Protocol of the Session on December 8, 2010

Hören Sie endlich auf zu erklären, dass das, was Sie hier vornehmen, keine Kürzungen sind, und begründen Sie sie schon gar nicht damit, dass in den vergangenen Haushalten Rest- und zusätzliche Mittel enthalten waren! Rest- und zusätzliche Mittel können auch nur zusätzlich verbraucht werden. Diese Mittel können nur einmal ausgegeben werden, stehen also nur für einen kurzen, begrenzten Zeitraum zur Verfügung. Man muss sich doch fragen, ob Sie damit nicht etwa langfristige Projekte finanziert haben, ohne auch nur im Geringsten an die Folgefinanzierung zu denken! Sie haben doch selbst im Produktplan 31 bestätigt, dass Sie die Mittel auf ein Minimum zurückgeführt haben. Was soll denn dieser Hinweis, außer dass Sie zugeben, die Mittel gekürzt zu haben? Anscheinend gilt bei Ihnen aber nicht einmal mehr das eigene geschriebene Wort.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie Ihre Haushaltssätze von 2007/2008 beibehalten hätten, gäbe es heute keinerlei Probleme bei den Trägern. Das beste Beispiel haben wir doch in der letzten Deputation erlebt: Da demonstrierten rund 2 000 Menschen, Vertreter dieser Träger dür

fen uns dann in der Deputation ihr Anliegen vortragen. Sie, Frau Ziegert, als Vertretung für die Senatorin, beginnen natürlich erst einmal mit der Beschimpfung der Kürzungen im Bundesbereich und bekommen dann von einer Sprecherin der Träger zu hören, ich zitiere: „Sie müssen hier etwas falsch verstanden haben. Wir sind nicht hier wegen der Kürzungen auf Bundesebene, wir sind hier wegen der Kürzungen, und zwar teilweise auf Null, der Landesmittel.

(Beifall bei der CDU und bei der LINKEN)

Das ist der Grund, warum bei uns die Projekte in höchster Gefahr sind.“ Bei diesem Beitrag hätten Sie von der SPD und von den Grünen einmal Ihre Gesichter sehen sollen!

Lassen Sie sich sagen, entgegen Ihrer laufenden Behauptung, beim Arbeitsressort nicht einzusparen, auch der letzte Träger in unserem Land weiß mittlerweile, dass Sie die Landesmittel gekürzt haben. Wir sagen aber auch hier und heute, und zwar zum x-ten Mal: Arbeitsmarktpolitik muss sich zwingend ändern. Auch wir haben den Beschäftigungsmaßnahmen überwiegend zugestimmt. Auch wir erkennen die Sinnhaftigkeit von Beschäftigungsmaßnahmen für eine bestimmte Klientel an, aber deutschlandweit beträgt die Zahl der Arbeitslosen keine drei Millionen mehr, und dazu kommt ein Fachkräftemangel. Überall gehen die Arbeitslosenzahlen nach unten, nur in Bremen nicht, in Bremen stagnieren diese Zahlen. Sie nehmen im ersten Arbeitsmarkt nicht ab, und sie nehmen schon gar nicht im zweiten Arbeitsmarkt ab, und in Bremerhaven steigen sie im zweiten Arbeitsmarkt sogar noch an.

Auch Sie lesen doch täglich in der Zeitung Berichte über die neuen Stellen! Windkrafttechnik, Lebensmitteltechnologie, der Hafen kommt wieder in Schwung, und der Tourismus ist auf dem Weg nach oben. Wenn Sie sagen, Herr Senator Günthner, dass wir dadurch Arbeitsplätze dazugewonnen haben, dann sage ich natürlich: Ja, nur unsere Bürgerinnen und Bürger haben kaum etwas davon, wie man ja an den gleichbleibenden Arbeitslosenquoten gut erkennen kann! Anscheinend profitieren ausschließlich andere davon. Genau hier muss sich künftig der Schwerpunkt der Arbeitsmarktpolitik verändern, und hier muss er ansetzen.

