Protocol of the Session on December 15, 2011

(Anhaltender Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Dr. Güldner, es geht nicht um Spaltung.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Vom ersten Satz an ging es um Spaltung!)

Nein, es geht darum, dass man in Bremen anfangen muss. Wir können doch hier nicht nur einfach ein Papier verabschieden! ––––––– *) Vom Redner und von der Rednerin nicht überprüft.

Herr Röwekamp, ich habe ganz am Anfang dieser Legislaturperiode gesagt, dass Sie 2006 versucht haben, diese Nazi-Demonstration in Gröpelingen zu verhindern. Wir haben in diesem Bündnis breit darüber diskutiert, wir haben immer wieder die Frage gestellt: Warum gibt es keinen Versuch eines Verbots dieser Demonstrationen vonseiten der Innenbehörde? Wir haben monatelang darüber diskutiert.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Es ist ja absurd! Wo waren Sie denn? Waren Sie im Urlaub?)

Nein, ich war nicht im Urlaub, ich war die ganze Zeit an dem Bündnis beteiligt, nicht nur an der Demonstration. Ich war an der Vorbereitung beteiligt, und ich habe mit den Leuten diskutiert. Dass wir hier eine breite Demonstration erreicht haben, ist natürlich tatsächlich wehrhafte Demokratie. Trotzdem hätten wir uns in diesem Bündnis, bei dem ich von Anfang an dabei war und welches breit getragen worden ist im DGB-Haus, auch die Unterstützung der Innenbehörde gewünscht, auch was die Frage dieser kleinen Auftritte der NPD angeht, die immer ganz ausgiebig geschützt worden sind, wo in Gröpelingen für 15 Nazis 300 Polizisten, die nicht einmal aus Bremen kamen, da waren, wo Nachbarn nicht in ihre Wohnungen konnten, wo Häuser und Straßen abgesperrt worden sind.

(Abg. W e r n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Sie wollten sich lieber mit denen schla- gen?)

Das war eine Situation, die für die Anwohner bedrohlich war, die sich schon gefragt haben: Warum werden hier 15 Nazis geschützt? Das muss man doch auch einmal sagen können, dass, wenn wir den Kampf gegen Nazis ernst meinen, man hier in Bremen entschlossener vorgehen muss.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Haben Sie die CDs beschlagnahmt? Ich weiß, wer es war!)

Es ist keine zwei Monate her, da konnten die rechtsradikalen Hooligans im sogenannten OstkurvensaalProzess in einem Gerichtssaal in Bremen ihre Bühne haben. Sie wurden nicht daran gehindert; sie haben Zeugen eingeschüchtert und Journalisten bedroht. Das war ein riesiger Skandal, das war vor den NSUMorden, aber darauf war kein Augenmerk gerichtet, und das ist genau das, was ich sage.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Die Einheit aller Antifaschisten!)

Man kann hier doch nicht sagen, es ist alles in Ordnung, wenn hier das erste Mal seit Jahren die NPD

mehrere Sachen mit einem großen Getöse unter Polizeischutz durchziehen kann. Das müssen wir doch unterbinden! Ich bin froh um jeden Schüler und jede Schülerin, der beziehungsweise die auf der Straße ist, aber wir müssen es doch auch aus diesem Haus heraus versuchen zu unterbinden. Darum geht es doch!

(Unruhe bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU – Abg. P o h l - m a n n [SPD]: Die Einheit aller Antifaschis- ten und nicht die Spaltung!)

Es geht doch nicht um Spaltung, es geht darum, jetzt entschlossen zu handeln und so etwas nicht mehr zuzulassen, was hier dieses Jahr passiert ist. Es geht doch nicht, dass in Oslebshausen in der SGO Nazis ein Konzert veranstalten können, die den Hitlergruß zeigen! Dann heißt es, wir hatten keine Polizisten vor Ort, obwohl 150 davor standen, die das gesehen haben. Da müssen wir doch einmal unseren Blick schärfen, und das muss man doch hier kritisieren dürfen.

(Abg. Frau D o g a n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Nicht bei diesem Antrag!)

Es geht darum, das für die Zukunft zu verhindern. Ich möchte das, was wir 2011 hier erlebt haben, 2012 nicht noch einmal erleben. Wir haben so viele öffentliche Auftritte von Nazis gehabt wie in den ganzen Jahren zuvor nicht mehr, und ich möchte, dass das ein Ende hat und dass wir deswegen diesen Entschließungsantrag, den wir heute verabschieden, auch wirklich ernsthaft umsetzen für die Zukunft. Darum geht es!

Dann kann man nicht einfach immer nur sagen, hier ist alles in Butter, wenn wir gerade aktuell ein Jahr hatten – –.

(Widerspruch bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der CDU – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das hat kein Mensch gesagt!)

Doch, Herr Dr. Güldner, Sie haben gesagt, in Bremen gibt es kein Problem,

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: In ganz anderem Zusammenhang!)

und wir haben dieses Jahr ein massives Problem gehabt.

(Abg. Frau D o g a n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das hat Herr Dr. Güldner in ganz an- derem Zusammenhang gesagt!)

Ich möchte das ganz entschlossen im nächsten Jahr nicht noch einmal erleben. Ganz eindeutig!

(Unruhe – Abg. Frau D o g a n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Sie sind beratungsresistent!)

Nein, ich bin nicht beratungsresistent!

(Abg. Frau G a r l i n g [SPD]: Was ist mit dem Antrag?)

Ich habe dreimal gesagt, dass ich ganz viele Sachen in diesem Antrag politisch sehr gut finde.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Ihre eigenen!)

Nein, nicht nur meine eigenen!

