Ich möchte, bevor ich mit dem eigentlichen Teil meiner Rede beginne, darum mahnen, dass sich alle Fraktionen der Bremische Bürgerschaft noch einmal Gedanken darüber machen, ob das sinnvoll ist, ob das mit unseren Grundwerten vereinbar ist, welches Signal wir damit nach draußen senden, ob wir so das gemeinsamen Ziel, das wir hier in Bremen erreichen wollen, wirklich erreichen.
Unser gemeinsames Ziel ist doch, die Kriminalität in Bremen zurückzudrängen, kein Raum für kriminelle Gruppen und konsequentes strafrechtliches Vorgehen gegen Intensivstraftäter! Unser aller Ziel ist es, Kinder und Jugendliche, die in Bremen geboren wurden, zu integrieren und nicht aufgrund ihrer ethnischen Herkunft zu stigmatisieren und zu diskriminieren.
(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der LINKEN) ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft. (A) (C)
Kinder und Jugendliche brauchen ein Signal, dass sie eine Perspektive unabhängig von ihrer Familie und ihrer Herkunft haben. Das Signal ist nicht, dass man ihnen das Gefühl vermittelt, dass sie wegen ihrer Herkunft mit Straftätern pauschal in einen Topf geworfen werden. Können Sie sich vorstellen, was das mit Kindern macht, wenn so wegen ihrer Herkunft in Zeitungen geschrieben, im Fernsehen berichtet, in der Bürgerschaft debattiert wird? Ich wünsche mir, dass wir uns alle hierüber noch einmal Gedanken machen.
Jetzt komme ich zu meinem eigentlichen Thema: Die SPD-Bürgerschaftsfraktion sagt, keine Toleranz gegenüber kriminellen Gruppierungen, egal ob sie sich kriminell organisieren, weil sie die gleiche Herkunft haben oder dem gleichen Verein angehören oder die gleiche politischen Gesinnung teilen! Wir wollen weiter eine intensive Überwachung und ein konsequentes Vorgehen gegen Intensivstraftäter. Wir haben die Erwartung an alle beteiligten Ressorts, dass man bekannt kriminelle Gruppen oder kriminelle Intensivtäter eng beobachtet und bei jeglichen Verstößen schnell und konsequent reagiert. Wir fordern, dass sich die beteiligten Ressorts in der Leitung abstimmen, immer wieder gemeinsame Strategien entwickeln, wie man das Ziel der schnellen staatlichen Konsequenz am besten erreicht. Diese Erwartung formuliere ich hiermit noch einmal ganz deutlich an das Innenressort und an das Justizressort! Natürlich haben aber auch Soziales und Bildung ihre Aufgaben, denn wenn es Intensivtäter gibt oder kriminelle Organisationen, die Kinder haben oder in denen Kinder mitorganisiert werden, dann muss man sich natürlich auch um diese Kinder kümmern und dafür sorgen, dass sie eine eigene Chance bekommen und nicht den Weg ihrer Väter oder Brüder gehen müssen. Jetzt komme ich noch kurz zu den Antworten auf die Große Anfrage, auch wenn ich die Fragestellung der CDU kritisch hinterfragen möchte: Die Antworten zeigen, dass die Arbeit, insbesondere unserer Polizei, erfolgreich ist. Wir haben insgesamt weniger Fallzahlen, und wir haben, und das freut mich besonders, weniger straffällige Kinder, Jugendliche und Heranwachsende. Die Antworten zeigen auch, dass wir 23 sogenannte Toptäter und 17 sogenannte Intensivtäter haben. Da müssen wir weitermachen und uns mit allen verfügbaren Mitteln, die wir als Rechtsstaat haben, entgegensetzen. Herr Senator Mäurer ist hier auf dem richtigen Weg, denn wie aus der Antwort auf die Große Anfrage ersichtlich ist, sind die Zahlen rückläufig. Damit komme ich zu meinem Fazit dieser Großen Anfrage und ihrer Beantwortung: Ich würde mir wünschen, dass wir solche Fragen zukünftig nicht mehr in der Bürgerschaft diskutieren müssten, und ich er
warte vom Senat, dass er weiter so konsequent und erfolgreich gegen kriminelle Gruppen und Intensivstraftäter vorgeht, wie es uns diese Antwort auf die Große Anfrage der CDU gezeigt hat. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sicherheitsbehörden arbeiten nicht immer nach objektiven Kriterien, bestimmte Bereiche der Gesellschaft stehen mehr im Fokus von Ermittlungen. Seit dem 11. September 2001 sind das vor allem die sogenannten Islamisten, aber auch die politische Linke. Auf dem rechten Auge haben die Sicherheitsorgane in Deutschland bisher nicht so gut gesehen.