(Beifall bei der CDU)

Wir müssen die Menschen in unserem Land dazu bringen, verstärkt in diesen Arbeitsmarkt hineinzukommen. Das stärkt nicht nur deren Selbstbewusstsein, es hätte auch wahrlich gute Auswirkungen auf Ihren Haushalt. Aber irgendwann – und zwar eher, als Sie denken – wird Sie die Realität einholen! Ich bin dann auf Ihre Erklärung gespannt. – Danke!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Möllenstädt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will versuchen, es etwas kürzer zu machen und auf einige Punkte eingehen, die Herr Frehe hier in die Debatte gebracht hat! Herr Frehe, das ist ja ein ganz interessantes Verständnis von antizyklischer Haushaltspolitik, das Sie hier vorgetragen haben, dass man hier hingeht und sagt: Na ja, wenn es mit der Konjunktur nicht läuft, dann brauchen wir das Geld, um die Leute zu alimentieren, und dann, wenn es wieder anzieht, müssen wir mindestens genauso viel ausgeben, um sie zu qualifizieren, damit sie wieder in Beschäftigung kommen. Herr Frehe, das hätten Sie in den letzten eineinhalb Jahren alles längst machen müssen und können!

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. F r e h e [Bündnis 90/Die Grünen])

Stattdessen haben Sie sehr viel Geld auch aus europäischen Mitteln ausgegeben, um Menschen zu alimentieren, und eben offensichtlich zu wenig, um sie entsprechend zu qualifizieren, dass sie jetzt wieder in den Arbeitsmarkt einsteigen können. Das trifft Sie jetzt umso härter, das ist bitter, und ich weiß auch, dass Sie die Kritik da ja auch in diesen Wochen sehr intensiv von den Trägern erfahren. Seien Sie sich aber sicher: Sie kommt nicht von ungefähr, sondern diese Menschen haben schon recht, denn sie verstehen etwas vom Fach.

Ich will noch einmal zwei Punkte benennen, Herr Kollege Frehe, weil Sie das Thema Altersarmut angesprochen haben! Wenn man davon ausgeht, dass es Menschen im Alter gibt, die finanziell nicht unbedingt zu den Bestsituierten gehören, dann ist es doch ganz verkehrt, das zu machen, was Ihre Koalition gemacht hat, nämlich ein Wohn- und Betreuungsgesetz zu schaffen, das in der Tendenz dazu führt, dass Angebote für pflegebedürftige Menschen, die Schwächsten dieser Gruppe, teurer werden. Das kann doch nicht die Antwort Ihrer Politik auf Altersarmut sein, lieber Herr Frehe!

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe Ihnen ja vorhin gesagt, ich glaube nicht, dass Sie mit dem Geld auskommen, das Sie in Ihrem Haushalt vorgesehen haben. Das gilt auch für die Frage, wie viel Aufwand wir in der Verwaltung haben, um eigene Rechtsvorschriften, die Ihre Koalition hier erlassen hat, durch Gesetze, durch Verordnungen, die in der Zahl stark angewachsen sind über Ihre Regierungszeit, umzusetzen, was verursacht das eigentlich in der Verwaltung? Wenn die Mitarbeiter Ihrer eigenen Verwaltung hier sagen, sie brauchen für die ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Umsetzung, die Kontrolle des Wohn- und Betreuungsgesetzes mehr Personal, dann möchte ich doch ganz gern einmal sehen: Wo haben Sie das denn eingestellt, wenn Sie so sicher sind, dass Sie damit wirtschaften können? Ich kann das nicht erkennen. Ich befürchte aber nach den Aussagen, die wir bekommen haben, als wir das Gesetz beraten haben, dass das gar nicht ohne zusätzliche Stellen zu machen sein wird. Darauf müssen Sie, finde ich, auch einmal antworten.

(Beifall bei der FDP)

Gleiches gilt auch für das debattierte Krankenhausgesetz. Das soll ja, so habe ich Sie verstanden, noch in diesem Jahr oder Anfang nächsten Jahres in Kraft gesetzt werden. Dafür müssten Sie ja auch einmal irgendwie im Haushalt eine Vorsorge treffen, weil auch das nicht gerade bürokratiemindernd und damit auch nicht arbeitsfreundlich für die Behörden ausfallen wird, das kann ich Ihnen hier schon sagen. Deshalb bin ich sehr gespannt, wie Sie darauf reagieren werden. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Nitz.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE kritisiert ja schon seit Langem, dass trotz hoher Arbeitslosigkeit im Bundesland Bremen, also in Bremen und Bremerhaven, im Bereich der Arbeitsmarktpolitik gekürzt wird. Bevor Sie jetzt wieder aufschreien: Seit dem Jahr 2006 – und das kann man nachlesen – ist der Anteil an Landesmitteln in der Beschäftigungspolitik praktisch auf Null gesetzt worden. Das ist eine Politik der Ignoranz, die für uns nicht akzeptabel ist.

