Protocol of the Session on April 22, 2010

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Timke, in Ihrem Antrag vom 9. März 2010 bitten Sie um die Einrichtung einer Stelle für einen Tierschutzbeauftragten bei der Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales zum 1. Januar 2011. Die Aufgaben haben Sie hier umfangreich vorgetragen.

(Abg. T i m k e [BIW]: Es geht auch umfangreicher!)

Tierschutz ist eine wichtige Aufgabe, darüber herrscht in diesem Haus Einigkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Doch inwiefern Ihr Antrag, Herr Timke, diesem noblen Vorhaben helfen soll, ist mir rätselhaft.

(Abg. T i m k e [BIW]: Kann ich Ihnen gern erklären!)

Im Haus der Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales existiert seit dem 1. Januar 2000 eine eigenständige Abteilung, die eben die von Ihnen geforderten Aufgaben erfüllt, der Lebensmittelüberwachungs-, Tierschutz- und Veterinärdienst des Landes Bremen. Dieser ist eine in Deutschland übrigens einmalige Organisationseinheit, wie wir es auch auf der Website lesen können, in der die wichtigsten Bereiche des Verbraucherschutzes, der Lebensmittelüberwachung, des Veterinärwesens sowie der Pflanzen- und der Tierschutz zusammengefasst sind.

Darüber hinaus wird die Behörde unterstützt durch den Tierschutzbeirat. Dieser hat die Aufgabe, die senatorische Behörde in Fragen des Tierschutzes zu beraten. Seine Mitglieder werden vom Deutschen

Tierschutzbund – und jetzt passen Sie auf! –, den Fraktionen der Bremischen Bürgerschaft, der Tierärztekammer und der Kirchen benannt. Sie sehen also, die Aufgaben, die Sie in Ihrem Antrag benannt haben, werden in Bremen nicht nur wahrgenommen, sondern durch die Bündelung verschiedener Kompetenzen auch schnell und effektiv umgesetzt.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Herr Timke, wie genau hatten Sie sich denn die Integration eines Tierschutzbeauftragten in die vorhandenen Strukturen vorgestellt? Herr Timke möchte gern den Tierschutzbeauftragten oder die Tierschutzbeauftragte ehrenamtlich einsetzen. Auch die Ehrenamtlichkeit, die Ihnen vorschwebt, scheint uns wenig durchdacht. In der Behörde sind professionelle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig. Warum sollte also eine ehrenamtliche Person deren Arbeit besser machen? Herr Timke, von Luft und Tierliebe lässt es sich nur schwer, allenfalls wahrscheinlich nur ziemlich kurz leben! Auch bleiben in Ihrem Antrag viele weitere formale Fragen offen: Wie soll die Ausschreibung erfolgen? Welche Qualifikationen muss eine Bewerberin oder ein Bewerber mitbringen? Wie sollen die Kompetenzen mit den existierenden Stellen verbunden werden? Welche Aufgabe soll die erwähnte Schreibkraft erfüllen, und warum soll diese erwähnte Schreibkraft nur halbtags arbeiten?

Der Tierschutz ist ein wichtiges Thema, das uns alle angeht. In diesem Haus sitzen deshalb 83 gewählte Vertreterinnen und Vertreter des Landes Bremen, für die dieses Thema eine hohe Priorität haben sollte und – davon bin ich natürlich auch fest überzeugt – auch hat.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wozu sich das Thema Tierschutz aber überhaupt nicht eignet, ist politischer Populismus. Wer ohne Kenntnis bestehender Strukturen Dinge fordert, die sich sogar kontraproduktiv auswirken könnten, zeigt vor allem eines: dass ihm das Thema Tierschutz keineswegs wirklich am Herzen liegt! – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD, bei der CDU, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Timke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Nietz –

(Abg. Frau Nitz [DIE LINKE]: Nitz!)

von mir aus auch Nitz! –, es wundert mich doch sehr, meine Damen und Herren, dass die Koalition hier eine Abgeordnete der LINKEN in die Bütt schickt.

