Dazu als Vertreterin des Senats Frau Bürgermeisterin Linnert, ihr beigeordnet sind Herr Staatsrat Mützelburg und Herr Staatsrat Lühr.
Meine Damen und Herren, der 32. Jahresbericht der Landesbeauftragten für Datenschutz vom 26. März 2010, Drucksache 17/1240, ist von der Bürgerschaft (Landtag) in ihrer 65. Sitzung am 21. April 2010 und die Stellungnahme des Senats dazu vom 24. August 2010, Drucksache 17/1407, in ihrer 73. Sitzung am 29. September 2010 an den Ausschuss für Informations- und Kommunikationstechnologie und Medienangelegenheiten überwiesen worden. Dieser Ausschuss legt mit der Drucksachen-Nummer 17/1563 seinen Bericht und Antrag dazu vor.
Frau Dr. Sommer: Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zunächst einmal möchte ich mich dafür bedanken, dass ich hier vor Ihnen sprechen darf. Das finde ich deshalb besonders schön, weil Sie es sind, die im Land Bremen die gesetzgebende Gewalt ausüben, und die gesetzgebende Gewalt in den Ländern ist im Moment die sicherste Bank für den Datenschutz in Deutschland.
Wenn wir uns die Diskussionen zum Thema Datenschutz, zum Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ansehen, ergibt sich ein Muster. Von den Ländern werden viele Forderungen aufgegriffen, die die Menschen in Diskussionen über den Schutz ihrer Privatheit erheben. Solche grundrechtsfreundlichen Änderungsanträge zu Gesetzesvorhaben, die Sie hier in der Bürgerschaft gefordert haben, und sogar einige Gesetzentwürfe, die von den Ländern formuliert worden sind, kommen regelmäßig nicht über den Bundesrat hinaus, bleiben dort stecken. Das gilt für die Regelungen zum Adresshandel, die Sie hier im Jahr 2008 diskutiert haben. Das gilt auch für die Regelungen zum Arbeitnehmerdatenschutz. Sie werden morgen in erster Lesung im Bundestag diskutiert, nachdem sich die Bundesregierung über fast alle Änderungsanträge des Bundesrats zur Verbesserung des Datenschutzniveaus hinweggesetzt hat, und auch dem Gesetzentwurf, den die Länder mit großer Mehrheit zum Thema kommerzielle Straßenansichten formuliert hatten, ist es nicht anders ergangen.
Zu diesem Thema, zum Internetdienst „Google Street View“ haben Sie hier in der Bremischen Bürgerschaft im letzten Jahr zwei Debatten geführt. Unabhängig davon, wie Sie selbst inhaltlich zu der Frage standen, ob Sie wollen, dass die Straßenansicht des von Ihnen bewohnten Hauses im Internet zu sehen ist oder nicht, setzten Sie sich dafür ein, dass alle Menschen entscheiden können, ob sie dies wollen oder nicht. Damit forderten Sie, dass die Menschen selbst darüber bestimmen können, wer wann etwas über sie weiß.
Sie setzten sich auch dafür ein, dass die Möglichkeit, dieses Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu nutzen, nicht von Googles oder Microsofts Gnaden bestehen soll, sondern dass dieses Recht in einem allgemeinen Gesetz garantiert wird.
Der Bundesrat verabschiedete mit großer Mehrheit einen Gesetzentwurf, der genau dies enthielt, auch er kam über den Bundesrat nicht hinaus. Stattdessen
reguliert sich die Geodatenwirtschaft jetzt selbst und hat sich einen Geodaten-Kodex gegeben. In dem sucht man nach einem Vorabwiderspruchsrecht, das mein Hamburger Kollege Google abgerungen hatte, vergebens. Ich teile die von Ihnen hier vertretene Auffassung, dass eine gesetzliche Regelung hier richtig gewesen wäre. Gesetze sind nicht automatisch gleichzusetzen mit Bürokratismus; Gesetze sind die Ausdrucksform der parlamentarischen Demokratie, und im Land Bremen stehen Sie dafür.
Ich freue mich, dass Sie im Anschluss an diese Debatte auch über das Informationsfreiheitsgesetz beschließen werden, und ich hoffe, dass die Bremische Bürgerschaft in der nächsten Legislaturperiode die Gelegenheit ergreifen wird, das Bremische Datenschutzgesetz an einigen Stellen auch noch einmal so zu verändern, dass die Menschen im Land Bremen ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung noch besser durchsetzen können.
