Protocol of the Session on December 15, 2011

Ferner müssen wir den Blick auf unsere Situation hier richten. Dieses Verbotsverfahren wird dauern, aber es ist einfach notwendig, damit wir nicht weiterhin mit Steuergeldern in Millionenhöhe diesen rechtsradikalen Sumpf finanzieren.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Ich denke an die Ereignisse in Bremen vor dem 1. Mai, wo wir in der Tat mit massivem Polizeieinsatz die Kundgebung der NPD begleitet haben, widerwillig, sage ich. Wir haben nicht die NPD geschützt, sondern wir mussten es tun, weil wir durch die Verfassung gehalten sind, das Versammlungsrecht zu schützen. Solange eine Partei nicht verboten ist, haben wir keine andere Handhabe.

Man kann in der Tat Aufzüge verbieten, wenn sie eine Bedrohung für die innere Sicherheit darstellen. Jeder, der diese Gruppe von weniger als 200 NPDAnhängern gesehen hat, weiß genau, dass diese Gruppe die Voraussetzungen nicht erfüllt hat, damit wir hier ein Verbotsverfahren durchführen. Deswegen haben wir mit unseren Kräften diese Demonstration schützen müssen.

Ein Verbot der NPD würde uns weiterhelfen. Es wäre dann das letzte Mal, dass wir diese Aufgabe erfüllen, und – ich glaube, das sage ich auch im Namen aller Polizeibeamten – es ist die undankbarste Aufgabe, die man sich vorstellen kann, diese Meute als Polizeibeamter auch noch zu begleiten.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Wir dürfen aber nicht darauf setzen, nur die großen Dinge zu sehen. Ein Verbotsverfahren wird

einige Zeit erfordern. Wir müssen uns auch fragen, was wir vor Ort machen können. Wir haben in Bremen damit angefangen, uns die rechtsradikale Musikszene verstärkt anzuschauen. Dort ist es auch nicht so einfach zu sagen, verbietet einmal! Wir kennen die CDs. Die sind alle so gefasst, dass sie nicht verboten werden können. Im Zweifel haben Rechtsanwälte geschaut, was dort getextet worden ist. Wir haben aber auch Hinweise und Aufzeichnungen in YouTube gefunden, wo in der Tat die erste Band, deren Auftritt wir hier untersagt haben, erkennbar ein Lied singt, das uns unter die Haut gegangen ist. Sie spielten bei einem Auftritt, vermutlich in Hamburg: „Wir bauen eine U-Bahn von St. Pauli nach Auschwitz.“ Ich war von Anfang an davon überzeugt, dass bremische Richter das nicht mitmachen werden. Das Verbot, welches dann auch vom OVG bestätigt wurde, zeigt, dass es richtig war, hier zu handeln.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Ich verspreche Ihnen, ich werde alles unternehmen, dass dieses das letzte Konzert war, das hier stattgefunden hat.

(Beifall)

Wir müssen weitergehen, wir haben jetzt die legalen Waffen, für die Waffenscheine erteilt worden sind, eingesammelt, weil wir eine Rechtsgrundlage dafür haben. Nach dem geltenden Waffenrecht dürfen Waffenerlaubnisse nur Personen erteilt werden, die für unsere demokratische Grundordnung einstehen. Ich habe die klare Vorstellung, diese Waffen nicht wieder herauszugeben.

(Beifall)

Ich hoffe, dass unser Beispiel Schule machen wird. Es gibt viele Waffen, die noch eingesammelt werden können.

Wir müssen darüber nachdenken, ob wir nicht auch – und da brauche ich Ihre Unterstützung – zum Beispiel unser liberales Versammlungsrecht reformieren. Es ist nicht geschaffen worden, um die Feinde unserer demokratischen Grundordnung zu fördern. Deswegen müssen wir auch darüber diskutieren, ob wir dieses Versammlungsrecht verändern. Das geht nur mit Unterstützung der Bürgerschaft. Das ist ein anspruchsvolles Unterfangen, aber ich glaube, dass die große Mehrheit der Demokraten dies wohlwollend begleiten wird.

Ich glaube, das ist erst der Anfang. Es gibt viele andere Dinge, die wir machen müssen. Ich kann es mir dort vorstellen, wo wir die Möglichkeit haben, zum Beispiel bei der Veränderung der Stadionordnung für Werder Bremen: Müssen wir uns das antun, dass dort diese rechtsradikalen Fangruppen jedes zweite

Wochenende in ihrer Uniform und mit ihren Fahnen auftreten? Ich glaube nicht!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Deswegen setze ich darauf, dass das, was wir hier gemeinsam diskutiert haben, auch dann in der Praxis Konsequenzen nach sich zieht. – In diesem Sinne darf ich mich bei der Mehrheit des Hauses für die Unterstützung bedanken!