(Abg. Frau B ö s c h e n [SPD]: Bei uns wird niemand geschickt!)

Es wundert mich deshalb, weil ich mich sehr gefreut hätte, wenn hier die Grünen einmal nach vorn gekommen wären

(Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Sie haben das System noch nicht verstan- den, Herr Timke!)

und dieses Thema einmal mit mir diskutiert hätten, Herr Fecker! Doch, doch! Das System habe ich verstanden! Ich habe nämlich das System verstanden, dass Ihre Fraktion sich immer nach außen hin als Tierschutzpartei darstellt, und wenn es dann um wichtige Tierschutzfragen geht, wirklich kneift und andere Fraktionen, nämlich die Sozialisten, hier in die Bütt schickt. Das habe ich verstanden!

Frau Nitz, zu Ihnen! Sie werfen mir vor, dass meine Forderung nach einem ehrenamtlichen Tierschutzbeauftragten wenig durchdacht wirkt. Zwei Dinge dazu! Zum einen, hätte ich das Wort ehrenamtlich herausgelassen, dann wäre es sicherlich so gewesen, dass Sie mir vorgeworfen hätten: Woher wollen Sie denn das Geld nehmen? Zum anderen, nehmen Sie bitte einmal zur Kenntnis, dass 2007 in Berlin ein ehrenamtlicher Tierschutzbeauftragter eingerichtet wurde, der, wie gesagt, ebenfalls ehrenamtlich arbeitet, und das von Ihrer Partei! Nehmen Sie das bitte einmal zur Kenntnis! Wenn Sie das jetzt als wenig durchdacht abtun, dann muss ich sagen, hat Ihre Partei das ebenfalls wenig durchdacht.

Ich stelle hier Folgendes fest: Herr Fecker, Ihre Partei, Ihre Fraktion, die sich immer so sehr als die Partei des Tierschutzes aufspielt, wenn es um wichtige Fragen geht, ist, seitdem sie in der Koalition mit der SPD ist, nicht mehr in der Lage, wichtige Tierschutzthemen umzusetzen. Sie lässt sich in Tierschutzfragen von der SPD am Nasenring hier durch die Manege beziehungsweise durch das Parlament führen!

(Abg. Frau B ö s c h e n [SPD]: Das war bei den Bären schon Tierquälerei!)

Schauen Sie bitte zu Ihren Parteikollegen nach Baden-Württemberg, Berlin, Hessen oder ins Saarland! Dort haben Ihre Kollegen die Einsetzung eines Tierschutzbeauftragten gefordert oder umgesetzt. Wenn Sie es nicht schaffen, das bei Ihrem roten Koalitionspartner durchzudrücken, tut mir das leid, zeigt aber eindeutig, wie wichtig Ihnen dieses Thema ist! – Vielen Dank!

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Beratung geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag des Abgeordneten Timke, BIW, mit der Drucksachen-Nummer 17/1197 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür Abg. T i m k e [BIW] und Abg. T i t t m a n n [parteilos])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/ Die Grünen, DIE LINKE und FDP)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Bundeswahlrecht ändern – dem Öffentlichkeitsgrundsatz Genüge leisten

Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/ Die Grünen vom 16. März 2010 (Drucksache 17/1217)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Mäurer.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Hamann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir als rot-grüne Koalition legen Ihnen heute einen Antrag vor, der „Bundeswahlrecht ändern – dem Öffentlichkeitsgrundsatz Genüge leisten“ heißt. Worum geht es? Es geht um den Einsatz von Wahlcomputern, genauer gesagt darum, dass wir eben exakt diese nicht möchten. Bei der Bundestagswahl 2005, der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag, sind solche Geräte eingesetzt worden. Es gab zwei Wahlprüfungsbeschwerden, die sind abschlägig beschieden worden, und daraufhin gab es dann Prozesse oder, genauer, Beschwerden beim Bundesverfassungsgericht. Das Bundesverfassungsgericht hat am 3. März 2009 ein wegweisendes Urteil in dieser Gemengelage gefällt und herausgearbeitet, dass der Einsatz von solchen Geräten verfassungswidrig war.