Die aktuellen Kürzungen der Bundesregierung treffen die Arbeitsmarktpolitik des Landes schwer, das ist klar, die BAgIS und auch die ARGE-Jobcenter in Bremerhaven werden über erheblich weniger Mittel verfügen. Das bereits beschlossene Landesprogramm „Geförderte Beschäftigung und soziale Stadtentwicklung“ soll daher gekürzt werden. Hier geht es nicht um Ein-Euro-Jobs, sondern vor allem um sozialversicherungspflichtige Stellen. Statt 690 Stellen – das hatte ich Ihnen beim letzten Mal schon vorgeworfen –, was ohnehin aus unserer Sicht noch viel zu wenig Stellen sind, sollen nur noch 562 Stellen gefördert werden. Das heißt, damit stehen viele Projekte, die gerade für die sozial benachteiligten Stadtteile wichtig sind, vor dem Aus.

Das heißt, die Recyclinghöfe in Gröpelingen, in Hastedt und in Tenever sollen keinen Platz mehr im Landesprogramm finden, die Projekte „Wilder Westen“ und das Café Abseits, ebenso die WaBeQ sollen durch die Kürzung des Programms nicht mehr be

rücksichtigt werden. In vielen weiteren Projekten sollen die geförderten Stellen gekürzt werden. Es geht hier, um es auch noch einmal zu benennen, Frau Ziegert, um Mütterzentren, um Werkstätten, um den Quartiersservice und um viele weitere. Diesem Zusammenbrechen von Strukturen wollen wir nicht einfach nur tatenlos zusehen.

Es ist nicht nur die Schuld der Bundesregierung, dass wir hier eine große Zahl von sozialen Projekten in den Stadtteilen verlieren sollen, es ist auch die Schuld eines Landeshaushalts, in dem für Arbeit und Beschäftigung nichts an Landesgeld vorhanden ist. Die EU-Mittel werden weniger, die Bundesmittel werden weniger, aber dass viele Projekte seit langem über Beschäftigungspolitik und die Kopfgelder für EinEuro-Jobs finanziert werden, statt über eine angemessene institutionelle Förderung ihrer Tätigkeit, das ist eine Entscheidung der Landespolitik gewesen. Diese Entscheidung finden wir falsch, diese Entscheidung rächt sich jetzt, und deshalb muss sie geändert werden, und wenn es in der nächsten Woche passieren soll, dann sind wir umso erfreuter darüber.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir fordern in unserem Änderungsantrag – das haben Sie richtig gesagt –, zehn Millionen Euro mehr in den Arbeitshaushalt einzustellen und damit auch einen Teil der Wirkung der Bundeskürzungen aufzufangen. Das machen im Übrigen andere Bundesländer auch, das macht Berlin so, das macht Brandenburg so, und es ist notwendig. Wir wollen mit dieser Förderung, mit diesen 10 Millionen Euro nicht unbedingt die Ein-Euro-Jobs erhalten, das dürfte wohl klar sein. Wir wollen vor allem die sozialversicherungspflichtigen Stellen im Programm erhalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Es kann doch nicht sein, dass am Ende einer rotgrünen Legislaturperiode weniger sozialversicherungspflichtige Beschäftigung öffentlich gefördert wird als am Anfang! Wo kommen wir denn da hin? Das ist Ihre Politik!

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist eine Politik der Kaltschnäuzigkeit, die man so nicht hinnehmen darf. Wenn dieser Änderungsantrag, den wir eingereicht haben, abgelehnt wird, dann werden sehr viele Betroffene wissen, dass sie von einem rot-grünen Senat für sich überhaupt nichts zu erwarten haben. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, wir beraten heute den letzten regulären Haushalt der rot-grünen Koalition in dieser Legislaturperiode. Als linke Opposition – ich glaube, das wissen Sie schon – müssen wir feststellen, wir stehen vor einem Scherbenhaufen, was vor allem die Sozialpolitik angeht. Dieser Haushalt – und das sage ich hier in aller Deutlichkeit – vertieft die soziale Spaltung des Landes Bremen. Dieser Haushalt ist unsozial.

