Protocol of the Session on October 28, 2009

Ich frage mich nur: Warum hat das so lange gedauert? Wie oft hat unser Haushalts- und Finanzexperte Herr Rupp hier vor Ihnen gestanden und darauf hingewiesen, warum der Sanierungspfad nicht funktionieren kann beziehungsweise wie weit damit die soziale Spaltung dieser Stadt von Rot-Grün vorangetrieben wird? Wie oft sind wir dafür verlacht worden? Das ist nicht so schlimm, aber man muss doch einmal deutlich sagen, Bürgermeister Böhrnsen, da spreche ich Sie auch persönlich an, Sie sind nach Berlin geeilt, um den zugegebenermaßen ungerechten Länderfinanzausgleich zu verändern, und als dieser dann schon gar nicht mehr auf der Tagesordnung gestanden hat, sind Sie noch weiter gegangen und haben auch noch die Schuldenbremse aktiv gefördert und auch noch unterschrieben. Das kann ich wirklich beileibe nicht verstehen. Ich frage Sie: Soll so glaubwürdige Politik für die Bürger in Bremen aussehen? Ich sage da deutlich nein!

(Beifall bei der LINKEN)

Nehmen wir als Beispiel, da will ich auch ganz konkret werden, die Kosten der Unterkunft bei Arbeitslosengeld-II-Beziehern! Wenn sich in den letzten Wochen, was teilweise die Sozialdeputation für sich in Anspruch nimmt, durch die neue Verwaltungsrichtlinie etwas für die Betroffenen getan hat, dann war das nicht das Resultat Ihrer Politik, sondern das war der anhaltende Widerstand der Betroffenen und vor allem auch der der Sozialgerichte, die Sie dazu gezwungen haben. Ich finde, das muss man sich doch einmal vorstellen und auf der Zunge zergehen lassen, diese Bremer Sozialdemokratie muss von Sozialgerichten zur Einhaltung von sozialen Mindeststandards gezwungen werden. Das finde ich skandalös! Ich finde, da haben Sie noch ein ganzes Stück Weg vor sich, bevor das eintritt, was, ich glaube, Oskar Lafontaine gesagt hat. Die Resozialisierung der Sozialdemokraten hin zu einer wirklich modernen So

zialdemokratie wird aber wohl noch ein bisschen dauern.

(Beifall bei der LINKEN – Abg. D r. G ü l d - n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Auf Oskar Lafontaine können wir in Bremen verzich- ten!)

Ich sage aber auch in aller Deutlichkeit, wir werden Sie dennoch unterstützen, solange etwas für die Menschen in dieser Stadt dabei herumkommt. Wenn Sie endlich Ernst machen mit Ihrem Bremer Koalitionsvertrag und wenn Sie dem Ziel, die soziale Spaltung der beiden Städte aufzuheben, endlich näher kommen, dann werden wir Sie unterstützen, das ist ganz klar.

(Beifall bei der LINKEN)

Ja, wir haben auch Vorschläge für eine Lösung zu machen. Wir schlagen vor, die Vermögensteuer als länderwirksame Steuer im Bund wieder auf mittlerem, ich betone noch einmal, europäischem Niveau einzuführen. Das allein würden die meisten Probleme Bremens schon lösen, nicht aber doch alle erheblich minimieren zu lassen. Das bedeutet aber, und das sage ich hier natürlich klar und auch deutlich an die Adresse der Sozialdemokratie, das bedeutet aber, dass wir den Reichen und den ganz Reichen ans Geld wollen. Das bedeutet, dass wir den Reichtum dieser reichen Gesellschaft anders umverteilen wollen, nämlich diesmal von oben nach unten.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sage Ihnen auch in aller Deutlichkeit, in Abwandlung eines wohl bekannten Wahlkampfspruches: Wir haben die Kraft dazu, das können Sie glauben. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die rot-grüne Koalition hat eine Aktuelle Stunde mit dem Thema „Bremer Sanierungskurs durch schwarz-gelben Koalitionsvertrag gefährdet“ beantragt. Es ist ja richtig niedlich und wirklich herzzerreißend, denn der Bremer Sanierungskurs war doch schon immer gefährdet. Unter einer schwarz-roten Bundesregierung hat es meines Erachtens auch noch nie einen richtigen Sanierungskurs im Land Bremen gegeben. Das Land Bremen ist trotz finanzieller Zuwendungen des Bundes noch nie so richtig saniert worden. Ganz im Gegenteil! Eine Sanierung fand nie statt, und der Schuldenberg des kleinsten Bundeslandes stieg auf sage und schreibe circa 16 Milliarden Euro an. Ein Ende dieser gigantischen Summe dieses Schuldenberges ist noch lange nicht abzusehen.