Dieser Fokus in den staatlichen Sicherheitsapparaten spiegelt meistens auch den gesellschaftlichen Diskurs wider. Das zeigt sich auch in Bremen. Hier gibt es seit längerer Zeit eine öffentliche Diskussion über die Gruppe der Mhallamiye. Eine Zeit gab es einerseits eine große Welle von Solidarität, als die Familie G. aus Tenever abgeschoben werden sollte. Andererseits gibt es immer wieder Aufrufe der Empörung in Bezug auf straffällige Mitglieder einer anderen Familie.
Die Solidaritätswelle ist verebbt, geblieben ist eine Debatte, die eine ganze ethnische Gruppe kriminalisiert und nicht selten rassistische Tendenzen aufweist. Auch diese Debatte hat sich in diesen Sicherheitsstrukturen niedergeschlagen. Im Jahr 2009 verkündete der Innensenator, Herr Mäurer, eine NullToleranz-Strategie. Im Jahr 2010 wurde die Informationssammelstelle ethnische Clans, kurz ISTEC, gegründet. Sie ist bei der Polizei angesiedelt und setzt bei Strafverfolgung statt bei Prävention an. Die Antworten, die der Senat nun vorgelegt hat, stammen von dieser Informationsstelle. Sie hat also viel Arbeit in die Überwachung der Mhallamiye – so wird das ausgesprochen – investiert. Das war auch ihr Auftrag, denn der Verlängerungsantrag war damit begründet, die kriminellen Aktivitäten der Mhallamiye weiterhin zu verringern.
Hier sind gleich zwei rassistische Diskriminierungen festzustellen: Erstens konzentriert sich eine polizeiliche Überwachungsstelle auf eine bestimmte ethnische Gruppe, meine Damen und Herren. Zweitens werden alle Mhallamiye kriminalisiert. Ich will nicht leugnen, dass Mitglieder dieser Ethnie teilweise in erheblichem Umfang strafrechtlich in Erscheinung getreten sind. Genauso gibt es aber Familien mit anderen ethnischen Identitäten, zum Beispiel deutschstämmige Familien, die häufiger straffällig werden ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
als andere. Die Kriminalitätsrate einzelner Personen einer gesamten Ethnie zuzuschreiben, grenzt für uns an Rassismus, meine Damen und Herren!
Die CDU befeuert rassistische Vorurteile à la Sarrazin wie zum Beispiel: Junge muslimische männliche Migranten sind hochkriminell, und die Migranten insgesamt nutzen den Sozialstaat aus.
Genau in diese Richtung gehen die Fragen der CDUFraktion, Herr Strohmann! Es wird nur nach Kriminalität und Sozialstaatsbetrug gefragt, positive Aspekte werden ignoriert,
dass es genauso Familienmitglieder gibt, die nicht straffällig werden. Herr Senator, Sie haben gestern in Ihrer Rede einen jungen Mann erwähnt, der jetzt bei einer Bank seine Ausbildung macht. Er hat die Möglichkeit bekommen, dass er seinen Aufenthaltstatus bekommen hat und seine Ausbildung macht. Das ist unter anderem einer aus der Gruppe der Mhallamiye. Dabei verdienen diese Jugendlichen eigentlich eine besondere Anerkennung, denn Integration ist viel schwieriger in einem problematischen Umfeld und mit unsicherem Aufenthaltstatus.
