Protocol of the Session on July 11, 2007

Da können wir ja noch zulegen!

Ich will aber einmal sagen, was mich an der Debatte ganz einfach stört – das steht jetzt auch nicht in meinem Redemanuskript, das sage ich jetzt aus der Erkenntnis dieser Debatte –, ist einfach, dass wir hier versuchen, eine Trennlinie durch das Parlament zu ziehen. Das finde ich so nicht gelungen.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/ Die Grünen]: Wer macht das denn?)

Ich muss dazu sagen, ich bin heute Morgen mit dem ÖPNV gekommen, weil ich nicht mit meinem Fahrrad fahren konnte, sonst wäre ich ziemlich nass geworden. Das heißt, FDP-Leute fahren auch mit dem Fahrrad.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Zweite ist, das will ich auch noch einmal sagen, weil mich das beim letzten Mal in der Debatte zum Kohlekraftwerk ganz fürchterlich gestört hat – da habe ich mich nur nicht extra noch einmal zu Wort gemeldet, um die Debatte nicht noch einmal in die Länge zu ziehen –, ich beispielsweise stamme aus einer Arbeiterfamilie, ich habe Abitur gemacht und habe studiert, und ich bin darauf stolz. Deshalb stört es mich ungemein, wenn hier behauptet wird, die FDP stünde für das Großkapital und mache hier Politik für das Großkapital. Das ist völliger Unsinn!

(Beifall bei der FDP)

Das einfach einmal als Vorbemerkung, damit wir nicht jedes Mal definieren müssen, wo wir denn bei dieser ganzen Geschichte stehen und ob wir die richtige Position haben oder nicht!

(Abg. P o h l m a n n [SPD]: Es geht um die Inhalte!)

Ich habe es beim letzten Mal schon gesagt, wir stehen am Beginn einer sehr schwierigen Legislaturperiode. Trotz der 12 Jahre dauernden Großen Koalition und Sanierungsleistungen in Milliardenhöhe ist

es immer noch nicht gelungen, die bremischen Staatsfinanzen auf ein solides Fundament zu stellen und eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung zu erreichen. Wie angespannt die Finanzlage tatsächlich ist, hat die Entwicklung der vergangenen Tage gezeigt, die schließlich zur Haushaltssperre geführt hat und uns noch einige Tage beschäftigen wird. Die Haushaltskonsolidierung, das ist die Einschätzung der FDP, muss weiter oberste Priorität haben, denn nur so lässt sich Bremens Selbstständigkeit dauerhaft sichern.

(Beifall bei der FDP)

Wir Liberalen stehen ohne Wenn und Aber zur bremischen Selbstständigkeit und unterstützen deshalb auch alle Anstrengungen für eine Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzsystems im Rahmen der zweiten Stufe der Föderalismusreform. Dazu gehört auch eine stärkere Berücksichtigung der Wirtschaftskraft bei der Steuerverteilung. Allerdings vermissen wir sowohl im Koalitionsvertrag als auch in der Regierungserklärung deutliche Festlegungen dazu, wie Rot-Grün die Verschuldung in den Griff bekommen will.

(Beifall bei der FDP)

Es wird keineswegs ausreichen, die Investitionen schrittweise auf das Niveau von Hamburg zurückzufahren, die Steuermehreinnahmen zur Verringerung der Kreditaufnahme einzusetzen, die Personalausgabenzuwächse zu begrenzen und die konsumtiven Ausgaben leicht abzusenken. Da muss einfach mehr kommen! Es fehlt beispielsweise eine nachhaltige Aufgabenkritik und ein ressortübergreifendes Personalkonzept.

(Beifall bei der FDP)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, der Beginn der neuen Legislaturperiode sorgt vielerorts für Kopfschütteln. Gestern war die offizielle Bekanntgabe eines nicht gerade kleinen Haushaltslochs von etwa 61 Millionen Euro einschließlich folgender Haushaltssperre, und am Tag zuvor war ein ehemaliger Bürgermeister von der CDU im Fernsehen, der sich für nicht schuldig an der ganzen Misere erklärt,

(Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Ja, das ist richtig!)

wobei man einfach sagen muss – das haben wir heute in der Debatte auch noch einmal gehört, und diesen Standpunkt vertreten wir auch –, bis vor Kurzem war die CDU an der Regierung beteiligt.

(Beifall bei der FDP und bei der SPD – Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen]: So ist es!)

