Protocol of the Session on February 25, 2010

(Beifall bei der CDU und bei der FDP – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Ein Glück!)

Es stellt eher einen Anti-Masterplan dar. Konkrete Maßnahmen gibt es in Ihrem Antrag überhaupt keine. Was wir hier lesen können, sind wilde Theorien und Hetze vor allem gegen arme und arbeitslose Menschen in unserem Land. Dagegen verwahren wir uns!

(Beifall bei der LINKEN)

Das kann man aber auch verstehen, weil die FDP, wenn sie über Armutsbekämpfung spricht, wahrscheinlich wegen ihrer derzeitigen Umfragewerte ein bisschen psychologisch angeknackst ist. Die Umfragewerte auf Bundesebene und die Ermahnungen, die Ihr Parteivorsitzender von der Bundeskanzlerin erhält, schlagen aufs Gemüt. Herr Westerwelle muss sich zurzeit dafür rechtfertigen, dass er in der letzten Legislaturperiode eine viertel Million Euro für 36 Vorträge vor Unternehmen und Versicherungen dazuverdient hat, und diese – und ich zitiere jetzt explizit aus Ihrem Antrag, meine Herren, wenn Sie vielleicht auch zuhören könnten – „individuelle Erfahrung, dass Leistung sich lohnt“, möchte natürlich die FDP auch den Arbeitslosen zukommen lassen. Oder wie soll man sonst diese Formulierung in Ihrem Antrag verstehen?

Ebenso muss sich Herr Westerwelle derzeit dafür rechtfertigen, dass er 2007 Wahlspenden bei einem Unternehmer eingeworben hat, der bereits wegen Steuerhinterziehung vorbestraft war. Dies schlägt sich nun auch in Ihrem Antrag nieder, und zwar in der Forderung, und ich zitiere wiederum aus Ihrem Antrag: „Abbau bürokratischer Hürden für die Wirtschaft“. Weil die FDP mit ihrer Forderung nach noch mehr Steuersenkungen selbst bei der CDU inzwischen gegen die Wand läuft, werden die Steuersenkungen jetzt auch noch als Armutsbekämpfung verkauft. Das ist ein Armutszeugnis, meine Herren von der FDP!

(Beifall bei der LINKEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will nicht weiter auf dem Zynismus dieses FDP-Antrags herumreiten, das haben nun einige Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus schon getan. Wir brauchen einen wirklichen Masterplan „Armutsbekämpfung“! Das ist auch der Antrag, den wir Ihnen heute vorgelegt haben. Und am dringendsten brauchen wir ihn für Bremerhaven und vor allem auch für die besonders betroffenen Stadtteile hier in Bremen. Wir haben beim letzten Mal in der Aktuellen Stunde tatsächlich über die BIAJ-Studie debattiert, und wir haben daraus die Konsequenzen gezogen und Ihnen heute einen Antrag vorgelegt.

Viele Bausteine für einen solchen Masterplan sind inzwischen bekannt, das hat auch Herr Bartels hervorgehoben. Er sagte, das seien Fakten, die wir seit Jahren kennen. Warum aber, Herr Frehe – da frage ich Sie jetzt ganz direkt –, sagen Sie dann, dass dieser Antrag komplett überflüssig ist? Ich denke, wenn es um Armutsbekämpfung geht, können wir es nicht oft genug hier in diesem Haus wiederholen. Und wir müssen hier natürlich Konzepte zur Armutsbekämpfung einfordern.

Sie sagen, wir brauchen eine konsequente Politik zur Armutsbekämpfung, sagen aber gleichzeitig, Armutsbekämpfung sei eine Querschnittsaufgabe. Als

Querschnittsaufgabe, und das wissen wir aus der Vergangenheit, sind ganz viele wichtige Aufgaben hinten heruntergefallen. Ich hoffe nicht, dass Ihr Konzept beinhaltet, Armutsbekämpfung hinten herunterfallen lassen wollen.

(Abg. F r e h e [Bündnis 90/Die Grünen]: Im Gegenteil!)

