Protocol of the Session on September 30, 2009

(Dagegen CDU, DIE LINKE und FDP)

Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Änderungsantrag zu. Nun lasse ich über den Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD abstimmen. Wer dem Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD mit der Drucksachen-Nummer 17/828 unter Berücksichtigung der soeben vorgenommen Änderung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Abg. M ö h l e [parteilos])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen CDU, DIE LINKE und FDP)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

Kinder und Jugendliche als Opfer im Internet Große Anfrage der Fraktion der CDU vom 9. Juni 2009 (Drucksache 17/817)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 28. Juli 2009 (Drucksache 17/866)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Staatsrätin Buse.

Ich gehe davon aus, Frau Staatsrätin Buse, dass Sie die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU nicht mündlich wiederholen möchten, sodass wir hier gleich in die Aussprache eintreten können.

Die Aussprache ist eröffnet.

Als Erster hat das Wort der Abgeordnete Hinners.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Kinder und Jugendliche werden immer häufiger Opfer von Belästigungen, Beleidigungen und sexuellen Übergriffen im Internet. Der Senat hat auf die Große Anfrage der CDU zu diesem Thema bestätigt, dass nach Einschätzung von Fachleuten die Fallzahlen ansteigen und darüber hinaus mit einem entsprechenden Dunkelfeld für diesen Bereich zu rechnen ist. Weiterhin teilt der Senat mit, dass die Strafverfolgungsbehörden dieses Phänomen sehr ernst nehmen und Bildungs- und Jugendbehörden umfangreiche Präventionsprojekte auf den Weg gebracht haben.

Meine Damen und Herren, das hört sich zunächst ganz positiv an, aber wie sieht die Wirklichkeit tatsächlich aus? Der Senat teilt in der Anfrage zu Frage 1 mit, dass der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in Bremen im Internet weder von der Polizei noch von der Staatsanwaltschaft separat erfasst wird. Weiter teilt der Senat mit, dass bei der Polizei Bremen keine anlassunabhängigen Kontrollen des Internets zu diesen Kriminalitätsphänomenen durchgeführt werden. Der Senat hat also überhaupt keine verlässlichen Daten, ich hätte auch sagen können Ahnung, darüber, was in diesem Bereich in Bremen tatsächlich geschieht. Sieht so eine ernst zu nehmende Bekämpfung dieser Kriminalität aus? Für den Senat offensichtlich ja!

Der Senat geht in der Beantwortung der Großen Anfrage davon aus, dass die Betroffenen die Risiken kennen würden und sich dagegen wehren könnten. Dagegen spricht nicht nur allein die tägliche Praxis, sondern dagegen sprechen auch die Ergebnisse des Forschungsprojektes „Chatgewalt“ Köln, wonach von rund 1 700 Schülerinnen und Schülern circa 69 Prozent regelmäßig Kontakte im Internet gepflegt haben. Von diesen sind immerhin circa 38 Prozent im Internet mindestens schon einmal sexuell belästigt worden, und circa 24 Prozent bekamen sogar ungewollt sexuelle Bilder oder Bilder sexueller Praktiken zugeschickt.

Im Rahmen eines Seminars des Instituts Psychologie und Sicherheit in Frankfurt am Main wurde deutlich, dass die in der Regel erwachsenen männlichen Täter unter Vorspiegelung falscher Tatsachen nach einem ganz typischen Muster Opferauswahl treffen und Kontaktaufnahme mit in der Regel minderjährigen Mädchen suchen. Dazu werden beispielsweise Modelkarrieren in Aussicht gestellt und die Opfer auf ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

diesem Weg dazu gebracht, sich vor der Kamera zu entkleiden und die Bilder ins Internet zu stellen.

Offensichtlich sind dem Senat diese Gefahren für Kinder und Jugendliche nicht bekannt, denn in der Antwort zu Frage 5 teilt der Senat mit, dass eine anonyme Kontaktaufnahme mit Unbekannten in diesen verschiedenen Chats gegen den Willen der Beteiligten nicht stattfindet und auch nicht üblich ist und dass sich die Schülerinnen und Schüler der Gefahren und Risiken durchaus bewusst sind. Darüber hinaus teilt der Senat mit, dass Kinder sich mit ihren Eltern über die Kontakte im Internet unterhalten und damit die Gefahren eine untergeordnete Rolle spielen würden. Diese Behauptungen sind an Naivität kaum zu überbieten.

