Protocol of the Session on November 19, 2009

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD, bei der CDU und bei der LINKEN)

Nicht nur bei der häuslichen Beziehungsgewalt, sondern gegen Gewalt in allen ihren Facetten müssen wir als Gesellschaft alle erdenklichen Maßnahmen unternehmen und ergreifen, um deutlich zu machen, dass wir Gewalt nicht tolerieren. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD, bei der CDU und bei der LINKEN)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Ahrens.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Jede dritte Frau wird im Laufe ihres Lebens Opfer von Gewalt. Rein statistisch gesehen müssten also auch hier in diesem Haus Frauen dabei sein, die in irgendeiner Form schon einmal Gewalt erfahren haben. Das Gewaltschutzgesetz des Bundes und die Veränderungen des Bremischen Polizeigesetzes, also das Wegweisungsrecht, haben im Interventionsbereich viel für die von Gewalt betroffenen Frauen und Mädchen verbessert. So gibt es seit dem Jahr 2007 eine Verdoppelung der Zivilrechtssachen, die wahrscheinlich auf eine höhere Sensibilität in der Bevölkerung gegen Gewalttaten im nahen Umfeld und auf ein geändertes Anzeigeverhalten zurückgehen. Es gibt eine signifikante Steigerung und Erhöhung in den Familiensachen, aber es gibt auch eine Verdoppelung der Verfahren analog dazu bei den Kindesschutzfällen. Das heißt, Sorgerechtsentziehungsanträge oder auch Anträge auf Überprüfung der Sorgefähigkeit der Eltern nach Paragraf 8 a SGB VIII sind ebenfalls gestiegen.

Wenn man sich dann ansieht – um noch einmal beim Gewaltschutzgesetz zu bleiben –, wie sich das Verfahren an dieser Stelle darstellt, so stellt man fest, dass es an der einen oder anderen Stelle aber nach wie vor noch Verbesserungsbedarf gibt und Optimierungspotenzial vorhanden ist. Wenn die Polizei in ein solches Verfahren gerufen wird und eine Wegweisung ausspricht, wird sie sofort tätig und informiert das Amt für Soziale Dienste. Dies soll sich – so erst einmal in der Theorie – unmittelbar nach Erhalt schriftlich an die betroffene Person wenden und einen Hausbesuch innerhalb von drei Tagen durchführen. Größtenteils gelingt dies auch. Bremerhaven ist übrigens in diesem Bereich absolut führend, man schafft es, dort 100 Prozent zu erreichen, in Bremen, so mussten wir dem Bericht entnehmen, ist dies in 137 von 152 Fällen gelungen. Deswegen haben wir auf dieses Thema in dem Bericht, den der Gleichstellungsausschuss Ihnen übermittelt hat, auch noch einmal aufmerksam ge

macht. Da wünschen wir uns eine noch bessere Kommunikation, damit alle Frauen erreicht werden, denn das ist uns wichtig!

Wichtig ist uns auch, dass wir als CDU-Fraktion in einem weiteren Fall noch eine Verbesserung hinbekommen, und da möchten wir Sie bitten, Frau Senatorin, dass Sie sich dieser Angelegenheit annehmen. Es gibt ja nicht nur die Wegweisung, die von der Polizei ausgesprochen wird, es gibt auch den Fall, dass das Gericht per Gerichtsbeschluss einen Wohnungsverweis ausspricht. Ich habe eben schon das Verfahren für die Wegweisung nach dem Polizeigesetz dargestellt, wenn der Verweis durch die Polizei ausgesprochen wird. Es gibt ja eine Verwaltungsvereinbarung, die die Zusammenarbeit regelt. Diese Dienstanweisung hat aber leider noch keine Regelung, die ebenfalls eine Wegweisung nach Gerichtsbeschluss beinhaltet und das Verfahren danach regelt.

