Der Golf von Mexiko wird über Jahrzehnte verseucht sein, und ob sich eine solche Artenvielfalt dort überhaupt jemals wieder entwickeln wird, ist mehr als fraglich. So kommen zum Beispiel auf einen gefundenen, mit Öl verschmierten Vogel circa 100 Vögel, die kläglich verendet sind, die man überhaupt nicht findet. Was unter Wasser los ist, kann sich jeder ausmalen, und wenn man sich die Meeresströmung anschaut, erkennt auch der Laie schnell, dass sich diese Ölkatastrophe weltweit auswirken wird.
Wie konnte es dazu kommen? Erstens, durch eine Aufsichtsbehörde, die korrupt war, und wenn sie überhaupt gearbeitet hat, dann nur schlampig mit ausgewiesenen Sicherheitsstandards, die keine waren. Zweitens, durch mangelnde Kontrollen! Die Kontrolle, die es gab, wurde von den Betreibern oftmals selbst vorgenommen und bewertet. Drittens, durch die Gier des Mineralölkonzerns BP, vertrieben in Deutschland durch Aral. Sie haben auch die Risiken des Unfalls billigend in Kauf genommen, und das ist für mich vollkommen inakzeptabel.
Dabei ist auch zu erwähnen, dass sich allein BP die Lobbyarbeit in Washington im vergangenen Jahr – nur im Bezirk Washington! – die enorme Summe von 16 Millionen Dollar kosten ließ. Ich meine, das geben sie auch nicht einmal eben so aus. Genauso erschreckend finde ich die Zahl von über 700 Verwarnungen der US-Arbeitssicherheitsbehörde an BP im vergangenen Jahr. Die nächstfolgende Firma hatte nur acht Verwarnungen. Dann weiß man, wie solche Firmen arbeiten. So darf einfach keine Firma der Welt arbeiten, vor allem nicht auf Kosten der Menschen und der Natur.
Jetzt könnte man sagen, wir verzichten auf Öl, doch ganz ohne Öl ist unsere Kultur, unser Leben momentan nicht möglich. Öl ist nicht nur Diesel, Benzin oder für unsere Heizung da. Nein! Öl ist auch Kleidung
und Schmierstoffe und die vielen Millionen Kunststoffen, die wir in unserem täglichen Leben gebrauchen. Doch wenn man schon Öl braucht und fördert, dann bitte schön unter den höchsten Sicherheitsbestimmungen, die den Menschen und die Natur nachhaltig vor solchen Katastrophen schützen!
Schauen wir einmal kurz vor unsere eigene Haustür: die Nordsee! Wie schon gesagt, wir haben über 400 Anlagen, und wenn man diese Zahl von 400 Anlagen hört, dann zuckt man erst einmal zusammen – oh Gott, 400 Anlagen sogar vor der Haustür! – aufgrund der Tatsache, was da im Golf passiert ist. Im Gegensatz zu vielen anderen Bohr- und Förderinseln liegt die deutsche Förderinsel in der Nordsee aber fest verankert auf einer Sandbank, die nicht sinken kann. Sie läuft auch seit 22 Jahren störungsfrei. Dazu kommen unsere Sicherheitsstandards, die wesentlich höher sind als auf der restlichen Welt. Doch das ist nicht bei allen Bohrinseln in der Nordsee so. So gab es ja mehrere Störfälle, wie auch schon von Herrn Dennhardt angesprochen, unter norwegischer Verantwortung, die Gott sei Dank nicht so schlimm ausgefallen sind wie der letzte gerade eben.
Was wir brauchen, sind weltweite hohe Sicherheitsstandards für die Ölförderung, nicht nur in der Nordsee oder in den USA, denn auch in Dritt- und Schwellenländern wird verstärkt Öl gefördert, und diese haben – wie die USA – bisher kaum Sicherheitsstandards, die auch nur einigermaßen akzeptabel sind. Es wird Zeit, dass Nachhaltigkeit die Gier ablöst.
