Protocol of the Session on August 26, 2010

(Dagegen CDU, FDP und Abg. T i m k e [BIW])

Stimmenthaltungen?

(DIE LINKE)

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu. Bevor wir in die Mittagspause eintreten, möchte ich Ihnen Folgendes mitteilen: Erstens: Frau Abgeordnete Karin Bohle-Lawrenz hat heute mit sofortiger Wirkung ihren Austritt aus der staatlichen Deputation für Wirtschaft und Häfen und dem Ausschuss für die Gleichstellung der Frau erklärt. Zweitens: Herr Abgeordneter Manfred Oppermann hat heute mit sofortiger Wirkung seinen Austritt aus der staatlichen Deputation für Wirtschaft und Häfen erklärt. Drittens: Herr Abgeordneter Klaus Möhle hat mit sofortiger Wirkung seinen Austritt aus dem Ausschuss für die Gleichstellung der Frau erklärt. Ich gehe davon aus, dass sich gegen die eben genannten Austritte kein Widerspruch erhebt – das ist der Fall. Ich unterbreche jetzt die Sitzung der Bürgerschaft (Landtag). Wir treten in die Mittagspause bis 14.30 Uhr ein.

(Unterbrechung der Sitzung 13.02 Uhr) * Vizepräsidentin Dr. Mathes eröffnet die Sitzung wieder um 14.30 Uhr. Vizepräsidentin Dr. Mathes: Die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) ist wieder eröffnet.

Kontrolle von Bordellbetreibern verbessern

Antrag der Fraktion der CDU vom 15. Juni 2010 (Neufassung der Drs. 17/1258 vom 20. April 2010) (Drucksache 17/1346)

Wir verbinden hiermit:

Bordellbetriebe kontrollieren, Profite abschöpfen, Ausbeutung von Prostituierten und Menschenhandel konsequent verfolgen

Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 24. August 2010 (Drucksache 17/1405)

Dazu als Vertreter des Senats Senator Mäurer.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Hinners.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Arbeitsbedingungen vieler Prostituierten im Land Bremen sind nach wie vor nicht zufriedenstellend, entweder leiden die Frauen unter Zwang und Gewalt von Zuhältern und Bordellbetreibern oder zwischen den Bordellen und deren Nachbarn gibt es erheblichen Streit. An dieser Situation hat sich auch durch die am 20. Dezember 2001 vorgenommene Änderung des Prostitutionsgesetzes nichts geändert, eher das Gegenteil ist eingetreten.

Mit diesem Gesetz wurde der Prostitution zwar völlig zu Recht der Makel der Sittenwidrichkeit genommen, aber durch die Legalisierung der Prostitution wurden notwendigerweise auch ordnungsrechtliche Eingriffsmöglichkeiten reduziert. Eine Anerkennung als legale Gewerbstätigkeit nach der Gewerbeordnung wurde bisher jedoch mit der Folge nicht vorgenommen, dass es damit bis heute auch keine Kontrollmöglichkeiten der Bordellbetreiber gibt. Insofern hat die Gesetzesänderung vom Dezember 2001 die Situation der einzelnen Prostituierten in diesen Etablissements häufig nicht verbessert, sondern eher verschlechtert.

Allein in Bremen soll es nach Angaben des Senats knapp 300 Modelwohnungen geben, in denen Prostituierte arbeiten. Viele davon werden von Bordellbetreibern geführt. Ohne Anmeldepflicht nach dem Gewerberecht ist eine Kontrolle der Bordellbetriebe nicht möglich, und damit ist insbesondere der Zwangsprostitution und Prostitution Minderjähriger Tür und Tor geöffnet worden.

Meine Damen und Herren, Frauen, die aus Osteuropa, Afrika, Asien oder Südamerika teilweise illegal und unter falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt oder eingeschleust werden, werden damit häufig mit der Folge zu Leibeigenen der Bordellbetreiber, dass nicht hinnehmbare Gefahren für Leben, Gesundheit und körperliche oder seelische Unversehrtheit einhergehen. Brutalste Vergewaltigungen, gewaltsame Drogenverabreichung und weitere schwere Misshandlungen sind bei vielen Frauen, die dem Menschenhandel, der Zwangsprostitution oder der minderjährigen Prostitution zum Opfer gefallen sind, die Regel. Darauf weisen viele Ermittlungsergebnisse des Bundeskriminalamtes und der Landeskriminalämter hin. Auch in Bremen hat es in jüngster Zeit, Sie werden sich daran erinnern, diesbezüglich mehrere Verfahren gegeben, und der Ausgang ist Ihnen sicherlich auch bekannt.

Um das in Zukunft zu verhindern, fordert die CDU-Fraktion eine Änderung des Gewerberechtes zur Schaffung einer Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten. Ebenso wie bei anderen Gewerbeformen, wie zum Beispiel Spielhallen, Anlageberatern, Ehevermittlern et cetera, muss es unserer Meinung nach auch im Prostitutionsgewerbe möglich sein, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

die Gewerberäume anlassunabhängig zu betreten und besichtigen zu können. Mehr Transparenz soll nach unserer Einschätzung das Vertrauensverhältnis zwischen den Beteiligten verbessern und den Prostituierten die Scheu nehmen, Straftaten anzuzeigen, denn dieses Vertrauen, das können, glaube ich, auch viele nachvollziehen, ist bei den Prostituierten aufgrund der Erfahrung in ihrem Heimatland häufig nicht besonders ausgeprägt.

