Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Dr. SchulteSasse, es ist immer wieder ein Vergnügen, über dieses Thema zu diskutieren, und ich muss sagen, es ist schon erstaunlich, was Sie aus meinem Redebeitrag meinen verstanden zu haben. Ich muss das natürlich hier zurechtrücken. Das Pflegen von Vorurteilen gehört offensichtlich zu den Tätigkeiten der Verwaltung.
(Beifall bei der FDP – Abg. Frau B u s c h [SPD]: Ganz schön frech, was er da sagt! Ich weiß nicht, ob der Staatsrat sich das gefal- len lässt!)
Wir haben hier vor nicht allzu langer Zeit einen Vorschlag für die Stadtgemeinde Bremen gemacht. Wir haben gesagt, wir können uns Sonntagsöffnungen an bis zu vier Sonntagen pro Stadtteil vorstellen. Wir haben immer gesagt, wir stellen uns generell auch eine großzügige Sonntagsöffnung vor. Wir haben niemals gesagt, dass wir an allen Sonntagen öffnen wollen, insofern halte ich das für abwegig. Im Übrigen ist es auch abwegig, es hier so darzustellen, als sei das im Widerspruch zu den Interessenvertretern des Einzelhandels. Nehmen Sie die City-Initiative in Bremen, die ziemlich genau die Position vertritt, die die FDP-Fraktion hier in der Bürgerschaft vertritt, es gibt da überhaupt keinen Dissens, und Sie werden nicht bestreiten, dass dort etliche Einzelhändler und Menschen, die sich hier um die Bremer Innenstadt bemühen, auch organisiert sind.
Lassen Sie mich aber noch einmal auf einige Argumente aus der Debatte eingehen! Ich fange einmal mit dem an, was die Kollegin Frau Schön gesagt hat. Man könnte glauben, dass da, wo ein Tarifvertrag gilt, umfassender Arbeitnehmerschutz gewährleistet und die Welt in Ordnung sei. Im Handel stellt sich das gerade in Bremerhaven nach unserem Eindruck komplett anders dar.
Das Gegenteil von dem, was Sie hier beschrieben haben, ist richtig. Die meisten Probleme des Einzelhandels entstehen aufgrund des Vorhandenseins eines Tarifvertrages und nicht, weil einer fehlt.
Sie müssen doch zur Kenntnis nehmen, dass selbst in diesem Tarifvertrag, den Sie als allgemeinverbindlich wollen, 400-Euro-Kräfte und ungelernte Kräfte wirklich sehr schäbig bezahlt werden, teilweise we
niger als 5 Euro in der Stunde verdienen. Das ist die Realität, die Sie für allgemeinverbindlich erklären wollen!
Kein freier Arbeitnehmer im Mediterraneo verdient so wenig wie die Leute, die unter diesen Tarifvertrag fallen, das will ich hier schon noch einmal festhalten!
Im Übrigen lassen Sie mich auch deutlich sagen, geringfügige Beschäftigung, die Sie zurückdrängen wollen, entsteht auch zu großen Teilen deswegen, weil dieser Tarifvertrag dort gilt, nämlich deshalb, weil die Zuschläge für die dauerhaft Beschäftigten zu hoch angesetzt werden und sie deshalb auf geringfügige Beschäftigung zurückgreifen müssen, weil das nicht zu erwirtschaften ist! Auch das ist hier in der Debatte dargestellt worden, deswegen ist Ihre Position nicht nachvollziehbar, sie ist einfach auch falsch.
Gehen wir einmal weiter zu dem, was Herr Liess vorgebracht hat! Ich meine, es zählt zum Allgemeinwissen, dass die Triebfedern des Sozialismus und auch der Sozialdemokratie vor allen Dingen in Neid und Missgunst zu sehen sind. Es ist aber schon wirklich schäbig, wie Sie hier Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegeneinander ausspielen, und zwar diejenigen, die in geringfügiger Beschäftigung sind, die Teilzeit arbeiten wollen, gegen diejenigen, die im Vollerwerb stehen.
Sie haben vorhin diese Studie zu Minijobs im Einzelhandel zitiert, erstellt mit Geld der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Landes Bremen von der Arbeitnehmerkammer, also Ihrem ideologischen Steigbügelhalter.