Dabei komme ich auf mein wichtigstes Anliegen. Es reicht nicht, dass die Menschen gesetzlich garantierte Rechte haben. Das ist natürlich die erste Voraussetzung, aber sie müssen sie auch kennen und sie selbstbewusst nutzen, und auch dazu haben Sie schon im Jahr 2008 hier beschlossen, dass im Land Bremen alles getan werden muss, um das Datenschutzbewusstsein der Menschen zu stärken und überhaupt zu wecken, und das scheint mir das Schwierigste zu sein. Menschen, die in allen Lebensbereichen ihr Selbstbewusstsein verloren haben, werden auch dann nicht Nein sagen, wenn bei einem Vertragsabschluss einfach ihr Personalausweis kopiert wird und wenn sie in den intimsten Situationen von Videokameras gefilmt werden.
Insofern tragen Sie in allen Politikbereichen zum Datenschutzbewusstsein bei, wenn Sie Maßnahmen verabschieden, die Menschen den Mut zur Selbstbestimmung geben. Aber auch die Debatten, die Sie hier und anderswo im Land führen, tragen dazu bei. Deshalb ist jede Ihrer Debatten über informationelle Selbstbestimmung – wie erst kürzlich die zur Vorratsdatenspeicherung – ein Beitrag zur Stärkung des Datenschutzbewusstseins,
Die öffentliche Willensbildung findet nicht nur in Berlin, sondern auch in Hamburg, München und Bremen statt, und auf die jetzt folgende Debatte bin ich gespannt! – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorab: Liebe Frau Dr. Sommer, ich hätte Ihnen für Ihren sogenannten Antrittsbesuch ein volles Haus gewünscht, denn wir haben Sie ja auch gewollt, aber es ist nicht nur Schatten: Bei etwas weniger Menschen reicht der Sauerstoff länger.
Nun zum Bericht, den ich für den Ausschuss halte! Die Bürgerschaft (Landtag) überwies in ihrer Sitzung am 21. April 2010 den 32. Jahresbericht der Landesbeauftragten für Datenschutz vom 26. März 2010 und in ihrer Sitzung am 29. September 2010 die dazu erfolgte Stellungnahme des Senats vom 24. August 2010 an den Ausschuss für Informations- und Kommunikationstechnologie und Medienangelegenheiten zur Beratung und Berichterstattung. Der Ausschuss beschäftigte sich in seiner Sitzung am 29. Oktober 2010 mit dem 32. Jahresbericht sowie der Stellungnahme des Senats und stellte bei den nachfolgend aufgeführten Punkten Beratungsbedarf fest: Künstliche DNA, Stopp der Jugendgewalt, Datenschutzkonzepte beim Stadtamt Bremen – ein Dauerbrenner – BAgIS, ARGE, Jobcenter Bremerhaven und Auslagerung der Abrechnungsprüfung durch die Kassenärztliche Vereinigung Bremen. In seiner Sitzung am 29. Oktober erörterte der Ausschuss die beratungsbedürftigen Punkte mit der Landesbeauftragten für Datenschutz unter Hinzuziehung von Vertreterinnen und Vertretern der betroffenen Ressorts. Für die gute, stellenweise sehr kritikoffene Zusammenarbeit möchte ich mich im Namen des Ausschusses bei allen Beteiligten bedanken.
Zu den einzelnen Punkten nimmt der Ausschuss für Informations- und Kommunikationstechnologie und Medienangelegenheiten wie folgt Stellung.
Künstliche DNA! Der Ausschuss hat zur Kenntnis genommen, dass die Landesbeauftragte für Datenschutz erhebliche datenschutzrechtliche Bedenken gegen den Einsatz von DNA-Sprühanlagen durch Private hat. Das Markieren von Personen mittels künstlicher DNA stelle aus ihrer Sicht einen Grundrechtseingriff dar, für den als Maßnahme der Strafverfolgung durch Private keine gesetzliche Rechtfertigung existiere. Diese rechtlichen Bedenken gegen den Einsatz von DNA-Sprühanlagen werden vom Senator für Inneres und Sport nicht geteilt.
Um zumindest einen verantwortungsvollen Umgang der Betreiber mit den DNA-Sprühanlagen zu gewährleisten, haben sich die Landesbeauftragte und
der Senator für Inneres und Sport darauf verständigt, dass die Polizei künftig von den Betreibern die Einhaltung bestimmter Verpflichtungen einfordert. So sind unter anderem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Umgang mit der Anlage zu schulen sowie deutlich sichtbare Hinweisschilder an den jeweiligen Gebäuden anzubringen. Der Ausschuss begrüßt, dass die Polizei in diesem Bereich durch die Kontrolle der Betreiber von DNA-Sprühanlagen eine größere Verantwortung übernimmt, nun müsse abgewartet werden, wie sich dieses Verfahren in der Praxis bewähre.
