Protocol of the Session on June 17, 2009

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Motschmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte einer einzi

gen Frage nachgehen: Warum brauchen wir Biblischen Geschichtsunterricht? Ich sage zunächst, für die CDU-Fraktion bleibt der Biblische Geschichtsunterricht auf allgemein christlicher Basis von zentraler Bedeutung.

(Beifall bei der CDU)

Guter Biblischer Unterricht schließt die Behandlung anderer Religionen immer ein, und zwar nicht erst seit jetzt, sondern seit mindestens 30 Jahren, denn da habe ich nämlich auch schon Religionsunterricht gegeben mit Islam, Hinduismus und so weiter.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Aber nicht auf gleicher Augenhöhe!)

Er schließt die Behandlung ein, Herr Dr. Kuhn. Die Gleichbehandlung ist aus meiner Sicht nicht vertretbar. Wir leben im christlichen Abendland, und dann dürfen wir doch wohl auch noch eine besondere Bedeutung dem christlichen Religionsunterricht geben.

(Beifall bei der CDU – Abg. F r e h e [Bünd- nis 90/Die Grünen]: Das ist Ihr Verständnis von Religionsunterricht!)

Ich will über drei Punkte reden, über die Werte, wie Herr Rohmeyer, über die Bildung und den interreligiösen Dialog. Ich will meine Rede mit Worten aus einem Papier der Grünen beginnen. Es gibt eine Bundesarbeitsgemeinschaft „Christinnen und Christen“ der Grünen, und da heißt es, ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten: „In Jesu Hinwendung zu den Armen und seinem gleichwertigen Verhalten zu Frau und Mann, in seinem Ausbrechen aus den Kreisläufen von Gewalt und Gegengewalt, von Hass und Missgunst und auch in der Einstellung, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen, finden wir Motive für ein Handeln in Nächstenliebe und Streben nach Gerechtigkeit.“

(Beifall bei der CDU und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Besser können wir es in keinem Grundsatzprogramm der CDU ausdrücken.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Super, nicht?)

Hier sind Werte genannt, die nicht in „Klassenlehrerstunden, im Klassenrat oder in Projekten des Sozialtrainings“, wie ich es der Großen Anfrage entnommen habe, gelernt werden können. Biblischer Geschichtsunterricht ist notwendige Voraussetzung für die Vermittlung von Werten. Wer den Werteverlust in unserer Gesellschaft beklagt, muss diese Klage verbinden mit dem richtigen Handeln. Das heißt für Bremen und natürlich auch für Bremerhaven, dass wir

dafür sorgen – und da stimme ich Herrn Güngör zu –, dass der Religionsunterricht erteilt wird und nicht ausfällt.

(Beifall bei der CDU)

Ich komme noch einmal zu den Werten! Mit einem christlichen Menschenbild ist es überhaupt nicht vertretbar – um einmal ein Beispiel zu sagen –, was zurzeit bei RTL in der Sendereihe „Erwachsen auf Probe“ passiert.

(Zuruf des Abg. F r e h e [Bündnis 90/Die Grünen])

Da wird experimentiert mit Säuglingen und Kindern, und das kann nicht richtig sein. Deshalb sage ich Ihnen, um einmal ein Beispiel zu nennen, warum wir uns hier für einen Religionsunterricht, für einen Biblischen Geschichtsunterricht, einsetzen: weil der Werteverlust in dieser Gesellschaft dramatisch ist!

(Beifall bei der CDU)

Die Maßlosigkeit und Gier mancher Manager und Banker ist in aller Munde; die grausamen und gewaltverherrlichenden Internetspiele, die eine große Anzahl von Jugendlichen und Erwachsenen viele Stunden am Tag konsumieren, sind beängstigend. Unsere Aktion „Stopp der Jugendgewalt“ zeigt, mit welchen Problemen wir uns täglich auseinanderzusetzen haben. Was muss eigentlich noch passieren, ehe wir verstehen, wie wichtig bei der Wertevermittlung der Religionsunterricht oder Biblische Geschichtsunterricht ist?

(Abg. F r e h e [Bündnis 90/Die Grünen]: Eine Arroganz sondergleichen!)

