Protocol of the Session on August 24, 2010

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist Beratung geschlossen. Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 17/1348, auf die Große Anfrage der CDU-Fraktion Kenntnis.

Entwicklung der Ganztagsschule im Land Bremen

Große Anfrage der Fraktion der CDU vom 13. April 2010 (Drucksache 17/1248)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 22. Juni 2010

(Drucksache 17/1359)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Jürgens-Pieper, ihr beigeordnet Staatsrat Othmer.

Frau Senatorin, ich gehe davon aus, dass Sie die Mitteilung nicht wiederholen möchten, und ich erteile sofort dem ersten Redner das Wort.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rohmeyer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vor fast zehn Jahren haben sich die Schulen in Bremen und Bremerhaven aufgemacht, über damalige Modelle der Betreuungsschule und der damals noch gar nicht allzu alten verlässlichen Grundschule sich zu Ganztagsschulen zu entwickeln, zunächst in offener Form über die teilgebundene Form bis zur gebundenen Form. Das ist Fachchinesisch und bedeutet, es sind entweder freiwillige, mittelfreiwillige oder eben verbindliche Angebote für alle Schülerinnen und Schüler.

Als CDU-Fraktion haben wir vor einiger Zeit in dieser Legislaturperiode schon einmal nachgefragt, wie sich eigentlich der Anteil der Schulen in der freiwilligen und in der verbindlichen Form darstellt, haben aber gefunden, dass es jetzt, nach einem Zeitraum von fast zehn Jahren, gut ist, einmal Zwischenbilanz zu ziehen, wie sich die Ganztagsschulen in ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Bremen und Bremerhaven entwickelt haben. Wir bedanken uns für die ausführliche Antwort!

Ich will auch gleich einige Punkte aufgreifen, die mir besonders wichtig sind. Es ist, glaube ich, und das geht aus der Antwort ganz eindeutig hervor, in Bremerhaven besser als in Bremen, was die Frage der Trägerschaft der Ganztagsschulangebote angeht. Wenn Sie sich die Antwort einmal anschauen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, dann werden Sie sehen, dass es in Bremerhaven für elf Ganztagsschulen einen Träger gibt, nämlich die Schule für alle gGmbH. Das ist ein weiser Entschluss des Magistrats der Seestadt Bremerhaven.

Wenn Sie jetzt aber sehen, dass es in der Stadt Bremen für 42 Ganztagsschulen allein 23 Schulvereine an der jeweiligen Schule als Träger gibt, darüber hinaus noch Kooperationen mit dem Arbeiter-Samariter-Bund, mit der Hans-Wendt-Stiftung, mit der AWO und auch einige wenige Schulen, wo die senatorische Behörde selbst die Trägerschaft hat, dann werden Sie sehen und sicherlich auch verstehen, dass es hier in Bremen ungeordneter als und zumindest nicht ganz so stringent wie in Bremerhaven ist und Reibungsverluste vorprogrammiert sind.

Ich möchte Ihnen einmal sagen, was es bedeutet, wenn ein Schulverein, wie es in der Antwort steht, die Trägerschaft hat. Wir sprechen davon, dass engagierte Eltern gefunden werden müssen, was an einigen Schulen einfacher, an anderen etwas schwieriger ist, wir reden davon, dass normalerweise auch Vertreter der Schulleitung und des sonstigen nicht unterrichtenden Personals und Lehrerinnen und Lehrer dann in einem solchen zu gründenden Ganztagsschulenbetriebsverein Aufgaben übernehmen müssen, wo sie als Arbeitgeber auf einmal mit allen auch haftungsrechtlichen Pflichten in Erscheinung treten. Das macht es für die Behörde sehr einfach. Die Behörde hat damit nichts zu tun, sie gibt Geld und berät, das geht aus der Antwort hervor. Aber die Verantwortung liegt dann auf einmal bei Privatpersonen, die sich ursprünglich nur darum kümmern wollten, dass es an dem jeweiligen Schulstandort eine Ganztagsschule gibt. Wir sollten einmal überdenken, ob das so richtig sein kann.

