Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die globale Kinderausbeutung ist verwerflich und muss ein Ende haben. In unserer heutigen modernen Gesellschaft haben wir die Mittel, Kinderausbeutung zu verhindern. Diese Mittel müssen genutzt werden. Deshalb ist auch dieses Änderungsgesetz grundsätzlich zu begrüßen.
In indischen Steinbrüchen ist schätzungsweise jeder sechste Arbeitnehmer unter 14 Jahre alt und muss mindestens 28 Stunden pro Woche einer gefährlichen und gesundheitsbelastenden Arbeit nachgehen. Dies können und wollen wir nicht akzeptieren. Es kann nicht angehen, dass zwölfjährige Kinder Felsbrocken schleppen müssen, nur damit Grabsteine in Deutschland billiger angeschafft beziehungsweise importiert werden können. Die Lebenserwartung dieser Kinder – wie schon von Herrn Jägers angesprochen – liegt bei unter 40 Jahren, weil sie von früh bis spät in Hitze und Staub in den Steinbrüchen arbeiten müssen. Diese Kinder müssen geschützt werden, und der erste Schritt hierzu ist das Boykottieren von Grabsteinimporten der Händler, die Kinder in ihren Steinbrüchen schuften lassen.
Kinderarbeit hat in unserer heutigen Welt keinen Platz mehr. Wenn von „Brot für die Welt“ geschätzt wird, dass hierzulande 60 Prozent der neu aufgestellten Grabsteine aus Indien stammen und somit von Kindern hergestellt wurden, dann ist das ein Skandal. Der faire Handel ist die passende Antwort auf Kinderarbeit und der beste Schutz für die betroffenen Kinder. Die Umsetzung Ihrer Forderung stelle ich mir allerdings schwierig vor. Wie sollen zum Beispiel die Siegel überprüft werden, an denen man erkennen soll, ob die Grabsteine aus fairem Handel stammen? Für diese Probleme bedarf es eines konkreten Lösungsansatzes. Nichts wäre schlimmer als ein fairer Handel, der mit illegalen Mitteln umgangen wird, wodurch den Kindern somit nicht geholfen werden könnte.
Als Verbraucher müssen wir uns vor Ort in unserer Stadt engagieren und aktiv etwas gegen Kinderarbeit unternehmen, indem wir bestimmte Produkte boykottieren. Nicht der Preis sollte dabei im Vordergrund stehen, sondern die Wahrung der Menschenrechte. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wie verachtenswürdig Kinderarbeit ist, ist hier schon zum Ausdruck gekommen, dem brauchen wir als FDP nichts hinzuzufügen. Allerdings möchte ich noch auf einen oder ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
zwei Aspekte hinweisen. Wenn wir das jetzt hier als Landesgesetz umsetzen, finde ich, sind zumindest die Städte, die Kommunen Bremen und Bremerhaven, gefordert, das in den Friedhofssatzungen der städtischen Friedhöfe umzusetzen, und das auch möglichst zügig. Der andere Teil der Verantwortung ist, dass wir natürlich hinschauen müssen, was mit Kindern passiert, die solche Arbeit in Zukunft zu Recht nicht mehr machen dürfen. Wenn sie dann den Weg in andere Kinderarbeit nehmen würden, wäre das falsch. Es ist wichtig, im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit der Bundesrepublik Deutschland dafür zu sorgen, dass diese Kinder Perspektiven haben, auch wirklich in die Schule kommen und nicht in eine andere Arbeit vermittelt werden, sodass hier eine Kinderarbeit die andere ersetzt. Das ist auch der Teil der Verantwortung, die wir als entwickeltes Land haben. Diese müssen wir dann auch gerade gegenüber Schwellenländern deutlich machen, denn dass dort eine Kinderarbeit durch die andere ersetzt wird, kann nicht unser Ziel und unser Anliegen sein. Wir unterstützen das Anliegen dieses Antrags, aber wir müssen auch dafür sorgen, dass er konkret die Folgen hat, die wir uns wünschen, und keine negativen. Das ist Aufgabe der Entwicklungszusammenarbeit. Diesen Gedanken wollte ich noch in die Debatte einfließen lassen. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Stadtgemeinde Bremen bewirbt sich um den Titel „Hauptstadt des fairen Handels“. In diesem Zusammenhang ist es ausgesprochen hilfreich, dass das Land die gesetzlichen Grundlagen dafür schafft, dass wir in einer entsprechenden Satzung genau das regeln, was uns das Land da auf den Weg gibt. Wir werden das tun. Ich werde mich selbst darum kümmern, dass wir diese Satzung so schnell wie möglich vorliegen haben. Das Problem der Kontrolle ist angesprochen worden. Ich bin da recht optimistisch. In dem Bereich des Steinhandels gibt es bereits erste Zertifikate. Ich selbst habe mich einmal erkundigt und im Internet recherchiert. Es gibt das Projekt „Fair Stone“ der WiN=WiN-Agentur für globale Verantwortung. Das scheint ein sehr guter Ansatz zu sein, um zu qualifizierten Zertifikaten in diesem Bereich zu kommen. Wir werden diese Erkenntnisse bei dem Vollzug einer entsprechenden Satzung heranziehen, um dann auch wirksame Kontrollen durchführen zu können. Ich freue mich, dass alle Parteien diesen Antrag unterstützen werden. – Vielen Dank! ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Die allgemeine Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Gemäß Paragraf 51 Absatz 7 unserer Geschäftsordnung lasse ich zuerst über den Änderungsantrag, Drucksache 17/1410, abstimmen. Wer dem Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der DrucksachenNummer 17/1410 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! Ich bitte um die Gegenprobe! Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Änderungsantrag zu.
Jetzt lasse ich über das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Friedhofs- und Bestattungswesen, Drucksache 17/1350, in erster Lesung abstimmen. Wer das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Friedhofs- und Bestattungswesen, Drucksache 17/1350 unter Berücksichtigung der soeben vorgenommenen Änderung in erster Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! Ich bitte um die Gegenprobe! Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Gesetz in erster Lesung.
Interfraktionell wurde vereinbart, Behandlung und Beschlussfassung in erster und zweiter Lesung vorzunehmen. Ich lasse deshalb darüber abstimmen, ob wir jetzt in die zweite Lesung eintreten wollen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen! Ich bitte um die Gegenprobe! Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt entsprechend.
Wir kommen zur zweiten Lesung. Die Beratung ist eröffnet. – Wortmeldungen liegen nicht vor. – Die Beratung ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Friedhofs- und Bestattungswesen, Drucksache 17/1350, in der in erster Lesung beschlossen Fassung
Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD vom 21. Juni 2010 (Neufassung der Drucksache 17/1354 vom 16. Juni 2010) (Drucksache 17/1357)
Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Mäurer. Die Beratung ist eröffnet. Als Erste rufe ich auf die Abgeordnete Frau Dr. Mohammadzadeh.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ein Einkauf in einem Warenhaus in der Nachbarstadt, ein Besuch bei Verwandten, ein Ausflug mit dem Wochenendticket der Deutschen Bahn oder der Besuch einer Sportveranstaltung sind für uns ganz alltägliche Tätigkeiten, über die wir uns kaum Gedanken machen müssen. Einem Flüchtling können diese Kurzaufenthalte hingegen zum Verhängnis werden. Für ihn gilt die Residenzpflicht, das heißt, er darf den Bezirk der Ausländerbehörde, in dem er gemeldet ist, nicht verlassen. Diese Regelung stammt noch aus dem Jahr 1982. Wir meinen, dass sie längst überholt ist und aufgehoben werden muss.