(Beifall bei der CDU)

Glaubt der Senat wirklich, dass pubertierende Kinder regelmäßig ihren Eltern berichten, was sie im Internet machen, noch dazu, wenn die Eltern sich, wie es bei verantwortungsbewussten Eltern gelegentlich einmal vorkommen soll, kritisch zur Internetnutzung der Kinder äußern? Der Senat widmet sich dann in den Antworten auf die Fragen 5 und 6 umfangreich zu Präventionskonzepten in Schulen und Jugendbehörden. Diese Konzepte lesen sich auch in der Theorie wieder gut, aber wie sieht die konkrete Umsetzung in Bremen aus?

Am 12. August 2009 berichtete der „Weser-Kurier“, dass der Weg ins digitale Klassenzimmer in vielen Bremer Schulen noch weit ist. Ausstattung gut, Nutzung vielfach mangelhaft, heißt es dort weiter, und Frau Moebus vom Zentralelternbeirat wird zitiert mit dem Hinweis: „Es gibt einige Leuchttürme, aber auch sehr viele weiße und blinde Flecken.“

Für die CDU-Fraktion ergibt sich aus der Antwort des Senats eindeutig, dass der Senat die konkreten Gefahren für Kinder und Jugendliche im Internet offensichtlich nicht kennt und völlig unterschätzt.

(Beifall bei der CDU)

Er verlässt sich darauf, dass die Eltern es schon richten werden und die vorhandenen Präventionskonzepte auf dem Papier geduldig vor sich hin dümpeln.

Die CDU-Fraktion fordert deshalb den Senat auf, deutlich stärker als bisher die Gefahren für Kinder und Jugendliche im Internet zu erforschen sowie in sinnvoller Weise zu bekämpfen und Aufklärung zu betreiben. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Öztürk.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Hinners, ich finde es sehr bedauerlich, weil die Große Anfrage, die Sie gestellt haben, auch wenn sie nur auf die Pädokriminalität reduziert war, hier nicht den Anklang gefunden hat, wie man sich mit dem Thema hätte auseinandersetzen können oder müssen. Sie haben in keiner Weise gewürdigt, was der Senat bisher getan hat. Sie haben dem Senat Naivität im Umgang mit dem Thema vorgeworfen. Sie behaupten, der Senat tue hier gar nichts, und zitieren hier Akteure aus dem Bereich. Sie haben den Zentralen Elternbeirat zitiert, der durchaus in Kooperation mit der Landesjugendbehörde, mit dem Jugendamt, mit der Landesmedienanstalt und mit dem Servicebüro für junge Menschen Angebote an Schulen macht mit einer umfangreichen Handreichung, um hier auf Prävention zu setzen. Wenn Sie für die CDU schildern, dass dem Senat keine verlässlichen Daten vorliegen, dann hätten Sie auch nennen können, wer verlässliche Daten hat. Das sind Sie uns eben gerade schuldig geblieben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

In der Tat sieht die Realität sehr schwierig aus. Das verheimlicht der Senat auch nicht in der Antwort auf die Große Anfrage. Es gibt nicht genügend Informationen in diesem Bereich. Das Dunkelfeld ist in der Tat sehr groß. Die Erfassung findet in der sogenannten polizeilichen Kriminalitätsstatistik nicht statt, dennoch gibt es laut Strafgesetzbuch Rechtsvorschriften, die zum Schutz der Sexualität von Kindern und Jugendlichen vorhanden sind. Eine große Palette von Präventionsmaßnahmen ist in der Antwort auf Ihre Große Anfrage aufgelistet. Es gibt Fortbildungsveranstaltungen zum Thema Lernen mit und über Medien. Es gab zahlreiche Workshops, die auch dieses Jahr weiter angeboten werden, und, glauben Sie mir, die werden auch im nächsten Jahr weiter angeboten.