Ich habe auch explizit gesagt, dass ich an diesem Antrag hervorragend finde, dass er auch einmal die Ursachen benennt, zum Beispiel das weit verbreitete rassistische Gedankengut, und ich finde das auch hervorragend, dass wir uns dazu entschlossen haben. Trotzdem möchte ich auch, dass es nicht nur ein Papier ist, das wir verabschieden, sondern dass es umgesetzt wird.

(Unruhe bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der CDU)

Frau Kollegin Vogt, Sie haben ein gemeinsames Wollen und Tun gegen Naziterror fahrlässig unterlaufen!

(Anhaltender Beifall bei der SPD, beim Bünd- nis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tschöpe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Anlass des gemeinsamen Antrags ist eine erschütternde Mordserie einer Terrororganisation gewesen. Ziel dieser Debatte war, dass sich das gesamte Haus dahinter versammelt, dass wir unsere Abscheu und unser Mitgefühl zum Ausdruck bringen und über Konsequenzen beraten wollten.

Frau Vogt, Ergebnis dieser Debatte ist, dass es eine Gemeinsamkeit der demokratischen Parteien, der SPD, der Grünen und der CDU, gibt und wir im Übrigen Zeuge der Geburt einer Sekte geworden sind.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Ich war auch auf der Demonstration wie ganz viele hier, und es ist schwierig, antifaschistische Bündnisarbeit zu machen. Jeder, der da gewesen ist, weiß, wie man sich gefühlt hat, wenn man gemeinsam mit dem schwarzen Block versucht hat zu demonstrieren. Da waren Leute von der CDA, da waren Grüne, Sozialdemokraten und auch Kommunisten da. Wir

haben uns alle geeinigt, unsere unterschiedlichen Ansätze zurückzustellen, weil es darum ging, Flagge zu zeigen. Was Sie hier getan haben, ist, die antifaschistische Flagge durch den Dreck zu ziehen. Das sollten Sie sich einmal überlegen, das war eine unglaubliche Rede!

(Anhaltender Beifall bei der SPD, beim Bünd- nis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort Senator Mäurer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, dass ich mich zu diesem Thema nicht äußere! Ich möchte gern dort anknüpfen, wo diese Diskussion begonnen hat, und das waren Ihre Beiträge, welche gekennzeichnet waren von einem tiefen Ernst und einer großen Trauer für die zahlreichen Opfer. Dies war der Anlass unserer heutigen Versammlung.

Die Debatte war gekennzeichnet von Unverständnis dafür, dass es in dieser Bundesrepublik möglich war, über zehn Jahre zu morden und in den Untergrund zu gehen. Organe, die für die Sicherheit aller Bürger zuständig sind, haben auf breiter Front versagt. Es ist niemand auszunehmen, ob Verfassungsschutzämter des Bundes oder der Länder, die Polizeien, wir alle sind verantwortlich für diese Entwicklung, und wir müssen uns auch immer wieder fragen: Was ist geschehen? Es sind Menschen ermordet worden, die nur einen Fehler hatten, sie waren in Griechenland, in der Türkei zur Welt gekommen. Mehr haben sie nicht getan. Es ist beschämend, dass wir heute, im Jahre 2011, über Morde, Verbrechen, Anschläge und vieles andere mehr diskutieren müssen. Es ist beschämend für die Bundesrepublik Deutschland insgesamt. Es ist ein Armutszeugnis gegenüber den Bürgern, die in diese Bundesrepublik gekommen sind, die hier ein neues Zuhause gefunden und darauf gesetzt haben, dass wir uns um sie kümmern. Das haben wir nicht getan.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Ich glaube, es ist umso wichtiger, dass wir heute ein deutliches Signal aussenden. Wir, damit meine ich die große Mehrheit dieses Hauses, alle Demokraten, die sich vereint haben, um klar und deutlich zu machen: Wir müssen hinschauen! Wir müssen handeln, nicht nur diskutieren! Deswegen ist es ganz entscheidend, dass die Dinge restlos aufgeklärt werden. Die Ermittlungsverfahren des Bundeskriminalamts und der Bundesanwaltschaft müssen zügig vorangebracht und personell massiv unterstützt werden. Zurzeit sind über 200 Kräfte dort im Einsatz. Die Anklagen müssen vorbereitet werden, die Netzwerke entdeckt und zerschlagen werden, das ist das eine.

Wir müssen aber auch selbst handeln. Wir haben in der letzten Woche in Wiesbaden im Kreis der Innenminister zusammengesessen. Ich habe selten eine so große Einigkeit zwischen Christdemokraten und Sozialdemokraten feststellen können. Wir waren uns völlig einig darüber, dass wir ein Verbotsverfahren haben müssen und nicht noch einmal die Fehler wiederholen dürfen, die dazu geführt haben, dass dieser erste Versuch gescheitert ist. Deswegen sind wir auseinandergegangen mit der klaren Botschaft: Dieses Mal muss es funktionieren! Daran arbeiten wir.

Darüber hinaus haben wir eine ganze Reihe von weiteren Maßnahmen einvernehmlich beschlossen, ein gemeinsames Abwehrzentrum – es ist dringend notwendig, die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern zu verbessern –, eine Verbunddatei, die in der Tat alle wesentlichen Fakten enthalten muss. Sie darf auch nicht am Widerstand der FDP-Justizministerin scheitern, das sage ich hier auch in aller Deutlichkeit: Sie ist uns keine Hilfe bei der Bekämpfung des Rechtsradikalismus!

Ferner müssen wir den Blick auf unsere Situation hier richten. Dieses Verbotsverfahren wird dauern, aber es ist einfach notwendig, damit wir nicht weiterhin mit Steuergeldern in Millionenhöhe diesen rechtsradikalen Sumpf finanzieren.