Meine Damen und Herren, hier ist von der Fraktion DIE LINKE der Antrag gestellt worden, die zweite Lesung im Mai 2011 vorzunehmen. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grü- nen, FDP, Abg. T i m k e [BIW] und Abg. W o l t e m a t h [parteilos])
Regierungserklärung des Senats zum Thema „Verwaltungsvereinbarung zum Gesetz zur Gewährung von Konsolidierungshilfen“
Abschluss der Verwaltungsvereinbarung: Chance und Herausforderung zur finanziellen Zukunftssicherung des Landes
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der kommenden Woche, am 15. April, steht die Unterzeichnung eines Verwaltungsabkommens zwischen Bremen und dem Bund an. Bremen erhält dadurch beachtliche finanzielle Hilfen, neun Jahre lang von 2011 bis 2019, jährlich 300 Millionen Euro, insgesamt 2,7 Milliarden Euro. Im Gegenzug verpflichtet sich Bremen, bis 2020 sein Finanzierungsdefizit des Jahres 2010 abzubauen und die Neuverschuldung bis 2020 auf Null zu bringen. Das heißt, wir müssen in zehn Schritten zu je 120 Millionen Euro jährlich die Spanne zwischen Einnahmen und Ausgaben reduzieren. Das ist trotz der finanziellen Hilfe vom Bund und von den Ländern, für die wir dankbar sind, kein einfacher Weg. Das muss man unumwunden sagen, und da darf sich auch keiner Illusionen hingeben! Das ist ein steiniger, das ist ein dorniger Weg. Das ist eine große Herausforderung für uns alle, für den Senat und den Haushaltsgesetzgeber Bremische Bürgerschaft, aber es ist nach meiner festen Überzeugung der einzige Weg hin zu einer finanziellen Zukunftssicherung des Landes Bremen und, ich füge hinzu, erstmals, seit sehr langer Zeit, hat Bremen wieder eine Perspektive, um seine volle finanzielle Handlungsfähigkeit wiederzugewinnen.
Meine Damen und Herren, man muss heute noch einmal daran erinnern, dass es 1992 war, genau am 27. Mai 1992, als das Bundesverfassungsgericht in einem aufsehenerregenden Urteil festgestellt hat, dass Bremen sich in einer unverschuldeten extremen Haushaltsnotlage befand und dass Bremen deshalb Anspruch auf Hilfe zur Selbsthilfe gegenüber der bundesstaatlichen Gemeinschaft hat. In den darauffolgenden Verhandlungen mit dem Bund konnte erreicht werden, dass Bremen zunächst einmal fünf Jahre, und dann 1998 verlängert, ein zweites Mal fünf Jahre, Sanierungsleistungen erhalten hat. Zehn Jahre lang Sanierungsleistungen! Schauen Sie einmal in die Präambel des Sanierungssicherstellungsgesetzes von 1999, welche Vorstellungen wir hatten, wann diese Sanierung vollendet, abgeschlossen, erreicht sein sollte, auch die Große Koalition, gerade die Große Koalition damals! 2004 haben wir feststellen müssen, 2005, dass die zehn Jahre Sanierungsleistungen, so gut sie Bremen getan haben mit der Ermöglichung von Investitionen und Entwicklungen unseres Wissenschaftsstandorts, Investitionen in Tourismus und unsere Hafenfazilitäten und vieles andere mehr, nicht zur Sanierung unseres Haushaltes geführt haben. Ab 2005 stand Bremen völlig allein mit diesem Problem, als die Sanierungsleistungen ausgelaufen waren. Das ist jetzt anders! Wir erhalten Unterstützung. Die Verwaltungsvereinbarung konkretisiert die neue Schuldenregel des Grundgesetzes. Die sogenannte Schuldenbremse in Artikel 109 Absatz 3 des Grundgesetzes verpflichtet alle Länder, ausnahmslos alle Länder, ab 2020 grundsätzlich ohne Neuverschuldung die Haushalte aufzustellen. Meine Damen und Herren, ich war kürzlich auf einer Veranstaltung, das war nicht bei der SPD und auch nicht bei den Grünen, und da wurde ein Antrag beschlossen, und in diesem Antrag stand ein Satz: Wir lehnen die Schuldenbremse ab! Ich höre das ja häufiger, dass dieser Satz gesagt wird, und ich nehme an, wir werden ihn heute auch noch einmal hören. Da muss man nun sagen, so frei die Rede ist, aber was im Grundgesetz steht und was für die Länder und den Bund verfassungsrechtliche Pflicht ist, dazu kann man nicht einfach sagen, das nehmen wir nicht zur Kenntnis. Nein, Bremen muss sich ausdrücklich dazu bekennen, zu der eigentlichen Selbstverständlichkeit, dass wir uns verfassungskonform verhalten, die Schuldenbremse gilt für uns, und wir werden uns dieser Schuldenbremse auch stellen! Das ist unsere Aufgabe, und anderes geht nicht!