Meine Damen und Herren, diese Änderung des Gewerberechtes würde die Gefahr körperlicher Misshandlung nachhaltig verringern und die Arbeitsbedingungen der Prostituierten hinsichtlich des Gesundheits- und Jugendschutzes in den Bordellbetrieben deutlich verbessern. Wir bitten Sie daher, unseren Antrag zu unterstützen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Ehmke.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stimme dem Kollegen Hinners zu, die Intention der Reform des Prostitutionsrechts von 2002, mit der erreicht werden sollte, dass die Stellung der Betroffenen, in erster Linie Frauen, aber gegebenenfalls auch Männer, die der Prostitution nachgehen, verbessert werden sollte, ist in der Praxis vielfach nicht erreicht worden. Wir haben den Rechtsstatus verbessert, aber wir haben in der Praxis Probleme geschaffen, wo man nachsteuern muss.

Herr Kollege Hinners, ich will das auch gleich sagen, Sie haben den Antrag ja schon vor einiger Zeit eingebracht, manchmal ist es gar nicht so schlecht, dass unsere Tagesordnung so voll ist, dann bleiben Dinge auch noch einmal eine oder zwei Sitzungen liegen, das hat uns die Möglichkeit gegeben, die Beratungen in unseren Fraktionen noch voranzutreiben und einen eigenen Antrag zu diesem Thema hier vorzulegen, auf den ich kurz eingehen möchte.

Die Regelungen für den Prostitutionsbereich, für den Betrieb einer Prostitutionsstätte, eines Bordells, sind in Deutschland vollkommen unzureichend.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Gegenwärtig sind die Anforderungen zur Eröffnung einer Kneipe oder einer Imbissbude um einiges höher als für die Eröffnung eines Bordells. Das ist falsch, da müssen wir zu anderen Regelungen kommen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

) Vom Redner nicht überprüft.

Deshalb stimmen wir mit dem überein, Herr Hinners, was Sie gefordert haben, mit dem, was Herr Senator Mäurer auch schon im Rahmen der Innenministerkonferenz vertreten hat: Wir brauchen eine Erlaubnispflicht für den Betrieb einer Prostitutionsstätte, eine Erlaubnispflicht, die sicherstellt, dass nicht jeder unabhängig von seinem Vorleben und seiner persönlichen Eignung ein Bordell eröffnen kann, sondern die ausschließt, dass Straftäter, die wegen Menschenhandel oder Sexualdelikten vorbestraft sind, ein solches Bordell betreiben.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir wollen, dass dort, wo legal viel Geld mit Prostitution verdient wird, im Übrigen ja häufig nicht von den Frauen, sondern von den Betreibern der Bordelle, auch ordentlich Steuern gezahlt werden, und wir wollen, dass dort, wo illegal Prostitution stattfindet, konsequente Strafverfolgung und Vermögensabschöpfung stattfindet. Das Ziel, das wir gemeinsam verfolgen, ist, die Prostitution aus dem Verborgenen zu holen, die Graubereiche auszuleuchten, klare Regeln zu schaffen sowie konsequente Kontrolle und strikte Ahndung bei Verstößen durchzuführen.

Diese Forderungen finden sich in dem hier von der Koalition vorgelegten Antrag wieder, und ich will nur noch auf einige Beispielpunkte eingehen. Wie im Vorfeld angesprochen, fordern wir auch in unserem Antrag einen stärkeren Gesundheits- und Arbeitsschutz. Hier ist – und darauf will ich hier eingehen, weil es im Vorfeld etwas belächelt worden ist – die Einführung einer Kondompflicht thematisiert worden. Das Ganze ist, das sage ich auch, ein Beispiel und war nicht Kern dieses Antrags, aber es ist trotzdem sinnvoll, in Zeiten von Geschlechtskrankheiten und HIV mehr als ein Scherz, es geht nämlich um eine existenzielle Gefährdung von Frauen und Männern, die diesem Beruf nachgehen. Natürlich beabsichtigen wir nicht, in jedes Zimmer einen kleinen Wachmann zu setzen, der aufpasst, so kann man das Ganze natürlich auch lächerlich machen, aber wir wollen, dass in dem Augenblick, wo gegen diese Pflicht verstoßen wird, wo klar wird, dass Bordellbetreiber Frauen anhalten, ohne Kondom zu arbeiten – –.

(Abg. T i m k e [BIW]: Wer stellt das fest?)