Wir wollen, auch das haben wir gestern debattiert, dass Konsequenzen aus dem Bundesverfassungsgerichtsurteil zu den Hartz IV-Regelsätzen gezogen werden. Ungenügende Regelsätze müssen kompensiert werden, indem zunächst eine Reihe von Sonderbedarfen anerkannt wird. Daran arbeitet das Ressort zumindest nach Auskunft in der letzten Arbeits- und Gesundheitsdeputation. Aber auch das Miet-Gutachten, das der Senat in Auftrag gegeben hat, könnte man sofort abbrechen, denn eine Senkung der Mietobergrenzen, die unserer Auffassung nach damit bezweckt wird, wäre inakzeptabel.

(Abg. F r e h e [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist doch Quatsch, was Sie hier erzäh- len! – Abg. Frau G a r l i n g [SPD]: Das ma- chen Sie absichtlich!)

Wir brauchen auch weiterhin eine Fortsetzung und den Ausbau der aktiven Arbeitsmarktpolitik, selbst das haben Sie ja in Ihren Redebeiträgen hier vorn eingestanden.

(Abg. F r e h e [Bündnis 90/Die Grünen]: Sie wollen, dass wir rechtswidrig handeln!)

Völlig fehl am Platz sind vor allem Sanktionen. Darauf bin ich schon des Öfteren eingegangen. Es geht darum, Armut und nicht die Armen in diesem Land zu bekämpfen. Es ist bitter genug, arm und dazu noch arbeitslos zu sein. Es ist bitter genug, arbeiten zu gehen und trotzdem bei der BAgIS oder bei der ARGE in Bremerhaven aufstockende Hilfen zu beantragen. Das ständige Gerede hier von der rechten Seite aus diesem Haus, von der FDP, die Empfänger staatlicher Leistungen seien gar nicht wirklich bedürftig, ist eine soziale Kriegserklärung an die armen Menschen in dieser Stadt, an die Arbeitslosen, an die Geringverdienerinnen und -verdiener, an die Alleinerziehenden, an die 25 000 Kinder und Jugendlichen in Bremen und Bremerhaven, die von Sozialgeld leben müssen. Was die FDP und die Wahlumfragen angeht, finde ich daher ausnahmsweise weitere Sanktionen angebracht. – Vielen Dank!

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Nitz,

Sie können sich ziemlich sicher sein, dass für diese rot-grüne Koalition und diesen Senat die Armutsbekämpfung ein zentrales Anliegen ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Frau Garling und auch Herr Frehe haben sehr deutlich gemacht, dass Ihre Fraktion wiederholt einfach nicht zur Kenntnis nimmt, was diese Koalition macht. Das ist auch mehr und mehr Ihr und nicht unser Problem, das zieht sich ja auch ganz massiv durch den heutigen Tag hindurch, und im Laufe des Tages wird es auch einfach nicht besser. Da können wir dann auch nichts mehr machen.

Ich habe mich noch einmal gemeldet, weil Herr Dr. Buhlert vorhin meine Zwischenfrage nicht zulassen wollte, deswegen stelle ich sie jetzt von hier, und zwar möchte ich Sie ganz direkt fragen: Sind Sie tatsächlich der Auffassung, so wie ich das eben bei Ihnen herausgehört habe, dass Arbeitslose nicht leistungsbereit sind? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das irgendjemand hier im Haus glaubt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Bei uns ist das ganz anders: Wir gehen davon aus, dass Arbeitslosen die Chance genommen wird, ihre Leistung unter Beweis zu stellen und für ein eigenständiges Leben zu sorgen, weil die Arbeitsplätze so für sie nicht da sind. Das ist doch das Problem. Das Problem ist doch nicht, dass sie nicht leistungsbereit sind. Von daher würde ich das gern von Ihnen wissen wollen.

Der zweite Punkt ist, Sie sind für ein Mindesteinkommen. Sie sind gleichzeitig für massive Steuersenkungen, das schreiben Sie auch noch einmal in dem Antrag, dass Sie niedrigere Steuersätze haben wollen, Sie entlasten auch Hotels von der Mehrwertsteuer. Mich würde interessieren, wie Sie denn dieses Mindesteinkommen bei Steuersenkungen finanzieren wollen. Dann würde es mich auch interessieren, wie Sie das denn gerecht finanzieren wollen, und gerecht heißt für uns nicht, jeder bekommt in dieser Gesellschaft das Gleiche, sondern es geht für uns nach der Leistungsfähigkeit. Es gibt viele, die sich selbst helfen können, und andere können das nicht. Für uns steht die Aufmerksamkeit im Mittelpunkt, uns um die zu kümmern, die sich nicht selbst helfen können. Das ist für uns Sozial- und Arbeitsmarktpolitik.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Dann haben Sie einen Satz gesagt, den ich richtig finde. Natürlich ist es nicht erstrebenswert, viele Transferleistungsempfängerinnen- und -empfänger zu haben. Das sieht, glaube ich, niemand hier im Haus