die Einhaltung dieser Verfassungsnorm gerichtet ist, der verwirkt jeden Rechtsanspruch, den Bremen auch in anderen Bereichen haben kann, könnte und vielleicht auch geltend machen muss, und er verstößt in gravierender Weise gegen die Solidarität im Bundesstaat! Wer sich eines solchen Verstoßes schuldig macht, der kann in Zukunft auch nicht die Solidarität des Bundes und der anderen Länder einfordern. Deswegen, wer sagt, lasst uns das alles nicht zur Kenntnis nehmen, was da im Grundgesetz steht – das sage ich jetzt einmal mit ganz drastischen Worten –, der fährt Bremen gegen die Wand! So wird es sein!
Bremen erfährt Solidarität. Bremen hat bei den Verhandlungen mit Bund und Ländern in der Föderalismuskommission II überzeugend dargelegt, dass wir, die Freie Hansestadt Bremen, diese Schuldenregeln nicht aus eigener Kraft einhalten können, und pikanterweise ist es eine Arbeitsgruppe der Finanzminister von Bund und Ländern unter der Federführung des damals noch anders als zukünftig regierten Landes Baden-Württemberg gewesen, die festgestellt hat, dass Bremen große Sparanstrengungen unternimmt und Bremen sich nicht mehr als andere leistet. Dieses einvernehmliche Ergebnis der Haushaltsanalyse Bremens hat die Bereitschaft entstehen lassen, an Bremen Konsolidierungshilfen zu leisten.
Wenn ich sage, Bremen steht nicht mehr allein, wie wir das 2005 hatten, dann reicht auch da ein Blick ins Grundgesetz. Es gab so etwas noch nie, aber es gibt es jetzt: Bremen hat einen grundgesetzlich festgelegten Anspruch auf Hilfe. In Artikel 143 d ist erstmals anerkannt, dass Bremen plus vier andere Länder finanzielle Hilfe bekommen können, wobei Bremen – auch das darf man an dieser Stelle noch einmal betonen – den mit Abstand höchsten Betrag erhält. Übrigens, das wird überall in Deutschland als ein Erfolg für Bremen angesehen, und ich finde, wir sollten das in Bremen genauso sehen!
Das Grundgesetz bestimmt auch, dass sich die finanzielle Hilfe von jährlich 300 Millionen Euro und die gleichzeitige Klage auf Sanierungsleistungen beim Bundesverfassungsgericht gegenseitig ausschließen.
Ich habe soeben hervorgehoben, dass Hilfen von 300 Millionen Euro Bremen nicht aufgedrängt werden, sondern dass Bremen sich entscheiden kann, ob es diese Hilfe annehmen möchte. Nichts ist alternativlos, es gibt für alles Alternativen, die Frage ist nur, ob sie vernünftig sind. Bremen könnte sagen, wir verzichten auf die 300 Millionen Euro, und wir interessieren uns auch nicht für den weiteren Verlauf der Dinge, sondern machen bis 2020 so weiter, und schau
en wir einmal, was dann ist. Das ist die Harakiri-Variante, die nicht empfehlenswert ist. Die zweite Möglichkeit ist, dass wir die 300 Millionen Euro nicht annehmen und setzen unsere 2006 erhobene Klage beim Bundesverfassungsgericht fort, dann haben wir nach dem Grundgesetz keinen Anspruch auf die 300 Millionen Euro.