Da wünscht sich die CDU-Fraktion, dass an dieser Stelle das gleiche Verfahren in Gang gesetzt wird wie bei einer Wegweisung durch die Polizei und dass hier auch die betroffenen Frauen eine ganz klare Information erhalten, denn die Kontaktaufnahme der Sozialdienste zu den betroffenen Frauen hat ja zum Ziel, die Frauen über ihre rechtlichen Möglichkeiten und die notwendigen Schritte zu informieren, weitergehende sozialpädagogische Hilfen und Unterstützungen abzuklären und Weiteres zu veranlassen. Insofern besteht aus unserer Sicht an dieser Stelle Handlungsbedarf, und wir würden uns sehr freuen, wenn Sie sich dieser Angelegenheit annehmen würden.

(Beifall bei der CDU)

Stalking ist ebenfalls ein sehr großes Thema. Stalking ist teilweise viel näher, als man denkt, denn es gibt nach Expertenmeinung für das Land Bremen eine Dunkelziffer, die sich im Bereich von 5 000 Opfern bewegt. Das ist ziemlich hoch, und wir können erkennen, dass die Strafbarkeitsregelung, die die Gesetzeslücke geschlossen hat, die es bisher gab – der Paragraf 238 StGB, der erst seit dem 31. März 2007 gilt –, zu einem sprunghaften Anstieg der Stalkingfälle geführt hat, die damit auch aktenkundig gemacht werden konnten. Was uns in diesem Zusammenhang sehr freut, ist, dass sich auf Initiative der CDU das gesamte Haus hier zusammengefunden hat und das Kriseninterventionsteam Stalking-KIT weiterfinanziert hat. Das ist ein ganz wichtiger Bereich, und ich bin da meinem Kollegen, Herrn Frehe, auch sehr dankbar, der sich persönlich dafür eingesetzt hat, dass hier beim Täter-Opfer-Ausgleich das Stalking-Kriseninterventionsteam weiter seine Arbeit machen kann, das Täter und Opfer gleichermaßen berät und dazu führt – und das ist der große Erfolg –, dass in fast allen Fällen das Stalking sofort beendet wird.

Das ist es, was die Frauen sich wünschen: Sie wollen eine Beendigung der Stalking-Situation, und mit einer Anzeige bei der Polizei allein ist der Täter nicht

unbedingt in jedem Fall zu stoppen. Wenn aber auch ein Gespräch mit einem Psychologen stattfindet, der vielleicht noch einmal sehr viel deutlicher und in einer anderen Form klarstellt, was dort eigentlich von dem Täter gemacht worden ist, was dort passiert ist, dann stellt man fest, dass dies sehr häufig zu einer sofortigen Beendigung des Stalkings geführt hat. Damit ist das Stalking-Kriseninterventionsteam ein echtes Erfolgsmodell.

(Beifall bei der CDU und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Glocke)

Ich komme zum Schluss! Die anderen Punkte sind von meinen Kolleginnen schon sehr deutlich angesprochen worden. Ich möchte nur noch zwei kurze Gedanken sagen: Frauenhäuser, sind ein ganz wichtiger Bereich, der weiterhin im Lande Bremen bestehen muss. Wo wir auch ganz deutlich noch mehr machen müssen, ist bei den Frauen mit Migrationshintergrund, die teilweise aus Strukturen kommen, in denen völlig andere Vorstellungen herrschen; Zwangsverheiratung ist ein Thema, Ehrenmord ein zweites Thema, aber auch der Bereich, wie die Rolle der Frau überhaupt zu sehen ist. Hier müssen wir auch aus Sicht der CDU maßgeblich weiter voranschreiten. FIT-Migration und FIT-Eltern sind zwei Programme, die helfen, aber ich glaube, diesem Bereich muss weitere Aufmerksamkeit gewidmet werden. – Danke schön!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte nicht auch noch auf das eingehen, was richtigerweise schon von den Kolleginnen gesagt wurde. Die Fallzahlen steigen deutlich, Grund ist vor allem die zu Recht erhöhte Sensibilität der Bevölkerung für die Problematik. Ich möchte auf einen anderen Punkt eingehen und diesen hervorheben, der nämlich noch nicht so eine große Rolle gespielt hat. Er ist nur bei Frau ArnoldCramer ein wenig angeklungen, aber er spielt nicht nur in weiten Teilen der Bevölkerung, sondern auch hier und anscheinend auch an anderer Stelle kaum eine Rolle und findet auch beim Senat kaum oder keine Beachtung. Das ist die häusliche Beziehungsgewalt gegen Männer.

