Protocol of the Session on April 6, 2011

Das Verwaltungsabkommen, das Ihnen heute vorliegt, prägt unsere Haushaltspolitik der nächsten Jahre. Ich bitte, einmal darüber nachzudenken, ob es noch Sinn macht, wenn wir uns in Zukunft Sätze vorhalten wie „ihr spart zu viel oder ihr spart zu wenig“, weil wir ab jetzt einen ganz anderen Maßstab haben, und deswegen ändern wir auch die Landeshaushaltsordnung. Der Maßstab heißt: Es gibt jedes Jahr eine Hürde zu überspringen, diese Hürde heißt 120 Millionen Euro. Da muss man sagen, ich lese immer, das seien Einsparungen. Nein, das sind 120 Millionen Euro, die die Spanne zwischen Einnahmen und Ausgaben kleiner macht. Das heißt, wenn alles gut läuft und die Einnahmen sich positiv entwickeln, dann fällt die Seite des Einsparens leichter, und wenn es anders ist, hat man auf der Einsparseite größere Schwierigkeiten.

Das ist in Zukunft jedes Jahr die Frage: Reißen wir diese Hürde, gibt es keine 300 Millionen Euro, überspringen wir die Hürde, gibt es 300 Millionen Euro. Der Unterschied zu den Sanierungsleistungen – das muss man auch wiederum sagen – in der Zeit von 1994 bis 2004 ist beachtlich, was die Verwendung dieses Geldes angeht: In der Sanierungszeit von 1994 bis 2004 war es uns möglich, das darf ich einmal überspitzt sagen – ich habe es vorhin angesprochen –, ein Investitionsfeuerwerk zugunsten der beiden Städte Bremen und Bremerhaven zu entfalten. Dieses Mal – ich sage einmal: Kann man es den anderen verdenken, dass sie uns und den anderen vier Ländern dieses Mal etwas andere Bedingungen auferlegen? – müs

sen wir das Geld konkret zur Haushaltskonsolidierung verwenden. Es ist als Zinshilfe und nicht zum Ausgeben gedacht. Es ist als Hilfe für die Zukunftssicherung Bremens gedacht.

Ich will ansprechen, dass man kein Missverständnis aufkommen lassen darf nach dem Motto, auf diesem Weg und am Ende dieses Weges, den wir jetzt gehen, ist die finanzielle Zukunftssicherung des Landes Bremen erreicht. Nein! Ich habe das einmal beim Amtsantritt im Jahr 2005/2006 mit verschiedenen Bausteinen beschrieben. Was wir jetzt machen, ist nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein Baustein. Ohne diesen Baustein, die eigene Anstrengung, sich mit Hilfe der anderen auf den Weg der Haushaltskonsolidierung zu machen, wird aber die finanzielle Zukunftssicherung nicht gelingen.

Der zweite Baustein muss die Lösung der Altschuldenproblematik in Bremen und übrigens auch in den anderen Ländern sein. Wir und andere Länder sind nie in der Lage, den angehäuften Berg von Schulden zu tilgen, das ist so! Sie kennen die Zahl der Entwicklung der Schulden der öffentlichen Haushalte, sie beträgt aktuell zwei Billionen Euro, 2 000 Milliarden Euro über alle Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden hinweg gerechnet. Zu dieser Altschuldenproblematik – auch das haben wir Ihnen gewissermaßen noch einmal zur Erinnerung dargelegt – ist in der Föderalismuskommission von den beiden Vorsitzenden Günther Oettinger und Peter Struck gesagt worden, dass sie gegenwärtig nicht lösbar ist. Diese Frage bleibt auf der politischen Agenda, da gibt es Vorschläge, wie so etwas zu lösen ist, aber diese Frage muss gelöst werden.

Der dritte Baustein ist und bleibt ein fairer Finanzausgleich. Das heißt, wir wehren uns gegen Attacken auf die Solidarität zwischen Bund und Ländern, so sie denn noch kommen sollten, etwa von Südländern, und wir machen uns stark in den irgendwann beginnenden Verhandlungen für die Fortsetzung des Länderfinanzausgleichs für einen gerechten, für einen für Bremen auskömmlichen, verlässlichen Finanzausgleich. Das heißt im Wesentlichen – ich muss die Argumente nicht alle wiederholen! –, es muss darum gehen, dass sich die starke Wirtschaftskraft Bremen in den Steuereinnahmen widerspiegelt.

