Herr Kollege Tuncel, ich muss dann doch noch einmal etwas sagen! Ihre Interpretation der Antwort des Senats auf die Große Anfrage finde ich, gelinde gesagt, auch schon ein wenig schwierig, denn Sie zitieren einen Satz, der lautet: Es gibt keine Geldwäsche. Das ist doch eigentlich vollkommen klar, das könnten wir an anderer Stelle auch sagen. Ich habe das nachgelesen, darin steht zum Beispiel auch: Hinweisen auf Sozialhilfebetrug gehen der Senat und die entsprechenden Behörden nach. Das hoffe ich ganz stark, dass wir allen Formen von Betrug in unseren Behörden nachgehen, auch das finde ich legitim! Die Kritik, die Sie am Senat geäußert haben, teilen wir in dieser Einschätzung nicht. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich noch eine Bestätigung für diese Große Anfrage gebraucht hätte, dann haben mir die Vorredner diese soeben alle zusammen geliefert.
Es bringt uns nämlich überhaupt nicht weiter, dieses Problem ideologisch zu betrachten, wie Sie es hier soeben alle drei gemacht haben, und mir zu unterstellen, dass unsere Große Anfrage genau diesen Inhalt haben sollte, geht völlig an der Sache vorbei. Dann haben Sie offensichtlich gar nicht begriffen, mit welch einem Problem wir es da zumindest in der Vergangenheit zu tun hatten.
Noch einmal im Einzelnen! Diese Volksgruppe ist seit ungefähr 20 Jahren hier in Deutschland. Wenn wir jetzt – ich habe diese Frage zur Integration ganz bewusst gestellt – erst anfangen, uns um die Integration dieser Volksgruppe intensiv zu kümmern, dann haben wir doch in der Vergangenheit einen Fehler gemacht, das ist doch wohl klar. Deswegen unsere Frage, was bisher passiert ist und was in Zukunft passieren soll! Mir zu unterstellen, Herr Fecker, das wäre eine Feigenblattfrage oder so etwas, das geht an der Sache völlig vorbei!
Außerdem arbeiten Sie da nur mit pauschalen Verdächtigungen, welche Motive wir haben sollten oder gehabt haben, diese Anfrage zu stellen.
Ich wiederhole jetzt noch einmal, was ISTEC eigentlich heißt, diese Ermittlungsgruppe der Polizei: Informationssammelstelle ethnische Clans! Sie ist vom Senat – Herr Fecker, hören Sie zu? –,
sie ist vom Senat einberufen worden. Herr Senkal, auch Sie haben hier so getan, als wenn wir hier voller Vorurteile irgendeine Große Anfrage auf den Weg bringen, die überhaupt keinen Hintergrund in unserer Gesellschaft hat. Warum hat denn der Senat eine solche Ermittlungsgruppe ISTEC, Informationssammel––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
stelle ethnische Clans, ins Leben gerufen? Was glauben Sie denn? Ist das an Ihnen als innenpolitischem Sprecher der SPD vorbeigegangen? Ich bin da schon sehr überrascht! Wir stigmatisieren hier keine ethnischen Clans, sondern wir fragen danach, was der Senat in diesem Zusammenhang erledigt hat, und in diesem Zusammenhang habe ich den Senat, was ich ja nicht häufig mache, sogar gelobt.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mich in diese Debatte ein bisschen aus Sicht der Sozialpolitik einmischen! Ich glaube, dass die Gefährlichkeit und das Beängstigende von Kriminalität auch schon in der Debatte heute Vormittag über die Einbrüche klar geworden sind. Niemand wird sagen, man muss Gesetzesverstöße in diesem Land nicht verfolgen, das wäre völlig absurd, und da ist der Migrationshintergrund oder nicht relativ gleichgültig.
