Protocol of the Session on September 20, 2007

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/ Die Grünen]: Um Gottes willen!)

sondern es ist Formung des Staates, um geschlechterspezifische Ungerechtigkeiten, die angelegt sind in einer Systematik, in der wir leben, ein Stück weit zumindest aufzudecken und möglicherweise dann zu überwinden.

(Beifall bei der Linken, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Dass das mit Schwierigkeiten verbunden ist und es mit Sicherheit eine Menge Beispiele gibt, wo man sehr vernünftig sein muss, ist völlig logisch. Aber es sozusagen lächerlich zu machen an Beispielen, wem nützen eigentlich Bäume am Straßenrand – Männern oder Frauen –, dazu könnte ich ein Beispiel geben, was sie nützen und was nicht, aber das will ich jetzt nicht tun. Es lächerlich zu machen in diese Richtung, dient, glaube ich, der Sache nicht, und ich kann nur noch einmal appellieren, dass man sich dieser Form der Aufgabe in diesem Hause gemeinsam stellt und sich nicht ausblendet aus einem so wichtigen Prozess. – Danke!

(Beifall bei der Linken, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Ahrens.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ja wunderbar, wenn früh am Morgen gleich ein bisschen Pfeffer in die Debatte hineinkommt. Dass die Einführung des Gender Budgeting keine zusätzlichen Gelder kostet, genau das haben die anderen Länder doch nun wirklich bewiesen, genauso wie der Bund, der ––––––– *) Vom Redner und der Rednerin nicht überprüft.

ja gerade eine Kompetenzstudie in diesem Zusammenhang macht, um zu schauen, ob es Möglichkeiten gibt, in einigen Bereichen etwas einzuführen oder auch nicht. Das hat durch diese Studie, die erhebliche Gelder kostet, auch schon zu einigen Schwierigkeiten geführt, weil man gerade feststellt, dass es vielleicht doch etwas schwieriger ist, als man ursprünglich gedacht hat.

Auch in anderen Ländern, und da können Sie einfach einmal unter Google „Gender Budgeting“ eingeben, werden Sie sehen, dass dort erhebliche Beträge in Millionenhöhe ausgegeben werden, um diese geschlechtsspezifischen Daten zu erfassen. Wenn Sie sich das Gender-Kompetenzzentrum ansehen, das mögliche Ansatzpunkte für Gender Budgeting aus deutscher Perspektive aufgestellt hat, steht dort zum Beispiel beim Thema öffentliche Kreditaufnahme – jetzt halten Sie sich fest, es ist ja auch wieder männlich oder weiblich –: „positiver Effekt für Männer“. Männer halten überdurchschnittliche Anteile an Staatsschuldtiteln.

Wenn ich mir dann andere Bereiche ansehe, zum Beispiel die Sanierung einer Brücke, dann muss ich demnächst wahrscheinlich erst einmal eine Datenerhebung durchführen, wie viele Menschen im Durchschnitt diese Brücke benutzen, aufgeteilt nach Männern und Frauen, um dann hinterher zu sehen, wie das insgesamt aussieht.

(Zurufe von der SPD und vom Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist doch eine Karikatur! Sie karikieren sich doch selbst!)

Wenn ich dann feststelle, dass dort in dem Bereich eher Männer unterrepräsentiert sind, wird entsprechend nachgesteuert, und wenn es Frauen sind, auch an anderer Stelle. Das halte ich für ausgesprochen schwierig!

Ich bin auch der Auffassung, im Gegensatz zu Ihnen, Herr Rupp, dass hier der Staat seine Bürger ganz klar umformen will. Ich möchte als Frau jetzt nicht auf einmal gezwungen werden, einen Kettensägekurs zu machen, nur weil dort Frauen unterrepräsentiert sind, oder irgendwelche anderen Dinge.

(Zurufe von der SPD und vom Bündnis 90/ Die Grünen: Oh! – Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Das möchten wir auch nicht!)

Obwohl, wenn ich mir hier einiges manchmal anhöre, könnte man durchaus auf die Idee kommen! Ich muss Ihnen an dieser Stelle aber sagen: Ich bin froh, dass ich eine Frau bin, und das ist auch gut so!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Hoch.

(Unruhe – Glocke)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mir fehlen die Worte, und das ist selten, Frau Ahrens!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der Linken – Abg. D r. G ü l d - ner [Bündnis 90/Die Grünen]: Das passiert nicht oft, nicht?)