Ich kann mich nicht ganz enthalten, eine kurze Bemerkung zu einer angekündigten Klage zu machen, von der ich gelesen habe, von CDU und FDP beim Staatsgerichtshof! Diese Klage ist nach meiner festen Überzeugung erstens aussichtslos, denn wenn sie in die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs von Nordrhein-Westfalen hineinschauen, dann finden Sie überhaupt nichts, was dem bremischen Sachverhalt auch nur ähnelt. Zweitens aber ist diese Klage in der politischen Beurteilung aberwitzig. Haben Sie eigentlich einmal in den Haushalt hineingeschaut, was es für Sie bedeuten würde? Vor allen Dingen, haben Ihre Fachpolitikerinnen und Ihre Fachpolitiker sich das einmal angeschaut?

Einmal unterstellt, Sie würden wider alle Erwartungen mit Ihrer Überzeugung recht haben, dann müssten Sie sagen, dass Bremen im letzten Jahr 782,2 Millionen Euro mehr hätte einsparen müssen. Ich bin einmal gespannt, wo Ihre Vorschläge sind, wie das Land Bremen so etwas einsparen kann. Das ist die politische Quintessenz Ihrer Klage, die Sie ausdrücken, dass Sie sagen, Bremen hätte im letzten Jahr 782,2 Millionen Euro mehr einsparen müssen. Viel Vergnügen bei den Vorschlägen dafür! Das ist auf Deutsch gesagt Quatsch, dass man so etwas vorträgt!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Drittens, ich habe gestern auch noch einmal hineingeschaut, ab wann wir denn in Bremen im bremischen Haushaltsaufstellungsverfahren die Regelgrenze des Artikels 131 a unserer Landesverfassung, das da heißt, Schulden darf man nur im Umfang von Investitionsbeträgen machen, überschritten haben. Da sage ich Ihnen: Schauen Sie da einmal hinein, und dann werden Sie feststellen: Wenn Sie glaubwürdig wären, hätten Sie gegen Ihren eigenen CDU-Finanzsenator diese Klage schon vor vielen Jahren erhoben. Dass Sie das nicht gemacht haben, zeigt doch alles!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich will mich aber darüber nicht weiter aufregen. Der Wahlkampf ist vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt, es zu sagen, aber ich finde, Sie sollten trotz Wahlkampf zur Besinnung kommen und ein solches Unterfangen aufgeben.

Lassen Sie mich zum Abschluss gewissermaßen noch einmal die große Klammer um diese Anstrengungen bilden! Für mich war im Rahmen der Verhandlung der Föderalismuskommission II immer maßgebend, dass Bremen in seiner Situation, mit seiner Situation nie allein steht. Wenn wir allein stehen mit unseren Problemen, haben wir geringere Chancen. Wir müssen uns im Geleitzug bewegen, im Geleitzug mit anderen Ländern, die in ähnlicher Situation sind, und dieser Geleitzug besteht, ich habe es gesagt, aus Bremen, Berlin, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. Diese fünf Länder machen sich gemeinsam auf den Weg, die Schuldengrenze mit Hilfe der bundesstaatlichen Gemeinschaft einzuhalten, sie machen sich gemeinsam auf den Weg, die finanzielle Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen. Ich möchte auch sagen, weil ich weiß, wie begrenzt der Blick in die Zukunft auch wirklich ist: Wir wissen alle, dass man nicht von heute bis zum Jahr 2020 Excel-Tabellen aufmachen kann und im Jahr 2019/2020 wird genau die Summe erreicht sein, die in irgendwelchen Tabellen steht. Das wissen wir! Wir wissen nicht, wie sich die Konjunktur entwickelt, wir wissen nicht, wie sich die Ausgaben entwickeln und

die Ausgabenotwendigkeit, wir wissen nicht, wie sich die Einnahmen entwickeln.

Ich sage Ihnen aber, wenn man sich im Geleitzug mit fünf Ländern befindet, die sich auf diesen Weg machen, dann muss es heißen: Entweder wir schaffen es gemeinsam, alle fünf Länder, auf diesem Weg, dann ist es gut, oder aber wir haben alle auf diesem Weg ein Problem. Dann steht Bremen auch nicht allein, dann stehen fünf Länder mit einem Problem da, möglicherweise auch der Bund, wenn er im Jahr 2016 seine Schuldenbremse einhalten muss. Dann muss gemeinsam nach einer Lösung für dieses Problem gesucht werden. Der Geleitzug, das Zusammenhalten Schulter an Schulter mit anderen Ländern ist für mich die entscheidende Voraussetzung zum Gelingen dieses Weges. Deshalb werden wir in Bremen, wie die anderen Länder, diese Herausforderung annehmen, und ich bitte Sie, Senat und Bürgerschaft und möglichst alle gesellschaftlichen Kräfte in Bremen, sich gemeinsam auf diesen Weg zu begeben! – Vielen Dank!