Ich bin der festen Überzeugung, dass wir im Umgang mit dieser Volksgruppe einerseits sagen müssen, jeder, der kriminell handelt, wird bestraft. Andererseits muss man aber die helfende Hand für alle ausstrecken, die aus den Clans herauswollen. Das Problem ist ja, dass es in gewisser Weise eine organisierte Kriminalität in Familienstruktur gibt. Das ist aus meiner und gerade aus der sozialpolitischen Sicht die große Schwierigkeit: Was machen wir eigentlich mit den Kindern, die in diesen Familien geboren werden, wo der große Bruder, ein Intensivtäter, „Held“ und Vorbild für sie ist? Was machen wir genau mit diesen Kindern? Da kann es nur sein, dass wir sagen, da müssen wir versuchen, denjenigen zu helfen, die aussteigen wollen, und es gibt sie auch deutlich.
Ich weiß, dass es eine Arbeitsgruppe gibt, die schon seit Längerem ressortübergreifend daran arbeitet, daran sind die Ressorts Justiz, Gesundheit, Soziales und eigentlich alle Senatoren beteiligt. Soweit ich weiß, ist dieses Papier, das dort erstellt wird, noch in der Abstimmung, wenn ich da richtig informiert bin, aber auf jeden Fall wird darüber nachgedacht. Ich glaube, dass wir aufhören müssen, so zu tun, dass, wenn man sich mit dieser Problematik beschäftigt, man gleich rassistisch ist. Das halte ich für verkehrt. Ich halte es aber auch für völlig verkehrt, die krimi––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Sozialpolitisch haben wir da eine ganz schwierige Aufgabe. Ich glaube nämlich, dass es extrem schwer ist, Menschen, die im sozialpolitischen Bereich tätig sind, dazu zu bewegen, mit der Polizei zusammenzuarbeiten. Das sind zwei ganz unterschiedliche Professionen mit zwei ganz unterschiedlichen Weltbildern. Die einen wollen „helfen“, so gut es geht, und die anderen helfen auf ihre Art, aber eben komplett anders, indem sie versuchen, Intensivtäter zu fangen. Trotzdem muss man den Schritt tun und versuchen, dass die beiden Professionen zumindest an dieser Stelle besser zusammenarbeiten. Ich habe den Eindruck, dass der Senat dazu auch bereit ist, ich höre aus dem Bereich immer nur Signale, die genau in die Richtung gehen.
Lassen Sie uns aufhören, diese Frage zu ideologisieren, sondern lassen Sie uns schauen, was real passiert! Ich sage noch einmal: Wenn Clans in Familienstrukturen organisiert sind, dann geht es auch darum, die unschuldigen Familienmitglieder nicht gleich mit – und wenn man die Volksgruppe als kriminell benennt, dann tut man das – zu stigmatisieren. Es ist doch klar, wenn ich mich mit dem Nachnamen M. irgendwo bewerbe, dann bekomme ich schon keine Arbeit, weil ich den Namen habe. Das kann nicht richtig sein.
Auch davor, glaube ich, müssen wir ganz deutlich warnen und einfach sagen, dass diejenigen, die als Täter in Erscheinung treten, strafverfolgt werden, wie das im Grundgesetz und in diesem Rechtsstaat angelegt ist. Allen anderen, davon bin ich fest überzeugt, müssen wir die helfende Hand reichen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Hinners, Ihre Einlassung, dass wir hier eine solche Debatte aus ideologischen Gründen führen, hat mich dann doch noch bewogen, kurz dazu Stellung zu nehmen, weil ich relativ sicher bin, dass wir diesen Vorwurf hier so nicht dulden sollten.
(Beifall bei der LINKEN) ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft. Wenn wir im Zusammenhang solcher Debatten von Rassismus reden, macht das hier keiner aus ideologischen Gründen, sondern aus der Erkenntnis, dass es falsch ist, Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihrer Religion, Hautfarbe oder Ähnlichem irgendeine Eigenschaft mit einem Automatismus zuzuerkennen. Das ist Rassismus! (Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)
Das ist ein vergleichsweise nüchterner, ein vergleichsweise nachvollziehbarer und ein vergleichsweise gefährlicher Tatbestand.
