Protocol of the Session on May 20, 2010

Wir haben am 4. Mai dieses Jahres auf Bundesebene beantragt, dass die BAföG-Zeiten an die rea––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

len durchschnittlichen Studienzeiten fachspezifisch angepasst werden. Das würde wirklich helfen, genauso wie eine Erhöhung nicht nur der BAföGSätze um zehn Prozent, sondern auch der Freibeträge, auch das haben wir gefordert. Wir brauchen hier natürlich wieder BAföG als Vollzuschuss, und wenn wir diese Dinge insgesamt in Angriff nehmen, dann haben wir mehr Bildungsförderung durch Förderung in der Breite und dann eben auch insgesamt auf diesem Niveau. Das brauchen wir in diesem Land. – Danke schön!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, das, was hier von CDU und FDP gesagt worden ist, kann man nicht einfach so im Raum stehen lassen. Sie haben hier die große Überschrift „Leistung muss sich lohnen“. Dagegen wird wahrscheinlich auch niemand hier wirklich etwas sagen. Das Problem, das Sie komplett ausklammern, ist nur, dass es eine sozial ungerechte Bewertung von Leistung an dieser Stelle gibt. Da zeigt sich einfach immer wieder, dass junge Menschen aus Nicht-Akademikerhaushalten eben genau nicht die gleichen Chancen haben, wie junge Menschen aus Akademikerhaushalten.

Das macht sich schon allein an Folgendem fest, und ich weiß, wovon ich spreche, weil ich nämlich selbst aus solch einem Haushalt komme: Da ist Bildung und höhere Bildung eben genau nicht etwas Selbstverständliches, da ist ein Abitur nicht etwas Selbstverständliches, und da ist ein Studium auch nicht etwas Selbstverständliches. Kinder aus solchen Familien kommen überhaupt schon gar nicht ganz selbstverständlich darauf, sich auf ein Stipendium zu bewerben. Wenn sie das tun, dann kennen sie häufig nicht die Kodizes, um die es da geht, nämlich wie man miteinander redet, wie man sich in Szene setzt, wie man darüber redet, wie man an solch ein Stipendium herankommt. Daran wird ganz deutlich, dass es da um etwas ganz anderes geht, und wenn Sie sich die aktuelle HIS-Studie anschauen, Herr Ella, dann bekommen Sie genau das bestätigt, dass das nämlich das Faktum ist. Bei diesem nationalen Stipendienprogramm befürchten wir einfach, dass es genau diese sozialen Disparitäten verschärft, und genau das wollen wir nicht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir wollen deswegen, dass Studierende, wenn sie anfangen zu studieren, auch eine halbwegs sichere ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

ökonomische Sicherheit haben, ihr Studium auch zu Ende zu bringen. Wie soll es sie denn weiterbringen, wenn sich die Unternehmen nur darauf verpflichten müssen, ein Jahr zu finanzieren? Das ist ein Drittel der Zeit eines Bachelors! Wem soll das denn weiterhelfen? Das hilft einfach überhaupt niemandem weiter. Frau Dr. Spieß, wenn Sie auf Nordrhein-Westfalen Bezug nehmen, wie toll es dort ist, die hatten das Ziel. Herr Pinkwart, der ja jetzt nun, Gott sei Dank, in NRW nichts mehr zu sagen hat,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

hatte das Ziel zehn Prozent Stipendien. Was ist dabei herausgekommen? 0,4 Prozent! Selbst im Stammland der großen Hochschulreformen wirkt genau dieses Programm nicht. Weshalb es überhaupt die Bundesregierung erreicht hat, ist mir sowieso komplett schleierhaft. Jetzt zu sagen, die Hochschulen sollen das zu ihrer Sache machen: Sie haben genügend anderes zu tun, glaube ich!

Dann haben wir – um jetzt einmal von den Studierenden vielleicht noch mit zwei Sätzen wegzukommen – auch noch zwei andere Herausforderungen zu bewerkstelligen, das sind nämlich der demografische Wandel und der Fachkräftemangel. Wir wissen doch, dass mittlerweile viel mehr Menschen aus dem Beruf herausgehen, als über eine akademische Bildung ins Arbeitsleben eintreten. Wir haben da eine demografische Auszehrung, einen Fachkräftemangel. Wo sind denn die jungen Akademiker zu gewinnen, wenn nicht aus den Kreisen, in denen vorher nicht studiert worden ist? Genau da bekommen wir doch junge Leute, die unser Gesellschaftssystem voranbringen sollen. Deswegen müssen wir genau diese fördern, deswegen müssen wir für sie soziale Sicherheit schaffen, über das BAföG und über Elternfreibeträge, die dann die Studierenden direkt bekommen, und über das Kindergeld, das die Studierenden künftig auch direkt bekommen sollen. Das ist der Weg für mehr gerechte Bildungsfinanzierung in diesem Land. – Herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Vizepräsident Ravens Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Spieß.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Schön, wenn Sie hier fordern, dass man mehr Nicht-Akademikerkinder zum Studium bringen sollte und vielleicht auch in den Fächern, in denen wir besonderen Mangel haben, dann frage ich Sie: Warum machen Sie dafür denn nicht mehr Werbung? Das ist es doch, was fehlt. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Wenn Sie sagen, ich selbst habe es geschafft, aus einem Nicht-Akademikerhaushalt heraus zu studieren, und ich habe es geschafft, dann auch meinen Abschluss zu machen, dann ist es doch auch unsere Aufgabe, dafür Werbung zu machen.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie hier sagen, in NRW ist es groß verkündet worden, und es ist noch nicht gelungen, da gebe ich Ihnen recht, aber das hindert uns doch nicht daran, gemeinsam anzupacken und zu mobilisieren, eben Aufklärung zu betreiben.