Der Titel des Berichts lautet schlichtweg „Häusliche Beziehungsgewalt“ und ist geschlechtsneutral, und auch der Senat behauptet in seiner Antwort auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion, die sprachlichen Formulierungen des Berichts vermeiden männliche und weibliche Zuschreibungen. Dennoch heißt es gleich im ersten Satz in der Einleitung des Berichts: „Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist immer noch ein großes gesellschaftliches Problem.“ Das ist nicht

zu bestreiten, aber es ist eine einseitige Zuschreibung, einseitige Feststellung und einseitige Sicht nur eines Problems und nicht des anderen Problems.

Ich kann verstehen, dass Gewalt gegen Frauen und Mädchen ein besonderer Schwerpunkt eines solchen Berichts ist und auch sein muss.

(Beifall bei der FDP)

Ich habe aber kein Verständnis dafür, dass Männer als Opfer ausgeblendet werden.

(Beifall bei der FDP und bei der SPD)

Zu sagen, so etwas gäbe es nicht, stimmt schlichtweg nicht. Dies hier zu ignorieren – –.

(Abg. Frau B ö s c h e n [SPD]: Wo steht das? – Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das hat ja auch keiner gemacht! – Zuruf der Abg. Frau T r o e d e l [DIE LINKE])

Ich habe das anders wahrgenommen, und ich darf hier auch das sagen, was ich möchte!

(Beifall bei der FDP – Abg. D r. G ü l d - n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Grundge- setzlich geschützt!)

Es gibt häusliche Beziehungsgewalt mit Männern als Opfer, dazu gibt es inzwischen diverse Studien. In Bremen wird es anscheinend systematisch übersehen, und obwohl der Senat in seiner Antwort anerkennt, dass es eine hohe Dunkelziffer von Gewalt gegen Männer gibt, sieht er zugleich zurzeit keinen gesonderten Handlungsbedarf. Wir als FDP halten das für falsch. Nach Erkenntnissen einer Studie des Bundesfamilienministeriums von 2002 zum Beispiel hat mehr als jeder zehnte Mann einseitig körperliche Gewalt durch seine Partnerin erlitten.

(Zuruf: Ja, das wissen wir alle!)

Unter der Einwirkung psychischer Gewalt leiden laut derselben Studie noch weitaus mehr Männer.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Fast jeder! – Heiterkeit)

Hier ist der Senat aufgefordert, endlich die Augen zu öffnen, und auch der Gleichstellungsausschuss muss in der Frage der Gewalt gegen Männer mehr tun, und sich dieser Frage widmen. Gewalt, egal gegen wen, ist nicht hinzunehmen.

(Beifall bei der FDP)

Alte feministische Feindbilder helfen da nicht weiter. Wir erwarteten als FDP, dass der nächste Bericht dann auch beide Geschlechter in den Blick nimmt und dass in Bremen und Bremerhaven auch in diesem Feld etwas passiert. Ein einzelner Hinweis auf Kickboxen und so weiter hilft dann eben leider nicht. Dass der Frauennotruf für vergewaltigte Frauen und Mädchen in Bremen jetzt auch für Männer zuständig sein soll, wird dem Problem dann wahrlich nicht gerecht und ist wohl eher ein schlechter Scherz. Sollte das ernst gemeint sein, zeigt das eine: Von echter Männerpolitik hat man überhaupt keine Ahnung.

