schröder und Herrn Clement nicht durchgesetzt hat, schmollend aus der SPD-Verantwortung zurückgezogen. Gerhard Schröder hat es durchgesetzt, und dafür hat ihm Bundeskanzlerin Angela Merkel im Jahr 2005 in ihrer ersten Regierungserklärung auch ausdrücklich gedankt, die verschleppten notwendigen Reformen auf dem Arbeitsmarkt im Rahmen der Agenda 2010 in Gang zu setzen. Die Union hat aus der Oppositionsrolle im Bund im Jahr 2002/2003 dort auch ihrer Verantwortung entsprechend zugestimmt.

Meine Damen und Herren, vor zehn Jahren wurden wichtige Reformen angestoßen, es wurden auch Fehler gemacht, unbestritten. Es hat immer wieder Nachbesserungen gegeben, aber es war natürlich richtig, Sozial- und Arbeitslosenhilfe zusammenzulegen. Es war natürlich richtig, die verkrusteten Strukturen des damaligen Arbeitsamtes aufzulösen und die Jobagenturen einzuführen. Es war natürlich richtig, die Kommunen noch stärker in die Verantwortung zu nehmen, aber wir haben weiterhin viel zu tun. Das sichtbarste Zeichen ist ein enormer Rückgang der Arbeitslosigkeit. Diese Arbeitslosigkeit ist in Deutschland seit dem Jahr 2005 deutlich zurückgegangen. Wir haben hier zwischenzeitlich wichtige Bereiche, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

das sieht man übrigens auch im Vergleich mit anderen europäischen Ländern, auf den Weg gebracht, und dies wäre eben nicht ohne die Reformen, die vor zehn Jahren auf den Weg gebracht wurden, möglich gewesen.

Was Sie mit Ihrem Antrag hier heute wollen, haben Sie selbst gar nicht gesagt. Sie wollen, dass das abgeschafft wird. Was wollen Sie denn dann, wenn das abgeschafft werden sollte, wenn irgendjemand tatsächlich Ihrem Antrag zustimmen würde?

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Reichtum für alle!)

Dazu haben Sie kein Wort gesagt, Herr Erlanson! Das war ziemlich schwach, was Sie hier geboten haben. Außer triefender Polemik kam dabei am Ende nämlich nichts herüber. Die Bundesregierung ist sich ihrer Verantwortung bewusst, und auch die Opposition aus SPD und Grünen im Bund ist sich an dieser Stelle ihrer Verantwortung bewusst. Nur DIE LINKE polemisiert und versucht, Menschen, die in einer durchaus schwierigen persönlichen Situation sind, mit billigen Parolen einzufangen, und das haben wir heute hier in der Bürgerschaft gerade wieder einmal erlebt.

Ihrem Antrag stimmen wir selbstverständlich nicht zu. – Danke!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Willmann.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Den Grünen waren und sind die Entscheidungen zu den Hartz-IV-Gesetzen nicht leicht gefallen. Ich kann mich erinnern, dass im Jahr 2002, als es um die Entscheidung ging, mindestens vier Bundestagsabgeordnete offen dagegen gestimmt haben, unter anderem auch der heute noch für Sozialpolitik zuständige Markus Kurth. Es gab eine große Diskussion, die uns auch morgen erreicht, die damals schon bei den Grünen eine Rolle spielte, wonach es eine Hartz-IV-Gesetzgebung nur geben kann, wenn gleichzeitig ein Mindestlohn eingeführt wird. Zehn Jahre später sind wir für das Land Bremen morgen hoffentlich soweit, dieses voranzubringen.

Als ich den Entschließungsantrag, Herr Erlanson, Ihrer Fraktion gelesen habe, musste ich eigentlich Gleiches, wie meine Vorredner konstatieren, dass ich nicht so genau weiß, was Sie eigentlich wollen. Wenn Sie den Beschlussteil Ihres Antrags nochmals lesen, dann ist das nichts weiter als eine Ächtung, eine Ächtung dessen, was damals passiert ist. Sie vermischen da auch eine ganze Menge, der Kollege Reinken hat das ein oder andere schon erwähnt. Ich finde es eigentlich immer schade, wenn nur eine Ächtung ohne einen Ausblick passiert. Politik sollte in der Lage sein,

auch Ihre Fraktion, uns ein bisschen voranzubringen. Somit vorab schon einmal, wir werden Ihren Antrag ablehnen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Für uns ist nach zehn Jahren klar, das will ich hier ausführen, dass es hier wichtige Dinge gibt, die es zu ändern gilt. Da gilt es, die Stärkung der vorgelagerten Systeme, also den Mindestlohn hineinzubringen, nicht weiter eine Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse zuzulassen und sie damit unsicherer zu machen. Es geht darum, das Arbeitslosengeld – ALG I – zu stärken, auch da gibt es verschiedene Anträge, auch unserer Bundestagsfraktion, zur Verkürzung der Anwartschaften angesichts immer kürzer werdender Beschäftigungszeiten. Das ist die Verunsicherung, die der Kollege Reinken angesprochen hat, dass man hier im ALG I die Menschen nicht mehr würdigt, wenn sie auf dem ersten Arbeitsmarkt in Arbeit sind, sie nur kurz ALG I bekommen und dann weiter absacken.

Es geht aber auch um die Verlängerung der Bezugsdauer des ALG I, vor allem für ältere Arbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer, und die haben wir zuhauf. Es gilt, die Höhe des Regelsatzes verfassungsfest zu machen. Nach unserer Auffassung und auch nach Auffassung des Senats entspricht er immer noch nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2009, deswegen sind wir als Grüne damals auch aus der Runde ausgestiegen, und Bremen hat im Bundesrat dagegen gestimmt. Dieser Regelsatz muss tatsächlich die soziokulturelle Teilhabe absichern, das tut er zurzeit definitiv nicht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ganz falsch, meine Damen und Herren – und das gilt dann auch in Richtung der Bundesregierung –, ist es, ständig den Eingliederungstitel weiter zu kürzen. Erwerbslos Gewordenen muss schnell und kompetent geholfen werden, wieder in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu kommen, mit individuell passenden Maßnahmen für Tätigkeiten in zukunftsfähigen Branchen und in den ersten Arbeitsmarkt. Auch Weiterbildung muss passgenau und frühzeitig angeboten werden. Eine Gutscheinausgabe allein lässt die Menschen nun wirklich allein und stempelt sie zu Losempfängern ab.

Das Fallmanagement an sich läuft auch in vielen Fällen nach wie vor überhaupt nicht gut. Meistens sind die persönlichen Ansprechpartnerinnen oder Ansprechpartner noch für viel zu viele Erwerbslose zuständig. Sanktionen werden an vielen Stellen, das findet man immer wieder, missbraucht. Die Grünen fordern in diesem Zusammenhang seit Langem ein Sanktionsmoratorium und ein Fallmanagement auf Augenhöhe, insbesondere was die verschärften Sank

tionsmöglichkeiten gegen die 16- bis 25-Jährigen anbelangt. Diese müssen dringend verändert werden.