(Beifall bei der LINKEN)

Das liegt – um auch das noch einmal deutlich zu sagen – zum einen Teil daran, was Rot-Grün tut, aber es liegt auf der anderen Seite auch daran, was RotGrün nicht tut. Beispiele dafür, was Rot-Grün nicht kompensiert, sind die Kürzungen der Bundesmittel, die wir bisher schon mehrfach erwähnt haben. Ich erwähne nur das Kürzungsprogramm von CDU und FDP im Bund mit ihren, sage ich einmal, Highlights: Keine Rentenbeiträge mehr für Hartz-IV-Empfänger, Kürzungen beim Elterngeld, Kürzungen des Bundesanteils für die Ein-Euro-Jobber, wie Frau Nitz es soeben gesagt hat. Auf der anderen Seite – das haben wir gestern schon gehört – stehen die Kürzungen bei der Städtebauförderung und die Auswirkungen, die das dann für das Programm „Soziale Stadt“ und die WiN-Mittel haben wird.

(Zuruf des Abg. P o h l m a n n [SPD])

Nun nicht spitzfindig werden! Ich will einmal sagen, all diese unsozialen Kürzungen bei den Ärmsten der Armen sind nicht die Schuld der SPD und der Grünen. Das ist völlig klar.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Sie tun aber auch nichts dagegen, meine Damen und Herren, und das finde ich genauso schlimm!

(Beifall bei der LINKEN)

Kommen Sie endlich – und dazu möchte ich Sie wirklich auffordern – Ihrer Regierungsverantwortung im sozialen Bereich nach und verwenden Landesmittel, um diese Kürzungen im Bundesbereich zu kompensieren! (Beifall bei der LINKEN)

Wenn Sie das nicht tun wollen, wie angekündigt, würde ich einfach sagen, dann begegnen Sie uns bitte nie mehr mit irgendwelchen sozialen Krokodilstränen, weil das nur Heuchelei ist.

(Beifall bei der LINKEN) ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft. Ich komme zur zweiten Spalte, zur zweiten Betrachtung. Was tun Sie als Rot-Grün? Da denke ich, das haben wir vorhin auch ganz deutlich von Frau Bürgermeisterin Linnert gehört, dass Sie weiter im öffentlichen Dienst kürzen wollen. Ich nehme an, die meisten von Ihnen kennen die Zahlen über die Jahre. Ich habe noch einmal nachgesehen. Von 1993 bis heute sind immerhin 5 000 Vollzeitstellen in der Kernverwaltung abgebaut worden, und bis zum Jahr 2014 sollen es jetzt noch einmal 1 000 Stellen werden. Da sage ich ganz klar: Das führt doch – und das wissen Sie auch – zur Arbeitsverdichtung bei den Kollegen, das führt aber auch zur Verlängerung von Bearbeitungszeiten im öffentlichen Dienst für die Bürger, das, glaube ich, wollen wir auch alle nicht. Im Endeffekt führt es auch dann wieder – auch das haben Sie ja angekündigt – zu einem Notlagentarifvertrag. Da will ich auch noch einmal deutlich sagen, wenn man in der Krise gegensteuern will, wenn man die soziale Spaltung über alle Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge verhindern oder sie vielleicht wenigstens mit Perspektiven versehen will, dann muss man doch den öffentlichen Dienst aufbauen, man muss Leuchtturmprojekte zum Beispiel in der Bildung oder in den anderen Einrichtungen des öffentlichen Dienstes fördern und aufbauen. Nur so kann man doch gegensteuern. (Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Schauen Sie einmal nach Branden- burg!)

Wir schauen natürlich auch immer dorthin, wir sind im regen Austausch mit ihnen.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Und was lernen Sie daraus?)

Nichtsdestoweniger sind wir hier in Bremen. Ich sage, hier in Bremen tun Sie auf der einen Seite etwas, Sie kürzen nämlich im öffentlichen Dienst. Auf der anderen Seite tun Sie etwas nicht, indem Sie keine Landesmittel für die Kürzungen im Bundesbereich einsetzen. Beides führt dazu – auch das ist ganz klar –, dass es einfach soziale Kürzungen mit diesem Haushalt in diesem Land geben wird.

All diese Beispiele, die ich jetzt auch aufgezählt habe, belegen letztendlich nur das eine: Rot-Grün hat keine gesellschaftspolitische alternative Sozialpolitik in Bremen. Das, finde ich, ist wirklich ein Skandal!