Wir haben jetzt eine Situation, und deswegen versuche ich es noch einmal: Ich bin relativ sicher, dass Sie diese Anfrage nicht gestellt haben, um Menschen zu diskreditieren, keine Frage! Der Grund war möglicherweise tatsächlich, dass Sie sagen, wir haben da ein Problem, und wir müssen dieses Problem ausmachen, und wir möchten gern, dass das noch einmal aufgearbeitet wird, und wir möchten wirklich schauen, was der Senat da gemacht hat. Ich sage Ihnen nur eines, und deswegen ist es gefährlich: Diese Anfrage hat eine andere Wirkung auf diejenigen, die sie außen wahrnehmen.
Da, wo ich manchmal bin, in Gegenden, wo Menschen am Stammtisch reden oder in der Fußgängerpassage, irgendwo, sitze ich immer mit ganz offenen Ohren, und was dort über Menschen anderer Hautfarbe, anderer Herkunft geredet wird, ist kreuzgefährlich und gelebter Rassismus, es ist Alltagsrassismus. Wenn wir versuchen, mit den Mitteln elektronischer Datenverarbeitung Menschen nach ethnischer Zugehörigkeit zu klassifizieren und ihr kriminelles Potenzial zu erwägen – wo liegt denn das bei einer Familie Meyer oder einer Familie Podolski oder einer Familie Sonstwo, liegt es bei 10 Prozent, 50 Prozent, 60 Prozent? –, dann ist das diskriminierend und praktisch auch eine Form von Rassismus und hilft Menschen mit braunem Gedankengut zu legitimieren, dass sie diese Menschen auch angreifen.
Deswegen haben wir in der Tat zwei oder drei verschiedene Aufgaben. Ich bin mir sicher, wir müssen organisierte Kriminalität von dem Vorwurf wegholen, dass sie bestimmten Ethnien und bestimmten Herkunftsländern automatisch zugeordnet ist. Wir müssen sie trotzdem entschieden bekämpfen, und zu den ersten Aufgaben gehört es auch, die Menschen, die nicht kriminell sind, aber unter einem solchen Vorwurf leiden könnten, zu schützen, denen müssen wir helfen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist sehr viel gesagt worden, vieles auch, was klug war, manches auch nicht. Ich glaube, es ist klar, dass wir mit diesem Thema sensibel umgehen müssen, dass wir differenziert darauf schauen müssen. Ich versuche, einfach bei dem zu bleiben, was wir heute wissen. Wir sprechen über 2 600 Menschen in dieser Stadt, darunter sehr viele Kinder. Wir haben aus unserer Statistik zu entnehmen, dass von diesen 2 600 Menschen im Jahr 2010 328 als Tatverdächtige aufgefallen sind. Das bedeutet zugleich, dass 88 Prozent nicht aufgefallen sind. Das muss man an dieser Stelle auch sagen!
Dieses Problem beschäftigt die Stadt seit vielen Jahren. Der Senat hat eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, die wir im Einzelnen aufgelistet haben: vorwiegend Maßnahmen im polizeilichen Bereich, die Errichtung einer ISTEC, wir haben das Thema NullToleranz-Strategie entwickelt, das Projekt „Stopp der Jugendgewalt“ und vieles andere mehr.
Die Zahlen deuten darauf hin, dass es eine positive Entwicklung gegeben hat. Ich bin aber, muss ich sagen, trotz des Lobes der CDU sehr vorsichtig dabei, weil ich auch nie sicher sein kann, dass sich im nächsten Jahr die Zahlen nicht ganz anders entwickeln, obwohl die polizeiliche Strategie völlig identisch geblieben ist und sich da nichts verändert hat, aber, wie gesagt, wir beobachten diese Entwicklung. Wir werden da auch nicht nachlassen und mit den Instrumenten, die wir haben, dort intervenieren.