Durch den schwarz-gelben Koalitionsvertrag werden die Länder den größten Teil der geplanten Steuersenkung bezahlen müssen. Dadurch sind die Finanzen der Länder meines Erachtens nicht mehr gewährleistet. Die Folge ist, Bremen müsste noch mehr Schulden mit weiteren Nachtragshaushalten machen, die jetzt schon absehbar sind. Dazu braucht man wahrlich kein Prophet zu sein. Durch den schwarz-gelben Koalitionsvertrag wird Deutschland zu einem noch größeren Verschuldungsstaat werden, als wir es jetzt schon sind. Denn nach Berechnung der Fachleute werden die Länder Mindereinnahmen von circa 15 Milliarden haben, der Bund von circa 10 Milliarden Euro. Das bedeutet im Klartext, dass dann Bremen jedes Jahr circa 170 Millionen Euro fehlen werden. Nun bin ich wirklich einmal gespannt, wie Sie diese jährlichen Mindereinnahmen von 170 Millionen Euro irgendwo deckeln wollen und vor allen Dingen in welchen Bereichen Sie diese 170 Millionen Euro einsparen wollen, die jährlich fehlen. Ich habe mich nachweislich schon immer für eine deutliche und wirklich spürbare Steuerentlastung für unsere Bürgerinnen und Bürger eingesetzt, das steht hier außer Frage. Tatsache ist aber, dass unseren Bürgerinnen und Bürgern vor der Wahl von allen Parteien das Blaue vom Himmel versprochen wird, gelogen darf ich ja nicht sagen. Da bekommt der Bürger vielleicht, wenn es hoch kommt, 50 Euro in die linken Tasche hinein, und aus der rechten Tasche werden unseren Bürgerinnen und Bürgern anschließend wieder 150 Euro herausgenommen, sodass am Ende gerade für den sogenannten kleinen Mann, sprich Geringverdiener, von den vor der Wahl, ich betone es extra, ach so großartigen versprochenen Steuersenkungen wieder einmal nichts übrig geblieben ist. Das nenne ich eine unehrliche, unseriöse Politik natürlich wieder einmal nur auf Kosten des kleinen Mannes! Ich sehe den Sanierungskurs des Landes weder durch Schwarz-Gelb noch durch Rot-Schwarz gefährdet, weil meines Erachtens noch nie eine wirkliche Sanierung des Landes Bremens stattgefunden hat. Egal welche Regierung, welche Partei auch immer gerade dafür hier im Land Bremen die Verantwortung getragen hat. Herr Dr. Güldner, in Ihrer Rede zur Kernkraftenergie und Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken haben Sie vielleicht sogar wissentlich vergessen oder nicht erwähnt, dass gerade Ihr ehemaliger Umweltminister Jürgen Trittin zahlreiche Verlängerungen von Kernkraftwerken als grüner Umweltminister unterschrieben, mit unterzeichnet und genehmigt hat.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist einfach eine Lüge! – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Das ist unparlamen- tarisch! Das müsste der Präsident eigentlich rügen!)

Das haben Sie ganz vergessen! Ich weiß nicht, wie Sie so etwas nennen, ich nenne es jedenfalls eine unehrliche, eine scheinheilige Politik mit an den Haaren herbeigezogenen Argumenten.

Herr Tschöpe, nun zu Ihnen als Mitglied einer Partei, die für Hartz IV, Agenda 2010 und so weiter für die unsozialen Einschnitte gerade auf Kosten des kleinen Mannes, der Geringverdiener, mitverantwortlich ist. Wer für soziale Ungerechtigkeit steht, für einen unsozialen Kahlschlag sondergleichen, wie wir ihn wohl noch nie in der Bundesrepublik Deutschland gehabt haben, der hat eigentlich nicht das Recht, dazu hier eine solche Rede halten zu dürfen.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das entscheiden gerade Sie, wer hier das Recht hat zu reden! Das wäre ja noch schöner!)