Wenn es diese nicht freiwillig gibt, dann muss sie erzwungen werden. Lassen Sie mich noch einmal ganz persönlich zum Schluss sagen: Ich werde bei Aral nie wieder tanken! – Danke!
Herr Präsident, verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Imhoff, das ist doch einmal eine Basis, auf der wir über konkrete Maßnahmen reden können. Ich finde schon, unabhängig von der Frage, ob man das systemisch oder als Einzelfall begreift, muss die Gesellschaft, müssen Staaten die Möglichkeit haben, derart fahrlässig operierenden Konzernen, Betrieben, Firmen den Betrieb zu versagen, das heißt, ihnen zu sagen: Ihr macht gefälligst nicht so weiter! Das ist zum Schutz von Umwelt und zum Schutz der Generationen selbstverständlich. Meiner Meinung nach ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
ist es dringend notwendig, dass man international über Maßnahmen, diese Dinge in den Griff zu bekommen, in einer Art und Weise nachdenkt, die wirkt.
Ich will aber darauf aufmerksam machen, dass meiner Meinung nach dieser Ölbohrunfall in seiner Dramatik das Tschernobyl der Ölindustrie ist. In der Frage des Beweises, dass eine Form von Technologie in dieser Weise versagen kann, deren Folgen so groß sind, dass eigentlich ein Betrieb nicht weiter gestattet werden darf, aber auch in einer anderen Frage, wo man genau hinschauen muss, weiß ich genau, dass nach Tschernobyl hier genau dasselbe gesagt worden ist: Unsere Atomkraftwerke sind sicher, wir haben höhere Sicherheitsstandards, und – im Kern – bei uns kann das nicht passieren.
Wir sind jetzt möglicherweise auf einem Weg, auf dem dasselbe genauso passiert. Es wird berechtigterweise einem einzelnen Konzern gesagt, der hat jetzt versagt, der ist bestochen worden, der hat zu wenig Geld für Sicherheitsmaßnahmen ausgegeben. Ich wage aber zu behaupten, wenn man bei anderen Konzernen forscht, dass das Problem möglicherweise nicht ganz so dramatisch, nicht ganz so offensichtlich ist, aber es ist ein Stück weit systemisch bedingt, weil natürlich das Risiko und der Aufwand, etwas sicher zu machen, mit einem hohen technischen Aufwand steigt. Ich bin relativ sicher, dass man hier für 500 Meter, die man jeweils tiefer bohrt, höhere Sicherheitsstandards aufwenden muss, und das Risiko steigt, dass trotz höherer Sicherheitsstandards Dinge passieren wie im Golf von Mexiko.
Meiner Meinung nach sind Initiativen, über ein Tiefseemoratorium nachzudenken, noch einmal die Frage zu stellen, was können wir uns eigentlich leisten, indem wir da in dieser Tiefe eingreifen, völlig berechtigte Gedanken. Das ist etwas, was wir möglicherweise auch aus Bremen unterstützen können, indem man einfach einmal sagt, wir müssen auch darüber nachdenken, was treiben wir da eigentlich, denn diese Problematik ist eben nicht nur bei BP vorhanden. Ich bin auch relativ sicher, dass das Risiko von Tiefseebohrungen in der Nordsee nicht unerheblich ist. Es bedarf deutlich weniger Öls, das bei einem Unfall in der Nordsee austritt, um die Nordsee vollständiger und nachhaltiger zu schädigen als im Golf von Mexiko. Optisch ist es so, dass der Ölteppich schon so groß ist wie die Nordsee. Ich weiß nicht genau, ob das stimmt, aber gefühlt ist es so.
