Protocol of the Session on July 4, 2007

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich glaube, das ist der Punkt!

Wenn wir von hier aus nach Bremerhaven schauen, das war ja auch eine eigentümliche Koinzidenz! Gerade an dem Tag, als der Konflikt um das Kohlekraftwerk auf Seite 1 des „Weser-Kurier“ abgehandelt wurde, nahm man den Politikteil zur Seite und schaute auf den Wirtschaftsteil, dort war ein großer, wunderbarer Artikel über die aufblühende Offshore-Windenergie-Branche in Bremerhaven. Wenn man das sieht und wenn man das auch in allen anderen Bereichen sieht, dann kann man doch nicht ernsthaft behaupten, es gehe um ein Einerseits-Andererseits, sondern es geht um beides, und das ist unser Auftrag hier, für uns als Koalition oder für Sie auch als ganzes Haus, glaube ich.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Herr Focke, Ihrem Beitrag habe ich auch sehr aufmerksam zugehört. Ich muss sagen, er weicht doch erheblich – das Privileg habe ich ja noch, weil ich in den letzten Jahren im Bundestag gewesen bin – von

dem ab, was beispielsweise die Bundeskanzlerin spricht.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/ Die Grünen]: Das ist schade!)

Das ist sehr stark von altem Denken geprägt, was Sie hier präsentiert haben, das würde ich schon gern so sagen. In Ihrem ganzen Beitrag kam der Terminus Klimaschutz ja gar nicht vor. Das kann man ja meinethalben noch verzeihen, aber die ganzen Entwicklungen des letzten zurückliegenden Jahres, zum Beispiel die Veröffentlichung des Stern-Reports vor einem Dreivierteljahr, der Weltbankbericht darüber, dass die Kosten des Klimawandels um ein Vielfaches über dem liegen, was Klimaschutz kostet, um den Faktor 5 bis 20, kamen in Ihren Überlegungen überhaupt nicht vor. Oder die UN-Klimaschutzberichte, die jetzt im letzten halben Jahr einer nach dem anderen gekommen sind, die sagen, wir müssen im Weltmaßstab bis 2050 die CO2-Emissionen mindestens halbieren und in den Industrieländern um 80 Prozent reduzieren! Auch das kam nicht vor!

Es kam auch nicht vor, was der EU-Gipfel im März beschlossen hat bezüglich der CO2-Minderungsziele in Europa. Es kam nicht vor, dass gestern beispielsweise bestätigt worden ist, das 40-Prozent-Ziel bis 2020 beim CO2 gewissenhaft und ernsthaft anzustreben. Das sind doch Rahmenbedingungen, innerhalb derer wir auch als Bremer navigieren müssen, das können wir nicht außen vor lassen! Ich möchte Sie wirklich bitten, das in Ihre Überlegungen einzubeziehen!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der Linken)

Jetzt zu dem Vorgang selbst! Wir haben während der Koalitionsverhandlungen – das unterscheidet uns offenbar von Ihnen, das muss man schon sagen – mit der Unternehmensführung, mit dem Betriebsrat, mit den Gewerkschaften und mit den Umweltverbänden gesprochen. Auch bin ich froh darüber, dass die breite Öffentlichkeit heute da ist, Herr Meyer vom Betriebsrat ist da, aber auch Vertreter der Umweltverbände. Das finde ich sehr gut, und das zeigt, dass wir es hier mit einem emotional aufgeladenen Thema zu tun haben.

Unsere Aufgabe wird es sein, von Herrn Bürgermeister Böhrnsen und von mir, es in den nächsten 4 Monaten so zu machen, dass die Argumente alle auf den Tisch kommen, aber dass es im Großen und Ganzen, hoffe ich jedenfalls, sachlich zugeht. Wir haben mit all denen gesprochen, sogar mit den Anteilseignern. Die swb heißen zwar noch Stadtwerke, aber die bittere Wahrheit ist, es ist ein privater Konzern, der zu 51 Prozent dem größten holländischen Strom- und Gaskonzern gehört, nämlich Essent, und zu 49 Prozent der EWE. Das ist sozusagen ein Mischkonzern,

der für den norddeutschen Markt Strom produzieren will. Auch deren Sicht der Dinge haben wir uns angehört, und anders als Sie hatten wir am Ende dieser Gespräche nicht das Gefühl, dass alles total klar ist, sondern dass noch eine ganze Menge Fragen offen sind; deswegen auch dieses Verfahren.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich finde Ihren Antrag in Teilen gar nicht so schlecht, es sind durchaus gute Formulierungen darin, mit denen man leben kann, aber wenn man ihn sich genau ansieht, ist es im Prinzip eine Eins-zu-eins-Übernahme der Hintergrundpapiere der swb, die ja seit einigen Monaten hier in der Stadt kursieren. Das kann man ohne Weiteres sagen, und ich glaube, Aufgabe der Politik ist es nicht, sich eins zu eins die Position eines Unternehmens zu eigen zu machen, sondern sich insgesamt ein Gesamtbild zu machen und sich die Argumente vorzulegen.