Wer das feststellt? Das kann man doch wohl feststellen! Da muss nur einmal jemand hingehen und sagen, mein Bordellbetreiber hat mir mitgeteilt, er möchte, dass ich ohne Kondom arbeite. Wenn man so etwas gewahr wird – wir haben ja von Kontrollen gesprochen – und wenn die Gewerbeaufsicht vorbeigeht und feststellt, es sind gar keine Kondome da, dann wollen wir, dass daraus Konsequenzen folgen. Ich sage Ihnen ganz klar, dann wollen wir, dass der Laden geschlossen wird.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich will noch hinzufügen, das hat sich die Bremer SPD nicht irgendwie in den letzten Wochen in einer lustigen Runde ausgedacht, sondern in Bayern ist das Ganze im Rahmen der Hygieneverordnung seit 2002 vorgeschrieben, also ganz so abwegig scheint das ja doch nicht zu sein!

Ich will aber auch sagen, es ist ein Beispiel unter vielen. Es gibt andere Dinge, über die man nachdenken kann, ganz banal, das Zurverfügungstellen ausreichender Sanitäranlagen zum Beispiel, oder aber die Auflage, im Rahmen des Arbeitsschutzes in jedem Zimmer eine Alarmeinrichtung vorzuhalten, damit die Frauen im Falle des Falles auch um Hilfe rufen können. Zusammenfassend: Wir brauchen neue Regelungen. In diesem Kontext sind wir auch gefragt worden: Warum dieser Vorstoß in Bremen, mit dem der Senat aufgefordert wird, auch in Bremen tätig zu werden, obwohl doch auch viel über bundeseinheitliche Regelungen gesprochen wird? Wir haben nichts gegen bundeseinheitliche Regelungen, wir haben auch nichts gegen die Initiativen von Herrn Mäurer in der Innenministerkonferenz und auf anderer Ebene und dass man sich auch bundesweit dem Problem annimmt, aber ich will auch sagen, wenn man ein Problem erkannt hat, muss man auch das einem selbst Mögliche tun, um das Problem zu lösen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Seit der Föderalismusreform II liegt das Gewerberecht bei den Ländern. Vor diesem Hintergrund haben wir nichts dagegen, wenn bundesrechtliche Regelungen hinzutreten, aber wir haben kein Interesse daran, solange die Füße auf den Tisch zu legen, bis sich in Berlin das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesinnenministerium verständigt haben, wer denn zuständig sein könnte. Wir haben hier Regelungsbedarf, und darum müssen wir auch in Bremen unserer Pflicht gerecht werden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das Wort hat der Abgeordnete Fecker.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema beschäftigt heute nicht das erste Mal die Bremische Bürgerschaft, und die Debatte war bisher auch immer von einer hohen Sachlichkeit geprägt. Das finde ich bemerkenswert und ausgezeichnet, und das sollte auch so bleiben. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

In den Diskussionen haben wir immer wieder die Frage der Regulierung aufgeworfen, aber nicht mit dem Ziel der Überwachung von Menschen, sondern ganz klar mit dem Ziel des Schutzes von Menschen,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

denn noch immer sind Schlagwörter wie Zwangsprostitution oder Menschenhandel ein Problem in unseren beiden Städten. Auch wenn wir anerkennen, dass das Innen- und das Justizressort und die Sozialbehörde ihr Möglichstes tun, stellen wir fest, dass es immer noch Handlungsbedarf gibt.

Wir haben in den zahllosen Diskussionen auch feststellen müssen, dass es innerhalb des Wirtschaftsressorts durchaus Bedenken gibt, die die gewerberechtliche Anmeldung betrifft, und wir wollen heute als Bürgerschaftsfraktionen dem Wirtschaftsressort auch einen klaren Auftrag mit auf den Weg geben.

Bremen hat drei Bedarfe! Erstens, wir brauchen eine klare gewerberechtliche Regelung mit Auflagen für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz, aber auch mit der klaren Aufgabe der gewerblichen Kontrollen, so, wie sie jede Frittenbude und jedes Eiscafe über sich ergehen lassen müssen, genauso müssen auch die Kontrolleure des Gewerbeamtes zukünftig Bordelle auf die Einhaltung der Auflagen überwachen dürfen.

Zweitens: Wir haben feststellen müssen, dass im Bereich des ältesten Gewerbes der Welt eine ganze Menge Geld verdient wird, eine ganze Menge Geld im Umlauf ist, der Staat aber von diesem Geld nicht allzu viel abbekommt. Das sollte ein Bundesland wie Bremen, das nicht gerade auf Rosen gebettet ist, natürlich hellhörig werden lassen, sodass wir heute auch einen klaren Auftrag formulieren: Das Einkommen, das dort erzielt wird, muss auch versteuert werden!

Wir sagen auch, das Thema Zwangsprostitution und Menschenhandel ist damit noch nicht beendet, das sehen Sie im Beschlusspunkt drei unseres Antrages. Es muss aus Sicht der SPD und der Grünen oberste Priorität unserer Behörden sein, konsequent strafrechtlich zu verfolgen und dagegen vorzugehen, wenn Menschen in diesen beiden Städten zwangsprostituiert werden, mit ihnen gehandelt wird oder sie zu dieser Arbeit gezwungen werden. Der Staat muss dann weiterhin eingreifen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)