Was aber auch bei der ganzen Bearbeitung deutlich geworden ist: Es ist kein Thema, das wir auch nur annähernd mit polizeilichen Maßnahmen in den Griff bekommen. Wir haben es hier mit einer großen Anzahl von Kindern und Jugendlichen zu tun. Wir sagen mit Migrationshintergrund, ich glaube aber, dass es noch schwieriger ist. Wenn wir uns anschauen, wie es in den Schulen aussieht, zeigt sich auch da ein differenziertes Bild. Es gibt durchaus eine ganze Anzahl von Kindern, die schulisch mitlaufen, die keine Probleme haben. Es gibt aber auch andere, die massive Probleme haben.
Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass es auch immer einen Zusammenhang mit der Frage gegeben hat, welche berufliche Perspektive jemand hat. Wenn sich schon die Eltern nicht darum kümmern, dass die Kinder eine vernünftige Ausbildung bekommen, oder sie nicht in der Lage sind, ihnen die notwendigen Kenntnisse zu Hause zu vermitteln, dann ist die Gefahr sehr groß, dass sie in der Tat da bleiben, wo sie angefangen haben, nämlich in einem Bereich ohne Erfolge, und dass sie sich an dem orien
Deswegen ist es für uns sehr wichtig gewesen, das Thema Integration voranzutreiben. Wir haben das mit einem Konzept entwickelt, das ist hier auch dargestellt worden, welches den Kindern und Jugendlichen eine Perspektive gibt unabhängig davon, was ihre Eltern gemacht haben, und unabhängig davon, ob ihre Eltern vor 20 Jahren die Behörden über ihre eigentliche Identität getäuscht haben. Wir haben einen Schlussstrich gezogen und gesagt: Das bringt uns nicht weiter, sondern wir müssen uns darum bemühen, dass diese Kinder, diese Jugendlichen nicht den Weg ihrer Eltern und Brüder gehen. Deswegen haben wir dies entwickelt.
Das reicht nicht aus, das sage ich sehr deutlich, sondern wir werden in den nächsten Jahren deutlich verstärkte Anstrengungen unternehmen müssen. Wenn ich von „wir“ spreche, dann sind das die Ressorts Soziales und Bildung. Wir haben uns überlegt, dass wir die Dinge ressortübergreifend weiter vorantreiben. Das können wir eigentlich nur, und das ist der nächste Versuch, lokal angehen. Das heißt, wir wollen einmal schauen, ob wir nicht in den Stadtteilen, die ein besonderes Problem haben, angebunden an die Sozialzentren mit unseren Arbeitsgruppen Polizei, Justiz, Soziales und Bildung versuchen, die Dinge weiter voranzutreiben, zu steuern, um auch hier ein Konzept zu entwickeln, das im Ergebnis dazu führt, dass weniger Kriminalität entsteht.
Bei allem guten Vorsatz sage ich aber auch, es gibt einige in diesem Bereich – und das haben wir überall, da gilt das, was der Herr Abgeordnete Möhle gesagt hat –, da stoßen wir auch an unsere Grenzen. Das gilt insbesondere für die Intensivtäter. Da gibt es häufig keine Alternative, als sie einfach von der Straße zu nehmen, zu inhaftieren und darauf zu hoffen, dass sie irgendwann zu Verstand kommen.
Deswegen: Wir werden unsere Strategie nicht verändern, sondern das konsequent weiterentwickeln, was wir vor vielen Jahren angefangen haben, auf der einen Seite durchaus repressiv vorgehen, schnell vorgehen, und auf der anderen Seite müssen wir versuchen, über diese Integrationsmaßnahmen das Problem an der Wurzel zu erfassen. – Danke sehr!
Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 18/187, auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU Kenntnis.