Lassen Sie mich hier einmal einen Abschnitt aus dieser Studie zitieren, weil es die Borniertheit, mit der Sie argumentieren, hier noch einmal deutlich klarstellt. Dort ist die Rede davon, dass Minijobs in der Regel im Handel in Bremerhaven, worüber wir hier sprechen, von Rentnerinnen und Rentnern – die habe ich dort noch nicht gesehen, ehrlich gestanden –, Schülerinnen und Schülern, Studentinnen und Studenten und verheirateten Frauen in der Mitte des Erwerbslebens in Anspruch genommen werden. Letzteres kann ich aus eigenem Eindruck bestätigen, das ist so. Die
Autoren dieser Studie kommen dann hier zu dem Schluss, von der Eröffnung dieser Beschäftigungsmöglichkeiten profitieren also vor allem Menschen, die eigentlich gar kein Beschäftigungsproblem haben. Das finde ich in der Tat ziemlich dreist gegenüber den Frauen, die sich dort neben ihren Erziehungsaufgaben etwas dazuverdienen wollen und diese Jobs auch brauchen. (Beifall bei der FDP)
Dieses Gegeneinanderausspielen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist mit der FDP nicht zu machen. Deshalb werden wir Ihre Vorschläge hier ablehnen. – Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eigentlich hatte ich nicht vor, mich noch einmal zu melden, aber ich finde, das, was Sie hier gerade vorgetragen haben, Herr Dr. Möllenstädt, kann man hier in der Tat nicht so stehen lassen. Es ist nicht nur, es wäre jetzt wahrscheinlich unparlamentarisch, wenn ich sagen würde, grober Unfug, aber es gibt auch Sachen, die sind stark widersprüchlich. Davon einmal abgesehen, frage ich mich, woher Sie wissen, wie viel die Menschen im Mediterraneo im Einzelnen verdienen. Ob Sie dort tatsächlich Arbeitsverträge vorgelegt bekommen haben, weiß ich nicht, glaube ich auch eher nicht, aber Sie müssen einen Widerspruch vielleicht noch einmal aufklären! Sie sagen, die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen verdienen im Tarifvertrag noch weniger als in den 400-Euro-Jobs. Im nächsten Satz sagen Sie aber, wegen der hohen Zuschläge, die die sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer haben, weichen sie auf die 400-Euro-Jobs aus. Da müssen Sie jetzt noch einmal aufklären, was Sie meinen, das ist ja ein kompletter Widerspruch! Das zeigt eigentlich auch, wie viel Sie von der Sache hier verstehen.
Dann sagen Sie „ideologischer Steigbügelhalter“, und damit meinen Sie die Arbeitnehmerkammer. Ich finde, das geht hier zu weit! Ich finde, wir im Parlament sollten uns daran orientieren, einen Interessenausgleich in der Gesellschaft herzustellen. Wenn Sie sich auf der einen Seite guten Gewissens auf die CityInitiative beziehen, das können Sie mit Fug und Recht tun, das ist auch ein Player in diesem Spiel, sie haben auch Interessen. Das sind aber offenbar Interessen, die berechtigt sind. Wenn die Arbeitnehmerseite ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
kommt, dann sind das Steigbügelhalter, und diese Interessen sind auf einmal nicht berechtigt. Ich finde, das geht so nicht!
Wenn Sie sich hier hinstellen und sich als Frauenfreund aufspielen und sagen, die Frauen sind gerade von diesen Verträgen so in besonderer Weise geschützt, dann haben Sie nicht zur Kenntnis genommen, dass über 70 Prozent der Frauen diese 400-Euro-Jobs haben und dass sie gerade nicht existenzsichernd sind, dass es deswegen auch genau darum geht, existenzsichernde Tätigkeiten zu schaffen. Was Sie da in Bezug auf Frauen vorgebracht haben, ist auch kompletter Unsinn.