(Beifall bei der FDP)

An diejenigen, die da skeptisch schauen: Frauen, die Opfer von Gewalt sind, wenden sich an Frauen. Wir schauen, dass in diesen Fällen Polizeibeamtinnen da sind, entsprechendes weibliches Personal, und dass dieser Notruf dann auch mit Frauen besetzt ist, damit Frauen sich dorthin wenden können. Wenn Männer Opfer von Gewalt sind, die sie von Frauen erlitten haben, wollen sie bestimmt nicht gleich Frauen ansprechen, die ihnen dann dabei helfen. Das ist, glaube ich, ziemlich eindeutig, und insofern ist wohl ziemlich klar, was ich hier mit diesem schlechten Scherz gemeint habe.

(Beifall bei der FDP)

Die FDP hat auf Bundesebene dafür gesorgt, dass Jungen- und Männerpolitik ernst genommen wird und ausdrücklich im Familienministerium angesiedelt ist. Die Aussage des Senats zu diesem Thema ist, die Zuständigkeit ist abhängig vom jeweiligen Sachverhalt. Uns reicht dies nicht, wir hätten hier gern auch eine klarere Zuständigkeit. Wer Gleichstellung umfassend denkt und die eigenen Aussagen über Genderpolitik ernst nimmt, setzt auch Männerpolitik auf die Tagesordnung und berücksichtigt solche Fragen in Debatten über häusliche Beziehungsgewalt oder macht zwei, eine über häusliche Beziehungsgewalt gegen Frauen und eine über häusliche Beziehungsgewalt gegen Männer. Man muss eben beides sehen. Man darf nicht das eine sehen und das andere ignorieren, sonst kommt man hier ins falsche Fahrwasser, und das wird diesem Thema in der Tat nicht gerecht. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Arnold-Cramer.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines ist doch wohl klar: Gewalt lehnen wir alle ab,

(Beifall) ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft. egal von wem sie kommt und an wen sie geht! Warum gibt es diesen Bericht über häusliche Beziehungsgewalt, der vor allen Dingen Frauen in den Mittelpunkt stellt? Weil Frauen nach ihrer langen Leidensphase endlich aufgestanden sind und gesagt haben, wir machen das nicht mehr mit, wir wollen hier das, was uns Schändliches angetan wird, auch in die Öffentlichkeit bringen, wir wollen auch Genugtuung, wir wollen auch, dass diese Täter bestraft werden! (Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Auf diese politischen Initiativen, das Drängen der Frauenverbände hin, sind diese Maßnahmen entwickelt worden, und aufgrund dieser Initiativen liegt uns heute auch dieser Bericht vor. Das darf man nicht vergessen. Ich denke, Herr Dr. Buhlert, Gewalt an Jungen ist genauso schändlich wie Gewalt an Mädchen oder Frauen, da sind wir uns alle einig.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der LINKEN)

Wenn wir Sie jetzt an unserer Seite haben, auch hier zu kämpfen, um gegen häusliche Gewalt, ganz egal auf welcher Ebene, anzugehen, dann ist das toll, dann machen wir einen Schulterschluss, aber eines ist nach wie vor klar: Über 90 Prozent aller Gewaltopfer sind Frauen, und das, was Frauen hier widerfährt, ist – und das ist vielleicht wirklich einmal so auszusprechen – sehr brutal.

(Abg. E l l a [FDP]: Woher kommt die Zahl 90 Prozent denn?)

Das sind die Ergebnisse von verschiedenen Studien. Wenn Sie sich damit beschäftigt hätten, Herr Ella, hätten Sie diese Zahl auch parat!

(Beifall bei der SPD)

Ich freue mich jedenfalls, wenn wir hier den Schulterschluss hinbekommen und ein großes Projekt in der Stadt anlegen. Wir können hier insgesamt für Männer und Frauen und bestimmte Zielgruppen Öffentlichkeitsarbeit betreiben, weil ich nach wie vor der Auffassung bin, dass das, was Gewalt am besten bekämpft, die Öffentlichkeitsarbeit ist und es in die Köpfe der Menschen eindringt, dass dies ein Verbrechen ist und dass man sich dagegen auch erfolgreich wehren kann.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der FDP)