(Beifall bei der CDU)

23 solcher Schulvereine, dies bedeutet, dass es an mindestens 23 Schulstandorten engagierte Eltern gibt, die einen solchen Schritt gemacht haben, die auch um das Risiko wissen, dass es im Zweifelsfall haftungsrechtlich auch einmal misslingen kann. Ich möchte Sie einmal mit einem Wort konfrontieren, dass wir vor einigen Jahren hier schon einmal in die Diskussion gebracht haben. Erinnern Sie sich noch an die Gesellschaft für Bildungsinfrastruktur?

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/Die Grünen]: Ich ja!)

Das war ein Highlight von Willi Lemke. Diese Gesellschaft ist unter anderem einmal vom Bildungsressort gegründet worden, um eine solche Trägerschaft aller Ganztagsschulen in Bremen zu übernehmen. Aus der Antwort geht hervor – ich wusste es auch schon länger, Frau Stahmann auch, Herr Güngör wird sagen, er wusste es nicht, aber er kann es ja gelesen haben –, diese Gesellschaft hat nie den operativen Betrieb aufgenommen. Meine Damen und Herren, ich finde, die Bildungsbehörde sollte hier eine solche Gesellschaft nach dem Vorbild von Bremerhaven für die Ganztagsschulen in der Stadtgemeinde Bremen erneut auf den Weg bringen, weil ich es auch nicht für tragbar halte, dass die Bildungsbehörde es langfristig bei der Weiterentwicklung des Ganztagsschulprozesses mit immer mehr unterschiedlichen Trägervereinen zu tun hat. Das ist einerseits eine organisatorische Frage, das ist aber auch eine Frage, ob man etwas stringent organisieren will oder nicht, denn Sie müssen ja auch entsprechend viele Gespräche führen, entsprechend viele Vereine betreuen und entsprechend viele verschiedene Buchhaltungen haben. Sie machen sich selbst organisiertes Chaos in der Bildungsbehörde, und ich finde, das kann man besser organisieren.

(Beifall bei der CDU)

Inhaltlich hat es nie große Konflikte bei der Frage gegeben, ob sich die Schulen auf den Weg zur Ganztagsschule machen sollen. Ja, wir haben damals als CDU gewarnt, dass man Eltern – und das ist auch eine richtige Meinung bis heute – nicht mit Gewalt in eine Ganztagsschule ziehen sollte, genauso wenig wie die Schüler. Sie haben sich ja auch selbst im Ressort die eine oder andere blutige Nase geholt, als Sie festgestellt haben, dass es dort, wo Sie eine Ganztagsschule überstülpen wollten, auf einmal Widerstand vor Ort gab. Aber die inhaltliche Ausrichtung ist richtig, und das Tempo, auch das haben wir gesehen, wäre schneller, wenn man mehr Geld zur Verfügung hätte. (Glocke)

Ich bin sofort am Ende, Frau Präsidentin! Wir werden uns darüber unterhalten müssen, wie die Entwicklung der Ganztagsschule weitergeht. Einige Ganztagsschulen in vollgebundener Form, Grundschulbereich, 100 Prozent aller Schülerinnen und Schüler, andere Ganztagsschulen in Oberschulen oder im Gymnasium haben 40 Prozent aller Schüler. Das hängt damit zusammen, dass wir dort Ganztagszüge haben, nur einzelne Klassenverbände ganztags sind. Wir müssen uns dann die strategische Frage stellen, ob es sinnvoll ist, einmal eine ganze Schule ab Klasse fünf zur Ganztagsschule zu machen mit 100 Prozent aller Schülerinnen und Schüler, sodass sich die ganze Schule auch auf die Rhythmisierung einstellen kann und nicht eine Schulleitung zwei verschiedene Bereiche, nämlich einmal Halbtags-, einmal Ganztags

schule, planen muss, oder ob man so weitermachen will bisher, mehr Schulen auszuwählen, die dann nur zu einem Teil Ganztagsschule sind. Wir plädieren dafür, eine solche Debatte dann auch einmal mit den Schulen anzustoßen.

