Protocol of the Session on July 11, 2007

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der Linken)

Dann will ich damit enden, dass ich glaube und ganz sicher bin, dass wir eine Grundlage haben, um optimal aufgestellt in die Auseinandersetzungen zu gehen, die im nächsten Jahr von allerhöchster Bedeutung sein werden, denn wir haben ja im kommenden Jahr, 2008, zu erwarten, dass das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe urteilt, seine Auffassung über die Klage Bremens äußert. Bürgermeister Böhrnsen wird in seiner sehr bedeutenden Rolle innerhalb der Föderalismusreformkommission sicherlich auch im nächsten Kalenderjahr wichtige Schritte vorantreiben können. Hoffentlich wird die Föderalismusreformkommission dazu kommen. Ich finde, es gibt dazu eine Reihe guter, positiver, Mut machender Signale.

Wichtig wird sein – und ich will wirklich noch einmal damit enden –, dass diese Dinge nicht zerredet werden, dass auch seitens der drei Oppositionsfraktionen dafür gesorgt wird, dass sich die Bundespolitik, dass man sich in den anderen Ländern für ein soli

darisches Finanzausgleichsystem einsetzt. Wenn wir uns hier selbst zerfleischen, meine Damen und Herren, dann wird aus Bremen und Bremerhaven nichts, und diese Koalition will, dass Bremen und Bremerhaven eine Zukunft haben. Das Land Bremen soll existieren. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Anhaltender Beifall bei der SPD, beim Bünd- nis 90/Die Grünen und bei der Linken)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Troedel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Die Regierungserklärung des Präsidenten des Senats, Herrn Bürgermeister Böhrnsen, bleibt hinter den Erwartungen der Linken zurück: viele Absichtserklärungen, wenig konkrete Vorhaben, verklausulierte Pläne, wenig klare Aussagen, kein visionäres Vorausschreiten. Wir erwarten keinen detaillierten Maßnahmeplan für jeden Monat der vor uns liegenden Wahlperiode, aber ein bisschen konkreter haben wir es erwartet.

Die Wählerinnen und Wähler haben mit ihrer Entscheidung am 13. Mai den Wechsel von einer lähmenden Großen Koalition hin zu einer Regierung gewählt, die die Probleme des Landes angeht. Von einer Regierungserklärung erwarten die Bürgerinnen und Bürger Aussagen, wie die skandalöse Höhe der Arbeitslosigkeit beseitigt werden soll. Sie wollen wissen, wie es um ihre soziale Sicherheit bestellt ist. Sie wollen erfahren, wie ihre demokratischen Rechte gewahrt bleiben und wie das Land Bremen ein bürgerfreundliches, demokratisches Gemeinwesen werden soll.

Die Regierungserklärung bleibt hinter diesen Erwartungen zurück, wenn wir hören und im Koalitionsvertrag lesen: „Arbeitslosigkeit muss vermieden werden durch eine präventiv ansetzende Arbeitsmarktpolitik, zum Beispiel durch gezielte Qualifizierungsmaßnahmen.“ So wird es nicht gehen, es reicht nicht aus. Die skandalös hohe Arbeitslosigkeit im Land Bremen muss bekämpft werden. Die Menschen in Bremen wollen eine alternative Arbeitsmarktpolitik, sie wollen eine aktive Beschäftigungspolitik ohne Drangsalierung der Arbeitslosen.

(Beifall bei der Linken)

Die Bürgerinnen und Bürger wollen eine Beschäftigungspolitik mit einer angemessenen sozialen Sicherung. Die Linke hat in ihrem Wahlprogramm die Einführung eines öffentlichen Beschäftigungssektors gefordert, damit wollen wir tariflich bezahlte Arbeitsplätze anstelle von Ein-Euro-Jobs schaffen.