Es sei hier besonders betont: Damit wird die Glaubwürdigkeit der Politik im Grunde untergraben, und ein bisschen hat diese Debatte vorhin eigentlich auch dazu beigetragen. Das steigert nur die Politikverdrossenheit. Derart leichtfertige Aussagen sind gefährlich! Die Mahnungen angesichts der viel zu geringen Wahlbeteiligung sind hier im Parlament vor gerade erst 2 Wochen gefallen. Diese Mahnung gilt aber nicht nur den ehemaligen Senatoren von der CDU, sie gilt auch gerade dem neuen Senat. Ein derart auf Kante genähter Haushalt ist schlicht unseriös gewesen. Es drängt sich schon der Verdacht auf, dass im Hinblick auf die Wahl ein wenig generös gerechnet wurde.

(Beifall bei der FDP und bei der Linken)

Wir befinden uns ja nicht gerade in einer Rezession! Das Wirtschaftswachstum in Deutschland ist gut, die Arbeitslosigkeit sinkt, und wir können uns sogar über einen langsamen Abbau der Sockelarbeitslosigkeit freuen. Gleichzeitig lesen wir, dass sich gerade im Sozialressort ein besonders großes Loch auftut. Was ist dort falsch gelaufen? Warum wurde so falsch gerechnet? Wir brauchen endlich – diese Auffassung vertritt die FDP – verlässlichere und genauere Zahlen, sonst tun wir uns auch bei unserer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe keinen Gefallen!

(Beifall bei der FDP)

Gerade das von mir eben erwähnte Sozialressort wird es auch in der neuen Legislaturperiode schwer haben, strukturelle Probleme in diesem viel zu großen Ressort zu lösen. Über sinnvolle Veränderungen wie beispielsweise die Verlagerung der Zuständigkeiten für Jugend in das Bildungsressort wurde in diesem Zusammenhang leider gar nicht diskutiert.

(Beifall bei der FDP)

Die Arbeitsfähigkeit in diesem zentralen Bereich, der uns im vergangenen Jahr den Tiefpunkt der Arbeit der Großen Koalition beschert hat, muss erst noch bewiesen werden. Passenderweise hat man gerade der Senatorin, die diese schwierige Arbeit leisten muss, ein besonders „gutes“ Wahlergebnis mit auf den Weg gegeben.

Im Bereich der Bildung können wir von der FDP nur hoffen, dass hier nicht alte Gespenster aus den Siebzigerjahren wieder auftauchen.

(Beifall bei der FDP)

An der Schulformdebatte haben wir uns schon im Wahlkampf nicht beteiligt. Diese Fragen werden leider allzu oft viel zu ideologisch geführt. Wir als Liberale können nur dazu raten, dass das von Senator Willi Lemke eingeführte und eingebrachte Leistungsprinzip

auf keinen Fall gekippt wird. Gleichmacherei nach unten können wir uns nicht leisten!

(Beifall bei der FDP – Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Ella ist aber auch für eine Schule für alle! – Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Schule ist leistungsorientiert!)

Bildung endet ja bekanntlich nicht mit der Schule, daher an dieser Stelle noch einige Worte zu den Hochschulen! Aus Berlin, und da meine ich das Bundesland, das ja konkret einen ausgeglichenen Haushalt plant, hören wir von durchaus nennenswerten Investitionen in den Hochschulbereich in den nächsten Jahren. Hier in Bremen hören wir hingegen, dass die zusätzlichen Mittel ein Bekenntnis für die Hochschulen seien. Welche zusätzlichen Mittel, fragen wir uns da! Die Hochschulen waren bereits im Hochschulgesamtplan IV deutlich unterfinanziert, im Übrigen ja bereits schlechter ausgestattet als Vergleichseinrichtungen in anderen Ländern.

Gerade für die Entwicklung der Wirtschaft in der Region sind die Hochschulen unverzichtbar. Welche Erfolge sich hier erzielen lassen, zeigen erfolgreiche Bundesländer mit liberalen Profilen wie etwa BadenWürttemberg.