Sie können ja gleich nach vorn kommen, Herr Dr. Güldner! Bleiben Sie doch ruhig, Herr Dr. Güldner, ich bin es doch auch. Warum sind Sie so aufgeregt? Treffe ich wieder den Nagel auf dem Kopf? Bleiben Sie doch ruhig!

Herr Erlanson, nach Ihrer eben gehaltenen Rede verstehe ich nicht, warum DIE LINKE dem Haushalt des Landes zugestimmt hat. Eine glaubwürdige Politik sieht meines Erachtens ganz anders aus. – Ich bedanke mich!

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Möllenstädt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dem einen oder anderen Redebeitrag kann man sich ja schon fragen, ob der Realitätsverlust bei den Rednerinnen und Rednern hier von Sitzungswoche zu Sitzungswoche weiter fortschreitet.

(Beifall bei der FDP)

Ich will einmal versuchen, mich auf die Fakten des Koalitionsvertrags, den wir diskutieren, zu konzentrieren.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Haben wir aufmerksam gelesen!)

Meine Damen und Herren, dieser Koalitionsvertrag ist eine riesige Chance für das Land Bremen.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das glauben nur Sie!)

Ich glaube, lieber Herr Dr. Güldner, es lohnt sich schon wirklich, dies im Einzelnen noch einmal zu würdi––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

gen, und zwar mit einem Blick auf die wirtschaftlich starken Bereiche Bremens. Die Logistik und die Transportwirtschaft gehen gestärkt aus diesem Koalitionsvertrag hervor. Hafenhinterlandanbindung, Binnenwasserstraßen, Beseitigung von Engpässen bei Schiene und Straße, das sind wirklich wichtige Dinge, die für das Land Bremen auf den Weg gebracht werden müssen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Wissenschaftspakete werden weiter fortgesetzt, von denen profitiert Bremen überproportional. Der Kollege Röwekamp ist auf das Thema Luftfahrtindustrie und Raumfahrtindustrie schon eingegangen. Das sind die Punkte, an denen Sie die Zukunftsfähigkeit unseres Bundeslandes am Ende messen können.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das war alles vereinbart, dafür ha- ben Sie nichts getan!)

Auch im Sozialen, lieber Herr Dr. Güldner, haben wir uns als Koalition, Union und FDP auf Bundesebene zum Ziel gesetzt, einige zentrale Gerechtigkeitslücken Ihrer Gesetzgebungsarbeit, nämlich von Rot und Grün bei Hartz IV, zu beseitigen. Wir erhöhen das Schonvermögen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir schaffen Zuverdienstmöglichkeiten für Menschen in der Situation von Hartz IV. Es ist doch ganz entscheidend, auch darüber zu diskutieren, wie es im Gesundheitswesen weitergeht, damit wir nicht alle drei Jahre wieder eine neue Reform brauchen. Diese Koalition, ich begrüße das ausdrücklich, hat sich zum Ziel gesetzt, ein Gesundheitswesen zu schaffen, das für die nächsten Jahrzehnte Bestand haben wird. Da geht es natürlich auch darum, dass man Umverteilung dort vornimmt, wo sie hingehört, nämlich im Steuersystem und im Bundeshaushalt und nicht in jedem Sozialversicherungssystem noch einmal separat.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zum einen, und das will ich auch sehr deutlich sagen, hat mich das schon ein bisschen geärgert, wie hier teilweise der Einstieg in die Debatte genommen wird. Es kann Ihnen doch nicht ganz entgangen sein, dass wir nicht mehr im Absolutismus leben. Der Staat ist für die Bürger da und nicht umgekehrt. Das Geld, das dem Staat von den Bürgern zur Erfüllung seiner Aufgaben im Rahmen von Steuern und Abgaben überlassen wird, gehört zuallererst den Bürgerinnen und Bürgern. Deshalb sind wir als Parlamentarier auf Landesebene, aber auch die auf Bundesebene zuerst den Bürgerinnen und Bürgern verantwortlich. Ich finde es völlig unsinnig, diese Debatte nach dem Motto

