Protocol of the Session on May 20, 2010

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Aussprache geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 17/1280, auf die Große Anfrage der CDU Kenntnis.

Gründung von Grundschulen in freier Trägerschaft zulassen – Auf Rechtsmittel verzichten!

Antrag der Fraktionen der FDP und der CDU vom 12. Mai 2010 (Drucksache 17/1293)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Jürgens-Pieper.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir müssen uns erneut mit dem Thema beschäftigen, weil das, was uns als FDP und anderen hier im Hause am Herzen gelegen hat, nämlich dass die Senatorin auf Rechtsmittel verzichtet, nachdem es zwei Urteile gegeben hat – ich habe sie hier einmal zur Illustration mitgebracht –, die deutlich belegen, dass die Genehmigungsversagung falsch war, nicht passiert ist. Sie hat

nicht eingesehen, dass hier im Haus ein anderer politischer Wille ist. Wir wollen jetzt, dass hierüber abgestimmt wird. Deswegen haben wir uns mit der CDU darauf verständigt, einen Antrag einzubringen.

Es geht uns nicht darum, damit Wahlkampf zu machen, sondern uns als FDP geht es darum, uns schlichtweg dafür einzusetzen, dass Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler eine Schule bekommen, wie sie sie sich wünschen und die den Qualitätsanforderungen entspricht, wie sie an Schulen gestellt werden müssen. Wir als FDP sind für eigenständige Schulen, und Schulen in freier Trägerschaft sind die besten eigenständigen Schulen, die wir uns vorstellen können. Deswegen unterstützen wir diese Gründung.

(Beifall bei der FDP)

Wenn wir uns die Geschichte anschauen, mag vieles darüber gesagt werden, was damals Gründe waren, solche Grundgesetzartikel zu schreiben wie den Artikel 7. Wenn wir uns anschauen, was die heutige Situation ist, müssen wir auch reflektieren und überlegen, was das heute noch heißt. In einigen anderen Bundesländern bedeutet die Gründung privater Grundschulen nichts anderes als die einzige Chance, dass die Schule im Ort bleibt, dass es Schulangebote so überhaupt noch in der Fläche gibt. In Bremen haben wir eine andere Situation. In Bremen handelt es sich um eine Großstadt, und bei dieser Großstadt muss man sich schlichtweg überlegen, ob das denn negative Auswirkungen hat. Ehrlich gesagt, bin ich da sehr bei dem, was Frau Stahmann gesagt hat, zwei solche Schulen können doch die Bremer Schullandschaft nicht durcheinanderbringen, das kann doch nicht schaden.

(Beifall bei der FDP)

Dann müssen wir uns einmal überlegen, welche Begründungen vorgetragen werden und wie dünn die Gegenargumentation ist. Wenn gesagt wird, Humanismus durchdringe doch die Gesellschaft, dann muss man doch einmal genauer hinschauen, welcher Verband dahintersteht und welche Begründungen dabei sind. Das ist eine konsequent atheistische Haltung zum Humanismus, und auch da muss man schlichtweg sagen, das ist etwas anderes als Humanismus, wie Christen wie ich es verstehen. Insofern ist das schon eine eigenständige Weltanschauung, die man würdigen und vor der man Respekt haben muss. Ich bin da sehr bei Lessing und der Ringparabel. Ich kann nicht sagen, welche Religion oder Nicht-Religion die Beste ist, ich kann nur sagen, der Staat hat da neutral zu sein. Deswegen ist dieser Grundgesetzartikel auch genau so, dass Weltanschauungsgemeinschaften und Religionen dort gleichgestellt sind im Sinne von, hier haben sie das privilegierte Recht. Dieses privilegierte Recht haben sie, weil das Grundgesetz in Artikel 3 und 4 die Glaubensfreiheit beschreibt und

deutlich macht, es ist jedermanns Recht, und es gibt auch ein Verbot der Diskriminierung von Religionen an dieser Stelle.