Ich war bei Ihrer Rede wie vom Donner gerührt, das muss man sagen. Ich habe auf den Kalender geschaut und gedacht: Haben wir den 11.11.? Ich meine, dann hätte ich das vielleicht noch einsortieren können. Die zweiten Beispiele haben die Sache ja noch getoppt, das muss man ja wohl sagen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der Linken)

Ich meine, Frau Ahrens, Sie sind doch auch schon länger im Parlament, und die Debatten führen wir hier, wie gesagt, ja nicht das erste Mal, sondern vor vier Jahren ja schon einmal. Es ist nie Ziel des Gender Budgeting gewesen, 50/50 zu erreichen. Das ist nirgendwo das Ziel gewesen. Überlegen wir uns doch einmal zum Beispiel den Haushaltsposten Justizvollzugsanstalten! Wollen wir jetzt fordern, dass jetzt 50 Prozent dafür für Frauen ausgegeben werden?

(Heiterkeit und Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der Linken)

Wer sitzt denn darin? Ich bitte Sie! Das möchte ich gar nicht, diese Forderungen stelle ich hier gar nicht auf.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der Linken – Abg. F o c k e [CDU]: Wollen Sie jetzt diskutieren, oder was?)

Herr Focke, ich würde mich freuen, wenn auch Sie an dieser Debatte teilnehmen, wunderbar!

(Heiterkeit und Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der Linken)

Das zeigt jedoch, wie wichtig es auch ist, dass wir noch einmal den öffentlichen Diskurs führen und wir Sie, glaube ich, ein bisschen in die Realität zurückholen.

Noch ein paar Anmerkungen zur FDP-Fraktion: Sie halten das für einen zusätzlichen bürokratischen Auf––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

bau. Natürlich sind Sie für Geschlechtergerechtigkeit, aber das eben nicht: keine Transparenz in die Geschichte. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Sie noch nach Leitern suchen, während wir schon auf den Bäumen sind. – Vielen Dank!

(Heiterkeit und Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der Linken)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Bürgermeisterin Linnert.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich bei den Fraktionen für den Antrag bedanken. Er hilft dem Senat auf die Sprünge und ein bisschen schneller zu werden. SPD und Grüne haben in ihren Koalitionsvereinbarungen festgehalten, dass diese Regierung Projekte des Gender Budgetings auflegen soll, und wir wollen das auch gern machen.

Ich will es hier auch noch einmal aus Sicht des Senats sagen: Das ist vielleicht ein Thema, das die Gemüter hier erhitzt, aber es geht zunächst einmal vor allen Dingen um Transparenz, Haushaltsanalyse und zusätzliche Erkenntnisse, und es will mir nicht so richtig einleuchten, was daran ein Problem sein könnte. Wir haben an vielen Punkten das Problem, und deshalb deckt sich das auch insgesamt mit der Haushaltspolitik des Senats, dass sich im Haushalt zu viele Dinge verbergen, die wir nicht genau verstehen. Diese Regierung hat es sich in allen Bereichen als Ziel gesetzt, dass wir versuchen, es hinzubekommen, diese Ungereimtheiten oder Unklarheiten und fehlenden Aussagen über die Wirkungsweise der unterschiedlichen Haushaltsansätze zu beleuchten und transparent zu machen, und dabei ist Gender Budgeting ein Instrument von mehreren, aber ein gutes und zukunftsgerichtetes.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der Linken)

Es ist eine Herangehensweise zur Analyse des Haushalts, um seine Wirkungsweise besser zu verstehen, und – Frau Hoch hat es ja jetzt dankenswerterweise gerade gesagt – von niemandem wird vertreten, dass es da um 50/50 geht. Ich sage einmal: Man muss jetzt auch die Kirche im Dorf lassen. Mein Haus wird dem Parlament mit Sicherheit nicht einen himmelblauen und einen rosa Haushalt zuleiten, wenn solche Befürchtungen dahinterstehen sollten.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der Linken – Zuruf des Abg. D r. B u h l e r t [FDP])

Es geht auch nicht darum, die Zahlungen von Bundesgeldern an die Bundeswehr einzustellen, weil da mehr Männer beschäftigt sind, oder Frauen keine Ge

sundheitsförderung mehr zugute kommen zu lassen, weil sie einen überdurchschnittlichen Anteil verbrauchen, sondern wir wollen wissen, wie es funktioniert.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Kettensägen stehen dort auch nicht darin, nicht?)

Nein!