(Beifall bei der Linken – Zuruf von der FDP)

Ich mache einen Vorschlag: Erst rede ich, und dann reden Sie! (Beifall bei der Linken)

Damit wollen wir tariflich bezahlte Arbeitsplätze anstelle von Ein-Euro-Jobs schaffen. Ich wiederhole es noch einmal, falls es jemand nicht verstanden hat. Das sollen Arbeitsplätze sein, die einerseits die Beschäftigten qualifizieren, andererseits aber auch dringenden gesellschaftlichen Bedarf in Bildung, Betreuung und sozialer Sicherung abdecken. Diese Beschäftigungsverhältnisse sollen Arbeitslose wieder in den ersten Arbeitsmarkt bringen. Wir hörten vom Präsidenten des Senats, dass er eine Arbeitsmarktpolitik durchsetzen will, die so viele EinEuro-Jobs wie möglich durch befristete sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse ersetzen soll. Das hört sich gut an, und in diesem konkreten Punkt sind wir d’accord. Ebenso begrüßen wir die Einsicht des Senats, dass sinkende Steuern für große Unternehmen und Kapitalgesellschaften nicht zu mehr Steuereinnahmen führen und dass dem Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 nicht zugestimmt wird, (Beifall bei der Linken)

weil mit diesem Gesetz den Bürgerinnen und Bürgern der Bundesrepublik in den kommenden vier Jahren 25 Milliarden Euro, das sind die Fakten und Zahlen der CDU-SPD-Regierung des Bundes, entzogen werden. Bremer Arbeitsmarktpolitik geht nicht zusammen mit Steuergeschenken an die reichen und großen Unternehmen.

(Beifall bei der Linken)

Für diese Einsicht ein Kompliment an die Bremer Landesregierung! Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr genau beschreibt die Koalitionsvereinbarung die Situation der vielen armen Menschen in Bremen und Bremerhaven. Dann aber zu sagen, hier werden wir alle Möglichkeiten nutzen, um dieser Entwicklung entgegenzutreten, ist zu wenig. Es ist zu wenig, Zwangsumzüge nur drastisch zu reduzieren. Zwangsumzüge für Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfänger darf es gar nicht geben!

(Beifall bei der Linken)

Kinder und Jugendliche in Armut, das ist unwürdig und für die Gesellschaft ein Skandal. Hier muss gehandelt werden, und zwar sofort. Die Prüfung von Maßnahmen kann ich als Regierungshandeln nicht akzeptieren. Den Linken ist es wichtig, dass Berechnungsgrundlagen für Regelsätze nicht nur überprüft werden, die Regelsätze müssen erhöht werden!

(Beifall bei der Linken)

Die Wiedereinführung von Einmalleistungen muss nicht nur überprüft werden, Einmalleistungen müssen gezahlt werden. Die Zukunfts- und Entwicklungschancen der Kinder dürfen nicht von der sozialen Herkunft und dem Geldbeutel der Eltern abhängig sein. Diesem Satz aus der Koalitionsvereinbarung und der persönlichen Regierungserklärung von Herrn Böhrnsen stimmen wir voll zu.

(Beifall bei der Linken)

Aber hier gilt es konkret, schnellstmöglich zu handeln. Lassen Sie mich noch kurz zwei Themen ansprechen, die in fast jeder Regierungserklärung oder Koalitionsvereinbarung am Rande behandelt werden: Frauen und Gleichstellung sowie die gleichberechtigte Teilhabe! 44 Prozent aller Arbeitslosen im Land Bremen sind Frauen, und das, obwohl nur knapp zwei Drittel aller Bremerinnen erwerbstätig sind. Frauen stellen den Großteil der Langzeitarbeitslosen, Frauen halten den Spitzenplatz bei den prekären Beschäftigungen, 64 Prozent aller Minijobs sind von Frauen besetzt, 70 Prozent aller Niedriglohnbezieher sind Frauen. Hier noch einmal die Forderung nach Mindestlohn aufzuwerfen, das ist, denke ich, überflüssig. (Beifall bei der Linken)

Die Zahlen sprechen für sich. Wer Gleichstellungspolitik ernst nimmt, muss schon aus diesem Grund für Mindestlohn sein.

(Beifall bei der Linken und bei der SPD)

Frauen stehen ganz vorn, wenn das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf diskutiert wird, gerade so, als ob Familie ausschließlich ihr Metier ist. Diese Spitzenplätze machen mich zornig! Wir sehen nicht ein, warum mehr als die Hälfte der Menschen in Bremen und Bremerhaven schlechtere Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben haben soll, weil sie weiblichen Geschlechts ist. Ich fände es auch ganz interessant, wenn der eine oder andere männliche Abgeordnete zuhören würde, vielleicht kann er noch etwas lernen. (Beifall bei der Linken)

Es reicht nicht aus, Spezialprogramme für Frauen auf dem Arbeitsmarkt, für Frauen in der Familie, für Frauen an anderer Stelle anzulegen. Gleichstellungspolitik ist eine Querschnittsaufgabe! Jede politische Entscheidung muss daran gemessen werden, welchen positiven Einfluss sie auf die Gleichbehandlung der Geschlechter hat. Die Formulierung Geschlechtersensibilisierung, ich denke, da hat der Autor sich verschrieben, das war vor 50 Jahren up to date, heute geht es um knallharte Quotierung.