(Anhaltender Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Mohr-Lüllmann.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich Ihnen, Herr Bürgermeister Böhrnsen, an dieser Stelle unseren Dank aussprechen, unseren Dank für die zügige und umfassende Information über den Abschluss der Verwaltungsvereinbarung zur Gewährung der Konsolidierungshilfen, Dank aber auch für den Einsatz für die Bremer Interessen und das Ergebnis der Föderalismuskommission II und die nun vorliegende Verwaltungsvereinbarung.

2,7 Milliarden Euro Sanierungshilfen in neun Jahren sind keine Selbstverständlichkeit, sondern das Ergebnis intensiver Verhandlungen, an denen die CDU bis zum Jahr 2007 in Verantwortung im Senat und danach auch aus der Opposition heraus über die guten Kontakte zu den CDU-geführten Ländern und insbesondere zu dem damaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger stets konstruktiv mitgearbeitet hat. Ich habe mich auch deshalb sehr über das Ergebnis der Föderalismuskommission gefreut, weil mit der Aufnahme der Schuldenbremse in das Grundgesetz endlich der Grundstein für eine Zukunft nachhaltiger Finanzpolitik gelegt worden ist.

(Beifall bei der CDU)

Mit Ausnahme der LINKEN dürfte allen in diesem Haus klar sein, das Anhäufen immer neuer Schulden geht buchstäblich auf Kosten unserer Kinder und Enkelkinder und gehört mit dieser Vereinbarung auch

in absehbarer Zeit der Vergangenheit an. Seinen Kindern einen soliden Haushalt zu übergeben, der Chancen für die Verwirklichung ihrer eigenen Ziele lässt, und nur so viel Geld auszugeben, wie man vorher auch eingenommen hat, entspricht sehr meiner persönlichen Vorstellung von seriöser, vielleicht sogar konservativ hanseatischer und kaufmannschaftlicher Finanzpolitik.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Böhrnsen, ich bin allerdings auch enttäuscht über Ihre Ausführungen, denn der Kern einer Regierungserklärung, das, was sie ausmacht, das Wegweisende haben Sie schlicht herausgelassen. Ihr Auftritt hat mich ein bisschen an einen Koch erinnert, dem das Salz in der Suppe fehlt. Wo ist bitte die Zuversicht geblieben, auf die die Menschen in diesem Land warten, das nötige Feuer, sich für dieses Land hineinzuknien? Das haben Sie in sich selbst noch nicht entfacht, ganz im Gegenteil. Das ist kein Feuer, keine Glut, das ist aus finanzpolitischer Sicht nichts.

(Beifall bei der CDU)

Ich bedauere auch, meine sehr geehrten Damen und Herren von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD, dass Ihnen der Mut und die politische Kraft fehlen, die Schuldenbremse auch in die Bremische Landesverfassung zu übernehmen,

(Beifall bei der CDU)

denn der in der Föderalismuskommission beschlossene Paradigmenwechsel in der Finanzpolitik kann nicht mit einer Verwaltungsvereinbarung und einem Lippenbekenntnis in der Landeshaushaltsordnung umgesetzt werden.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Ein Gesetz ist das, Frau Kollegin!)

Existenziell wichtige Zukunftsfragen, und darum handelt es sich bei der Schuldenbremse, gehören in das Grundgesetz und in die Landesverfassung!

(Beifall bei der CDU)

Dieser Meinung sind übrigens auch viele Bürgerinnen und Bürger.

Das, was in den letzten Wochen ein bisschen in den Hintergrund getreten ist, ist eine Wahl in Hessen. Sie ist in der aufregenden Wahlberichterstattung in den Hintergrund getreten, aber dort hat eine Volksabstimmung ergeben, dass 70 Prozent der Wahlberechtigten für die Aufnahme der Schuldenbremse in die hessische Landesverfassung votiert haben. Im Übrigen war es in Hessen so, dass SPD, Bündnis 90/Die Grü

nen, FDP und CDU im Vorfeld für die Schuldenbremse gestimmt haben, einzig die Linkspartei war natürlich dagegen. Wenn Sie die Schuldenbremse wirklich wollen und es nicht nur auf die Konsolidierungshilfen abgesehen haben, dann gibt es auch keinen Grund, gegen die Änderung der Landesverfassung zu stimmen.