Auf der anderen Seite haben wir in Artikel 6 die Erziehungsfreiheit, die den Eltern auch das Recht gibt, entsprechende Schulen zu wählen, und insofern ist es für mich völlig unverständlich, wenn dann gesagt wird: Welche Religionen kommen denn noch? Ja, das müssen wir dann jeweils einzeln bewerten und entscheiden und auch schauen, wer hinter der Gründung steht, und uns dann entscheiden, ob das den Anforderungen genügt. Wir haben eine Privatschulfreiheit, und diese wollen wir als FDP auch in Bremen gewahrt wissen. Das heißt dann auch, dass geschaut wird, ob es eine besondere Pädagogik in einer Schule gibt, denn die muss man ja, ich sage einmal aus FDP-Sicht leider, für die Gründung einer privaten Grundschule vortragen. Dann müssen wir aber hinschauen, dass es nicht darum geht, dass Teile der Pädagogik an allen anderen Schulen irgendwie vorhanden sind, sondern dass es darum geht, eine pädagogische Idee bei der freien Schule zu haben, die vom Kindergarten über die Grundschule weitertragen soll bis in Klasse zehn.

Wenn das der Ansatz ist, ist das etwas ganz anderes, als an allen anderen Stellen gemacht wird, weil die Zusammenarbeit, die hier sonst zwischen Elementar- und Primarbereich versucht wird, weitaus nicht die Qualität hat, wie sie hier angestrebt wird. Es gibt ja auch Parteien in diesem Haus, die sich sogar dagegen sperren, dass es Zusammenarbeit von Klasse eins bis zehn gibt. Auch das gibt es, aber das ist hier eine eigene pädagogische Qualität meiner Meinung nach, und deswegen ist es auch gerechtfertigt, dass es hier dazu kommt, so eine Schule zu genehmigen. Ich bin da auch nicht bei den Grünen.

(Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist auch gut so!)

Das mag ja Ihr Gewissen beruhigen, dass Sie sagen, wir vertrauen dort auf die Gerichte. Wir sind dabei zu sagen, das ist Sache der Politik, hier die Richtung zu weisen, und wenn die Exekutive droht, sich falsch zu entscheiden, dann möchten wir als Legislative sagen, was der richtige Weg wäre. Deswegen bitten wir um Unterstützung für unseren Antrag. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rohmeyer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wieder einmal reden wir leider über zwei Anträge von Initiativen zur Gründung von Schulen in freier Trägerschaft im Primarbereich. Zu––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

letzt haben wir in einer Aktuellen Stunde vor zwei Monaten unter dem Stichwort Privatschulallergie über dieses Thema debattiert, wobei ja klar ist, es gibt mittlerweile keine Privatschulallergie mehr, man kann es schon Feindseligkeit nennen, die hier gegen die Elterninitiativen vom Ressort und von der SPD-Fraktion an den Tag gelegt wird.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben Sie aufgefordert, Frau Senatorin, wir haben abgewartet und haben dann in der vergangenen Woche einen Antrag eingebracht. Dieser Antrag hat nichts mit Wahlkampf zu tun, weil ich glaube, ich kann zumindest für die Christlich Demokratische Union erklären, dass es hier nicht um die Hauptzielgruppe unserer Klientel geht. Es geht aber darum, dass wir Eltern ihr Recht ermöglichen wollen, eine Schule in freier Trägerschaft auf den Weg bringen zu können bei all den Hindernissen, die diese Initiativen nach einer Genehmigung ja überhaupt erst bewältigen müssen, meine Damen und Herren.

(Abg. G ü n g ö r [SPD]: Warum bloß? Ant- worten Sie doch einmal auf diese Frage!)

Das ist ja kein Spaziergang, wenn man eine Schule in freier Trägerschaft gründen möchte. Sie stellen sich diesem entgegen und wollen das Ganze vom Oberverwaltungsgericht prüfen lassen, Frau Senatorin. Damit haben Sie zumindest eine klare Haltung. Herr Güngör, auch Ihnen billige ich völlig zu, Sie haben eine klare Meinung, genauso wie wir eine klare Meinung haben.