Diese einseitigen Fragen bedienen bestehende Vorurteile, mit denen die gesamte Volksgruppe immer wieder konfrontiert und abgestempelt wird. Der Senat problematisiert diese einseitige Darstellung nicht. Stattdessen schlägt er in die gleiche Kerbe,
zum Beispiel in der Antwort auf Frage sechs: „Eine Geldwäschehandlung konnte nicht nachgewiesen werden.“ Was versteht man darunter? Wenn zwar der Verdacht bestand, aber nicht bewiesen werden konnte, wenn es zu keiner juristischen Verurteilung gekommen ist, dann steht es auch dem Senat nicht zu, solche wertenden Aussagen zu treffen!
Der gesellschaftliche Zusammenhang sozialer Probleme wird in den Fragen, aber auch in den Antworten weitgehend ausgeblendet. Ich will die Mhallamiye nicht in eine Opferrolle drängen, aber bestimmte Hin
Viele Mhallamiye flohen vor dem libanesischen Bürgerkrieg in den Achtzigerjahren. Hier bekamen sie Asyl, einen Aufenthalt, bis Deutschland und die Türkei Informationen zum türkischen Personalregister austauschten. Wurzeln in der Türkei und Grenzübergangsverkehr führten dazu, dass einige Mhallamiye auch in der Türkei registriert waren. Diese Registereinträge wurden ihnen hier zum Verhängnis, indem ihnen Identitätstäuschung vorgeworfen und der Aufenthalt entzogen wurde. So fielen viele in den Duldungsstatus, den sie leider bis heute noch haben, verloren ihren Arbeitsplatz oder durften nicht einmal arbeiten. Sie lebten jahrzehntelang von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, und das geht wirklich nicht spurlos an einem Menschen vorbei.
Die Diskussion um die Abschiebung der Familie G. hat dazu geführt, dass im September 2010 per Erlass ein humanitärer Aufenthalt für gut integrierte Jugendliche ermöglicht werden sollte. Leider haben innerhalb eines Jahres nur 112 junge Menschen davon profitiert, aber immerhin!
Außerdem sind Mhallamiye auch behördlichen Repressionen ausgesetzt. So hat die Flüchtlingsinitiative Bremen Ende 2010 einen Fall bekannt gemacht, in dem ein Angehöriger der Mhallamiye abgeschoben wurde, obwohl seine Frau und seine minderjährigen Kinder weiter in Bremen leben. Das ist ein rechtswidriges Auseinanderreißen von Familien und missachtet Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Trotzdem durfte der Familienvater nicht wieder einreisen. Dass so etwas desintegrativ für die Familie wirkt, kann man sich an zwei Fingern ausrechnen, aber anscheinend greift das Innenressort nach der Verkündung einer Null-Toleranz-Strategie auch zu solchen Mitteln. Diesen Kurs können wir nicht unterstützen, meine Damen und Herren! – Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob es Ihnen manchmal auch so geht: Bei manch einer Großen Anfrage fragt man sich eigentlich, was die Zielsetzung des Fragenden ist. Das ist das gute Recht eines jeden Fragenden. Bevor ich gleich den Zwischenruf kassiere, erspare ich ihn mir, aber ich habe mich das bei der Großen Anfrage der CDU schon gefragt. Der Dreiklang, den die
CDU hier aufmacht, Straftaten, Sozialbetrug und Eigentumserwerb, ist ein Dreiklang, den die grüne Fraktion nicht teilt und den die grüne Fraktion auch in dieser Form von sich weist,
weil Sie hier zumindest den Anschein erwecken, als würde es Ihnen darum gehen, eine gesamte Volksgruppe in eine bestimmte Ecke zu stellen. Das ist auch, wie Sie den Zahlen entnommen haben, in dieser Form nicht korrekt. Sie haben – das will ich der Ehre halber dazu sagen – zum Schluss noch einmal quasi als Feigenblatt die Frage nach der Integration gestellt. Das war es dann aber auch an bemerkenswerten Punkten, finde ich!
Richtig ist, dass es Teile der organisierten Kriminalität in Bremen gibt, die auch dieser Volksgruppe angehören. Richtig ist auch, dass es Teile der organisierten Kriminalität in Bremen gibt, die anderen Volksgruppen angehören. Richtig ist auch, dass es Teile der organisierten Kriminalität gibt, die einen deutschen Pass haben, aber eine Zuwanderungsgeschichte. Ich glaube, das könnte man jetzt beliebig fortsetzen an möglichen Kombinationen, die wir hier haben. Wichtig ist für uns Grüne – und das ist auch eine klare Ansage –, wir erwarten, dass organisierte Kriminalität in Bremen entschieden bekämpft wird.