Da sind wir jetzt genau an einem Punkt, an dem wir feststellen müssen: Wir haben ein Problem mit der Erdölindustrie, die hat jetzt ihr Tschernobyl gehabt. Sie hat aber auch erstens ein ökologisches Problem, das ist jetzt hier allen bewusst und ist auch gesagt worden. Man verpestet Wasser und Strände, man zerstört Nahrungsketten, man zerstört Fortpflanzungsketten, man zerstört ökologische Systeme. Das alles darf überhaupt nicht sein, das alles muss verhindert werden. Ich bin da relativ sicher, man kann es nur verhindern, wenn man tatsächlich relativ
Zweitens, wir haben aber auch ein ökonomisches Problem. Es gibt diesen Peak Oil, das heißt, man sagt, im Moment haben wir wahrscheinlich die Spitze der Erdölproduktion erreicht, was mit technischen Aufwand möglich ist. Die Summe der Erdölproduktion wird wahrscheinlich in den nächsten Jahren sinken. Das heißt, die ökonomische Abhängigkeit von dieser Form von Industrie bei der Automobilindustrie, bei der Pharmaindustrie, bei der Energiegewinnung, bei diesen ganzen Punkten ist so dramatisch, dass wir auch deswegen darüber nachdenken müssen, uns nicht nur aus ökologischen, sondern auch aus ökonomischen Gründen aus der Abhängigkeit von der Erdölindustrie zu befreien.
Das Dritte ist natürlich auch ein soziales Problem. Ich habe jetzt nachgelesen, teilweise sind Anrainer im Golf von Mexiko der Meinung, man solle ruhig weiter bohren, denn sie befürchten, dass sie sonst ihre Existenz verlieren. Trotz der Katastrophe sagen sie, es muss trotzdem weiter gebohrt werden, da sie sozial und in ihrer Existenz von der Erdölindustrie abhängig sind. Das heißt, es ist auch zusätzlich noch ein soziales Problem, und dem muss man sich widmen.
Die spannende Frage ist: Was kann man eigentlich von Bremen aus tun? Ich denke, wir können einmal auf den Plan rufen, inwieweit man von der Bürgerschaft aus so eine Diskussion über ein Tiefseemoratorium unterstützt. Das habe ich gerade eben schon gesagt. Es ist ja nicht nur Erdöl, es geht mit dem Methanhydrat weiter. Das will man auch dringend ausbeuten. Kein Mensch weiß bisher, welche Folgen das mit sich bringt. Die Szenarien gehen davon aus, dass man, wenn man da richtig loslegt, Prozesse in Gang setzt, die man keinesfalls wieder rückgängig machen kann. Das hört beim Mangan auf. Ich weiß, dass die Bundesrepublik schon irgendwo im Pazifik Flächen gepachtet hat, die sie jetzt möglicherweise ausbeuten darf. Das sind alles Dinge, bei denen wir mit Technologien und Perspektiven handeln, die sehr grenzwertig sind und immer an der Grenze der Existenz von Menschen oder großer Teile von Menschen und Natur auf diesem Planeten operieren. Ich finde das nicht zulässig.
Deswegen, meine ich, ist es völlig richtig zu sagen, wir müssen hier von uns aus einen Einstieg in regenerative Energien vorantreiben. Meiner Meinung nach muss man ganz deutlich sagen, es wird nicht über den Markt gehen, da bin ich mir relativ sicher. Der Markt produziert gerade solche Dinge wie CSS, Tiefseebohrungen und Methanhydratabbau. Wenn man da gegensteuern will, dann muss man gesellschaftlich und möglicherweise staatlich gegensteuern. Wenn es so ist, dass man das muss, fehlen uns momentan noch die Mittel. Meiner Meinung nach ist es nicht nur berechtigt zu sagen, diejenigen, die mit dieser Form von Industrie Profit machen – also
daran verdienen –, heranzuziehen, wenn es schiefgeht, sondern ich meine, man muss sie auch verstärkt heranziehen, um Gesellschaft und Staat in die Lage zu versetzen, alternative Energien so zu fördern, dass man irgendwann – aber schnell genug – eine Ablösung aus der Abhängigkeit von Erdöl erreichen kann.