Dann kommen aber die Grünen. Die Grünen erklären in der Debatte vor zwei Monaten, und jetzt in den letzten Tagen schon wieder, eigentlich wären sie ja voll für den Antrag von CDU und FDP. Liebe Frau Stahmann, Sie werden hier gleich, so habe ich es der „taz“ entnommen, eine fulminante Rede halten, uns in der Sache recht geben, am Ende aber leider sagen, dass Sie aus Koalitionsdisziplin unserem Antrag nicht folgen können.

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/Die Grünen]: Da wissen Sie ja schon mehr als ich!)

Das ist scheinheilig, meine Damen und Herren, was Sie hier vom Bündnis 90/Die Grünen an den Tag legen.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt eine rechnerische Mehrheit in diesem Hause für die Gründung von Schulen in freier Trägerschaft, und ich würde mich freuen, wenn Sie in dieser Frage dann auch in der Sache den richtigen Weg beschreiten würden. Sie setzen darauf, dass die Elterninitiativen irgendwann von den Gerichten recht be

kommen werden. Ich glaube – das ist auch deutlich geworden –, gerade die Elterninitiative „Freie Schule“ möchte schnell ein Signal haben. In den Gesprächen, die wir geführt haben, wurde sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es dort Eltern gibt, die schon jetzt ihre Kinder nicht mehr auf diese Schule – wenn sie irgendwann kommt – schicken können, weil diese Schule mittlerweile so lange hingehalten wird. Bei der ganzen Vorgeschichte, das muss man auch sagen, gab es Gründe, am Anfang skeptisch zu sein, aber diese Gründe – das haben wir auch in der letzten Debatte erklärt – sind längst ausgeräumt. Hier geht es nur noch um eine ideologische Frage, und an dieser ideologischen Frage scheitern Kinder, auf eine Schule zu kommen, die sie und ihre Eltern für die richtige halten. Das, meine Damen und Herren, wollen wir nicht hinnehmen, und das werden wir auch nicht hinnehmen als CDU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben mehrfach grundsätzliche Fragen der Schulen in freier Trägerschaft debattiert. Wir warten auch darauf, wie die Gesetzesnovelle über die Schulen in freier Trägerschaft vorangeht, und hatten deshalb erst kürzlich in der Bildungsdeputation nachgefragt. Die vermeintliche Privatschulallergie, ich sagte es schon, ist mehr eine Feindseligkeit gegen alles, was außerhalb von staatlicher Schule stattfindet. Ich weiß nicht, ob ich das heute so richtig deute, vielleicht ist es auch grundsätzlich ein Misstrauen gegen Eltern. Was ich heute in der Zeitung gelesen habe, hat mich schon stark überrascht. Ich glaube, Frau Senatorin, Sie sollten insgesamt mehr Vertrauen in Eltern in Bremen und Bremerhaven aufbringen.

(Beifall bei der CDU)

Wir werden in der Debatte erleben, dass SPD, DIE LINKE und das Ressort sich einig sind und die Grünen gleich herumeiern werden, und diese Debatte wird für uns, was das Abstimmungsergebnis angeht, wahrscheinlich kein Erfolg sein. Ich sage Ihnen aber deutlich, es ist ein Erfolg für uns, dass Sie hier herumeiern müssen, Frau Stahmann und Bündnis 90/ Die Grünen. Die Äußerungen, die Sie vorab gemacht haben, geben uns in der Sache recht, und es wäre gut, wenn Sie über Ihren Schatten springen und auch den Eltern in dieser Abstimmung heute zu ihrem Recht verhelfen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Beilken.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Freie ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Schule und die Humanistische Schule – um sie einmal so in diesen kurzen Begriffen zusammenzufassen – verfolgen sehr ehrenwerte und sehr positive Ziele, die ich und DIE LINKE teilen und die wir in der Bremer Schullandschaft gebrauchen können.