Zum Themenbereich Wirtschaft! Auf die genauen Konzepte, wie die Probleme des Standortes Bremen gelöst werden könnten, sind wir sehr gespannt. Vieles sind noch Absichtserklärungen. Zentrale Projekte wie die Außenweservertiefung oder das Kohlekraftwerk liegen ja noch im Argen, und ich glaube, beispielsweise nach der Debatte in der vergangenen Woche zum Kohlekraftwerk, dass es nicht gebaut wird. Wenn das eine ergebnisoffene Diskussion ist, nach dem, wie die Argumente hier ausgetauscht worden sind, dann müsste ich mich schon sehr täuschen. Zu dem Vorwurf, dass wir uns nicht mit dem Betriebsrat zusammengesetzt hätten, kann ich nur sagen: Ich persönlich kenne viele swb-Mitarbeiter aus allen Bereichen, und wir haben sehr intensive Gespräche geführt.

(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Ich auch, mit dem Gasableser! – Zuruf des Abg. D r. B u h l e r t [FDP])

Ich glaube schon, dass die Sorge sehr groß ist, dass sich daraus eine Standortentwicklung ergibt, die nicht zum Guten von Bremen gereicht ist.

Unverzichtbar für Bremen als Logistikstandort sind natürlich außer den Häfen auch andere Verkehrsmittel. Eine ganz zentrale Frage ist für uns das Schienennetz, der Bahnknoten Bremen ist überlastet und ein Nadelöhr. Bei den erfreulichen Wachstumsraten im Güterverkehr stellt sich die Frage, wie die Belastung getragen werden soll. Spätestens mit Beginn des S-Bahn-Verkehrs, den wir begrüßen, ist in einigen Jah

ren das Schienennetz überlastet und die Belastung für die anliegenden Wohngebiete nicht mehr tragbar.

(Beifall bei der FDP)

Zum Thema Wirtschaftsförderung! Diese muss einfach effizienter werden, das ist richtig! Das sehen wir genauso. Ob die angesprochenen Instrumente tatsächlich den Ansprüchen genügen werden, bleibt allerdings abzuwarten. Eine besondere Aufgabe der Bürgerschaft, das haben wir in der Vergangenheit auch immer gefördert, wird die Kontrolle wirtschaftlicher Aktivitäten sein. Es gibt eine Vielzahl von Beteiligungen, GmbH, bei denen sich die Frage stellt, ob es nicht effizientere Möglichkeiten gibt. Privatisierungen sind sicherlich kein Allheilmittel und bedürfen einer kompetenten Begleitung, aber welche Möglichkeiten es gibt, sieht man in Bremen beispielsweise an der Müllentsorgung.

(Beifall bei der FDP)

Etwas erstaunt haben wir Liberalen auf die sehr kurzen Ausführungen zur Kultur reagiert. Es war doch zu hoffen, dass nach der stiefmütterlichen Behandlung dieses Politikfeldes in den letzten Jahren ein wenig mehr zu hören sein würde. Die Bedeutung der Kultur für die Lebensqualität unserer Städte steht ja außer Frage. Aber zumindest finden sich im Koalitionsvertrag mit den Vereinbarungen über längerfristige Verträge durchaus positive Ansätze. Hier erwarten wir auf jeden Fall noch eine Menge mehr, Herr Bürgermeister!

(Beifall bei der FDP)

Bei der Gesundheitspolitik gilt wie für die Kulturpolitik: Es kann nur besser werden. Die Hoffnung bleibt, dass hier wirklich zügig gehandelt wird. Dass die bremischen Kliniken noch immer ohne Konzept dastehen, ist schlicht unhaltbar!

(Beifall bei der FDP)

Der lange Verzicht auf notwendige Schritte, das unendliche Debattieren und die nie getroffenen Entscheidungen werden uns jetzt in sehr schmerzhafte Prozesse treiben, glaube ich. Seit Jahren sind die Probleme im Gesundheitswesen bekannt, der finanzielle Spielraum wird in wenigen Jahren noch einmal dramatisch enger, das lange Warten hat unter dem Strich viele Tausend Arbeitsplätze gefährdet. Jedes weitere Hinauszögern einer Entscheidung macht die späteren Schritte noch schmerzhafter.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die Koalitionsverhandlung sieht vor, dass in den kommenden 4 Jahren 312 Polizisten in Bremen und Bremerhaven neu einge

stellt werden, damit die ausscheidenden Beamten ersetzt werden können. Die Personalmisere der Polizei wird damit aber nicht behoben. Es bleibt völlig außer Acht, dass die Polizei bereits jetzt massiv unterbesetzt ist und allein mindestens 200 Neueinstellungen nötig wären, um den aktuellen Bedarf zu decken.