Protocol of the Session on January 22, 2009

Der ökologische Aspekt ist richtig, und die Schülerinnen und Schüler, auch bis zur zehnten Klasse interessieren sich dafür! Ich hatte das Vergnügen, von einer Klasse eingeladen zu werden, und die Schülerinnen und Schüler haben zwei Themen genannt: Jugendkriminalität und Globalisierung. Das war eine zehnte Klasse. Ich glaube, wir sind weltfremd, wenn wir sagen, sie interessieren sich nicht dafür. Sie haben ein Recht, über diese Dinge informiert zu werden.

Da bin ich ein Stück weit bei Ihnen, Herr Rohmeyer, wenn Sie in diesem Fall gestern den Eindruck eines Wissenskanons erweckt haben. Ich bin hier nicht derjenige, der sagt, nichts Genaues weiß man nicht, Hauptsache, man kann richtig einkaufen – nein! Es gibt schon Dinge über Armut und Arbeitslosigkeit, die die Schülerinnen und Schüler interessieren, über Verteilung, Steuern, Stabilitäts- und Wachstumsgesetz, ökologische Ausrichtung der Wirtschaft und über die Probleme der Globalisierung. Das interessiert sie alle brennend!

Ich kann Ihnen als Lehrmaterial den Atlas der Globalisierung empfehlen, der ist in gleich vielfacher Ausfertigung in der Stadtbibliothek vorhanden. Ich hoffe, das gibt es auch als Klassensätze. Da muss etwas getan werden, das ist nicht eine stundenweise Ausweitung, sondern das ist eine qualitative Ausweitung. Als Lehrmaterial kann ich Ihnen übrigens auch das Buch „Konzept Steuergerechtigkeit“ von ver.di empfehlen. Das ist gestern in einer öffentlichen Veranstaltung von Wirtschaftsprofessor Elsner als höchst informativ, mit Schaubildern und gut verständlich, auch gern für die zehnte Klasse empfohlen worden. Wir brauchen mehr Aufklärung und mehr Informationen in diese Richtung. Ich hoffe, dass mir genügend Mitglieder dieses Parlaments zustimmen, dass wir da auch tatsächlich Fortschritte machen, denn es kann nicht wahr sein, dass diese Notwendigkeit von Ihnen nicht gesehen wird. – Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN)

Nächster Redner ist der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass es unterschiedliche ökonomische Auffassungen in diesem Parlament gibt, dann war es die Rede von Herrn Beilken!

(Beifall bei der FDP)

Denn natürlich musste soziale Marktwirtschaft nicht von unten erkämpft werden, sondern es war eine Erkenntnis nach dem Zweiten Weltkrieg, dass das für unser Land eine Wirtschaftsordnung ist, die unser Land nach vorn bringt, die den Menschen Wohlstand sichert und eine Gesellschaft bringt, in der der Schwache geschützt ist und vom Starken etwas abbekommt. Das ist eine Gesellschaft, in der wir leben wollen,

(Beifall bei der FDP)

in der sicherlich immer um das eine oder andere in der Verteilung gerungen wird und gerungen werden muss, und die Frage auch zu Recht gestellt wird, ob bei all dem Verteilen nicht die Schraube manchmal überdreht wird und die Steuerbelastung für die Bürger so hoch ist, dass sie sich fragen: Warum soll ich morgens noch aufstehen, warum soll ich den Lkw noch fahren, wenn von dem Geld, das ich mehr verdiene, so wenig bleibt? Insofern sind das Fragen, die von den Ökonomen nicht eindeutig geklärt sind, mit denen die Kinder und Jugendlichen in den Schulen Erfahrungen machen können, über die sie die Theorien lernen sollen, wo sie dann eben auch beantworten sollen, wie es sich privat auswirkt, wenn sie Schulden machen. Sie sollen dann auch lernen, wie sie ausrechnen können, welcher Handytarif am günstigsten ist. Das kann man in Mathematik auch tun, da geht es nämlich in aller Regel um Geradengleichungen. Aber da geht es dann auch um die Erfahrung, was Schulden bedeuten und wie sie meine Zukunft belasten. Dann sind wir wieder genau bei dem Thema, worüber Sie sich so gern mit uns streiten, nämlich die Frage: Ist eine Staatsverschuldung etwas, das gut ist, oder ist es etwas, das im Zaum gehalten werden muss, weil es zukünftige Generationen belastet?

(Beifall bei der FDP)

Letzteres ist unsere tiefste Überzeugung, das gilt nicht nur für jugendliche Handybesitzer, sondern das gilt auch für den gesamten Staat: Schulden sind nichts Gutes, sondern Schulden muss man sich genau überlegen, genau begründen können, und sie gehören gebremst! – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Möhle.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Beilken, wenn das eben eine Unterrichtsprobe war, dann weist mich das deutlich darauf hin, dass die Lehrerfortbildung hier noch nicht genügend gewürdigt ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Weil aber die Lehrerfortbildung einen großen Bestandteil in der Antwort des Senats ausmacht – und ich finde, dass der Senat darauf sehr klug antwortet – und weil hier auch deutlich ist, dass natürlich wirtschaftspolitische Themen immer auch politische Streitthemen sind, kommt es natürlich darauf an, dass Schule in einem hohen Maß an Neutralität vermittelt, welche verschiedenen Ansätze es gibt. Ich hatte beim Lesen Ihrer Anfrage den Eindruck, dass genau das auch Zielsetzung Ihres Anliegens ist.