Mit dem Vorgehen, nämlich ressortübergreifend und vernetzt zu agieren, hat der Senat auch Erfolg erzielt, Sie haben es soeben erwähnt. Sie haben erwähnt und es auch als richtig befunden, dass der Ansatz der ISTEC richtig war.
Ich will mich jetzt aber nicht so sehr mit dem ganzen Strafrechtlichen befassen, weil ich glaube, dass ein anderer Aspekt bisher, zumindest in der Wortmeldung der CDU, nicht so richtig zum Tragen gekommen ist, das ist nämlich der Aspekt der Integration. Wenn man sich die ganze Geschichte ansieht und einmal ein bisschen weiter zurückgeht, dann hatten wir beispielsweise im Jahr 2000 einen Innensenator Dr. Schulte – so hieß er, glaube ich –, der plötzlich anfing, von sogenannten Scheinlibanesen zu sprechen, und der ganz bewusst und in fahrlässiger Weise eine ganze Volksgruppe hingestellt hat, als wären sie die größten Schwerverbrecher. Ein solcher pauschaler Blick geht einfach nicht!
Anstatt in einem solchen Fall zu sagen, wir müssen denjenigen, die wir in diese Gesellschaft integrieren können, ein Aufenthaltsrecht ermöglichen, hat Innen
Er hat auf eine konsequente Abschiebung aller gesetzt. Das ist aus unserer Sicht auch heute noch der falsche Weg gewesen.
Vielen dieser Menschen kann man einen Vorwurf im verwaltungsrechtlichen Sinne machen, das ist die Frage, ob sie bei der Einreise nach Deutschland eine falsche Identität vorgetäuscht haben, indem sie gesagt haben, sie kämen aus dem Libanon, waren aber in der Türkei registriert. Sie haben es auch soeben in Ihrem Vorspann dargelegt, dass die Geschichte dieser Volksgruppe insgesamt ja auch sehr wechselhaft in diesem gesamten Grenzgebiet war. Ich glaube, dass dieser differenzierte Blick, den Rot-Grün bisher an den Tag gelegt hat, richtig ist, nämlich zu sagen, allen denen, die sich in unsere Gesellschaft integrieren wollen, die nicht straffällig geworden sind, müssen wir es ermöglichen, diesen Schritt in unsere Gesellschaft auch zu tun. Dafür stehen wir auch weiterhin!
Rot-Grün hat seit dem Jahr 2007 viele Schritte in diese Richtung gemacht. Lassen Sie mich vielleicht exemplarisch den sogenannten Bremer Erlass von Innensenator Mäurer erwähnen, der mittlerweile bundesweit übernommen wurde! Bremen hat diesen differenzierten Blick gewagt, hat auch gesagt, jawohl, denjenigen, die hier straffällig geworden sind, muss man ganz klar sagen, dass Straftäter aus unserer Sicht ins Gefängnis gehören, und diesen Schritt machen wir auch weiter. Es geht gar nicht darum, was jetzt gleich wieder kommt, Sie wollen alle Straftäter einbürgern, es geht nur darum, dass diese pauschalen Verdächtigungen wirklich hier in diesem Haus nicht mehr geäußert werden sollten.
Herr Kollege Tuncel, ich muss dann doch noch einmal etwas sagen! Ihre Interpretation der Antwort des Senats auf die Große Anfrage finde ich, gelinde gesagt, auch schon ein wenig schwierig, denn Sie zitieren einen Satz, der lautet: Es gibt keine Geldwäsche. Das ist doch eigentlich vollkommen klar, das könnten wir an anderer Stelle auch sagen. Ich habe das nachgelesen, darin steht zum Beispiel auch: Hinweisen auf Sozialhilfebetrug gehen der Senat und die entsprechenden Behörden nach. Das hoffe ich ganz stark, dass wir allen Formen von Betrug in unseren Behörden nachgehen, auch das finde ich legitim! Die Kritik, die Sie am Senat geäußert haben, teilen wir in dieser Einschätzung nicht. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!