Erlauben Sie mir, gleich am Anfang eine Bemerkung zu dem Begriff Residenz zu machen: Flüchtlinge residieren nicht, sondern sie hausen unter provisorischen Lebensumständen und mit provisorischem Aufenthalt. Mit dieser Regelung wird die Versammlungs- und Meinungsfreiheit für Asylsuchende eingeschränkt. Möglichkeiten, soziale Kontakte zu pflegen, werden behindert. Flüchtlingskinder können mit ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Verwandten in der Nachbarstadt – sagen wir in Oldenburg oder Ganderkesee – nicht spontan zusammentreffen. Sie brauchen eine behördliche Genehmigung, um gemeinsam Geburtstag zu feiern oder einen gemeinsamen Ausflug zu unternehmen. Das Recht auf Information können viele Flüchtlinge nur in weit entfernten Städten wahrnehmen, zum Beispiel, um an einer Veranstaltung über die politischen Verhältnisse teilzunehmen. Oft sind es allein solche Anlässe, zu denen sie etwas über die Verwandten und Freunde, die noch im Herkunftsland leben, erfahren können. Seit 2001 haben sich mehrere Länderregionen für die Abschaffung der Residenzpflicht ausgesprochen. Experten gehen davon aus, dass die Regelungen zur Residenzpflicht europarechtswidrig sind. Sie verstoßen gegen die Vorgaben der Asylaufnahmerichtlinien der EU. Im Grunde sind wir uns alle einig, dass diese Regelung keinen Sinn mehr hat. Es ist also an der Zeit zu handeln. Deshalb haben wir heute auch diesen Antrag zur Abstimmung vorgelegt. Den Antrag der Linksfraktion lehnen wir jedoch als nicht umfassend genug ab. Er bezieht sich nur auf das Land Niedersachsen. Wir meinen aber, dass eine wirkliche Verbesserung nur auf Bundesebene Sinn macht, zumal die Bremer Umsetzungen, wie es auch aus der Senatsantwort zu unserer Kleinen Anfrage hervorgeht, den Betroffenen in der Regel schon vorübergehenden Aufenthalt in allen benachbarten Landkreisen gestatten. Dies sind Regelungen unterhalb der gesetzgeberischen Ebene. Darauf zielt auch die Bundesratsinitiative ab, die gegenwärtig von Berlin und Brandenburg ausgeht. Eine solche Bundesratsinitiative für die deutschlandweite Aufhebung der Residenzpflicht für Asylsuchende und Geduldete ist in jedem Fall sinnvoll und erstrebenswert. Sich nur auf Niedersachsen zu konzentrieren, verfehlt den Wurzelkern. Wie sich der Bundesrat entscheiden wird, bleibt abzuwarten. Auf jeden Fall sollte das Land Bremen aber mit seinen positiven Erfahrungen die Initiative unterstützen.
Noch einmal, meine Damen und Herren: Die Residenzpflicht ist eine in Europa einmalige Asyl- und Aufenthaltsregelung. Sie verletzt Menschenrechte, was die Bewegungsfreiheit betrifft. Sie untersagt Menschen, das Bundesland zu verlassen. Wenn sie es tun, drohen ihnen Strafen bis zu einem Jahr Gefängnis. Wenn ich die Antwort auf die Kleine Anfrage meiner Fraktion vom 16. März dieses Jahres richtig lese, dann steht kaum etwas dagegen, diesen alten Zopf abzuschneiden. Ja, es ist ein alter Zopf, der aus der Zeit stammt, als manche Politiker in Deutschland Angst hatten, von Asylsuchenden aus aller Welt überrannt zu werden. Ich bitte um Unterstützung und Zustimmung. – Ich danke Ihnen!
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrte Gäste! Flüchtlinge und Asylsuchende unterliegen in Deutschland der sogenannten Residenzpflicht, das haben wir ja bereits gehört. Auch das, was es bedeutet, haben alle mitbekommen, nämlich dass Flüchtlinge und Asylsuchende den räumlichen Bereich der für sie zuständigen Ausländerbehörde nicht verlassen dürfen. Das Asylverfahrensgesetz und das Aufenthaltsgesetz schreiben das bisher vor, und beides sind Bundesgesetze. Konkret bedeutet dies, dass es den Kindern von Flüchtlingen und Asylsuchenden erschwert wird, an Klassenfahrten außerhalb Bremens teilzunehmen, obwohl sie hier zur Schule gehen, dass sie nicht an Sportveranstaltungen außerhalb Bremens teilnehmen dürfen, obwohl sie gute Sportler sind und in Bremer Vereinen zum Beispiel Fußball oder Handball spielen und dass Flüchtlingsfamilien andere Familienangehörige nicht in anderen Bundesländern besuchen dürfen, und das über Jahre. Die Residenzpflicht behindert die Betroffenen bei der Job- und Ausbildungssuche, die für sie ohnehin schwerer ist als für andere. All das frustriert und isoliert die Betroffenen, weil es ihnen und auch den betroffenen Kindern immer wieder vor Augen hält: Du bist anders! Du gehörst nicht richtig dazu! Du wirst kontrolliert und in den Rechten und Möglichkeiten, die für alle anderen völlig selbstverständlich sind, enorm eingeschränkt! Du kannst und sollst nicht am normalen Leben in unserer Gesellschaft teilnehmen! All das verhindert Integration in unserer Gesellschaft – darüber haben wir alle auch in den vergangenen Wochen und Monaten umfassend diskutiert –, die für uns ganz wichtig ist. Darüber hinaus binden die Kontrollen, die mit der Residenzpflicht verbunden sind, Polizeikräfte und Ressourcen in der Ausländerbehörde, die anderweitig besser benutzt werden könnten.