(Beifall bei der Linken)

Spezialprogramme ja, wenn offenkundige Defizite beseitigt werden sollen, Spezialprogramme nein, wenn Frauen in Nischen oder auf bestimmte Felder abgeschoben werden sollen. Auch die Integration von Menschen, die ihre Wurzeln nicht in Deutschland haben, darf kein spezielles Politikfeld sein. Menschen mit Migrationshintergrund gehören in Bremen und Bremerhaven ganz selbstverständlich überall dazu.

(Beifall bei der Linken)

Diese Selbstverständlichkeit ist aber in vielen Bereichen nicht sichtbar. Die Linke hat im Wahlkampf die Forderung aufgestellt, überall dort, wo wir als öffentliche Hand Einfluss nehmen können, Frauen und Männer mit Migrationshintergrund bei Einstellungen, bei Auftragsvergaben und so weiter entsprechend ihres Anteils an der Bevölkerung zu berücksichtigen, ich verweise noch einmal auf die mathematische Quote. Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Regierungspolitik des Senats für die kommenden vier Wochen – –.

(Heiterkeit bei der Linken)

Es wäre dann wirklich ein überschaubares Regierungsprogramm! Die Regierungspolitik für die kommenden vier Jahre ist in vielen Punkten nicht ausgewogen. Sie setzt unseres Erachtens an den Schwerpunkten nicht richtig an, sie ist keine Politik der sozialen Gerechtigkeit. Aber es gibt Ansätze in der Koalitionsvereinbarung, bei denen wir meinen, die Richtung stimmt. Ich hatte die Schaffung des öffentlichen Beschäftigungssektors erwähnt. An dieser Stelle gehen wir aufeinander zu. Wir werden im konkreten Gesetzgebungsverfahren unsere Vorschläge einbringen, mit Ihnen diskutieren und hoffen sehr, dass wir in dieser Frage zu einer gemeinsamen Verabredung kommen können. Uns geht es nicht um parteipolitische Profilierung. Uns geht es darum, die Lebensverhältnisse in Bremen und Bremerhaven nachhaltig zu verbessern.

(Beifall bei der Linken)

Wir bleiben bei unserer Kritik. Wo die Senatspolitik einer falschen Weichenstellung folgt, werden wir immer bei unserer Aussage bleiben. Wir sind dabei, wenn wir hier in der Bürgerschaft eine Politik für ein gutes, gerechtes Leben der Menschen in Bremen und Bremerhaven beschließen werden. Nicht die Kassenlage, sondern die Lage der Menschen soll das entscheidende Kriterium der Politik sein. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der Linken)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn meiner Rede, vielleicht auch als Antwort auf die Rede von Herrn Röwekamp als Vorsitzender der CDU-Fraktion, gar nicht so sehr auf das eingehen, was er im Einzelnen gesagt hat. Ich möchte einmal eine Umfrage zitieren, die mir jetzt in ihrem Ergebnis umso einleuchtender scheint, nachdem ich sie noch einmal angesehen habe, die nach der Wahl von dem Meinungsforschungsunternehmen Infratest dimap unter allen wahlberechtigten Bremerinnen und Bremern und Bremerhavenerinnen und Bremerhavenern durchgeführt worden ist. Dort wurde gefragt: Welche Partei passt am besten zu Bremen und Bremerhaven? Das Ergebnis lautete: SPD 82 Prozent, Bündnis 90/Die Grünen 61 Prozent, CDU 33 Prozent. Heute habe ich verstanden, warum die Menschen dort diese Antwort gegeben haben, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das ist in der Tat logisch, und so erklärt sich auch Ihr Wahlergebnis. Der eine oder andere mag sich gewundert haben, wie tief Sie in den Wahlergebnissen hier in Bremen noch sinken können. Sie haben heute einen weiteren Schritt getan, in 4 Jahren noch ein Stück unter die 25 Prozent zu kommen, die sie dieses Mal gerade noch so geschafft haben, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Nehmen wir einmal den Punkt – der Bürgermeister hat ihn in seiner Regierungserklärung angesprochen, und der Vorsitzende der CDU-Fraktion hat ihn als Innensenator in den letzten 4 Jahren verantwortet – der Innenpolitik und der Sicherheit der Menschen! Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, was hier gespielt wird und welches Stück aus dem Tollhaus hier aufgeführt wird, meine Damen und Herren: Da forderte der damalige Innensenator Röwekamp die ganze Zeit über im Wahlkampf 100 Stellen pro Jahr für die Polizei ohne einen Gegenfinanzierungsvorschlag, ohne auch nur die geringste Idee, wie das bezahlt werden soll. Wenn wir jetzt diesen Riesenkraftakt schaffen und pro Jahr 65 Polizisten neu ausbilden, dann sagt er, das sei unsolidarisch, das sei unkonsolidiertes Finanzverhalten der neuen Regierung. Wer das verstanden hat, der möge sich melden. Ich glaube, wir werden keine Finger hier im Haus sehen. Das ist schlichtweg überhaupt nicht zu verstehen!