Bei der Freien Schule geht es um mehr Selbstbestimmung und mehr Mitbestimmung in der Schule. Wir als LINKE fordern das bekanntlich, wir wissen das aus dem Schulgesetz, wo wir mehr effektive Mitsprache in der Schule gefordert haben. Wir haben auch zusätzlich die Idee einer Clearingstelle oder eines Ombudsmannes oder einer Ombudsfrau oder einer Ombudsstelle für die Schulen, für Konflikte, gegen das Ausgeliefertsein gegenüber Schulleitung, Lehrern, Schulbürokratie und so weiter. Wir müssen in Bremen dort vorankommen, damit diese Selbstbestimmung und Mitentscheidung – auch eine Erweiterung der Möglichkeiten der schulischen Gremien gehört dazu – vorankommt. Die Eltern sind ungeduldig, und sie gründen selbst eine Initiative. Das finde ich höchst verständlich und von der Sache her sehr nachvollziehbar, und wir müssen die öffentlichen Schulen verbessern, damit dieser Impuls verringert wird. Damit tragen wir alle eine große Verantwortung für den Zusammenhalt der Bremer Schullandschaft.

Bei der Humanistischen Schule ist es ähnlich. Wenn der Humanismus als Weltanschauung hier betont wird, passt das dazu, dass wir als LINKE die Ethik und Religionskunde als Fach haben wollen. Da haben wir genau diesen humanistischen Grundgedanken, der dann Platz greifen kann und auch im ganzen Schulleben noch eine stärkere Rolle spielen soll, den wir uns wünschen, um auch Heterogenität in der Schule zu nutzen. Arm und Reich, Migrationshintergrund, ohne Migrationshintergrund, alle zusammen, das ist ein zutiefst humanistisches Konzept, das wollen wir für alle Schulen. Auch hier vertreten wir den Impuls, jedoch

(Abg. D r. B u h l e r t [FDP]: Das heißt „aber“!)

haben wir natürlich ein Problem, dies jetzt als private Schulen zu machen, das wissen Sie ganz genau, Herr Dr. Buhlert, das ist bekannt.

Lassen Sie mich vorher noch sagen, die positive Argumentation für die Schulen – denn es geht um eine Abwägung, und ich möchte hier beide Seiten ausführlich darstellen – geht auch in Richtung Vorbildfunktion! Das ist akzeptiert, kann eine Rolle spielen, es kann auch gesagt werden, zwei solcher Schulen verträgt Bremen, auch das ist richtig. Das ist die positive Seite.

Die problematische Seite – und das sehen die Eltern, mit denen wir gesprochen haben, selbst auch so – ist eben, dass es hier eine Türöffnerfunktion haben kann für mehr und mehr private Schulen in Bremen,

nennen wir sie Schulen in freier Trägerschaft, dabei ist sicher noch die Unterscheidung von kommerziell und nicht kommerziell interessant. Alles in allem haben wir dann aber eine weitere Teilung der Schullandschaft, wenn dies mehr wird, und es gibt mehr Anträge, die schon vorbereitet werden. Das ist alles nachvollziehbar, aber ich bitte doch zu sehen, wir haben dann eine weitere Teilung, um nicht zu sagen Spaltung, ein Auseinanderdriften – Fachleute sagen, eine Segregation in der Schulentwicklung – in Bremen, wenn wir das hier zulassen. Das ist die andere Seite, die wir als verantwortliche Politikerinnen und Politiker berücksichtigen müssen und die sogar auch selbst von den Eltern gesehen wird, die diese Initiative ergreifen.

Für uns hat das eine besondere Bedeutung, wir müssen das große Ganze im Blick haben, das kann man nicht von den einzelnen Eltern verlangen. Diese Segregation haben wir in den Stadtteilen, wir haben verschiedene Entwicklungen in den Stadtteilen dadurch, wo man wohnt, gibt es Unterschiede in der Schulanwahl, da wird das schon vorgegeben. Wir haben auch die unterschiedlichen Schulen und die unterschiedlichen Niveaus diskutiert, was für einen Ruf die Schule hat und so weiter, wo sich dann bestimmte Probleme ansammeln. Diese Segregation kennen wir. Das alles wird noch verstärkt, wenn noch mehr die Möglichkeit gegeben wird, hier Schulen selbst zu gründen, und wenn das ein neuer Trend wird.