Protocol of the Session on August 27, 2009

Ich bin ebenfalls nicht begeistert davon, dass die Versorgungslücke, die durch den Atomkonsens 2002 geschaffen worden ist, durch die Kohlestromerzeugung ausgeglichen werden soll. Diese Versorgungslücke

(Abg. D e n n h a r d t [SPD]: Das ist ja doch mehr traurig als lustig!)

bringt unsere CO2-Bilanz nämlich total in den Keller, und das hat die damalige rot-grüne Bundesregierung zu verantworten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Ja, Sie haben kein Konzept! Sie sagen nur, wir wollen die Atomkraftwerke abschalten, und wir setzen auf regenerative Energien, aber dass sie nicht so schnell am Markt funktionieren und auch nicht so schnell umsetzbar sind, um hundertprozentige Sicherheit bei der Stromerzeugung zu haben, das blenden Sie aus, und das ist unseriös.

(Abg. Frau D r. S c h a e f e r [Bündnis 90/ Die Grünen]: Nein, das blenden wir nicht aus! – Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Schallendes Gelächter bei der Koalition!)

Das höre ich ja gar nicht!

Dann haben wir die einzelnen Antragspunkte. Sicherheitsdefizite beseitigen, sonst die Betriebserlaubnis entziehen, das ist der erste Punkt. Dazu muss man sagen, es gibt periodische Sicherheitsüberprüfungen, und sie sind nach dem aktuellsten Stand der Wissenschaft auch immer wieder erneuert worden, diese dauern noch mehrere Jahre an, und auf dieser Grundlage wird ein Atomkraftwerk auch untersucht. In Esenshamm hat man auch festgestellt, dass dieses Werk sicher ist. Natürlich ist ein neueres Atomkraftwerk sicherer als ein altes Atomkraftwerk, das ist doch ganz normal. Da wir gerade einmal bei all den Störfällen sind, wenn sich ein kleiner Transformator einmal bei Ihnen im Haus aufbläst, dann

rufen Sie auch nicht gleich die Stadtwerke an, dann gehen Sie doch zum öffentlichen Klempner! Ja, das ist doch so!

(Beifall bei der CDU – Unruhe)

Wenn eine Schraube herunterfällt, ist sie schon meldepflichtig, und Sie tun hier so, als wenn die Welt zusammenbricht, da lache ich ja gleich einmal. Witzig! Wenn das so wäre, müsste die Atomaufsichtsbehörde Niedersachsen eine Meldung an den Bundesumweltminister Gabriel erteilen, und der müsste weitere Schritte einleiten, aber, Herr Dennhardt, er hat noch nichts eingeleitet. Vielleicht fordern Sie auch gleichzeitig den Rücktritt von Herrn Gabriel, weil Sie ja diesen Antrag haben.

(Abg. D e n n h a r d t [SPD]: Auf die Idee würde ich nicht kommen!)

Das habe ich mir schon gedacht. Eben, weil Sie nie konsequent sind, auch in Ihrer Politik nicht.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Frau S c h ö n [Bündnis 90/Die Grünen] – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker!)

Ja, Frau Schön, dazu sage ich lieber gar nichts! Wir finden es ziemlich frech, dass Sie einem anderen Bundesland vorschreiben wollen, wie es mit seinen öffentlichen Einrichtungen umzugehen haben. Ich meine, wenn Niedersachsen oder andere Bundesländer das hier machen würden, dann würden Sie auch sagen, die haben uns hier gar nichts zu sagen.

(Zurufe)

Fakt ist, die Aufsichtsbehörden in Niedersachsen und im Bund nehmen ihre Funktion hervorragend war, und das hat Herr Gabriel auch noch wieder kurzfristig bestätigt. Konsequent wäre gewesen, wenn Sie in Ihrem Antrag europaweit keine Laufzeitverlängerung, keine Neubauten und keine Laufzeitverkürzung gefordert hätten. Das wäre konsequent gewesen, weil ich meine, Esenshamm ist zwar ganz nah daran, aber wir wissen alle, dass, wenn andere Atomkraftwerke hochgehen, wir genauso betroffen wären, oder?

(Abg. D e n n h a r d t [SPD]: Das ist ein Widerspruch! Merken Sie das nicht?)

Das wäre konsequent gewesen, aber Konsequenz fehlt bei Ihnen komplett!

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion lehnt Ihren Antrag ab, weil er inhaltlich nicht stimmt und weil er nur mit den Ängsten der Bevölkerung spielt.

Das wird in der Bundestagswahl auf jeden Fall nicht helfen, weil die CDU die besseren Argumente und die besseren Konzepte hat. – Danke schön!