Es ist auch Falschmünzerei, und es ist unredlich, hier so zu argumentieren, noch bis vor 4 Wochen 100 Polizisten ohne Gegenfinanzierung zu fordern – wobei ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

man bei der Polizei sehr froh über diesen Teil des Koalitionsvertrags ist, dass wir 65 neue Auszubildende pro Jahr einstellen – und nun zu sagen, das sei nicht zu finanzieren, das ist schlichtweg der blanke Wahnsinn, hier so Politik zu machen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Was ist die Realität? In den Jahren 2008 und 2009 kommen die Abgänger aus der Hochschule für öffentliche Verwaltung, die von Herrn Röwekamp eingestellt worden sind, die Jahrgänge, die in den vergangenen Jahren als neue Polizeianwärter eingestellt worden sind. Da kann man sich die Zahlen anschauen: Im nächsten Jahr sind es 28 Abgänger und im übernächsten Jahr 35 Abgänger. Das ist sozusagen die Röwekamp-Lücke, die wir in der Polizei haben, die wir mit dem Programm dieser Regierungskoalition schließen müssen. Das ist die Wahrheit über dieses Thema, meine Damen und Herren, und nicht die kompletten Verdrehungen, die heute erzählt worden sind.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Der frontale Angriff auf die Wirtschaftspolitik und auf die Frage des Arbeitsmarktes ist ein Ding, das man sich auch nur sehr schwer erklären kann, der Herr Kollege Dr. Sieling ist dankenswerterweise schon darauf eingegangen. Wir haben in den letzten 12 Jahren 27 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in Bremen und Bremerhaven verloren. Wir wollen jetzt mit dem, was wir zur Verfügung haben – mit einem soliden Programm, das nicht auf abgehobene Projekte setzt, die eben nicht zu Bremen und Bremerhaven passen, sondern das grundsolide da ansetzt, wo wir wirkliche Stärken haben, von der Industrie über den Mittelstand bis hin zum Handwerk und den Dienstleistungen –, versuchen, Arbeitsplätze in Bremen zu halten und die Schaffung neuer Arbeitsplätze anzuregen.

Wenn man das nun als etwas hinstellt, wo wirtschaftspolitisch jetzt in Bremen und Bremerhaven die Lichter ausgehen, dann ist das vor dem Hintergrund dessen, was wir hier in den letzten Jahren erlebt haben, schlichtweg komplett unsinnig. Man muss nur nach Gröpelingen fahren und sich den Space Park einmal anschauen. Dann sieht man, welchen Arbeitsplatzeffekt bestimmte Projekte und bestimmte Investitionen, beileibe nicht alle, aber welche, die ziemlich teuer waren, haben. Ich glaube, es gibt noch einen Hausmeister und einen Wachmann, die da nachts herumlaufen und das Gebäude sichern. Herzlichen Glückwunsch zu diesen Arbeitsplatzeffekten mit Ihren Wirtschaftssenatoren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)