Stopp der Jugendgewalt! Der Ausschuss hat zur Kenntnis genommen, dass es aufgrund fehlender Rechtsgrundlagen aus datenschutzrechtlicher Sicht höchst problematisch ist, im Rahmen von behördenübergreifenden Fallkonferenzen Informationen über eine Person auszutauschen. Um diese rechtlichen Hürden zu überwinden, haben sich die Landesbeauftragte und die beteiligten senatorischen Dienststellen darauf verständigt, die Übermittlung der Informationen auf eine Einwilligung der Betroffenen zu stützen und entsprechend eine Einwilligungserklärung auszuarbeiten. Da die Erteilung der Einwilligung durch die Betroffenen auf freiwilliger Basis erfolgt und diese umfassend über die Bedeutung der Einwilligung aufgeklärt werden, hält der Ausschuss den gefundenen Weg für eine gute Lösung.
Datenschutzkonzepte beim Stadtamt Bremen! Der Ausschuss hat sich berichten lassen, dass das bislang fehlende und von der Datenschutzbeauftragten immer wieder geforderte Rahmendatenschutzkonzept beim Stadtamt Bremen nunmehr vorliege, ebenso wie das IT-Betriebskonzept. Ferner sei bereits damit begonnen worden, diese Konzepte in den Bereichen umzusetzen. Aufgrund von personellen Verstärkungen des Stadtamts in einzelnen Fachbereichen erhofft sich der Ausschuss, dass das Rahmenkonzept möglichst zentral mit Inhalten gefüllt wird und datenschutzrechtliche Erfordernisse künftig schneller umgesetzt werden können.
BAgIS, ARGE, Jobcenter Bremerhaven! Der Ausschuss hat zur Kenntnis genommen, dass es im Berichtsjahr zahlreiche Beschwerden über die mangelnde Vertraulichkeit der Gespräche zwischen Kundinnen und Kunden und BAgIS-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegeben habe. Teilweise würden mehrere Gespräche in einem Raum geführt, oder es sei Sicherheitspersonal anwesend, sodass unbefugte Dritte diese sensiblen Gespräche mithören konnten. Die Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales sowie die BAgIS selbst sind sich dieses Problems bewusst und haben im Rahmen der räumlichen Möglichkeiten versucht, durch zusätzliche Sichtschutzwände ein größeres Maß an Vertraulichkeit der Gespräche zu schaffen, sie haben gegenüber dem Ausschuss jedoch auch deutlich gemacht, dass das Grundproblem aufgrund der eingeschränkten Raummöglichkeiten noch nicht
zu lösen sei, da die Raumkonzepte Einzelbüros für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht vorsehen und auch nicht zuließen. Eine Verbesserung der Einhaltung von datenschutzrechtlichen Bestimmungen sei aber bereits durch die entsprechenden Schulungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Entfristungen zahlreicher Verträge erreicht worden. Ferner bestehe auch für das eingesetzte Sicherheitspersonal die Verpflichtung der Einhaltung von datenschutzrechtlichen Bestimmungen.
Auslagerung der Abrechnungsprüfung durch die Kassenärztliche Vereinigung Bremen! Die Kassenärztliche Vereinigung Bremen hatte die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns damit beauftragt, Daten der vertragsärztlichen Leistungsabrechnung einer Plausibilitätsprüfung und einer Prüfung der rechnerischen und sachlichen Richtigkeit zu unterziehen. Nach Auffassung der Landesbeauftragten für Datenschutz gibt es für diese Weitergabe von Sozialdaten keine einschlägige Rechtsgrundlage.
Der kassenärztliche Verband sowie die Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales teilen diese Rechtsauffassung nicht, sondern halten das Vorgehen für rechtlich zulässig. Dennoch hat die Kassenärztliche Vereinigung Bremen sich bereit erklärt, die Übermittlung der Daten an die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns zunächst einzustellen, da die Angelegenheit aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung auch dem Bundesministerium für Gesundheit zur Stellungnahme vorläge.