Werte müssen gelernt, aber sie müssen vor allem gelebt und vorgelebt werden. Wer sie nicht mehr vermittelt, wird verhindern, dass in Zukunft Werte gelebt werden.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte zweitens begründen, warum wir den Religionsunterricht, Biblischen Geschichtsunterricht, so wichtig finden, nämlich aus Bildungsgründen. Wer Kindern und Jugendlichen das Wissen über die Bibel und den christlichen Glauben vorenthält, organisiert bewusst große Bildungs- und Wissenslücken, die sich auf das ganze Leben auswirken. Wir leben im christlichen Abendland und haben nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, den Kindern unsere eigenen Wurzeln zu vermitteln. Biblische Geschichte, Kirchengeschichte, Profangeschichte, Kunst- und Baugeschichte oder auch Musikgeschichte sind untrennbar miteinander verbunden.

Wie will man unser Rechtssystem verstehen, wenn man die Zehn Gebote nicht kennt? Wie will man die

Menschenrechte verstehen, wenn man nicht mehr weiß, dass sie auf dem Christentum beruhen und nicht auf anderen Religionen? Wie will man unser Sozialsystem verstehen, wenn man nicht weiß, dass es maßgeblich auf die christliche Nächstenliebe zurückzuführen ist? Denken wir an das Gleichnis vom barmherzigen Samariter! Was sagen uns die Sakralbauten, die vielen schönen Kirchen in unseren Städten, wenn man nicht weiß, warum und zu wessen Ehre sie gebaut wurden? Auch die gesamte mittelalterliche Kunstgeschichte kann man nicht verstehen und sie entschlüsseln, wenn man Biblischen Geschichtsunterricht nicht erteilt bekommt, und die Musik von Johann Sebastian Bach verstehen Sie übrigens auch nicht, wenn Sie nicht ein Minimum an Kenntnissen haben!

(Beifall bei der CDU)

Das alles lernt man nicht in Projekten des Sozialtrainings, das als Ersatzfach in vielen Schulen angeboten wird. Neben diesen biblischen Kenntnissen sind auch Kenntnisse großer Persönlichkeiten des Glaubens aus der Geschichte notwendig. Ich möchte auch da ein paar Beispiele nennen, bei denen es bei uns noch klingelt, aber wenn man keinen Religionsunterricht hat, sagen einem diese Namen alle nichts mehr: Hildegard von Bingen, Franz von Assisi, Thomas von Aquin, Martin Luther, Johannes Calvin, Johann Sebastian Bach, Florence Nightingale, Maximilian Kolbe, Edith Stein, Dietrich Bonhoeffer, Albert Schweitzer, Martin Luther King, Mutter Teresa und viele andere. Wie wollen Sie eigentlich verstehen, aus welchen Motiven heraus diese ihre Arbeit getan haben, wenn Sie nichts mehr im Religionsunterricht lernen?

(Beifall bei der CDU)

Mein letzter Punkt ist schließlich: Wir brauchen den interreligiösen Dialog, da schließe ich mich auch allen Vorrednern an, gar keine Frage! Gerade angesichts der Tatsache, dass andere Religionen, insbesondere der Islam, in unserer Gesellschaft an Bedeutung gewinnen, ist es unerlässlich, die eigene Religion zu kennen, um für den Dialog vorbereitet zu sein und im Dialog auch bestehen zu können. Peter SchollLatour sagt zu Recht, ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten: „Ich fürchte nicht die Stärke des Islam, sondern die Schwäche des Abendlands. Das Christentum hat teilweise schon abgedankt, es hat keine verpflichtende Sittenlehre mehr, keine Dogmen mehr, und das ist in den Augen der Muslime auch das Verächtliche am Abendland.“ So weit Peter SchollLatour!

(Beifall bei der CDU – Abg. Frau B u s c h [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage – Glocke)

Sind Sie bereit, eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Busch anzunehmen?

Am Ende meiner Rede – ich muss meine Redezeit ausschöpfen – komme ich darauf zurück, ich bitte um Verständnis!

Das geht dann nicht!

