Protocol of the Session on April 7, 2011

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte nur kurz etwas zu unserem Abstimmungsverhalten sagen. Der CDU-Bürgerschaftsfraktion – ich habe mich gerade umgehört – fällt es nach Ihrem Beitrag, Frau Garling, sehr schwer, Ihrem Antrag zuzustimmen. Dennoch ist es so, dass Sie auch einen Koalitionspartner haben, der sich hier sachlich geäußert hat, zudem haben Sie den Antrag überwiegend von uns abgeschrieben, und daher werden wir diesem auch zustimmen. – Danke!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Senatorin Rosenkötter, ich hätte vorhin eine Zwischenfrage stellen wollen. Weil Sie da nicht gestellt werden sollte, habe ich mich dann schlichtweg zu Wort gemeldet. Es geht uns nicht nur um eine verantwortungsbewusste Entscheidung, wie Sie es sagen, sondern uns als FDP in der Bremischen Bürgerschaft geht es auch um zügige Entscheidungen. Das ist, glaube ich, einer der entscheidenden Punkte. Zur Verantwortung gehört auch, dass zügig entschieden wird, denn es muss ziemlich schnell klar sein, ob das Kindeswohl gefährdet ist oder nicht. Denn wenn das Kindeswohl gefährdet ist, ist das eine Gefährdung, die zügig, sprich umgehend, sprich sofort, abgestellt werden muss, wenn die Erkenntnisse entsprechend da sind.

Insofern finde ich es auch gut, wenn hier endlich von allen Beteiligten eine klare Kante gegenüber den Eltern gefahren wird, denn ich habe gehört, dass einige Eltern gesagt haben, wenn das eine Gefahr ist, dass mir das Kind weggenommen wird, dann schaue ich einmal, ob ich nicht sogar vom Methadon wegkomme. Dann schaue ich einmal, ob ich mein Verhalten nicht doch noch im Sinne meines Kindes verantwortungsbewusst ändere. Wenn eine klare Kante dazu führt, kann ich das nur begrüßen und finde das gut. Ich finde, in die Richtung sollte es gehen.

Nun abschließend, Frau Senatorin, wollte ich zu dem Punkt kommen, der mir in Ihren Ausführungen fehlte. Sie sprechen immer nur von nachgewiesenen Drogen in Haaranalysen. Nein, es geht, und das gehört zu der Komplexität dieses Themas, nicht nur darum, dort Drogen nachzuweisen, sondern auch um die über den entsprechenden Metabolismus anfallenden Abbauprodukte der Drogen. Darum geht es, und das hat mir in Ihren Ausführungen gefehlt, weil nämlich klar ist, wenn man diesen Metabolismus verfolgt, ob die Kinder diese Drogen verabreicht bekommen haben, diese im Körper abgebaut worden sind und dann diese Abbauprodukte in den Haaren nachgewiesen werden können. Das habe ich aus ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Ihren Ausführungen nicht so verstanden, deswegen habe ich mich zu Wort gemeldet. Sie sagen jetzt von der Senatsbank, auch das meinen Sie, damit bin ich dann zufrieden, weil es genau um diese Komplexität geht, denn es ist auch, soweit ich informiert bin, schon heute bei einigen Kindern nachgewiesen, dass genau diese Abbauprodukte gefunden worden sind, und die sind nicht einfach so über den Schweiß übertragbar. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Beratung geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Es ist von der Fraktion DIE LINKE, vom Kollegen Erlanson, beantragt worden, beide Anträge an die staatliche Deputation für Soziales, Jugend, Senioren und Ausländerintegration zu überweisen. Ich rufe jetzt den Antrag der Koalition und den Antrag der CDU einzeln auf, sodass darüber einzeln abgestimmt werden kann, ob überwiesen wird. Zuerst lasse ich über die Überweisung des Antrags der Fraktion der CDU und der Gruppe der FDP abstimmen. Wer der Überweisung dieses Antrags der Fraktion der CDU und der Gruppe der FDP mit der Drucksachen-Nummer 17/1739, Neufassung der Drucksache 17/1727, zur Beratung und Berichterstattung an die staatliche Deputation für Soziales, Jugend, Senioren und Ausländerintegration überweisen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür DIE LINKE)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grü- nen, FDP, Abg. M ü l l e r [parteilos], Abg. Ti m k e [BIW], Abg. Ti t t m a n n [parteilos] und Abg. W o l t e m a t h [parteilos])

Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag auf Überweisung ab. Ich lasse deshalb jetzt über den Antrag in der Sache abstimmen. Wer dem Antrag der Fraktion der CDU und der Gruppe der FDP mit der Drucksachen-Nummer 17/1739, Neufassung der Drucksache 17/1727, seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür CDU, FDP, Abg. T i m k e [BIW], Abg. T i t t m a n n [parteilos] und Abg. W o l t e - m a t h [parteilos])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Abg. M ü l l e r [parteilos])

Stimmenthaltungen?