Es gibt tatsächlich noch eine Menge Fragen. Die Frage der Klimaverträglichkeit steht ganz oben, die Erdgasverfügbarkeit ist eine Frage, die wir prüfen müssen, die Frage der Beschäftigungsintensität ist eine, da gibt es auch zwischen der Unternehmensführung, wenn ich es richtig sehe, und dem Betriebsrat unterschiedliche Vorstellungen. Die einen argumentieren sehr stark, wir bauen diesen einen großen Block mit knapp 1000 Megawatt dorthin, und dann gehen die anderen Anlagen vom Netz. Statt der jetzt einigen Hundert Arbeitsplätze in der Erzeugung, die weitgehend dezentral ist, haben wir dann einen großen Block, wo 70 bis 80 Menschen arbeiten. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind der Meinung, dass diese dezentrale Struktur bleibt, und der große Block kommt zusätzlich obendrauf. Also, da ist keineswegs alles geklärt!

Eine Frage, die auch noch zu klären ist, ist die Konkurrenz gerade an der Küste. Wir haben demnächst hier Offshore-Windkraft, ganz massiv Strom, der sozusagen vom Meer zu uns kommt, und wenn wir das hier alles zustellen mit Kohlekraftwerken, dann haben wir natürlich ein Problem, dann haben wir eine Nutzungskonkurrenz zwischen Windenergie und Kohleverstromung, und auch das gilt es zu prüfen. Es gilt auch zu prüfen die Frage nach der Wärmeauskopplung, die Frage nach der Nutzung der Wärme: Gibt es Wärmeinseln? Könnte Wärme erzeugt werden, wenn das Kraftwerk gebaut würde? Wir haben auch die Frage der Preisentwicklung für Erdgas und Steinkohle zu prüfen.

Die Preise setzen sich in Zukunft aus 2 Faktoren zusammen: aus den Brennstoffpreisen und aus dem Preis für die Emissionszertifikate. Die Emissionszertifikate werden teuer. Ab 2013 werden sie nicht mehr verschenkt, sondern versteigert, vielleicht vollständig, und wenn man sagt, heute liegt der Zertifikatpreis bei 20 Euro pro Tonne, und dieses Kraftwerk

würde 5 Millionen Tonnen, grob geschätzt, ausstoßen, dann kämen jährlich an zusätzlichen Betriebskosten 100 Millionen Euro obendrauf. Gut, es ist nicht unsere Aufgabe, das zu prüfen, das muss der Konzern machen, ob er dann trotzdem noch bauen will, aber man kann wirklich nicht sagen, dass alles längst bekannt ist und es jetzt nur noch darum ginge, schnell zu entscheiden.

(Zuruf des Abg. Focke [CDU])

Nein, nein!

(Abg. F o c k e [CDU]: Ja klar sind das bekannte Fakten!)

Der letzte Punkt zur Sache ist, dass wir zwischen kurz- und langfristig unterscheiden müssen. Kurzfristig ist es natürlich so, wenn Sie ein Kraftwerk bauen, das 45 Prozent Wirkungsgrad hat, ist es besser als ein Kraftwerk, das 38 oder 40 Prozent hat. Aber der Struktureffekt ist natürlich der problematische, nämlich dass Anlagen sehr lange laufen, die also die Versorgungsstrukturen im Prinzip bis 2050 festschreiben und zementieren. Deswegen müssen wir sehr genau hinsehen, was der Unterschied ist zwischen kurzfristigen und langfristigen Effekten.

Zu der Anlage noch einmal ganz kurz: Was Sie hier in dem Antrag schreiben, stimmt so nicht, das dies sozusagen das Modernste wäre, was es überhaupt gibt. Es geht um ein reines Kondensationskraftwerk mit 45 Prozent elektrischem Wirkungsgrad ohne jede Wärmeauskopplung. Das kann man nicht wirklich als die modernste der verfügbaren Technologien bezeichnen.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der Linken)

Hinzu kommt auch noch bei dem Thema CO2-freie Kohlekraftwerke – das habe ich eben in meiner Antwort auf Ihre Frage in der Fragestunde gesagt –, diese CCS-Technologie ist noch nicht so weit, dass sie den Markt durchdringt, aber es werden auch Pilotanlagen gebaut von Vattenfall und RWE, schon 2014, mit dieser Kohlenstofffreiheit. Also auch das sind Argumente, die es jedenfalls nicht ohne Weiteres zulassen zu behaupten, wie Sie es tun, es sei die modernste aller denkbaren Anlagen, und die muss jetzt unbedingt genauso gebaut werden. Also, da gibt es schon noch Fragen!

Zum Prozess, das will ich jetzt abschließend sagen: Es ist keineswegs so, dass wir 2 Leute bestellt haben, Stephan Kohler von der Deutschen Energieagentur und Felix Matthes vom Öko-Institut, bei denen wir ganz sicher wissen, was herauskommt. Es ist in der Tat ein ergebnisoffener Prozess, und wir wollen das Ganze unter Einbeziehung der Stadtöffentlichkeit

durchführen. Wir setzen in dieser Frage auf Information, sodass alles auf dem Tisch liegt, damit entschieden werden kann und dass vor allen Dingen nachvollzogen werden kann, was wir als Senat dann tun. – Danke schön!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der Linken)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Als Erstes lasse ich über den Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP mit der Drucksachen-Nummer 17/3 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür CDU und FDP)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Jetzt lasse ich über den Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 17/ 19 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD und Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen CDU, FDP und Die Linke)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

Meine Damen und Herren, ich unterbreche nun die Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) bis 15.15 Uhr.

Vizepräsident Ravens eröffnet die Sitzung wieder um 15.16 Uhr.

Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Land- tag) ist wieder eröffnet.

Bremerhaven braucht auch künftig 25 % der Investitionsmittel des Landes Bremen

Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP vom 20. Juni 2007 (Drucksache 17/4)