Ich würde mich freuen, wenn es auch bei Ihnen darum gehen würde, dass wir uns um einen Interessenausgleich in der Gesellschaft bemühen. Dabei ist klar, die Einzelhändler haben ein Interesse, die Kunden oder die Touristen haben ein Interesse, und die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen haben auch ein Interesse, und sie haben Schutzrechte, und um diese müssen wir uns hier auch kümmern. Ich wäre sehr dankbar, wenn wir hier auf dieser Basis weiterdiskutieren könnten. – Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich fand den Beitrag von Herrn Dr. Möllenstädt jetzt irgendwie ein Stück weit selbstentlarvend. Wir haben als Sozialdemokraten versucht – oder ich in meiner Person – deutlich zu machen, wo wir in dieser Frage insgesamt stehen, und Sie antworten mit Ideologiebegriffen. Sie werfen uns Ideologie vor. Fast reflexartig, wenn das Wort Arbeitnehmerkammer fällt, reden Sie vom ideologischen Steigbügelhalter. Ich darf Sie vielleicht daran erinnern, dass ich in meiner Rede gesagt habe, es wäre sehr lesenswert. Ich habe nicht signalisiert, dass ich mit allem übereinstimme, aber offensichtlich führt allein die Erwähnung des Namens bei Ihnen zu unvorhersehbaren Reflexen.
Es hat mich auch irgendwie gewundert, dass Sie den Sozialismus dann in einer wunderbaren Gleichsetzung von Neid und Missgunst betrachten. Ich empfehle Ihnen dann doch ein bisschen mehr historische Kenntnis und sich etwas näher damit zu befassen, welche Wurzeln auch der demokratische Sozialismus hat. Sie sollten wissen, dass der liberale Freiheitsgedanke eine dieser Wurzeln ist, aber das ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Da scheint etwas in der neoliberalen Fundamentalideologie, und das ist dann auch Ideologie, untergegangen zu sein. Was das Maß an Borniertheit meines Auftritts betrifft, ich glaube, da wird das Publikum entscheiden müssen, wer hier den Preis gewinnt. – Danke!
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen, meine sehr geehrten Herren! Zunächst einmal denke ich, dass wir mit einer guten Diskussion begonnen haben, die Diskussion zum Schluss aber doch ziemlich unsachlich wird. Herr Dr. Möllenstädt, ich habe das Gefühl, wir machen hier einen Schritt in die richtige Richtung, aber Sie stampfen jetzt auf wie ein verzogenes Kind.
Sie holen keine Luft mehr, anstatt das, was man ja normal machen würde, zu sagen, dem Gesetzentwurf stimmen wir auch zu, wir warten das hier ab. Liebe Kollegin Schön, ich glaube nicht, dass Sie die Zeit brauchen, um den Antrag, den Sie natürlich für Ihr soziales Gewissen eingebracht haben, dann zur Wirkung zu bringen. Da wird der Oberbürgermeister – wenn er denn anwesend ist und nicht gerade auch murrt – einen Brief schreiben und im Mediterraneo dann einfordern, dass die Tarifverträge dort ortsüblich beachtet werden und dass am Sonntag angemessen bezahlt wird. Wir werden nach einem Jahr sehen, dass wir dort einen großen Erfolg haben, und allein deswegen schon werden wir die Sonntagsöffnungsmöglichkeiten dann weiter verlängern, weil es einfach vernünftig ist. Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, lassen Sie uns doch jetzt keinen Fehler machen! Ich denke, Bremerhaven hat einen Wunsch gehabt, der Wunsch wird mehr als erfüllt, weil wir bei zwölf plus vier waren. Ich denke, wir haben eine vernünftige Regelung, Sie haben Ihren Antrag, den wir natürlich ablehnen, weil wir unser Gewissen nicht beruhigen müssen, wir haben nämlich ein gutes Gewissen. Insofern denke ich einmal, dass wir hier heute eine vernünftige Entscheidung für Bremerhaven treffen. Lassen Sie uns also jetzt nicht den Fehler machen, eine solche Diskussion hier zu zerreden! – Danke!
Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen, lieben Kollegen! Ich glaube, die Gefahr besteht nicht, dass etwas Gutes zerredet wird, denn es liegt nichts Gutes von Ihnen auf dem Tisch, das muss man doch ganz klar konstatieren.
Im Übrigen hat die Debatte auch zur Erhellung beigetragen, dass die wirkliche Motivation, um die es hier geht, ja auch noch einmal klar geworden ist.
Ich will dennoch noch einmal auf zwei Punkte eingehen. Lieber Herr Liess, bei aller Wertschätzung, man kann ja der Meinung sein, dass historisch gemeinsame Wurzeln zwischen dem Liberalismus und der Sozialdemokratie vorhanden sind. Nach meiner Einschätzung allerdings handelt es sich dann bei der Sozialdemokratie um eine mutierte Blüte dieser gemeinsamen Pflanze. Aber nun denn, es sei einmal dahingestellt!