(DIE LINKE)

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab. Ich lasse jetzt über den Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen abstimmen, und zwar zuerst über die Überweisung. Wer der Überweisung an die von mir genannte Deputation seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür DIE LINKE und Abg. M ü l l e r [parteilos])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grü- nen, FDP, Abg. T i m k e [BIW], Abg. T i t t - m a n n [parteilos] und Abg. W o l t e m a t h [parteilos])

Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt eine Überweisung ab. Ich lasse jetzt in der Sache abstimmen. Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 17/1742 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, Abg. M ü l l e r [parteilos], Abg. Ti m k e [BIW], Abg. Ti t t m a n n [parteilos] und Abg. W o l t e m a t h [parteilos])

Ich bitte um die Gegenprobe! Stimmenthaltungen?

(DIE LINKE)

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

Zweiter Bericht zum Bremischen Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen

Mitteilung des Senats vom 14. Dezember 2010 (Drucksache 17/1588)

Wir verbinden hiermit:

Zweiter Bericht über die Tätigkeit des Landesbehindertenbeauftragten für den Zeitraum vom 1. April 2007 bis 31. März 2009

vom 4. Januar 2011 (Drucksache 17/1606)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Rosenkötter.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Landesbehindertenbeauftragte, Herr Dr. Steinbrück.

Herr Dr. Steinbrück, Landesbehindertenbeauftragter: Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich ganz herzlich für die Einladung bedanken, hier heute zu dem Senatsbericht und meinem Tätigkeitsbericht Stellung nehmen zu dürfen. Es ist für mich immer etwas Besonderes, hier vor der Bürgerschaft reden zu können, und es ist gleichzeitig eine große Herausforderung.

Ich habe gehört, meine Redezeit würde fünf Minuten betragen, und wenn man sich den Senatsbericht und auch meinen Tätigkeitsbericht anschaut, dann ist unschwer zu erkennen, dass die Politik zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen ein weites Feld ist und die Politikfelder von A bis Z umfasst, nämlich vom Arbeitsmarkt bis hin zur Frage der Zugänglichkeit und der Barrierefreiheit. Dazwischen liegen dann so kleine Themen wie Bildung oder gesundheitliche Versorgung, Wohnkonzepte für Menschen mit Behinderungen, insbesondere unter Berücksichtigung des Rechts auf Selbstbestimmung. Es ist also schon eine Herausforderung, das hier in fünf Minuten zu behandeln. Deshalb möchte ich mich hier auf wesentliche Aspekte beschränken und sie in das Zentrum meiner Ausführung rücken.

Das wichtigste Ereignis, das in den letzten Jahren für die Behindertenpolitik in der Bundesrepublik Deutschland und auch hier in Bremen stattgefunden hat, war die Ratifizierung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, kurz Behindertenrechtskonvention oder noch kürzer BRK genannt. Dieses Übereinkommen ist im März 2009 in Deutschland in Kraft getreten, und in ihm haben sich die Vertragsstaaten und damit auch die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, eine Vielzahl von Maßnahmen zur Realisierung der allgemeinen Menschenrechte auch für Menschen mit Behinderungen zu ergreifen. Aufgrund der föderalen Struktur der Bundesrepublik fällt ein großer Teil dieser zu ergreifenden Maßnahmen auch in die Zuständigkeit der Bundesländer, also auch in die Zuständigkeit des Bundeslandes Bremen. Ich denke, das wird auch die Politik für Menschen mit Behinderungen

der nächsten Jahre hier im Land weiter mit bestimmen müssen.

Wenn ich jetzt zu dem Tätigkeitsbericht und dem Senatsbericht noch einmal Stellung nehme, möchte ich mich auf zwei Felder oder auch Buchstaben, nämlich A wie Arbeitsmarktpolitik und B wie Bildungspolitik beschränken. Zu der Arbeitsmarktpolitik möchte ich nur kurz anmerken, dass aus meiner Sicht hervorzuheben und bemerkenswert ist, dass in den Bremer Vereinbarungen für Ausbildung und Fachkräftesicherung 2011 bis 2013 auch eine Passage zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen auf dem allgemeinen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu finden ist. Ich denke, es ist schon etwas Besonderes, wenn in dieser von vielen verschiedenen gesellschaftlichen Kräften getragenen Vereinbarung auch dieses Thema eine zentrale Rolle spielt, und es bedarf, denke ich, vielfältiger Maßnahmen, um diesem Anspruch auch gerecht zu werden.

Es geht sicherlich einerseits darum, auch behinderten Akademikern Chancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weiter zu eröffnen, als es bisher der Fall ist. Es werden auch entsprechende Konzepte zur Förderung beispielsweise behinderter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Kontext mit der Universität Bremen und der Hochschule Bremen diskutiert. Es geht aber am anderen Ende der Qualifikationsskala natürlich auch darum, zunehmend die Beschäftigung in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen auch durch Alternativen zu erweitern, hier also mehr Durchlässigkeit zu erreichen und die Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt für Menschen mit Lernschwierigkeiten und psychischen Beeinträchtigungen zu verbessern. In den Berichten wird auch deutlich, dass hier eine Reihe von Maßnahmen, beispielsweise die Förderung von Integrationsprojekten, ergriffen worden ist, angedacht sind und man sich – wie man dann so gern sagt – auf einem guten Weg befindet. Dort liegt sicherlich noch viel vor uns.