Wir haben bei den Ganztagsschulen eine hohe Bereitschaft, sich weiter auf den Weg zu machen, und ich glaube, wir müssen uns in diesem Schritt auch einmal ein Feedback aus der Praxis holen. Wir tun das, Sie tun das, jeder tut das für sich einzeln. Man könnte hier wie im Bereich der beruflichen Bildung, über den wir gerade gesprochen haben, auch mit einem Symposium der Ganztagsschulen einmal eine Beratung durchführen. Ich glaube, dass es richtig ist, hier einmal eine Denkpause einzulegen, wie wir die Ganztagsschulen in Bremen weiterentwickeln. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Güngör.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ganztagsschulen haben für uns Sozialdemokraten natürlichen einen hohen bildungspolitischen Stellenwert.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Im Ganztagsbetrieb kann selbstverantwortliches und gemeinsames Lernen konzentriert gestaltet werden. Insgesamt steht eben auch mehr Lernzeit für soziales Lernen, aber auch für die individuelle Förderung zur Verfügung, und die längere Lernzeit erlaubt auch die Veränderung der Zeitgestaltung über den Tag durch die Rhythmisierung. Lernrhythmen sind, laut Pädagogen, eine wichtige Ressource und können im Ganztagsbetrieb auch viel stärker beachtet werden.

Meine Damen und Herren, die Ganztagsschule ist für uns Sozialdemokraten die Schule der Zukunft. Daher hat auch Rot-Grün im Koalitionsvertrag festgeschrieben, zwölf Ganztagsschulen in dieser Legislatur einzurichten, vier pro Jahr, drei in Bremen, eine in Bremerhaven, und diese Einrichtung haben wir auch beschlossen. Über die Art und Weise, wann wir diese Ganztagsschulen beschließen, darüber muss man in der Tat für die nächste Legislaturperiode reden, weil Grundschulen eine längere Vorlaufzeit brauchen, und die sollten wir den Schulen auch geben.

Ob wir uns jedes Mal bei der Entscheidung eine blutige Nase geholt haben, Herr Rohmeyer, das wage ich zu bezweifeln. Unsere Kriterien für die Auswahl der Ganztagsschulen waren, erstens, dass die Schule das eben möchte, und zweitens, dass wir weiße Fle––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

cken aus dem Gebiet herausbekommen, nämlich dass wir eine Versorgung in allen Stadtteilen haben, ob in der Grundschule oder in der Sekundarstufe I. Da kann es schon einmal sein, wenn ein Teil der Schulleitung oder des Kollegiums keine Ganztagsschule möchte, dass da eben noch etwas mit denen diskutiert werden muss, aber eine blutige Nase hat sich, glaube ich, keiner dort geholt.

Wir haben eine klare Schwerpunktsetzung auf den Ganztagsbereich. Es ist aber auffällig, wenn wir uns die Antwort des Senats anschauen, Herr Rohmeyer hat es ja in Teilen angesprochen, dass die Versorgung in Bremen im Grundschulbereich beispielsweise eben nur bei 20 Prozent liegt und in Bremerhaven bei 35 Prozent, und das ist nicht ausreichend aus unserer Sicht. Daher ist es zwingend notwendig, auch in der nächsten Legislaturperiode weitere Ganztagsschulen einzurichten.

(Beifall bei der SPD)

An dieser Stelle darf man, glaube ich, auch noch einmal die Fortsetzung und überhaupt die Einrichtung des kostenlosen Mittagessens an Ganztagsgrundschulen erwähnen. Das ist ein wichtiger Baustein in den Ganztagsgrundschulen und auch ein großer Beitrag für den sozialen Zusammenhalt in dieser Stadt und in diesem Land.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt aber auch Herausforderungen, ich möchte nicht den Inhalt der Antwort des Senats wiederholen, die man teilweise aus der Anfrage ableiten kann. Beispielhaft möchte ich einige kurz benennen. Bereits 2005 wurden Qualitätsstandards für die Ganztagsschulen beschlossen – ja, manchmal lese ich auch das, was Sie in der Vergangenheit beschlossen haben, Herr Rohmeyer –, die auch lobenswert sind, für die wir auch bundesweit gelobt werden, aber deren Erfüllung und Realisierung müssen wir noch einmal auf den Prüfstand bei einigen Schulen stellen, und auch diese müssen wir vielleicht durch Ressourcen in den nächsten Jahren verbessern.