Das ist eine Aufgabe, die wir an dieser Stelle in der Debatte unterstützen können. Wir können es nur sehr begrenzt beschließen. Ich denke aber, es ist gut, wenn wir diese Themen auch in der Bürgerschaft behandeln, da das ein Signal für eine Debatte ist. Ich werbe deutlich dafür, dass wir solche Debatten hier auch mit dem Tenor führen, genau darüber nachzudenken, wie man die Abhängigkeit von Erdöl und der damit verbundenen Industrie senkt und wie man sie nicht nur zur Begleichung der Kosten von Schäden, die sie verursachen, heranzieht, sondern auch zur Begleichung der Kosten eines ökologischen Umbaus. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Folgen von unverantwortlichem Handeln werden uns am Golf von Mexiko deutlich vor Augen geführt. Die Frage, die sich stellt, ist: Wie schafft man es, dass verantwortlicher gehandelt wird, dass Technikfolgenabschätzungen tatsächlich erfolgen, Umweltverträglichkeitsabwägungen auch auf offener See getroffen werden und dass auch Mechanismen, wie wir sie mit Ausgleichsund Ersatzmaßnahmen im deutschen Recht kennen, in Gebieten greifen, die rechtlich so noch nicht erfasst sind, da sie außerhalb der Nationalstaaten und der zwölf Seemeilenzonen und der verteilten Flächen in der Nordsee liegen? Wie schaffen wir es, dass das Verursacherprinzip eingehalten wird, wenn es darum geht, Schäden zu beseitigen? Das sind die Fragen, die wir uns vor dem Hintergrund der Dinge stellen müssen, die wir beeinflussen können, nämlich vor dem Hintergrund der Nordsee. Alles andere hat deklaratorischen Charakter.
Es geht um die Frage: Welche Risiken werden in der Nordsee eingegangen, und welche Probleme sind in der Nordsee zu gegenwärtigen? Das sind Fälle, die man vielleicht anhand der Ölunfälle auf Snorre A oder Gulfaks C, die Sie schon angesprochen hatten, diskutieren muss. Dort haben Sicherheitsmechanismen funktioniert und trotzdem werden Hinweise gegeben, dass auch dort nicht alle Sicherheitsvorkehrungen gegriffen haben und nicht alle Möglichkeiten in Betracht gezogen wurden. Insofern halte ich es für wichtig, dass nicht nur die EU-Staaten, sondern auch die weiteren Nordseeanrainer – Norwegen ist großer Ölproduzent – dort übereinkommen, welche Standards sie setzen, welche Sicherheitstest sie vorschrei
Unsere Kernkraftwerke sind auch deshalb sicher, weil es eine Atomaufsicht gibt, die entsprechende Vorschriften wirksam durchsetzt. Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist: Wie schaffen wir es, dass bei der Ölförderung sichere Standards eingehalten werden? In der Tat, es wurde darauf hingewiesen, wir haben höchstwahrscheinlich schon die Spitze der Ölförderung erreicht, das werden wir aber natürlich erst im Nachhinein sehen. Deswegen werden wir – da es einfach notwendig ist und eigentlich viel zu schade ist, Öl zu verbrennen, sage ich einmal mit meinen Chemiekenntnissen – es einfach hinbekommen müssen, Ersatztechnologien zu entwickeln. Das braucht aber auch Zeit, insofern sollten wir uns auch nichts vormachen. Wir werden nicht morgen und auch nicht übermorgen aus der Ölförderung aussteigen, sondern es geht darum, diese sicher zu machen. Wir werden noch längere Zeit Autos mit Verbrennungsmotoren haben. Es ist aber aller Ehren wert, so, wie Bremen das mit der Förderung der Elektromobilität macht, dafür zu sorgen, dass es Ersatztechnologien gibt, genauso wie es in der Heiztechnik darum geht, Ersatz für Heizöl zu finden.