Bremen und das Saarland, wir sind in gleicher Situation, wir haben uns anders entschieden. Wir werden die Klage beim Bundesverfassungsgericht für erledigt erklären, und das wird auch in der kommenden Woche geschehen. Das Saarland hat das schon getan. Das fällt weder dem Saarland schwer, noch fällt es Bremen schwer, denn beim Bundesverfassungsgericht, selbst wenn man da großen Erfolg hat, bekommt man kein Geld. Das war im Jahr 1992 genauso. Da bekommt man allenfalls einen Auftrag, eine Verpflichtung an Bund und Länder, gemeinsam mit Bremen darüber zu verhandeln, in welcher Höhe Bremen Sanierungszahlungen erhalten kann. Da sage ich Ihnen, nach zweieinhalb Jahren Verhandlungen in der Föderalismuskommission, die ich ja auch in der Rolle als einer von zwei stellvertretenden Vorsitzenden habe machen dürfen, sehe ich nicht, dass wir bei einem obsiegenden Urteil mehr erhalten könnten, als jetzt im Grundgesetz steht.
interessanterweise sind das ja parteipolitische Gruppierungen, zwischen denen eigentlich nach dem normalen Verständnis des Spektrums eine ganz große Distanz liegt, aber an diesem Punkt passt gar kein Blatt Papier dazwischen –, die sagen: Ihr müsst zum Bundesverfassungsgericht gehen, da liegen Milliarden Euro für euch herum, die müsst ihr nur abholen! Dann sagen sie noch dazu: Weil das so sicher ist, dass das Geld dort liegt, lasst uns das doch jetzt schon einmal ausgeben, gewissermaßen im Vorgriff darauf! Ich sage einmal ganz ausdrücklich: Ein höherer Grad an Verantwortungslosigkeit ist für mich nicht denkbar, solchen Leuten darf man Bremen wirklich nicht überlassen!
Allerdings erklären Bremen und das Saarland gegenüber dem Bundesverfassungsgericht auch, dass wir unsere grundsätzlichen Rechtspositionen zur finanziellen Ausstattung unserer Länder nicht aufgeben. Wir geben keine Rechtspositionen auf, und ich füge hinzu: Sollte es sich als nötig erweisen, etwa weil von den drei bisherigen Südländern, die das angekündigt hatten, noch zwei übrig bleiben, nämlich Hessen und Bayern, und zum Bundesverfassungsgericht
gehen, um den Länderfinanzausgleich zu attackieren, werden wir uns nicht nur defensiv, sondern weiter offensiv und entschlossen für einen fairen Finanzausgleich einsetzen und den Attacken entgegentreten. Ich darf in diesem Zusammenhang sagen – ein Stück hat sich das durch das Wahlergebnis in Baden-Württemberg erledigt –, dass der noch amtierende Ministerpräsident Mappus bei der letzten Ministerpräsidentenkonferenz der Länder auf keinerlei Verständnis, auch bei der Mehrheit der unionsregierten Länder, getroffen ist, die Fragen des Finanzausgleichs gerichtlich klären zu lassen oder vor dem Jahr 2019 zu verhandeln.
Bremen steht nicht nur im Schulterschluss mit dem Saarland, wir stehen überdies zusammen mit den Ländern Berlin, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, also mit den anderen Ländern, die wie Bremen Konsolidierungshilfe erhalten und in diesen Tagen ebenso wie Bremen eine ähnliche Verwaltungsvereinbarung mit dem Bund abschließen.