Trotzdem ist die Wahl nicht wiederholt worden, weil, so führt das Gericht aus, es keinerlei Anhaltspunkte gab, dass die Wahl manipuliert worden ist. Einige Zitate aus der Urteilsbegründung, genauer,

aus der Pressemitteilung vom 3. März, mit der Erlaubnis des Präsidenten, die ich jetzt gar nicht mehr brauche, zitiere ich: „Die bei der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag eingesetzten rechnergesteuerten Wahlgeräte entsprachen nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht den Anforderungen, die die Verfassung an die Verwendung von solchen Geräten stellt.“ Die Wahl ist nur deswegen nicht wiederholt worden, das habe ich erwähnt, weil es keine Hinweise auf eine Manipulation gab.

Zweites Zitat aus der Pressemitteilung: „Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl“ – und deshalb sitzen wir alle hier, weil es diesen Grundsatz gibt und wir uns darauf verlassen müssen –, „der sich aus der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung für Demokratie“ und so weiter „ergibt, gebietet, dass alle wesentlichen Schritte des Wahlvorgangs überprüfbar sein müssen“, und zwar überprüfbar sein müssen, ohne dass man ein Studium der Informatik hinter sich gebracht hat. Aus diesen Gründen sind diese Wahlcomputer abzulehnen, weil Sie dort eine schwarze Kiste, eine Black Box haben, wo Sie eine Stimme abgeben, und Sie müssen dieser Maschine, diesem Gerät dann vertrauen. Unseres Erachtens ist nicht gegeben, dass man das macht, weil eine Manipulation nicht ausgeschlossen werden kann.

Warum will man solche Wahlcomputer einsetzen? Was sind die Vorteile? Was wird immer als Vorteil genannt? Es wird immer als Vorteil genannt: Das Ergebnis ist dann schnell da. Um 18.00 Uhr schließen die Wahllokale, 18.05 Uhr hat man das Ergebnis, die „Lindenstraße“ muss nicht verschoben werden, und man kann entspannt ins Bett gehen. Nein, meine Damen und Herren, das ist für uns Sozialdemokraten so nicht hinnehmbar, sondern wir möchten gern die Transparenz der Wahlentscheidung, dass das vernünftig durchgeführt wird!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das ist ein Vorteil, der genannt wird.

Kommen wir zu den Nachteilen! Wenn man sich mit Praktikern unterhält, Leuten, die diese Wahlen durchzuführen haben oder die auch Erfahrungen gesammelt haben, gibt es mehrere Nachteile, erstens, keine Nachprüfbarkeit, ob das System manipuliert ist, das ist eine technische Entscheidung. Zweitens, die Kosten: Sie müssen solche Geräte kaufen oder leasen, haben dann allerdings das Problem, dass Sie diese Geräte nur alle vier oder fünf Jahre benötigen. Das heißt, diese Geräte müssen dann aufbewahrt werden. Normale Urnen können Sie aufbewahren, Bleistifte auch, das ist gar kein Problem. Die Geräte müsste man so aufbewahren, dass sie nicht manipuliert werden. Der dritte Nachteil eines solchen Systems ist, solche Systeme wirken abschreckend gerade für ältere Menschen, die vielleicht solchen Sys

temen kritisch gegenüberstehen. Das ergibt für uns am Schluss: Demokratie macht Arbeit.

Das Argument, dass das Auszählen etwas länger dauert, ist an der Stelle kein Argument. Wenn es eben zwei, drei Tage dauert, bis das Ergebnis feststeht, liegt es auch an uns, das Wahlgesetz da zu ändern. Aber nein, wir haben das jetzt hier auch in Bremen gemacht, sodass wir jetzt länger auf das Ergebnis warten müssen. Bei solchen Systemen gilt, Vertrauen ist gut, Kontrolle ist aber nicht möglich. Aus diesem Grund lehnen wir das ab und fordern den Senat auf: Bitte tun Sie das auch und folgen Sie unserem Antrag! – Vielen Dank!