(Beifall bei der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen, der CDU und DIE LINKE mit Drucksachnummer 18/172 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Entschließungsantrag zu.

(Einstimmig)

Geheimdienste demokratisch kontrollierbar machen – Nazi-Mordserie umfassend aufklären

Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 7. Dezember 2011 (Drucksache 18/156)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Mäurer.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn Herr Röwekamp hier soeben schon einmal vorgelegt hat, ich war, wie Sie wissen, in der letzten Legislaturperiode nicht Mitglied der Bremischen Bürgerschaft.

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Ich war nicht dabei!) ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft. Wir haben diese Diskussion über die Parlamentarische Kontrollkommission interfraktionell am Beginn der Legislaturperiode gehabt, da hieß es, wir kommen dort nicht mehr hinein, unter anderem auch mit der Begründung, dass der ehemalige Vertreter zum Teil nicht dagewesen wäre. Das ist aber trotzdem nichts, das ich zu verantworten habe. (Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Er ist doch heute immer noch in Ihrer Fraktion! Sie sind doch eine Fraktion, oder?)

Ja, aber trotzdem war ich in der letzten Legislaturperiode nicht dabei, das wissen Sie alle.

Ich möchte unseren Antrag begründen: Wir wollen, dass das Handeln von Geheimdiensten in einem Rechtsstaat transparent und nachvollziehbar gestaltet wird, das haben wir auch in dem interfraktionellen Antrag so geschrieben. Wenn das nicht gewährleistet ist, führen Geheimdienste nämlich ein gefährliches Eigenleben. Damit kann man diese Verfassung, die wir ja schützen wollen, auch unterlaufen. Im Moment, das merken wir, ist das Treiben des Verfassungsschutzes nicht ganz so transparent, wie wir es gern hätten, und es ist auch nicht so richtig nachvollziehbar.

Ich habe gerade ein Beispiel genannt, deswegen habe ich es gesagt, Herr Dr. Güldner: Was mich wirklich erschüttert hat, war die Tatsache, dass nach dieser antifaschistischen Demonstration Jugendliche vom Verfassungsschutz angesprochen worden sind. Ich denke, das zeigt doch einmal wieder, dass wir überhaupt keine Kontrolle darüber haben können, was da eigentlich passiert und warum es passiert. Ich habe es gerade gesagt, diese Jugendlichen haben nichts anderes gemacht, als gegen die NPD im Wahlkampf zu demonstrieren, und das war ihr gutes Recht. Das kann natürlich in jeder Stadt passieren, das ist völlig klar, aber wir wollen einfach, dass es nicht mehr passiert, dass ein Geheimdienst nicht transparent und nachvollziehbar arbeitet, sondern völlig ohne parlamentarische Kontrolle. Es ist eben so, dass nicht alle vier in dieser Bürgerschaft vertretenen Parteien in diesem Kontrollgremium sind.

In verschiedenen Filialen des deutschen Geheimdienstes konnten seit ihrer Gründung sehr viele Dinge geschehen, die hart an der kriminellen Grenze waren, auch in den Achtzigerjahren bereits, die Verstrickungen des Verfassungsschutzes in bestimmte Angelegenheiten kennen wir, Herr Tschöpe hat es angesprochen, das Attentat auf dem Oktoberfest. Weil diese Dienste niemand kontrollieren kann, ist es aber bis heute so: Niemand kann das Bundesamt für Verfassungsschutz kontrollieren, und niemand konnte das Thüringer und das sächsische Landesamt kontrollieren. Deswegen haben wir diese Morde erlebt, völlig unbemerkt von dem Verfassungsschutz, der eigentlich diese Leute observieren wollte.

Alle anderen Landesämter kooperieren sehr eng miteinander, ein weiteres Versagen kann aktuell für kein Landesamt ausgeschlossen werden. Das ist systembedingt, und der Grund ist unter anderem die Konstruktion der Kontrollgremien in den jeweiligen Verfassungsschutzgesetzen. Herr Dr. Güldner, können Sie dafür die Hand ins Feuer legen, dass Sie mit der Parlamentarischen Kontrollkommission unter Ihrer Leitung vollumfänglich informiert sind? Würden Sie definitiv ausschließen, dass der Bremer Verfassungsschutz irgendwie im Umfeld der auch in Bremen aktiven Nazis unterwegs ist? Sie haben es ja schon angedeutet, es ist nicht auszuschließen, dass auch hier Steuergelder für V-Leute weggehen, Sie können es nämlich nicht.