Letzter Punkt, der, wie ich finde, an dieser Stelle vielleicht doch noch einmal gesagt werden muss: Hinsichtlich der Schule denkt jeder, er oder sie weiß, wie es geht, weil man selbst einmal dort war. Ich weiß nicht, ob das heute wirklich so ist, wie immer gesagt wird, es sei zu viel zu lernen, oder ob es gelegentlich nicht auch eine Frage ist, wie ich etwas vermittele. Ich glaube nicht, dass wir ein Unterrichtsfach speziell zu Ökonomie brauchen würden.

(Beifall bei der SPD)

Meiner Meinung nach müssen die ökonomischen Themen quer durch alle Bereiche, wo es relevant ist, behandelt werden, und ich kann nicht erkennen, dass es sinnvoll wäre, ein gesondertes Fach daraus zu machen. Ich glaube, dass in diesem Sinne jetzt für mich auch die Debatte erst einmal zu Ende ist. Ich habe mich gefreut, an einer Bildungsdebatte teilnehmen zu dürfen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Jürgens-Pieper.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Möhle, ich habe mich gefreut, dass ein wirtschaftspolitischer Sprecher einmal teilnimmt, auch wenn wir gemeinsam erst einmal gute Grüße an Frau Stahmann richten. Das soll nicht heißen, dass sie nicht auch vieles hätte beitragen können zu diesem Thema. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Die Debatte hat, glaube ich, gezeigt, wo die Gefahren liegen, Sie haben das eben aufgenommen, ganz gleich, ob man ökonomische, ökologische oder politische Bildung diskutiert, so hat doch jede Partei und jede Fraktion ihre Wünsche an dieser Stelle. Sie haben freundlicherweise vorhin gesagt, man erreicht nicht immer, wenn man eine bestimmte Zielsetzung in der Schule verfolgt, genau das, was man möchte, nämlich den entsprechenden Wähler, sondern häufig das Gegenteil. Viele Linke, die dann auch entsprechend ihren politischen Weg gefunden haben, haben häufig eine konservative Erziehung genossen, und das hat dann genau dies befördert und umgekehrt.

So ist es, glaube ich, richtig, dass Schule tatsächlich versucht, auch bei der ökonomischen Bildung wirklich neutral zu bleiben, soweit das eben gelingt. Natürlich hat jeder Lehrer seine eigene Position dabei, aber wenn man es falsch versteht und falsch vermittelt, wird es, denke ich, gerade in diesem Bereich ausgesprochen schwierig. Das Thema an sich ist ein hoch anspruchsvolles Thema und wahrlich kein einfaches, und von daher liegt, glaube ich, in der Schule der Königsweg darin, dass wir nicht das eine gegen das andere ausspielen – die ökologische Bildung, die politische Bildung gegen die ökonomischen Bildung. Der Weg liegt darin, wie uns die Reformpädagogen das schon immer gelehrt haben, wir müssen versuchen, junge Menschen ganzheitlich auszubilden und zu Persönlichkeiten auszubilden,

(Beifall bei der SPD)

die dann selbst ihre Position und ihren Weg finden. Ich glaube, das Heilsbringen hilft hier an dieser Stelle nicht.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir wissen, dass gerade in diesen krisenhaften Prozessen, in denen wir im Augenblick stecken, das Ganze aktuell ist, insofern, finde ich, ist das auch ein Thema für den Unterricht, das aber auch hoch anspruchsvoll ist. Ich bin dankbar, dass wir nicht in eine völlige Fächerdiskussion geraten sind. Ich denke, dass die Stundentafeln übervoll sind in Teilen und dass sich deshalb gerade die Kernfächer, auf die wir uns, glaube ich, inzwischen alle auch geeinigt haben, ebenfalls den übergreifenden Themen mit widmen müssen. Da gibt es genügend Anlässe, Herr Dr. Buhlert hat eben einige genannt: Es gibt in allen Fächern, ob in der Mathematik oder in der Biologie oder Chemie wie in Deutsch und anderen Fächern Anlässe, auch Ökonomie zu behandeln, gerade wenn es solche aktuellen Themen gibt, und aufzugreifen. Natürlich muss es in der Schule ein geplantes Curriculum sein, wenn man ein so fachübergreifendes Thema bearbeiten will.

Ich will sagen, wenn heute Banker zu dieser Krise der Finanzmärkte äußern, dass man zu dem alten

Grundsatz zurückkehren sollte, nur die Geschäfte zu machen, die man selbst versteht, wissen wir vielleicht, wie schwierig es ist, wenn wir diese Aufgabe Lehrern an die Hand geben, Schülern zu erklären, was im Augenblick eigentlich passiert.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Die Lehrer, die ich kenne, wissen alles oder tun zumin- dest so!)