(Beifall bei der CDU)

Die CDU jedenfalls, das kann ich an dieser Stelle versichern, hält weiterhin an diesem Ziel fest, die Schuldenbremse in der Bremer Landesverfassung zu verankern. Die Schuldenbremse gehört in die Landesverfassung und nicht in die Landeshaushaltsordnung, und deshalb werden wir den entsprechenden Gesetzentwurf auch ablehnen.

(Beifall bei der CDU)

Alle in diesem Parlament vertretenen Fraktionen und Gruppen tragen übrigens eine gemeinsame Verantwortung dafür, dass sich im Bund, in den Ländern und in den Kommunen mittlerweile mehr als 1,7 Billionen Euro Schulden angehäuft haben. Keiner von uns kann sich hier herausreden, dass er daran nicht beteiligt war. Auch wenn die Sie tragende Fraktion, Herr Böhrnsen, das immer wieder versucht, aber wir alle haben in den Kommunen und Ländern mitregiert. Wir alle mit Ausnahme der Linkspartei haben für den Haushalt des Bundes Verantwortung getragen, und in all diesen Jahren sind die Schulden kontinuierlich aufgehäuft worden. Die Linkspartei trägt daran eine besondere Verantwortung, darüber hinaus für die Misswirtschaft der ehemaligen DDR und ihrer Vorgängerpartei.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der LINKEN)

Auch an diesen Lasten, den finanziellen und auch den ökologischen werden wir übrigens noch Jahrzehnte abzuzahlen haben. Der Umgang mit den Altschulden, meine Damen und Herren, gehört genauso auf die politische Tagesordnung wie die neue Ordnung der Finanzbeziehung zwischen Bund und Ländern, und die Beratungen dazu beginnen nicht erst im Jahr 2019, sondern heute! Dazu habe ich von Ihnen, sehr geehrter Herr Böhrnsen, heute nicht viel gehört. Der Finger zeigt auf Berlin oder auf die vermeintlich reichen Länder, jedenfalls ist dort nicht der verantwortungsvolle Eigenbeitrag Bremens. Sie wirken da aus meiner Sicht eher ratlos.

(Beifall bei der CDU)

Ich finde es auch nicht sonderlich verantwortungsvoll und originell, sich immer wieder reflexartig hinter dem Bundesverfassungsgericht zu verstecken und

Bremens unverschuldete Haushaltsnotlage zu betonen. Ein kleiner Funke Selbstkritik täte Ihnen gut.

(Beifall bei der CDU)

Das Bundesverfassungsgericht hat nun vor fast 19 Jahren festgestellt, dass sich das Land Bremen zum damaligen Zeitpunkt in einer unverschuldeten extremen Haushaltsnotlage befunden hat. Seitdem ist nicht nur eine ganze Generation herangewachsen, die Umstände und die Bewertungsmaßstäbe haben sich auch von Grund auf verändert. Zum einen, meine Damen und Herren, hat sich seit dem Berlin-Urteil im Jahr 2006 die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geändert, und zum anderen sind erhebliche Zweifel daran angebracht, ob die Haushaltsnotlage in Bremen weiterhin als unverschuldet bezeichnet werden kann. Sanierungshilfen dienen nämlich nicht dazu, politische Fehlentscheidungen und ihre finanziellen Folgen abzufedern.

(Beifall bei der CDU)

Ich formuliere es auch gern noch einmal anders: Die Bremer Haushaltsschieflage im Jahr 2011 hat eine wesentliche Ursache in der Politik Ihres Senats, Herr Bürgermeister Böhrnsen!

(Beifall bei der CDU)

Es ist ja nicht so, als würden Ihnen die Einnahmen wegbrechen, sie steigen seit vielen Jahren kontinuierlich.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Wie bitte?)

Nach wie vor lassen Sie es zu, dass Millionen und Abermillionen Euro ohne Nutzen in Strukturen versickern, die Ihre Partei geschaffen, aber nie wieder hinterfragt hat. Allein mit den letzten vier Haushalten, die Sie zu verantworten haben, sind neue Schulden von mehr als 3,3 Milliarden Euro angehäuft worden. Die Schulden Bremens werden bis Ende 2011 auf voraussichtlich 18 Milliarden Euro steigen. Ich frage mich: Wann fangen Sie endlich damit an, die Probleme eines Landes zu lösen, anstatt Schuld und Hilfe immer wieder bei anderen zu suchen?