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Rupp.

Frau Präsidentin, verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit ungefähr 25 Jahren, nachdem ich Verfahrenstechnik studiert habe, programmiere ich Steuerungen von kleinen und großen Anlagen. Das fängt bei ganz kleinen Anlagen an und endet bei Kläranlagen, Wasserwerken und großen Produktionsanlagen für die Produktion von Automobilen und Ähnliches mehr. Ich habe deutlich zwei Sachen gelernt, es gibt keine Form von technischer Überwachung, die auch ernste Störungen verhindert, und ich habe sehr ernste Störungen mit halbtägigen Produktionsausfall einer ganzen Halle aufgrund eines an der falschen Stelle hingelegten Putzlappens erlebt. Das heißt, es gibt in solchen komplexen Anlagen eigentlich keine kleinen Störungen, weil einfach die Technik, der Zufall und die unglückliche Verkettung von Umständen bedeuten können, das kleinste und kleine Ursachen große und verheerende Wirkungen haben. Es gibt Ketten, da fängt es beim Hufnagel an und endet bei der bewusst verlorenen Schlacht. Das ist keine Anekdote, das ist keine Propaganda! Jeder, der in einer großen technischen Anlage arbeitet, weiß, dass das so ist.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich weiß, dass diese Anlagen von Menschen programmiert sind. Das sind hochkomplexe Regelvorgänge, und ich weiß, dass sowohl Software als auch elektronische Bauteile störanfällig sind, und von Menschen geschriebene Software ist auch immer fehlerbehaftet. Es gibt keine hundertprozentig perfekte Software.

(Abg. H a m a n n [SPD]: Doch!)

Wer macht jetzt Eigenwerbung? Kollege Hamann kann das! Okay, dann ist er aber der Einzige! Ich sage, wenn man einmal die A-320-Airbusgeschichten sieht, bei denen Leute versucht haben zu programmieren und die Menschen dann ausbremsen und so ähnlich, ist es ein sehr hohes Risiko. Das kann man weitestgehend ausblenden, und das ist ein vertretbares Risiko bei vielen technischen Anlagen inklusive Chemieanlagen, wo auch Gift produziert wird. Würden sie explodieren, würden sie möglicherweise eine Kleinstadt in Schutt und Asche legen. So weit ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

kann man meines Erachtens bis an die Grenze der Risikobereitschaft gehen.

Wenn Atomkraftwerke tatsächlich einmal durchschmelzen oder wenn sie kaputtgehen und wenn es etwas gibt wie in Tschernobyl, dann entstehen Schäden für künftige Generationen. Dann werden ganze Landstriche vollständig verseucht, und man kann nicht den nächsten Tag wieder hinfahren, das ist ein Risiko. Das ist meines Erachtens keinen Euro Profit wert, denn wer das macht, wer immer noch meint, die sogenannte friedliche Nutzung von Atomenergie ist etwas, das man weiter machen kann, begeht ein Verbrechen an den jetzt lebenden Menschen und an zukünftigen Generationen. Das ist übrigens nicht erst seit gestern meine feste Meinung.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Im Übrigen habe ich bei dieser Frage lange Jahre im ernsten Zwist mit Genossinnen und Genossen meiner damaligen Partei gelegen. Die hatten die widersinnige Meinung, dass, wenn man im Sozialismus Atomkraftwerke baut, diese sicher sind. Ich habe lange und völlig ernsthaft mit den gleichen Argumenten dafür gestritten, und irgendwann ist dann auch durchgesickert, dass das vielleicht eine blöde Idee ist. Das heißt, dieser Fortschrittsglaube von vor 10 bis 50 Jahren war ganz schwer auszurotten, und der ist immer noch da, und es gibt offensichtlich kein vernünftiges Argument, das Menschen daran hindert, nach wie vor Atomkraftwerke zu bauen oder sie weiter zu betreiben.

In diesem konkreten Fall geht es nachgewiesenermaßen um eine alte Anlage. Sie kennen vielleicht die Badewannenkurve von Geräten und Anlagen. Am Anfang ist die Störanfälligkeit groß, weil das Ding dann neu ist. Man muss vieles ausprobieren. Dann hat man eine lange Phase, in der relativ wenig passiert, und dann kommt eine Phase, wo Verschleißerscheinungen, Altersmüdigkeit und so weiter kommen, und dann steigt die Störkurve wieder an, bis es irgendwann – –. Beim Menschen ist es im Übrigen auch ein bisschen so. Aber im Ernst, das ist ja auch nicht ausgedacht! Ich will nur darauf hinweisen, dass es möglicherweise ein noch größeres Verbrechen ist, derart alte, abgeschriebene, teilweise ausgeleierte Atomkraftwerke weiter zu betreiben, weil das Risiko jeden Tag zunimmt.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Dann gibt es die älteste aller Begründungen, und sie stimmt nicht, und selbst wenn sie stimmen würde, müssten wir es in Kauf nehmen, dass, wenn wir die Dinge abschalten, das Licht ausgeht. Das ist Unsinn! Wir sind technologisch in der Lage, das, was die Atomkraftwerke heute an Strom liefern, mit