Sie haben recht, die Angst besteht, ein Studium aufzunehmen, weil man auch Angst vor den Kosten hat, die auf einen zukommen. Da gebe ich Ihnen wirklich recht, aber es ist doch auch so, dieser Dreiklang, der genutzt werden kann, also BAföG, Stipendium und auch Ausbildungsmöglichkeiten beziehungsweise hinterher noch Möglichkeiten, das nutzen zu können, dies müssen Sie doch irgendwie auch einmal als positiv ansehen, denn ein Stipendium, dass man zusätzlich zum BAföG bekommt, muss nicht zurückzahlt werden, im Gegensatz zum BAföG! Das heißt also, dass es zur Verfügung steht.

Wenn Sie jetzt sagen – das ist nämlich auch etwas, das hier einfach einmal von Ihnen in den Raum gestellt wird –, dass ein Wirtschaftsvertreter oder ein zusätzlicher Geldgeber, der sich jetzt zum Beispiel für ein solches Stipendium entscheidet, nur die Möglichkeit hat, es über ein Jahr zu finanzieren, dann ist diese Aussage eben auch nicht richtig! Die Stipendiendauer, die von der jeweiligen Hochschule festgelegt wird, soll sich an der Regelstudienzeit im jeweiligen Fach orientieren. Das Stipendium kann mit ins Ausland genommen werden, und bei einem Hochschulwechsel im Inland wird ein Semester lang fortgezahlt, vorausgesetzt, es wurde für den entsprechenden Zeitraum bewilligt. Auch da ist diese Angst, die Sie hier schüren, solch ein Stipendium sei ja nur möglicherweise für zwei Semester gültig, nicht berechtigt.

(Beifall bei der CDU)

Frau Senatorin, ich möchte auch noch einmal darauf hinweisen und auch vielleicht noch einmal von Ihnen eine Antwort darauf haben, vielleicht sollten Sie sich das aufschreiben, weil Sie ja gestern die Frage nicht mehr wussten: Es ist jedenfalls so, dass Sie eine Exzellenzinitiative gewinnen wollen, dass Sie die Hochschulen hier in die Konkurrenz mit den anderen Bundesländern stellen, aber Sie lehnen im Bundesrat eine solche Möglichkeit ab, und darauf möchte ich eine Antwort. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Ravens Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Böschen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Dr. Spieß, Herr Ella, ich bin schon einigermaßen überrascht, wenn Sie den Familien, die jetzt nicht aus Akademikern bestehen, unterstellen, sie hätten zu wenig Hochschulzugang, weil nicht genug geworben würde; wir müssten mehr Werbung machen, damit diese Familien wissen, wie gut und wie leicht es ist, einen Hochschulzugang zu bekommen.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/ Die Grünen]: So einfach ist es nicht!)

So einfach, Herr Dr. Güldner, da haben Sie völlig recht, ist das nicht. Diese Familien, diese Jugendlichen aus diesen Familien entscheiden durchaus rational und nicht, weil irgendwie nicht genug Werbung da ist. Sie entscheiden deshalb, weil sie ganz genau wissen, wie schwierig ihre finanzielle Situation ist, wie schwierig das Durchhalten eines solchen Studiums ist, wenn man nebenbei arbeiten muss, weil man eventuell auch nicht ausreichend oder auch nicht den Höchstsatz BAföG bekommt. Sie haben große Sorge, und ich glaube, auch zu Recht, wie sie das BAföG am Ende des Studiums eigentlich zurückzahlen sollen, vor einer Situation, die sie überhaupt noch nicht beurteilen können, wie sie tatsächlich irgendwie ihre Erwerbstätigkeit gestalten werden. Hier jetzt einmal eben schlicht mehr Werbung zu machen und dann werden die Kinderlein zu uns kommen, Entschuldigung, das passt nicht!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wenn Sie immer wieder darauf abheben, dass es dieses Stipendium doch zusätzlich zum BAföG gibt, wunderbar, dagegen hat niemand etwas, aber wie viele der Stipendiaten bekommen überhaupt BAföG? Wir haben doch ganz deutlich gesagt, die Untersuchungen zeigen es: Die überwiegende Mehrzahl derjenigen, die in diesen Genuss kommen, brauchen gar kein BAföG, sie bräuchten auch nicht das Stipendium, sie bekommen ihr Studium finanziell so geregelt. Hier unterstützen Sie einen Großteil von Studierenden, die es finanziell nicht nötig hätten!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Woher wissen Sie das denn? – Zuruf: Das stimmt doch gar nicht!)