anders. Aber es geht doch darum, dass es zu viele Menschen gibt, die nicht ausreichend Chancen haben, weil der Arbeitsmarkt gegenwärtig so ist, wie er ist. Die sind doch nicht Transferleistungsempfänger, weil sie das wollen, sondern weil sie keine Chancen haben, weil der Arbeitsmarkt so ist, wie er ist, und sie ihre Leistungsbereitschaft nicht anbieten können.

Wir haben doch vorhin gerade bei der ersten Debatte heute Nachmittag zum Handwerk darüber geredet. Wir wissen, dass das Handwerk für regionale Arbeitsplätze eine besondere Bedeutung hat. Wir wissen aber genauso, was im Zeitalter der Globalisierung mit InBev und Kraft Food passiert. Dort gehen Arbeitsplätze verloren aufgrund internationaler Konzernstrategien und Unternehmensstrategien. Damit müssen wir uns doch auseinandersetzen. Die Menschen sind doch nicht schuld an ihrer Arbeitslosigkeit, sondern das sind Ergebnisse wirtschaftlicher Entwicklungen. Dafür können Sie doch dann nicht die Arbeitslosen verantwortlich machen, so wie Sie das hier machen.

(Abg. D r. B u h l e r t [FDP]: Wo haben wir das gemacht?)

Das ist ein völliges Verkennen von gesellschaftlichen Entwicklungen. Wenn Ihre Fraktion hier sagt, Arbeitslose sind in Wirklichkeit nicht leistungsbereit

(Abg. D r. B u h l e r t [FDP]: Das haben wir nie gesagt! Schauen Sie einmal ins Pro- tokoll!)

und sie liegen denjenigen, die arbeiten, in Wirklichkeit auf der Tasche, das ist das, was Ihre Fraktion hier und im Bund ganz besonders immer wiederholt, dann ist das eine Haltung, die uns, glaube ich, gemeinsam hier im Haus ärgert.

(Abg. D r. B u h l e r t [FDP]: Pflegen Sie ruhig Ihre Vorurteile, sie stimmen nicht!)

Die rot-grüne Koalition arbeitet daran, Armut zu bekämpfen, sie arbeitet daran, Arbeitsplätze zu schaffen, wo sie es kann. Es ist klar, Arbeitsplätze werden zunächst in der Wirtschaft und nicht in der Politik geschaffen, wir sorgen für die Rahmenbedingungen, wir bemühen uns um Mindestlöhne, wir bemühen uns darum, dass Menschen von ihrer Arbeit leben können, und wir würden uns wünschen, dass die FDP in der Lage wäre, diesen Weg mitzugehen. – Herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Rosenkötter.