anderen zumindest sicheren Energieerzeugungsanlagen sicherzustellen. Wir sind in der Lage, die Atomkraftwerke abzuschalten, wenn man nur die Standby-Geräte ausschaltet, ich glaube, das ist kein Atomkraftwerk, was man dafür braucht, selbst wenn es so wäre, müssten wir uns im Energieverbrauch einschränken und würden wir möglicherweise abends eine Stunde früher das Licht ausschalten müssen, was eine abstruse Vorstellung ist, die nicht wahr ist! Selbst wenn es so wäre, wäre es den Preis wert, diese Dinger abzuschalten.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Atomkraftwerke sind eine viel zu teure, viel zu gefährliche und langfristig untragbare Form der Energieerzeugung, die Schäden anrichtet und sich nicht nach geografischen oder politischen Grenzen richtet, deswegen ist es auch in diesem Fall richtig, sich an Niedersachsen zu wenden und zu fragen, ob Sie das Ding einmal abschalten können. Es ist völlig richtig, und es wäre auch berechtigterweise so, dass sich Niedersachsen an uns wenden könnte, wenn wir hier noch so eine Kiste stehen hätten. Sie wären vollständig berechtigt zu sagen, schaltet die Kiste ab! Deswegen ist dieser Antrag richtig, und deswegen stimme ich dem zu und erteile Vorstellungen, dass man die Dinger weiter betreiben oder bauen kann, eine Absage. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich wollte schon Herrn Dennhardt sagen, dass ich auch ein bisschen Werbung für regenerative Energien an dieser Stelle machen will, denn dem gehört irgendwann die Zukunft. Das ist etwas, wohin wir wollen,

(Beifall bei der FDP)

bloß müssen wir einmal ganz realistisch sagen, dass Kernkraft eine Energie von gestern ist, die heute genutzt wird und auch morgen noch genutzt werden wird, die wir aber übermorgen überwunden haben müssen. Das muss doch das Ziel sein, und daran müssen wir alle arbeiten. Es kann nicht so getan werden, als ob wir heute schon darauf verzichten könnten und den Stecker ziehen könnten.

(Beifall bei der FDP)

Bei der Debatte habe ich mich an der einen oder anderen Stelle gefragt, ob das eigentlich mit dem

Umgang vereinbar ist, den wir uns bei der Raumordnung durch den Staatsvertrag auferlegt haben, den wir gestern diskutiert haben, dass wir jetzt solche Dinge hier einmal eben so über Anträge vorgeben und dann sagen, bitte schön, Senat, lauf los und mach das so! Ist das der Umgang, den Niedersachsen und Bremen in Zukunft gemeinsam pflegen wollen? Wenn Rot-Grün das so will, sollen sie das so tun!

Wir diskutieren darüber hier, und die Stadtverordnetenfraktion wird aufgrund eines Antrages der Grünen in der Stadtverordnetenversammlung Bremerhaven den identischen Antrag noch einmal diskutieren, insofern müssen wir uns durchaus noch einmal die Frage auf der Zunge zergehen lassen, ob die Diskussion, die wir hier führen, gänzlich unabhängig vom 27. September geführt wird. Ich sage nein, und die Bürger wissen das, denn natürlich entscheiden die Bürger am 27. September auch darüber, wie es denn in dieser Frage weitergeht. Die Frage ist doch ganz klar in den Programmen der Parteien dargelegt. Da gibt es eine Frage, die zu stellen ist, nämlich die Frage, wie wir es denn mit den Restlaufzeiten halten. Wie halten wir es denn mit dem Weiterbetrieb von Anlagen?

(Abg. P o h l m a n n [SPD]: Sie wollen ja neue bauen, Herr Dr. Buhlert, neue!)

Das habe ich nicht gesagt, dafür habe ich mich auch nicht ausgesprochen, und ich wüsste nicht, dass im Programm der FDP der Neubau von Kernkraftwerken steht, dann habe ich das irgendwie falsch beschlossen, und das hätte ich, glaube ich, gemerkt.

(Heiterkeit)

Wenn Sie das Programm der FDP gelesen haben, dann zeigen Sie mir bitte die Stelle!