Das weiß ich aus den Untersuchungen, die belegen sehr deutlich, wer in den Genuss von Stipendien kommt. – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Purer Klassenkampf, was Sie da machen!)

Frau Senatorin JürgensPieper, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich kann da gleich fortsetzen, aber nicht beim Klassenkampf, sondern zu lesen hilft ja manchmal an dieser Stelle, und ich will hier einmal den Präsidenten des Deutschen Studentenwerks, Professor Dobischat, zitieren: „Das deutsche Bildungssystem ist sozial selektiv, die deutsche Bildungsbiographie ist an die soziale Herkunft gekoppelt.“ Das ist bekannt und wird durch die 19. Sozialerhebung, Herr Röwekamp, einmal mehr bestätigt. Sie können in der 19. Sozialerhebung die Zahlen nachlesen. Darin steht exakt das, was Frau Böschen gesagt hat, und auch das Verhältnis von Akademikerkindern und Nicht-Akademikerkindern beim Studium bestreitet hier doch niemand ernsthaft.

(Abg. I m h o f f [CDU]: Das bestreitet ja auch niemand!)

Das will ich doch hoffen, dass das nicht bestritten wird!

Dann ist doch ganz klar – und da wundere ich mich jetzt über Sie –, dass der Kern dieses Gesetzentwurfes ja edel ist: Dass man Anreize zur Aufnahme des Studiums schaffen will, ist hervorragend. Dass man soziale Ungerechtigkeit beseitigen will, ist hervorragend. Das können wir nur alles unterstreichen. Aber erreicht er das denn? Wir zahlen doch das Stipendium an die, die sich schon entschieden haben, das Studium aufzunehmen, und nicht an die, die jetzt vor der Entscheidung stehen und überlegen, ob sie es finanzieren können. Da ist doch der Denkfehler, und da ist auch der Strickfehler in dem Gesetz, und deshalb versuchen wir im Bundesrat, dieses Gesetz nicht zum Zuge kommen zu lassen.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Allerdings, ich will nicht verhehlen, es hat im Kulturausschuss eine Mehrheit gegeben. In Bezug auf das, wie es insgesamt ausgeht, können wir vielleicht ein wenig auf Nordrhein-Westfalen hoffen. Jedenfalls sind die Mehrheiten im Augenblick hoch unklar, was die Befassung im Bundesrat angeht, und einige Länder überlegen sehr. Auch die ostdeutschen Länder werden ja ein richtig großes Problem an dieser Stelle haben.

Ich will Ihnen Folgendes sagen, Frau Dr. Spieß: Ich beziehe mich ja nicht so häufig auf den „Weser-Kurier“, aber er hat vor Kurzem eine Umfrage unter den großen bremischen Unternehmen gemacht, unter anderem Hachez, swb, Käfer, Ipsen Logistics, InBev und so weiter, und da wird nachgefragt, ob denn solch ein Stipendienprogramm zünden würde. Ja, Sie können jetzt abwinken, aber man kann es doch als Signal nehmen, Nordrhein-Westfalen ist doch gerade von

Frau Schön genannt worden, dass es nicht gezündet hat. Hier sagen unsere Unternehmen, es ist keine Neigung da, sich an diesem Stipendienprogramm zu beteiligen, weil man eigene Programme hat. Das wird, glaube ich, nicht besser werden, selbst wenn ich mich auf den Marktplatz stelle und schreie.

(Abg. I m h o f f [CDU]: Da steht schon einer!)

Da steht schon einer, danke!

Dann möchte ich auch gern, weil ich es mir notiert habe, Ihre Frage beantworten. Es mag ja sein, dass ich in einem Alter bin, in dem ich mir tatsächlich etwas notieren muss, das finde ich auch nicht so schrecklich: Die Exzellenzinitiative hat, glaube ich, wirklich herzlich wenig mit diesem nationalen Stipendienprogramm zu tun.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Da geht es um die Forschungsstärke, um Cluster, um die dritte Förderlinie, da sollen junge Leute hinkommen. Aber wir müssen dieses Potenzial heben, das ich gestern erwähnt habe! Wir haben das Potenzial an begabten, jungen Leuten aus Akademikerfamilien längst ausgeschöpft, und bekannt ist, Deutschland muss die Schätze heben, die noch da sind, und das entscheidet sich vor dem Studium, nämlich bei der Aufnahme, und nicht während des Studiums durch Büchergeld. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Zuerst lasse ich über den Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD abstimmen.