Es gab auf Bundesebene – daran sind Sie im Bund ja maßgeblich beteiligt, Herr Hinners – die Jugendfamilienministerkonferenz, dort gab es in Zusammenarbeit mit den Kultusministern der Länder, aber auch im Bund Beschlüsse, in denen festgelegt wurde, wie diese Handreichung unter dem Arbeitstitel „Kriminalprävention im Netz der neuen Medien“ zum Beispiel an den Bremer Schulen stattzufinden hat. Das haben Sie aber auch nicht erwähnt. Ich habe von dem Servicebüro Jugendinformation gesprochen, das in Bremen und Bremerhaven in Kooperation mit den örtlichen Jugendämtern, dem Landesjugendamt sowie der Bremischen Landesmedienanstalt und der Bremischen Kinder- und Jugendstiftung hinreichend ernsthafte Arbeit leistet, aber auch bei den Eltern aufklärt, bei Schülerinnen und Schülern aufklärt, Projekte und Programme hat, in denen Schülerinnen und Schüler als Multiplikatoren fungieren, um dann später im Klas––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

senzimmer hinreichend über dieses Thema zu informieren, zu warnen und auf die Risiken hinzuweisen.

Das sogenannte Web 2.0, das Internet, ist ja nicht nur unter dem Aspekt der Pädokriminalität zu betrachten. Da reichen die Aspekte ganz weit, das fängt bei Abzockerfallen im Internet an, wo junge Menschen sich im Internet auf Homepages begeben, und dann hinterher abgezockt werden, die sprechen durchaus mit ihren Eltern über diese Probleme. Ich hätte mir gewünscht, dass diese Debatte auch aufgrund der zahlreichen Antworten des Senats in eine Richtung geht und wir hier differenziert sprechen. Ich fand es nicht korrekt, wie hier Ihrerseits kritisiert wurde.

Wenn man sich einmal die unzähligen Inhalte im Internet anschaut, die kann man ja kaum erfassen, das sind ja Abermilliarden von Homepages, die tagtäglich verändert werden, neugestaltet werden, anders verlinkt werden, wo junge Menschen sich aufhalten. Gerade in den sozialen Netzwerken ist die Gefahr durchaus vorhanden, aber Sie haben behauptet, selbst die Bremer Behörden tun hier zu wenig. Wie stellen Sie sich das vor? Dass bremische Polizeibeamtinnen und -beamte sich vor einen Rechner setzen, sich anonym einloggen, im Grunde genommen genau das tun, was die Pädophilen auch tun, sich mit anderen Identitäten ins Netz einloggen und versuchen, irgendwelche Menschen aufzuspüren, die dort junge Menschen belästigen? Ich denke, gerade im Hinblick auf Prävention wird das doch durchaus getan, aber jetzt ernsthaft zu fordern, dass es vehement betrieben wird, halte ich für falsch.

Natürlich wird der Senat hier auch in Zukunft weiter voranschreiten müssen, um eben die Prävention voranzutreiben.

(Glocke)

Herr Abgeordneter Öztürk, Herr Hinners möchte eine Zwischenfrage stellen. Gestatten Sie das?

Bitte, Herr Hinners!

Herr Abgeordneter, können Sie sich etwas unter anlassunabhängigen Ermittlungen der Polizei im Internet vorstellen?

Was zum Beispiel?

Sie sind ja ehemaliger Polizeibeamter, korrigieren Sie mich, wenn ich das jetzt gerade falsch wiedergebe, dass Polizeibeamte sich anlassunabhängig vor einen Rechner setzen, sich bei StudiVZ einloggen, sich eine andere Identität geben, eventuell die eines zwölfjähri

gen Mädchens, um den ganzen Tag vor diesem Rechner zu verweilen in der Hoffnung, dass irgendjemand sie anspricht und persönliche Daten von ihnen verlangt. Meinten Sie das?

Das könnte ein Grund sein. Weitere fallen Ihnen nicht ein?

Die Palette ist lang, aber meine Redezeit ist begrenzt, Herr Kollege!

Herr Hinners, nach jeder gestellten Frage muss ich erst wieder die Erlaubnis des befragten Abgeordneten einholen, und das tue ich jetzt. Herr Abgeordneter Öztürk, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Hinners?

(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Das üben wir jetzt einmal!)

Nein! Eines ist doch klar, gerade auch für uns in der grünen Fraktion: Die mediale Entwicklung insbesondere im Bereich des Internets stellt doch die regulative Absicht des Jugendschutzes mehr und mehr infrage. Das möchte ich jetzt auch noch einmal als These formulieren, weil man das unter diesen Gesichtspunkten doch debattieren muss: Durch die Veröffentlichung intimer Bilder, Daten, persönlicher Informationen, gerade in sozialen Netzwerken kommen immer neue Probleme hinzu, die mit den klassischen Instrumenten nicht mehr zu bewältigen sind.