Das Besondere ist – das werden Sie in den Unterlagen nachlesen können –, dass diese fünf Länder eine gemeinsame Protokollerklärung zu dem Verwaltungsabkommen abgegeben haben, indem der Bund eindringlich darauf hingewiesen wird, dass der Erfolg unserer Konsolidierungsbemühungen in Bremen und in den anderen vier Ländern nicht nur von unserer eigenen Haushaltspolitik und unserer eigenen Anstrengung abhängt, sondern insbesondere von der Entscheidung über unsere Einnahmen und Ausgaben, die zu einem großen Teil – bei den Einnahmen der ganz überwiegende Teil und bei den Ausgaben ein großer Teil – von Entscheidungen des Bundes abhängen. Ich finde es schon sehr bemerkenswert, dass diese fünf Länder unabhängig von der jeweiligen Parteifarbe den Bund ermahnen, nicht durch Steuersenkungen unseren Konsolidierungskurs zu gefährden, denn es ist und bleibt richtig: Die Schuldenbremse im Grundgesetz kann nur dann wirken, wenn sie gleichzeitig als Steuersenkungsbremse verstanden wird und wirken kann.
Es geht nicht, den Ländern aufzugeben, ihre Neuverschuldung auf Null zu fahren, wenn man ihnen gleichzeitig die Beine wegzieht und ihre Einnahmen reduziert. Das passt nicht zusammen! Wir haben es ja in der Vergangenheit erlebt, wie uns die Einnahmen reduziert worden sind. Ich darf einmal an das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz erinnern, was uns das hier in Bremen gekostet hat und was es nicht nur uns, sondern die Städte und Gemeinden in Deutschland gekostet hat!
Der Deutsche Städtetag hat vor Kurzem die Bilanz für das Jahr 2010 vorgelegt: Deutschland hat in seinen Kommunen ein historisches Finanzierungsdefizit, und das trotz wieder anziehender Konjunktur. In
vielen Städten und Gemeinden in Deutschland müssen soziale Einrichtungen geschlossen werden, muss an Personal gespart werden, müssen Investitionen aufgeschoben werden. Wenn dann auf der anderen Seite Hoteliers entlastet und reiche Erben und Unternehmen begünstigt werden, sagen viele und ich auch: Das ist eine Politik, die in die falsche Richtung geht, und das darf nicht so sein.
Deswegen wird Bremen – ich gehe fest davon aus, dass es die anderen vier Länder, die mit Bremen diese Protokollerklärung abgegeben haben, genauso tun werden – im Bundesrat keinen Gesetzen zustimmen, die zu Mindereinnahmen oder zu Mehrbelastungen der Städte und Gemeinden in Deutschland führen.
Ich will aber an dieser Stelle auch sagen, dass es ein kleiner Lichtblick für eine andere Richtung ist, im Rahmen der Hartz-IV-Verständigung konnte erreicht werden, dass die Kommunen in Deutschland in Stufen bis zum Jahr 2014 von den Kosten der Grundsicherung entlastet werden. Das ist unsere große Last in den Städten und Gemeinden in Deutschland: die großen Beträge bei den Sozialeistungen. Es ist gut, dass die Kosten der Grundsicherung im Alter jetzt ab dem Jahr 2014 in Gänze vom Bund getragen werden.
Das Verwaltungsabkommen, das Ihnen heute vorliegt, prägt unsere Haushaltspolitik der nächsten Jahre. Ich bitte, einmal darüber nachzudenken, ob es noch Sinn macht, wenn wir uns in Zukunft Sätze vorhalten wie „ihr spart zu viel oder ihr spart zu wenig“, weil wir ab jetzt einen ganz anderen Maßstab haben, und deswegen ändern wir auch die Landeshaushaltsordnung. Der Maßstab heißt: Es gibt jedes Jahr eine Hürde zu überspringen, diese Hürde heißt 120 Millionen Euro. Da muss man sagen, ich lese immer, das seien Einsparungen. Nein, das sind 120 Millionen Euro, die die Spanne zwischen Einnahmen und Ausgaben kleiner macht. Das heißt, wenn alles gut läuft und die Einnahmen sich positiv entwickeln, dann fällt die Seite des Einsparens leichter, und wenn es anders ist, hat man auf der Einsparseite größere Schwierigkeiten.