Der aus meiner Sicht wichtigste Punkt in den letzten Jahren ist die Bremer Schulreform gewesen. Nach dem Regierungswechsel im Jahr 2007 wurde ja ein Fachausschuss Schule eingesetzt, der zunächst einmal seine Aufgabe darin hatte zu überlegen, wie das zerklüftete Bremer Schulsystem umgestaltet werden könnte, um auch angemessen auf die negativen PISA-Ergebnisse reagieren zu können und das Schulsystem zu verbessern. Ich habe meine Aufgabe von Anfang an darin gesehen, das Thema der Unterrichtung und Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen auch in diese Diskussion einzubringen, und ich glaube, ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass es uns gemeinsam gelungen ist, also engagierten Politikerinnen und Politikern, Elternvertreterinnen und Elternvertretern, aber auch meiner Person, dass dieses Thema dann auch in diesem Fachausschuss und in der Entwicklung des Konzepts für

das neue Bremer Schulsystem eine große Rolle gespielt hat.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Positiv ist mir dabei aufgefallen, auch wenn Teile der Schulreform umstritten waren oder auch mit Skepsis von einigen Parteien begleitet worden sind, dass das Thema gemeinsamer Unterricht von behinderten und nicht behinderten Schülerinnen und Schülern nie irgendwie infrage gestellt worden ist, sondern es bestand ein breiter politischer Konsens, dass dieses Thema weiter vorangebracht werden sollte. Dafür möchte ich mich auch bei allen hier im Haus sitzenden Politikerinnen und Politikern noch einmal ganz deutlich bedanken. Bremen hat ein Schulgesetz bekommen, das als eines der ersten Schulgesetze in der Bundesrepublik den Artikel 24 der Behindertenrechtskonvention umsetzt, und wir stehen jetzt sozusagen am Rande der Ebene. Die Mühen der Ebene liegen vor uns, nämlich diese Reform und den gemeinsamen Unterricht auch umzusetzen.

Diejenigen, die sich beispielsweise in der Bildungsdeputation mit diesem Prozess intensiver beschäftigen, wissen auch, er entwickelt dann auf einmal eigene Dynamiken. Was man sich vor einem Jahr an schrittweisen Umsetzungsprozessen vorgestellt hat, ist auf einmal überholt, weil mehr Eltern den Wunsch haben, dass ihre Kinder in den gemeinsamen Unterricht kommen. Auf einmal gibt es eine Beschleunigung des Prozesses an der einen Stelle, an der anderen Stelle fehlen dann die Ressourcen und so weiter.

Mein Appell an die Bürgerschaft in ihrer neuen Zusammensetzung nach den Wahlen ist: Sorgen Sie dafür, dass für diese Schulreform insgesamt und auch für den gemeinsamen Unterricht behinderter und nicht behinderter Schülerinnen und Schüler auch die notwendigen sachlichen und personellen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden,

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

damit man nicht irgendwann sagt, das Modell ist gescheitert, weil die behinderten Kinder zu Beistellkindern in den Klassen mit nicht behinderten Kindern geworden sind. Ich denke, das möchte niemand. Das wollen weder die Eltern dieser Kinder noch hier im Haus jemand noch jemand im Bildungsressort oder Lehrerinnen und Lehrer. Deshalb ist es wichtig, dass man sich auch Gedanken macht, wie man diese Umsetzung so ausgestalten und absichern kann, dass sie auch wirklich gelingt. Ich denke, das ist eine große Herausforderung für alle Beteiligten, insbesondere auch diejenigen, die das in der Schule konkret umsetzen müssen, und ich wünsche mir, dass

es mit Unterstützung vieler oder aller auch gelingt, es umzusetzen.

Jetzt noch kurz ein Blick in die Zukunft! Ich hatte ja zu Beginn meines Beitrags die Behindertenrechtskonvention angesprochen und gesagt, dass aufgrund der föderalen Struktur der Bundesrepublik Deutschland viele der dort festgelegten zu ergreifenden Maßnahmen in den Zuständigkeitsbereich der Bundesländer fallen. Ich denke, Bremen sollte sich ein Beispiel am Bundesland Rheinland-Pfalz nehmen und unter Beteiligung der Vertretung behinderter Menschen und auch des Landebehindertenbeauftragten einen Aktionsplan zur Umsetzung der Konvention entwickeln. Dabei ist völlig klar, man wird sie nicht in fünf Jahren eins zu eins umgesetzt haben. Es wird ein Prozess sein, die Gleichstellung behinderter Menschen zu erreichen, der einen ähnlichen historischen Zeitraum in Anspruch nehmen wird wie das Gleichberechtigungsgebot für Männer und Frauen im Grundgesetz, das 1949 in das Grundgesetz formuliert worden ist. Wichtig ist es aber, sich auf den Weg zu machen, anzufangen, die Maßnahmen, die bald ergriffen werden können und sollten, auch bald zu ergreifen und damit sozusagen die historische Perspektive, die Gleichstellung, tatsächlich irgendwann einmal zu 100 Prozent realisieren zu können, auch näher rücken zu lassen.