Der Ausschuss ist der Auffassung, dass zunächst abgewartet werden solle, wie sich das Bundesgesundheitsministerium in dieser Sache äußere. Zu gegebener Zeit werde sich der Ausschuss dann erneut mit diesem Fall beschäftigen. Es wird insbesondere zu prüfen sein, ob sich die getroffenen Aussagen zu dieser Fallkonstellation auf die Fälle der hausarztzentrierten Verträge anwenden lassen. Dies ist im Ausschuss einstimmig so beschlossen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal vielen Dank, Frau Dr. Sommer, für Ihre klaren Worte und für das Lob an das Hohe Haus und an ihre Mitglieder. Der Jahresbericht, den wir jetzt hier diskutieren, ist der erste Jahresbericht, der von der neuen Beauftragten vorgelegt worden ist. Ich möchte gern noch auf zwei, drei Punkte eingehen, die uns als SPD-Fraktion wichtig sind. Das eine betrifft den Einsatz der künstlichen DNA-Sprühanlagen. Hier teilen wir als SPD-Fraktion, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Wir haben allerdings darauf hingewiesen, dass wir diesen Punkt intensiv beobachten werden und einen Bericht des Innensenators über den Umgang mit diesen Anlagen an dieser Stelle erwarten.
Zweiter Punkt, der uns auch noch wichtig ist: das Thema BAgIS. Das ist bereits angesprochen worden. Es kann nicht sein, dass vertrauliche Gespräche durch dritte Personen abgehört werden, sei es auch, wenn man es den Menschen vorher sagt. Das ist nicht in Ordnung, das geht für uns nicht; dort müssen Voraussetzungen getroffen werden, sodass die Vertraulichkeit des Beratungsgesprächs für die Kundinnen und Kunden auf alle Fälle gewährleistet ist. Das ist auch deswegen wichtig, weil wir als öffentliche Stellen eine Vorbildfunktion an dieser Stelle haben müssen.
Kommen wir kurz noch zur privaten Wirtschaft! Hier sind einige Verfehlungen in dem Bericht benannt worden. Scoring, die Videoüberwachung, jetzt gerade wieder hoch aktuell in Hamburg, in einem Einkaufszentrum der Firma ECE, wo es um den Abbau von Kameras geht, die teilweise Toilettenräume oder Sozialräume überwachen. Vielen Dank auch noch einmal für die klaren Worte, Frau Dr. Sommer, die Sie in Ihrem Bericht zur Vorratsdatenspeicherung gefunden haben. Wir hatten das ja im Dezember hier auch noch einmal diskutiert.
Kurz zur Bundesebene! Hier haben Sie vollkommen zu Recht darauf hingewiesen, dass hervorragende Vorschläge, die aus dem Bundesrat gekommen sind, und zwar nicht nur von SPD- oder Bündnis 90/Die Grünen-geführten Ländern, von der Bundesregierung und dem Bundestag nicht umgesetzt werden. Das halte ich für – gelinde gesagt – einen Skandal an dieser Stelle, gute Vorschläge dort nicht umzusetzen. Gerade die Ausforschung von Arbeitnehmern ist für uns als Sozialdemokraten nicht hinnehmbar. Hier erwarten wir Änderungen!
Auf der anderen Seite gab es im Bund viel Klamauk, so will ich das einmal nennen. Dort gibt es einen Bundestagsabgeordneten der CDU, Axel E. Fischer, der im November letzten Jahres mit einer Pressemitteilung Aufmerksamkeit erregen wollte, die da lautet: Er möchte gern ein digitales Vermummungsverbot haben. Das bedeutet, jeder, der sich im Internet irgendwo äußert, müsste sich vorher registrieren und mit seinem Klarnamen sichtbar sein. Das ist natürlich nicht hinnehmbar. Passend dazu
heute im „Weser-Kurier“, Seite 2, Lokalteil, wenn ich daraus zitieren darf: „Online-Beratung für sexuell missbrauchte Mädchen! Hilfe holen im Netz: Der Bremer Verein Schattenriss unterstützt Betroffene ab sofort auch im Internet.“ Und jetzt kommt es: „Die Anonymität ist garantiert.“ Solche Vorschläge, die Herr Fischer dort lauthals vorlegt, sind Blödsinn!
Wir können den Kindern, den Jugendlichen nicht sagen: Achtet darauf, wenn ihr im Internet unterwegs seid, achtet dort auf eure Privatsphäre, benutzt nicht eure Klarnamen. Achtet darauf, wem ihr etwas sagt, und dann kommen solche Vorschläge. Das geht nicht!