Deswegen habe ich mich Dienstag auch gefragt, ob die Frage, setzen wir schwefelarmes oder schwefelhaltigeres Heizöl ein, nicht so ein bisschen an der Realität vorbeigeht, denn die wichtige und die richtige Frage wäre: Wie ersetzen wir Ölheizungen in öffentlichen Gebäuden durch Gasheizungen, Holzpellets-Heizungen und andere? Da hätte ich mir auch ein über das schwefelarme Heizöl hinausgehendes Denken gewünscht. Die Frage ist und bleibt also: Welche Auflagen und Sicherheitschecks können wir machen? Welche Überprüfungen sind notwendig? Das alles vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Nordsee um ein Schelfmeer handelt, das eben lange nicht so tief ist und andere Technologien erfordert, die natürlich auch bekannter sind, bei dem wir nicht die großen Technikfolgenabschätzungen machen müssen, wie sie in der Tiefsee nötig sind, da dort in der Tat andere Sicherheitstechnologien notwendig sind. Denn dort, wo man mit Tauchern hingehen kann, kann man eben noch andere Dinge machen als in den Ecken, in denen man nur auf Roboter angewiesen ist, die man in der Art und nötigen Menge gar nicht zur Verfügung hat.
Die Frage, die ich mir immer stelle, wenn die nächste Rettungsglocke am Golf von Mexiko geschweißt wird: Warum stehen die eigentlich nicht bereit? Warum hat man so etwas nicht zur Verfügung, sondern muss immer erst entscheiden, wir bauen jetzt noch eine, die dann in 14 Tagen eingesetzt werden kann? Auch da muss man sich doch fragen: Ist das der richtige Weg? Wir wissen, dass es brennen kann, wir fangen aber nicht an, wenn das Feuer brennt, das Feuerwehrauto zu bauen! Über solche Strategien muss man auch nachdenken, damit dann auch Rettungs
material vor Ort ist und eingesetzt werden kann. Dankenswerterweise gibt es Ölbekämpfungsschiffe in der Nordsee, sodass bei allen Problemen, die man über den Pallasfall sagen kann, auch dort Öl aufgefangen werden konnte, damit das Weltnaturerbe Wattenmeer nicht geschädigt wurde.
Das sind alles Dinge, die wir im Blick behalten müssen, solide und mit der notwendigen Bewertung der Gegebenheiten hier vor Ort. Denn eines ist klar: Über das andere können wir uns Gedanken machen, aber die Nordsee ist vor unserer Haustür – das ist zu Recht gesagt worden, das betrifft uns –, und hier müssen wir dafür sorgen, dass die Sicherheitsstandards auch bei neueren Bohrungen weiter eingehalten werden. Auch wenn jetzt die Rohölförderung von Großbritannien und Norwegen zurückgeht, wird noch weiter Öl gefördert werden, und auch das muss sicher geschehen. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident, verehrte Abgeordnete! Seit 46 Tagen schauen wir wie gebannt zum Golf von Mexiko und können es nicht fassen. Seit 46 Tagen strömt ungebremst Erdöl aus einem Bohrloch in Mengen in das Meer, die wir uns kaum vorstellen können und die täglich nach oben korrigiert werden. Ich habe mir noch einmal kurz im Vorfeld der Rede die Zahlen besorgt. Der Ölaustritt pro Tag, Frau Dr. Schaefer sprach ja von drei Millionen Litern pro Tag, wird mittlerweile auf acht Millionen Liter pro Tag geschätzt. Ob das so ist, weiß ich nicht, aber die Prognosen werden immer weiter nach oben geschraubt, und wir haben bisher einen Ölaustritt von bis zu 420 Millionen Litern Erdöl. Das entspricht ungefähr zwei Unfällen von der Größe der Amoco Cadiz vor der bretonischen Küste. Das sind also gewaltige Größenordnungen, die wir uns kaum noch vorstellen können.
Ölunfälle hat es in den vergangenen Jahrzehnten viele gegeben. 70 große sind bekannt geworden, und die Bilder von ölverschmierten Vögeln und verseuchten Küsten sind uns allen in grausamer Erinnerung geblieben. Leider müssen wir sie uns jetzt erneut anschauen. Es sind große Ökosysteme, zum Beispiel das Mississippi-Delta oder der Prince-William-Sund in Alaska oder seinerzeit bei der Amoco Cadiz die bretonische Küste, die dadurch bedroht werden, darum geht es jetzt.