Die Residenzpflicht kriminalisiert Asylsuchende und Geduldete, denn sie machen sich strafbar, wenn sie es einmal nicht schaffen, sich an die Residenzpflicht zu halten. Ein Verstoß wird mit Freiheitsstrafe oder mit einer Geldstrafe geahndet. Man muss sich mittlerweile nach all den Jahren der Erfahrung, die wir jetzt mit der Zuwanderung in Deutschland haben, einfach fragen: Was soll das eigentlich noch? Die Bremer Ausländerbehörde versucht deshalb bereits heute, großzügig mit den bundesgesetzlichen Vorga––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
ben umzugehen und den betroffenen Flüchtlingen und Asylsuchenden den Aufenthalt im gesamten Bundesland Bremen zu erlauben
und darüber hinaus auch den vorübergehenden Aufenthalt in allen angrenzenden niedersächsischen Landkreisen. Trotz dieser flexiblen Handhabung der Bremer Ausländerbehörden greift die Residenzpflicht aber noch stark und spürbar in die Menschenrechte der Betroffenen ein. Sie verletzt die EU-rechtlich verankerten Grundfreiheiten. Darüber hinaus: Kein anderer EU-Mitgliedsstaat kennt eine Residenzpflicht. Wir fordern daher mit unserem Antrag den Senat auf zu prüfen, in welchen Bereichen das Land Bremen Handlungsspielräume zur Lockerung der Residenzpflicht noch besser als bisher ausschöpfen kann.
Wir wollen, wie die SPD auf Bundesebene, dass sich der Senat darüber hinaus für eine Abschaffung der Residenzpflicht auf Bundesebene einsetzt, wobei Wohnsitzbeschränkungen im Interesse einer ausgewogenen Verteilung der Asylsuchenden und der Geduldeten auf die Bundesländer möglich bleiben müssen. Die Teilnahme an Klassenfahrten und Sportveranstaltungen, der Besuch von Verwandten und Freunden und die Job- und Ausbildungsplatzsuche müssen endlich ohne das Wohlwollen von Behörden, ohne Gebühren und ohne Gefahr, sich strafbar zu machen, für alle, die in Bremen leben, möglich werden.
Ein Umdenken und die Abschaffung der Residenzpflicht ist möglich, da es sich gezeigt hat, dass viele Asylverfahren Jahre dauern und dass viele Familien, die als Flüchtlinge nach Bremen gekommen sind, über Jahre gezwungenermaßen im Status der Duldung leben und damit in ihren Rechten ohnehin in vielen Bereichen eingeschränkt sind. Die Residenzpflicht bedeutet, dass diese Menschen auf einen ganz kleinen Lebens- und Bewegungsradius beschränkt sind. Das darf man Menschen, die am Ende dieses Prozesses oftmals in Deutschland bleiben, einfach nicht mehr zumuten. Damit wird sinnvolle Zeit auf dem Weg zu ihrer Integration verendetvergeudet. Selbst wenn sie am Ende nicht bleiben und nicht bleiben können, sollen sie doch Deutschland mit dem Gefühl verlassen, Deutschland ist ein Land, in dem die Rechte aller Menschen geachtet werden.