An einigen Schulen sind vielleicht auch die Kooperationszeiten, zumindest ist das aus verschiedenen Fachgesprächen herausgekommen, also die Verzahnung von Unterricht und dem pädagogischen Anteil, zu analysieren und auch zu verbessern. Wir haben aber auch eine Menge Ganztagsschulen, die hervorragende Arbeit leisten und das sehr gut gestalten.

Als weiteres Thema möchte ich hier auch ganz offen die Beschäftigung der Betreuungskräfte durch Schulvereine benennen. Diese ist in der Tat zu diskutieren und auch schrittweise zu verändern. Die Kooperation mit der AWO, dem ASB und der Hans-WendtStiftung ist, denke ich, noch einmal anders zu bewerten und zu beurteilen. Auch die muss man sich noch einmal genauer anschauen, aber mir geht es hier pri

mär um die Schulvereine. Natürlich sind die Einbindung und die Einflussnahme von Eltern in den Schulalltag wünschenswert, das will ich überhaupt nicht bestreiten, das wird in der Antwort des Senats auch so dargelegt, aber nicht in Form der Beschäftigung von Betreuungskräften. Das sehe ich nicht als originäre Aufgabe eines Schulvereins.

(Beifall bei der SPD)

Auch wenn der Senat versucht, das hier in der Anfrage positiv zu formulieren, wissen wir gemeinsam, dass wir an dieser Problematik noch zu arbeiten haben. Meines Wissens ist das Ressort darüber auch mit dem Personal im Gespräch, auch mit der Zielsetzung, die Schulvereinskräfte langfristig vom Ressort aus zu übernehmen, zum Beispiel auch möglichst Verträge zu vermeiden, die unter 10 bis 15 Stunden liegen et cetera. Das unterstützen wir, und das haben wir dem Personalrat auch in vielen Gesprächen signalisiert.

Der Senat kündigt in der Beantwortung ebenfalls an, dass die Ganztagsschulverordnung zu novellieren ist. Das werden wir natürlich mit Beteiligung aller Vertretungsorgane, insbesondere der Ganztagsschulverbände, gestalten. Für die Kritik der Ganztagsschulverbände und Ganztagsschulvertreter sind wir äußerst dankbar, denn die zu verbessernden Punkte nehmen wir ernst und werden diese in die Novelle und damit in die Verordnung aufnehmen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es freut mich, dass die Sozialdemokraten solch ein deutliches Bekenntnis zu Ganztagsschulen ablegen.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Was?)

Das war in dieser Stadt nicht immer so. Anfang der Achtzigerjahre wurden noch Ganztagsschulen in Bremen geschlossen. Als Betroffener fällt mir das immer noch schwer, und ich ärgere mich und weiß von anderen, die sich ebenfalls ärgern. Trotzdem will ich es einmal erwähnen: Mir hat es damals als Kind, dessen Eltern beide berufstätig waren, gezeigt, dass das eine gute Schulform ist, die Möglichkeiten für Schüler eröffnet. Deswegen trage ich zur Erinnerung auch immer noch eine Essensmarke mit mir herum, weil es einfach eine gute Zeit für uns Schüler war.

Wenn man sieht, was die Schülerinnen und Schüler heute in den Ganztagsschulen erleben, dann weiß man, dass das eine gute Möglichkeit ist, einerseits, wenn es darum geht, Beruf und Familie gemeinsam zu realisieren, andererseits, wenn es darum geht, Kin

dern, die in problematischen Familien leben, etwas mitgeben zu können, was sie vielleicht zu Hause so nicht mitbekommen.

(Beifall bei der FDP)