Wenn ich dann noch Zeit habe, beantworte ich das, das geht von meiner Redezeit ab! Diese Mahnung von Herrn Scholl-Latour sollten wir ernst nehmen! Dialogfähig ist nur, wer seine eigene Position, seine eigenen Wurzeln kennt. Neutrale Distanz, Herr Dr. Kuhn, macht uns nicht dialogfähig und auch nicht toleranzfähig. Toleranzfähig im Hinblick auf andere Religionen bin ich nur, wenn ich mich zunächst mit der eigenen Religion auseinandergesetzt habe. interjection: (Beifall bei der CDU)

Ein Aufruf der muslimischen Jugend hat mich sehr nachdenklich gestimmt. Da heißt es, ich zitiere: „Deutschland ist unser Land, und es ist unsere Pflicht, es positiv zu verändern. Mit Hilfe Allahs werden wir es in die Umma“ – das ist die islamische Weltgemeinschaft – „einfügen.“ Eine positive Veränderung im Sinne des Islams würde zum Beispiel bedeuten, dass mühsam erkämpfte Frauenrechte wieder infrage gestellt werden. Diesen Rückfall in zum Glück überwundene Zeiten können wir nicht wollen, und auch darum müssen wir uns auf den Dialog mit dem Islam gut vorbereiten, und ich wünsche mir, dass das auch die kommende Generation leisten kann.

Unser Land braucht Kinder und Jugendliche, die in ihrem Leben nicht nur geistig und körperlich ertüchtigt werden, sondern auch seelisch, auch vom christlichen Menschenbild her. Haben wir Erfurt und Winnenden schon vergessen? Beide Täter waren geistig und körperlich fit, aber sie waren seelisch krank. Das muss uns doch zu denken geben, das muss uns zum Handeln anregen! Mich verwundert die Geduld – hoffentlich ist es keine Gleichgültigkeit – der Eltern. Mir wäre es nicht egal, ob meine Kinder Biblischen Geschichtsunterricht haben oder nicht. Niemals würde ich mein Kind in einer Schule lassen, in der es keinen Biblischen Geschichtsunterricht gibt. Auch eine Wochenstunde würde mir für meine Kinder nicht reichen. Von einer Schule, die diesen Unterricht vernachlässigt oder gar nicht erst unterrichtet, hätte ich meine Kinder immer abgemeldet, denn auch hier gilt: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.

(Abg. F r e h e [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist auch eine schöne Weisheit! Und dann vom lebenslangen Lernen reden! Diese Dop- pelzüngigkeit!)

Deshalb glaube ich, dass wir diese katastrophale Situation des Biblischen Geschichtsunterrichts in Bre

men verbessern müssen, und ich hoffe, dass es gute Mitstreiter gibt. Wenn es nicht mehr erlaubt ist, Herr Frehe, zu sagen, dass wir das Recht haben, Biblischen Geschichtsunterricht prioritär in unseren Schulen zu unterrichten, frage ich mich, wo sind wir hier eigentlich? – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vielen Dank, Frau Motschmann, dass die Konturen deutlich geworden sind!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Sie haben etwas falsch verstanden, wenn Sie sagen, wir wollen den Kindern unsere Wurzeln vorenthalten. Das Gegenteil ist der Fall! Wir haben gesagt, wir treten dafür ein, dass es endlich einen Unterricht auf einer Grundlage gibt, der wirklich alle erreicht. Ich bin allerdings nicht der Meinung, dass diese Wurzeln so einseitig zu beschreiben sind.

(Abg. Frau M o t s c h m a n n [CDU]: Das habe ich nicht gesagt!)

Wenn ich über die Wurzeln rede, die wir haben, und die anderen, die zu uns gekommen sind, die hier geboren sind, Kultur und Religion mitgebracht haben und in ihnen aufwachsen, dann sind es eben viele Wurzeln, die hier sind, und das müssen wir doch endlich einmal begreifen und anerkennen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Es geht uns darum, dass das nicht zufällig passiert, dass da einige etwas hiervon und davon erfahren, sondern dass wir eine neue Grundlage dafür schaffen, dass wir allgemein wieder eine Bildung haben, in der die Kenntnisse über Religionen einen Stellenwert haben und auch sicher vermittelt werden.

Das, was Sie vorhin hochgehalten haben, das Programm der Christinnen und Christen bei den Grünen, ist ein wunderbares Programm für eine Gruppe von Menschen in einer politischen Partei, die einen bestimmten Standpunkt hat. Aber um Gottes Willen, glauben Sie etwa, das möchte ich als Überschrift und Programm über einem Unterricht in einer staatlichen Schule haben?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)