Die Ursachenanalyse kam hier schon zur Sprache. Ich glaube, es sind im Wesentlichen drei Sachen, zwei sehr konkrete und eine eher allgemeine. Die Konkrete ist, ganz klar, der Konzern BP hat anders als von Herrn Imhoff gewünscht, eben nicht nach dem Prinzip Nachhaltigkeit vor Gier, sondern Gier vor Nachhaltigkeit agiert. Man hat eindeutig immer ris
kantere Methoden gewählt, ist in immer schwieriger zu erschließende Felder vorgedrungen und hat es gleichzeitig versäumt, für einen solchen Ernstfall wirklich vorzusorgen. Die Rettungsaktionen wirken hilflos und desorientiert.
Der zweite Punkt ist aber auch ein eklatantes staatliches Versagen, das muss man ganz eindeutig sagen; das ist die zweite, große Fehlerquelle. Es hat eine viel zu große Nachgiebigkeit gegenüber den Ölkonzernen gegeben, die Kontrollinstanzen in den Vereinigten Staaten haben versagt. Das allgemeine Problem ist natürlich, dass die Industriegesellschaften extrem vom Erdöl abhängig sind. Wir wissen alle, wir müssen weg vom Öl, wir müssen im Grunde genommen auf Entzug. Das ist eine Frage, die sehr weit geht und die die Fragen des industriellen Strukturwandels, aber auch uns alle und unsere Lebensstile betrifft.
Wenn wir uns jetzt anschauen, wie es mit der Ölgewinnung aussieht, kann man sagen, sie wird immer abenteuerlicher. Die Öl- und Gasreserven in den relativ flachen Küstenzonen sind zu einem guten Teil erschlossen und vielerorts schon nahezu erschöpft, und die Offshore-Ölsuche ist der Versuch, die wachsende Nachfrage zu befriedigen. Die Ölkonzerne dringen in immer größere Tiefen und sogar, das kam schon zur Sprache, in arktische Regionen vor, und man kann ganz klar sagen: Mit steigender Wassertiefe erhöht sich das Risiko von Unfällen, und Katastrophenschutz wird immer schwerer bis unmöglich. Insofern haben wir es hier mit einer Situation zu tun, dass immer größere Risiken eingegangen werden. Der Wahnwitz besteht im Prinzip darin, dass man Technologien verwendet, deren Erprobung nur im direkten Betrieb möglich ist. Das ist der eigentliche Skandal. Außerdem wird natürlich Prinzipien der vermeintlichen Wirtschaftlichkeit, der betriebswirtschaftlichen Betrachtung gefolgt, und es werden viele Sicherheitsmaßnahmen im wahrsten Sinne des Wortes mit verheerenden Konsequenzen eingespart.
Die Frage, die wir uns jetzt vorzulegen haben, ist: Ist so etwas auch in Deutschland möglich? Diese Frage muss man zunächst einmal allgemein beantworten. Grundsätzlich ist so etwas auch möglich. Wir haben in Deutschland ja nur die Bohrinsel Mittelplate. Sie ist eine Ölförderplattform im Küstenmeer, circa sieben Kilometer vor der Nordseeküste Schleswig-Holsteins in der Elbmündung, nördlich von Cuxhaven gelegen. Die Baugenehmigung erfolgte dort unter strengen Umweltauflagen und Sicherheitsmechanismen. Die Bohrinsel steht auf dem Meeresboden, hohe Stahlspundwände schützen die Umgebung. Sie ist aufgrund ihrer Bauweise mit der Deepwater Horizon nicht vergleichbar. Dennoch sollten wir uns nicht in Sicherheit wiegen, so etwas könne bei uns nicht passieren, denn Katastrophen, auch das kam schon zur Sprache, machen natürlich an nationalen Grenzen nicht Halt. Größere Ölverschmutzungen in deutschen Gewässern können auftreten. Sind es zum Teil
auch schon, zum Beispiel durch Bohrinseln der Nachbarländer und durch Tanker- und Schiffsunglücke, bei denen Treibstoffe ins Meer gelangen.