Herr Präsident, liebe Abgeordnete! Zunächst will ich hier ganz kurz auf den Antrag der LINKEN, Masterplan für Bremerhavens und Bremens benachteiligte Stadtteile, eingehen. Das ist nicht das erste Mal auch der Versuch, hier immer wieder nicht zur Kenntnis zu nehmen, was von der rot-grünen Regierung in den letzten Jahren auf den Weg gebracht worden ist. Wenn Sie, Herr Müller, sagen, für Armutsbekämpfung wären wir nicht zuständig und würden wir nicht machen, dann sage ich Ihnen, schauen Sie sich das an, was in den letzen Jahren beim KiTa-Ausbau, beim kostenlosen Mittagessen, beim Kultur- und Sozialticket und bei all den Dingen, die hier in den letzten Monaten und Jahren auf den Weg gebracht worden sind, passiert ist! Wir kümmern uns darum, dass vor Ort und bei den Menschen, Herr Müller, in Bremen und Bremerhaven diese Dinge ankommen und nicht nur, dass wir hier über einen Masterplan reden, den Sie dann irgendwann in die Schublade packen, sondern wir setzen Dinge um und bringen Sie in die Stadtteile zu den Menschen direkt vor Ort.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Und Frau Nitz, ich bitte Sie ganz herzlich darum, nicht immer an dieser Legende zu stricken, wir würden das Geld für die Beschäftigungsmaßnahmen und für die Arbeit kürzen. Sie wissen ganz genau, welche Mittel wir aus dem Europäischen Sozialfonds zur Verfügung haben, und diese Mittel werden auch für diese Maßnahmen eingesetzt. Dass diese Mittel von der EU aus für diese Legislaturperiode geringer ausfallen, das wissen Sie doch, und das ist doch der Ausgangspunkt dieser ganzen Situation. Also, ich bitte wirklich darum, hier nicht an Legenden zu stricken, sondern dann auch die Punkte und die Fakten genau zu betrachten und auf den Tisch zu legen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Meine Damen und Herren, natürlich ist eine solche Debatte emotional geladen. Ich glaube, das ist ganz selbstverständlich. Es geht um Menschen in unseren beiden Städten, und es geht darum, wie wir Menschen helfen, insbesondere den Menschen helfen, die sich in schwierigen Lebenssituationen befinden. Ich komme natürlich – und das ist der Antrag, der hier auch den breitesten Raum eingenommen hat – zu Ihrem Antrag, zu dem Dringlichkeitsantrag der FDP, den Sie uns hier in elf Spiegelstrichen vorgelegt haben. Mittlerweile weiß man, dass Sie, Herr Dr. Möllenstädt, Herrn Westerwelle ziemlich unreflektiert das Wort reden und zur Seite treten. Das haben Sie gestern auch hier sehr deutlich klargemacht.

Ihre Anträge, die Sie hier in der Bremischen Bürgerschaft stellen, sind allzu oft Blaupausen, die in

anderen Bundesländern auf den Tisch gelegt werden, ohne die Realität und ohne die Tatsachen hier auch für das Bundesland Bremen wirklich zu berücksichtigen und in diese Antragstellungen mit einzubeziehen. Sie rufen sich als Schutzpatron der kleinen Leute aus – ich sage das noch einmal – und schaffen Gesetze für Besserverdienende! Das ist die Wahrheit, die Sie hier auf den Tisch legen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Diese Gesetze werden die Kommunen und die Länder in die schwierige Lage versetzen, weniger Geld für das zur Verfügung zu haben, was wir wollen, nämlich was Sie, Herr Dr. Buhlert, auch deutlich gemacht haben, was wir alle hier gemeinsam wollen, nämlich mehr Kindertagesstättenplätze und mehr Ganztagsschulen. Sie aber setzen die Axt an der Stelle an, wo den Städten und den Ländern die Möglichkeit gegeben wird, dies auch tun zu können. Sie stellen die Sicherung und Schaffung der Arbeitsplätze in den Mittelpunkt. Das tun wir auch, und nicht erst seit heute und seit gestern, das haben wir in unserem Koalitionsvertrag mit an die erste Stelle gestellt, dass das ein ganz wesentlicher Punkt ist.

Es geht uns – und da unterscheiden wir uns ganz deutlich – um die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen, und es geht um die Verhinderung und Minderung der sozialen Spaltung. Das ist unsere Aufgabe, dies gemeinsam auch in einer Balance hinzubekommen. Natürlich sind dafür die Arbeitsplätze ein ganz wichtiger Punkt. Sie sprechen in Ihrem Antrag – ich will das hier auch zitieren – von „selbstbestimmten würdevollen Leben durch Arbeit“. Was ist denn das, wenn Sie hier ein Kombilohnmodell vorlegen? Sie wollen einen Niedriglohnsektor. Sie wollen die Menschen nicht in den Stand versetzen, dass sie von einer Vollzeitarbeit sich und auch eine Familie ernähren können. Das ist die falsche Konsequenz, die Sie ziehen!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Setzen Sie sich für Mindestlöhne ein, und setzen Sie sich dafür ein, dass wir auch im Leiharbeitsbereich vernünftige Regelungen hinbekommen, dann sind wir einen ganz großen Schritt weiter. Das, was Sie hier angehen, ist ein Irrweg, das ist ein falscher Weg, und den gehen wir nicht mit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich will zum Schluss noch einen Punkt ansprechen, der heute in der Debatte keine Rolle gespielt hat, der aber auch dazugehört, wenn wir über Menschen und darüber sprechen, dass wir auch die unterstützen und