Ich will deshalb sagen, wir haben in der Tat auch viel Wert auf die Bildungspläne und auf die Fortbildung gelegt, aber das allein – und da hat Herr Rohmeyer ausgesprochen recht – bringt noch nicht das Leben in die Schule, sondern die Projekte, die Anlässe, und deshalb ist es tatsächlich richtig, mit der Wirtschaft und Unternehmen zusammenzuarbeiten, was wir auch tun.

Sie haben Ihre Anfrage 1999 gestellt. Ich glaube, seitdem kann man verzeichnen, dass eine Menge passiert ist, das ist, glaube ich, Konsens. Es gab in den Schulen auch Abwehr gegen das Thema, durchaus nicht bei allen Lehrkräften, aber bei einer Reihe von Lehrkräften, und ich glaube, heute ist gerade auch die Arbeits- und Berufsorientierung ein wichtiger Punkt in der Schule geworden. Sie alle haben hier, glaube ich, in allen Fraktionen auch dazu beigetragen, dass dieses Thema in den Schulen eine Rolle gespielt hat. Ich will sagen, mein Amtsvorgänger hat eine Menge auf den Weg gebracht an dieser Stelle.

(Beifall bei der SPD)

Angefangen hat es im Jahr 2000 mit einer gemeinsamen Erklärung des Senators für Bildung und Wissenschaft und des Präses der Handelskammer Bremen. Hier sind Programme und Kooperationen entstanden. Ich will nur nennen: 80 Lehrkräfte sind im Programm „Ökonomische Bildung Online“ fortgebildet worden. Das Fach Arbeitslehre wurde curricular. Sie haben es schon erwähnt, Wirtschaft, Arbeit und Technik wurden mit einem deutlichen Schwerpunkt in die Stundentafel hineingebracht, Frau Schmidtke hat es, glaube ich, gesagt. Das ist auch ein Fortschritt, wenn man übergreifender als bei der Arbeitslehre das Thema inzwischen betrachtet. Die Stundentafeln der Sekundarstufe I schreiben vor, dass mindestens je eine Wochenstunde in der neunten und zehnten Jahrgangsstufe für curriculare Elemente der ökonomischen Bildung zu verwenden ist. Das heißt, die Schule muss sich Gedanken machen, wie sie dieses Thema in den Fächern verankert. Das Landesinstitut hat eine Menge an Projekten auf den Weg gebracht im Bereich Schule und Wirtschaft, unter anderem sind die Schülerfirmen schon erwähnt worden. Ein Aspekt in der Gesamtheit der ökonomischen Bildung!

Wie gesagt, eine Fächerdiskussion verbietet sich meines Erachtens an dieser Stelle genauso wie in anderen wichtigen Bereichen, die ebenfalls zur ganz

heitlichen Bildung eines jungen Menschen gehören, der ästhetischen oder politischen Bildung, die ebenfalls genauso zu betrachten sind wie die ökonomische Bildung. Deshalb noch einmal: Wenn wir junge Menschen zu Persönlichkeiten heranbilden wollen, muss das sowohl im sozialen wie im ökologischen und im ökonomischen Bereich gehen. Ihr Verantwortungsbewusstsein und ihre Bereitschaft soll hier gefordert werden, also greifen wir, denke ich, auf die alte Reformpädagogik zurück und sagen: Ganzheitliche Bildung und Persönlichkeitsbildung sind das wichtigste in der Schule. Dazu gehört auch die ökonomische Bildung. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 17/640, auf die Große Anfrage der CDU Kenntnis.

Sozial- und Kulturticket jetzt einführen

Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 25. November 2008 (Drucksache 17/625)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Dr. Schuster.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin erhält das Wort die Abgeordnete Frau Cakici.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben erneut die Einführung des Sozial- und Kulturtickets beantragt, weil wir erkennen mussten, dass in dieser Sache eindeutig zu wenig passiert. Wenig Bewegung hat Ihnen auch der „Weser-Kurier“ in dieser Sache attestiert. Die Einführung eines Sozial- und Kulturtickets muss endlich realisiert werden!

(Beifall bei der LINKEN)

Schon vor über einem Jahr haben wir die Einführung des Sozialtickets hier gefordert, und echte Fortschritte hat es seitdem aber nicht gegeben. Sie hatten genügend Zeit, die Verpflichtungen aus Ihren eigenen Koalitionsvereinbarungen zu realisieren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir als Linksfraktion haben das Problem schon lange erkannt, und wir ha––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

ben realistische Lösungsvorschläge geboten, denn das Problem drängt: Wir sehen die Kinder, die allein zur Schule müssen, weil ihre Eltern sie aus Kostengründen weder abholen geschweige denn hinbringen können. Wir sehen die Menschen, die den Arztbesuch aufschieben, weil sie sich die Fahrkarte dorthin nicht leisten können. Wir sehen die Auswirkungen dieser eingeschränkten Mobilität der einkommensschwachen Menschen in unseren Städten, die vom gesellschaftlichen und kulturellen Leben weitgehend ausgeschlossen sind. Diese Situation ist ungerecht und diskriminierend.