„Da wird den Ländern etwas weggenommen“, zu führen. Entscheidend ist, dass viele Bürgerinnen und Bürger von dem, was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, am Ende profitieren, und das sind gerade die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit kleinen und mittleren Einkommen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wenn Sie hier über Energiepolitik reden, will ich Ihnen auch eines sagen, Versorgungssicherheit und bezahlbare Strompreise kommen zunächst gerade denjenigen mit kleinen und mittleren Einkommen zugute und niemandem sonst.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir haben uns als Aufgabe gestellt, einen Schutzschirm für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren Arbeitsplätze durch die Krise und die Folgen der Krise bedroht sind, aufzuspannen. Das ist das Projekt, was sich diese Koalition auf Bundesebene richtigerweise vorgenommen hat. Wenn wir über Klientelpolitik reden, lieber Herr Dr. Güldner, jetzt hören Sie leider gerade nicht zu, dann will ich Ihnen doch einmal sagen, das ist doch ganz klar: Das ist für Sie und für die Hochschullehrer, die Oberstudienrätin, die Sie vielleicht vertreten, völlig egal! Die zahlen nachher nicht mit dem Arbeitsplatz für die Folgen der Krise. Für diejenigen aber, die angestellt sind, die als Facharbeiter tätig sind, die sich jetzt sorgen müssen, ob sie in den nächsten Monaten noch einen Arbeitsplatz haben, sind die Arbeitskosten ein ganz entscheidender Faktor. Deshalb setzt diese Koalition dort auch einen Schwerpunkt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Dies ist richtig, und das ist auch richtig für das Land Bremen.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Es ist genau andersherum!)

Lassen Sie mich am Ende noch mit einem Hinweis darauf antworten, was die Haushaltslage Bremens anbetrifft. Ich wäre da an Stelle dieser Koalition etwas vorsichtiger. Was Sie uns hier an Haushalten in den letzten Jahren vorgelegt haben, das spottet jeder Beschreibung. Ich will nur einmal einige wenige Zahlen nennen: Haushaltsvolumen von 3,9 Milliarden Euro, dann auf 4,1 Milliarden Euro, jetzt deutlich über 4,1 Milliarden Euro für 2011. Das Haushaltsvolumen geht immer weiter nach oben. Im Jahr 2010 ist ein Defizit von 928 Millionen Euro vorgesehen, allein damit Sie einmal die Größenordnung von dem verstehen. Und jetzt kommt Frau Linnert und sagt: Schuld am Ende ist die schwarz-gelbe Bundesregierung. Schuld, dass dort eine Lücke nicht geschlos

sen wird, die seit Jahren klafft, wo Sie keinen einzigen Beitrag dazu geleistet haben, dass sie auch nur etwas geringer wird. Sie drehen immer mehr auf, und das ist der falsche Weg. Schauen Sie sich doch einmal um! Den Bundesländern, in denen Union und FDP regieren, geht es gut. Den Menschen dort geht es erheblich besser als hier bei uns. Das kann auch etwas mit der Arbeit ihres Koalitionspartners in den letzten Jahren zu tun haben. Bedanken Sie sich doch einmal bei denen!

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Die Finanzminister dieser Länder klagen gerade!)

Nein, Sie brauchen das auch überhaupt nicht weiter hochzureden. Sie tun immer so, als würden Sie sparen. Ihre Finanzsenatorin ist einmal so ehrlich gewesen, am 9. September 2008 gab es die Überschrift „Gute Sparvorschläge sind selten!“ in einer großen Zeitung, das ist aber doch nicht Ihre Rolle. Ich glaube, es wird Zeit, dass man Ihnen einmal die Aufgaben einer Finanzsenatorin erklärt.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Hier funktioniert das immer so, dass wir die Vorschläge machen und Sie anschließend die Zensuren hochhalten. Das ist nicht das Spiel, das wir hier bereit sind, weiter mitzuspielen. Sie können sich darauf verlassen, und damit schließe ich, dass die FDPFraktion in diesem Haus Ihnen auch in den anstehenden Haushaltsberatungen wieder sehr konkret sagen wird, wo Sie sparen können und welches die richtigen Vorschläge sind.