Sie haben recht mit dem, was Sie in der „taz“ gesagt haben, Herr Dr. Güldner, wir müssen über die grundsätzliche Konstruktion des Sicherheitsapparates reden, und genau das muss auf der Tagesordnung stehen. Sie haben 2006 in diesem Haus selbst gesagt, es wurde die Parlamentarischen Kontrollkommission angesprochen, ich zitiere: „Hier glaube ich, dass wir den Prozess, der auf Bundesebene stattfindet, sehr positiv begleiten sollten, nämlich zu sagen, wir müssen die Arbeit dieses Gremiums dringend reformieren, wenn das Gremium etwas bringen soll.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Genau!)

Ich vermute, dass es nicht nur mir als Mitglied der PKK so geht, dass es eher unbefriedigend ist, wenn man diesem Gremium angehört, wie es gerade arbeitet. Wir sollten uns anschauen, wie der Bundestag damit umgeht, und dann eine Initiative starten, ob wir nicht auch im Landtag, in der Bürgerschaft, in Bremen zu einer Reform dieses Gremiums kommen.“ Das haben Sie in der 54. Sitzung der 16. Legislaturperiode gesagt.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Wenn Ihr Kollege gekommen wäre, hätten Sie mitbekommen, was in dem Gre- mium passiert ist!)

Getan hat sich nicht viel, Herr Dr. Güldner! Es kam weder im Bund zu den von Ihnen damals als sehr optimistisch beurteilten Reformen, noch hat sich richtig etwas in Bremen getan. Wir hatten gerade die Verlängerung des Verfassungsschutzgesetzes, die rechtsstaatliche Kontrolle des Geheimdienstes ist immer noch nicht gegeben, und für die Demokratie halte ich das für sehr prekär.

Ferner haben Sie genau in dieser Rede noch einen weiteren guten Gedanken gehabt, Herr Dr. Güldner, der lautete: Es sei beschämend, dass nie der Verfassungsschutz, sondern meistens eine große Bremer Tageszeitung über den Rechtsextremismus aufklärte. Ich möchte das ergänzen: Es ist nicht nur die Tageszeitung, die Sie damals erwähnt haben, die „taz“

macht es auch, und zwar deutlich detaillierter als teilweise der Verfassungsschutz. Ansonsten hat sich hier nicht viel verändert. Das, was im Verfassungsschutzbericht, also im Kern der Öffentlichkeitsarbeit des Landesamtes steht, wird seit Jahren immer wieder nur lauwarm aufgewärmt, im Grunde steht 2010 nicht viel anderes darin als 2006. Wir halten also fest, Herr Dr. Güldner, es muss sich etwas tun, und da muss natürlich auch die Strukturfrage beantwortet werden. Die Frage ist doch heute: Glauben wir, mit einem Kontrollgremium, das einzig aus unüberprüfbaren Quellen des Geheimdienstes gespeist wird, einen Dienst kontrollieren zu können, der die Tendenz hat, tief in Skandale verstrickt zu sein, der die Nazi-Szene mit Geldern versorgt hat, Straftaten seiner sogenannten V-Leute billigt und das Ganze auch noch möglichst so macht, dass niemand etwas davon merkt? Obendrein dürfen die Mitglieder dieses Gremiums die ihnen zugeteilten Informationen nicht einmal eigenständig prüfen, Herr Dr. Güldner, das haben Sie selbst gesagt. Dies ist meiner Meinung nach ein vollkommener Fremdkörper einer deutschen Gewaltenteilung. Das Parlament kann somit überhaupt nicht die Exekutive kontrollieren. Wir wollen, dass sich das ändert. Insbesondere im Umgang mit den NSU-Morden muss eine Ad-hocLösung her, denn hier müssen die Taten und die Unterlassungen der Geheimdienste selbst thematisiert werden, was der Verfassungsschutz selbst natürlich nicht möchte. Nicht nur die Geheimdienste haben durch die Nazi-Mordserie massiv an Vertrauen eingebüßt, sondern auch die Politik. Den Menschen wird zunehmend klar, dass das eine absurde Konstruktion ist, die sich dort gebildet hat, eine Konstruktion aus Leuten, die nicht kontrolliert werden wollen, und Parlamentariern, die nicht kontrollieren können und dürfen. Deswegen wollen wir, dass genau diese Thematik in der Innendeputation besprochen wird, dass eine Aufklärung erfolgt und wir über dieses Instrument der Parlamentarischen Kontrollkommission nachdenken. – Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordneter Dr. Güldner.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir müssen eben noch eine Frage klären. Ich hatte von den beiden Kollegen Tschöpe und Röwekamp die Bitte, ich möge doch hier, um die Debatte schlank zu gestalten – obwohl ich da wahrscheinlich nicht so geeignet bin –, für die beiden Kollegen mit zu diesem Antrag antworten.

(Abg. T s c h ö p e [SPD]: Besser als ich!)