Das Wattenmeer, wer wüsste es besser, ist ein sehr sensibles Ökosystem, in dem auch schon mit viel geringeren Mengen wesentlich größere Schäden angerichtet werden können, als es bei großen Tankerunfällen an anderer Stelle der Fall ist. Es gibt in der Nordsee mittlerweile 450 Bohrinseln. Sie ist mittlerweile einer der Schwerpunkte der Offshore-Förderindustrie. Die meisten Plattformen befinden sich im britischen Sektor der Nordsee, gefolgt vom norwegischen, dem niederländischen und dem dänischen Sektor. Der britische und der norwegische Sektor enthalten dabei mit Abstand die größten Reserven, und wir haben auch schon gehört, dass es auch dort keine ultimative Sicherheit gibt. Gerade aktuell, es war den Medien zu entnehmen: Statoil bekommt ein Bohrloch im Förderfeld Gulfaks nicht in den Griff. Eines von zwei Sicherheitssystemen ist ausgefallen, hat versagt. Als erhöhte Gaswerte im Bohrschlamm gemessen wurden, hat Statoil die Mitarbeiter der Plattform wegen Explosionsgefahr evakuieren lassen. So gänzlich undenkbar sind also die Dinge in dem Meer, das uns am nächsten ist, nämlich die Nordsee, auch nicht.
Man muss aber auch hinzufügen, dass nicht nur drohende Katastrophen eine reale Bedrohung sind, sondern auch der Normalbetrieb. Immer wieder werden um die Bohrinseln herum gewaltige Ölteppiche festgestellt. Greenpeace beispielsweise schätzt die Verschmutzung allein durch den Normalbetrieb aller Bohrungen in der Nordsee auf über 10 000 Tonnen Öl pro Jahr. Das entspricht einem schweren Schiffsunglück. Insofern kann man sagen, auch der Normalbetrieb ist eine erhebliche ökologische Belastung.
Eine zentrale Frage, die wir uns jetzt vorlegen müssen, ist: Sind wir auf die Katastrophe einer Ölverschmutzung in Deutschland vorbereitet? Wir haben in Deutschland folgende Situation: Seit Januar 2003 ist das Havariekommando zuständig für das Unfallmanagement auf See. Dazu gehört auch die Bekämpfung von großen Ölverschmutzungen. Im Ernstfall tritt innerhalb von weniger als 45 Minuten der sogenannte Havariestab des Havariekommandos zusammen, der die Führung des Einsatzes übernimmt. Unverzüglich werden die Einsatzkräfte vor Ort alarmiert, und die zuständigen Behörden der Nachbarländer werden informiert. Entlang der gesamten deutschen Küstenlinie sind Materialdepots eingerichtet und Spezialschiffe für den Öleinsatz stationiert worden. In Deutschland und in seinen Nachbarstaaten wird das Öl hauptsächlich mechanisch bekämpft. Das heißt, es wird mit unterschiedlichen Systemen wie Bürsten, Saugeinrichtungen und so weiter von der Wasseroberfläche entfernt. Dazu stehen 3 000 ausgebildete Einsatzkräfte bereit, die schnell mobilisiert werden können. Auf hoher See wird die Ölfläche mit Hilfe von Ölsperren
Im küstennahen Bereich werden kleinere Schiffe dafür eingesetzt, im strandnahen Bereich stehen noch kleinere Einheiten zur Verfügung. Von Land aus wird die Ölverschmutzung mit Spezialgeräten, aber auch mit Eimern und Schaufeln bekämpft. In Zusammenarbeit der verschiedenen Organisationen wird in rund 160 Übungen pro Jahr immer wieder trainiert, sodass man sagen kann, die Mitarbeiter der Havariekommandos werden gut ausgebildet und überprüfen fortlaufend ihre Einsatzkonzepte und passen sie den neuesten Erkenntnissen an. Das heißt, es findet schon eine Vorbereitung auf eine potenzielle Katastrophe statt. Ob die dann im Fall des Eintritts einer solche Katastrophe hinreichend wäre, von der Beantwortung dieser Frage werden wir hoffentlich verschont bleiben.