Jetzt möchte ich gern noch einmal über den Weg sprechen, wie wir dort hinkommen! Diese Debatte hat auch für mich noch einmal sehr bestätigt: Es geht darum, die Öffentlichkeit mitzunehmen, in der Öffentlichkeit darüber zu sprechen, was wollen wir damit eigentlich, und Ziele zu definieren, an welchen Bereichen haben wir welches Erkenntnisinteresse, damit dieses Diffamierende, dort entstünden nur neue Kosten, widerlegt wird. In meinem Haus werden dafür keine zusätzlichen Kosten entstehen, sondern wir machen das mit den Ressourcen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die wir haben. In der Öffentlichkeit soll klar werden, was wir damit eigentlich wollen, was wir wissen wollen und was dann das Steuerungsziel ist.

Ich schlage deshalb vor, dass Sie sich in den Deputationsberatungen über den Haushalt für die Haushalte 2008 und 2009 in der Deputation auf jeweils zwei Produktgruppen einigen, die Sie jeweils besonders interessieren, sie dann als Produktgruppen herausfiltern und sagen, das sollen die Bereiche sein, in denen wir die Instrumente des Gender Budgetings anwenden, und dann werden wir uns diese Bereiche gemeinsam mit den Fachressorts – aus dem Finanzressort allein kann das nicht gehen, sondern das müssen wir zusammen machen – genauer anschauen und mit Ihnen zusammen auch die Fragestellungen entwickeln. Das ist mir ganz wichtig, deshalb ist Ihr Antrag auch sehr gut, weil er auch auf die ganze Frage der Prozesshaftigkeit abstellt.

Wir wollen auf jeden Fall, dass ein gemeinsamer Diskussions- und Verständigungsprozess stattfindet, damit jetzt nicht Top-down irgendwelche Fragestellungen entwickelt werden und sich dann hinterher im Grunde herausstellt, dass wir das gar nicht gebrauchen können. So ist jetzt mein Vorschlag und der Vorschlag des Senats, wie wir damit umgehen wollen, und danach folgt das Controlling. Deshalb können wir auch nicht schon den Haushalt 2007 controllen, weil er nicht nach den Kriterien des Gender Budgetings aufgestellt wurde, sondern wenn wir wissen, was sich in den Haushalten 2008 und 2009 an Erkenntnisinteresse im Rahmen des Gender Budgetings verbirgt, dann können wir das auch controllen und im Laufe des Jahres in den Controllingberichten herausbekommen, welche Entwicklung es genau gegeben hat.

(Beifall bei der SPD)

Vielleicht ist es auch so, ich sage einmal Sportförderung: Ist es wirklich uninteressant zu wissen, in welchen Bereichen wie viele Gelder an Sportarten gehen, die vornehmlich von Männern oder von Frauen wahrgenommen werden? Ich finde das interessant, und es hilft uns auch bei den Entscheidungen, wenn es darum geht, die knappen Mittel zu verteilen. Wenn ich zum Beispiel feststelle, es gibt da ein sehr großes Ungleichgewicht zwischen von Männern und von Frauen bevorzugten Sportarten zu lasten der Frauen, dann würde ich immer sagen: Es gibt ein neues Argument, wenn Renovierungs- oder Instantsetzungsanträge für, ich sage einmal, Umkleidekabinen für Mädchen gestellt werden – ich weiß von meiner eigenen Tochter, da gibt es zum Teil auch unschöne Zustände –, dass wir immer zusätzliche Argumente gewinnen würden, um zu sagen, das muss jetzt ganz oben auf die Prioritätenliste. Was kann daran schlecht sein? Das verstehe ich nicht!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der Linken)

Vor allen Dingen auch der Bereich Jugendförderung, der hier ja auch schon angesprochen worden ist, ist ein interessanter Bereich. Wo wir genauer schauen können, ist: Wie wirkt es eigentlich bei der Wirtschaftsförderung? Es würde uns helfen, gezieltere Angebote zu machen, zum Beispiel gerade an Existenzgründerinnen, oder auch im Wissenschaftsbereich: Wie wirkt eigentlich die Förderung bestimmter Institute im Rahmen der Geschlechtergerechtigkeit?

All das sind Dinge, die interessant sind. Wie Sie, Frau Ahrens, hier im Grunde ein bisschen den Teufel an die Wand gemalt haben, dass das eine Art Neuauflage im Krieg gegen Männer sein könnte, ich weiß auch nicht, ich komme nicht auf so eine Idee. Wenn ich Zusätzliches wissen will, ist das erst einmal völlig neutral und hilft mir dann allerdings in der politischen Auseinandersetzung, möglicherweise Dinge zu vertreten, die Ihnen inhaltlich nicht gefallen. Aber dann, finde ich, sollte man sich lieber in der Diskussion betätigen und nicht versuchen, Ziele dadurch umzusetzen, dass man lieber im Zustand der Unwissenheit und Unschuld bleiben möchte.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der Linken)