Protocol of the Session on September 11, 2008

(Beifall bei der SPD)

Herr Dr. Möllenstädt, das, was Sie betreiben, ist keine Mathematik, das ist Schönrederei, damit kommen Sie aber nicht weiter. Wenn Sie sagen, wir sollen uns endlich auf den Weg machen, hier Veränderungen zu organisieren, dann sage ich Ihnen, wir sind längst auf dem Weg. Frau Schön hat das eben angesprochen, wir sind in einem intensiven Diskussionsprozess. Herr Röwekamp, auch wenn Sie noch einmal nach dem Antrag fragen, der Antrag liegt hier noch nicht vor. Ich glaube nicht, dass das in irgendeiner Weise problematisch ist. Wir versuchen, im Konsens mit den Beteiligten hier eine vernünftige Regelung hinzubekommen. Wenn Sie mit in das Spiel möchten, Herr Dr. Möllenstädt, dann ganz bestimmt nicht mit diesen Vorschlägen, die Sie hier vorgelegt haben.

(Beifall bei der SPD)

Das, was Sie betreiben, ist das Zerschlagen des Bildungsurlaubes. Wir setzen uns dafür ein, dass das Bildungsurlaubsgesetz angepasst wird an diese tatsächlich modernen Bedingungen, von denen Sie einfach nur schreiben, aber inhaltlich leider nichts verstanden haben.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der LINKEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer das Gesetz zur Änderung des Bremischen Bildungsurlaubsgesetzes, Drucksache 17/473, Neufassung der Drucksache 17/440, in erster Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür CDU und FDP)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE)

Stimmenthaltungen?

(Abg. T i t t m a n n [parteilos])

Ich stelle fest die Bürgerschaft Landtag lehnt das Gesetz in erster Lesung ab. Damit unterbleibt gemäß Paragraph 35 Satz 2 der Geschäftsordnung jede weitere Lesung.

Meine Damen und Herren, ich wollte Ihnen mitteilen, dass zwischenzeitlich interfraktionell vereinbart worden ist zu Top 32, dabei handelt es sich um die Stellungnahme des Senats zum Zweiten Jahresbericht des Landesbeauftragten für Informationsfreiheit, Drucksache 17/495, keine Debatte durchzuführen und den Tagesordnungspunkt zum Schluss der heutigen Landtagssitzung aufzurufen. Ich hoffe Sie sind damit einverstanden.

Bordellbetreiber stärker kontrollieren – Transparenz im „Milieu“ verbessern

Große Anfrage der Fraktion der CDU vom 5. Juni 2008 (Drucksache 17/448)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 19. August 2008

(Drucksache 17/511)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Mäurer, ihm beigeordnet Frau Staatsrätin Buse.

Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort, Drucksache 17/511, auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.

Ich gehe davon aus, Herr Senator Mäurer, dass Sie die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU nicht mündlich wiederholen möchten.

Auf die Antwort des Senats auf Große Anfragen folgt eine Aussprache, wenn dies Mitglieder der Bürgerschaft in Fraktionsstärke verlangen.

Ich frage, ob in eine Aussprache eingetreten werden soll.

Das ist der Fall.

Die Aussprache ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Hinners.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Antwort des Senats lässt eine erschreckende Unkenntnis über das Prostitutionsmilieu und die Probleme der dort tätigen Frauen erkennen.

(Beifall bei der CDU)

Der Senat kann weder halbwegs konkrete Zahlen zu Bordellen noch zur Anzahl der Prostituierten liefern. Er bezieht sich dabei auf Schätzungen, und das, meine Damen und Herren, obwohl der Senat in seiner Antwort zu Frage 5 selbst einräumt, dass im Zusammenhang mit der Prostitutionsausübung so herausragende Kriminalitätsformen stehen wie Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, Förderung des Menschenhandels schlechthin, Zuhälterei, Ausbeutung von Prostituierten, auf Prostitution bezogene Sexualdelikte, Körperverletzungsdelikte und Raubdelikte. Der Senat weist weiter darauf hin, dass eine Aussage über das Dunkelfeld Gewalt gegen Frauen in diesem Milieu mangels entsprechender Erhebung nicht möglich ist. Warum der Senat allerdings bei dem ältesten Gewerbe der Welt eine Gewerbeanmeldung oder Erlaubnispflicht für nicht möglich hält, ist uns als CDU-Fraktion völlig unverständlich.

(Beifall bei der CDU)

Nach Angaben des Bundeskriminalamtes hat sich in Bremen allein die Zahl der Straftaten im Bereich des Menschenhandels seit 2002 fast verdreifacht. Meine Damen und Herren, bei der Deliktsform Menschenhandel handelt es sich in erster Linie um Gewaltanwendung gegen Frauen, wie beispielsweise – ich hatte schon darauf hingewiesen – Vergewaltigung, Freiheitsberaubung, Zwang zur Prostitution und Körperverletzung. Die Erklärung des Senats zu dieser Entwicklung, wonach die Aufklärung verschiedener Gruppen zum Thema Menschenhandel und Prostitution anlässlich der Fußballweltmeisterschaft zu einer höheren Sensibilität und damit Anzeigenbereitschaft in der Öffentlichkeit geführt haben soll, ist fachlich höchst umstritten. Schließlich handelt es sich hier bei dieser Thematik in der Regel nicht um Delikte, die typischerweise von Geschädigten oder Zeugen zur Anzeige gebracht werden, sondern um sogenannte Kontrolldelikte, die erst durch die pro––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

aktive Ermittlungsarbeit der Polizei aufgedeckt werden. Um diese Arbeit der Polizei zu erleichtern und damit die Situation der Frauen im Milieu zu verbessern, ist nach Ansicht der CDU-Fraktion eine bessere Kontrolle erforderlich.

(Beifall bei der CDU)

In der Antwort des Senats zur Frage 10 erklärt der Senat selbst, dass eine umfassende Kenntnis von Stätten zur Ausübung der Prostitution und der im Milieu tätigen Personen aus sozialen und polizeilichen Gesichtspunkten von besonderer Wichtigkeit ist. Meine Damen und Herren, umso unverständlicher ist es dann, wenn der Senat in seinen Antworten zu Fragen 13 und 14 der Polizei genau diese Instrumente verwehrt, die zur umfassenden Aufklärung des Milieus beitragen könnten. So hält es der Senat weder für geboten, das in Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern praktizierte sowie vom BKA empfohlene sogenannte Dortmunder Modell zur besseren Kontrolle des Milieus einschließlich einer Gewerbeanmeldung zu übernehmen. Weiterhin will der Senat das Polizeigesetz nicht dahingehend ändern, wie in vielen Bundesländern geschehen, der Polizei das Recht einzuräumen, zur Verhütung dringender Gefahren Wohnungen oder Betriebe, die der Prostitution dienen, jederzeit betreten zu dürfen und dabei Ermittlungen über mögliche Straftaten zum Nachteil von Prostituierten zu führen. Die Behauptung des Senats, die Strafprozessordnung würde ausreichende Möglichkeiten einräumen, geht an der Sache völlig vorbei, da in diesem Fall die Straftaten gegen die Frauen schon begangen und der Polizei beziehungsweise Staatsanwaltschaft bekannt geworden sein müssen. Das Polizeigesetz dient dagegen der Gefahrenabwehr, also der Verhinderung dieser Straftaten.

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion fordert den Senat auf, zur Verbesserung der Situation der Frauen im Prostitutionsgewerbe die Arbeitsmöglichkeiten der Polizei zur Kontrolle der Bordelle und damit die Transparenz im Milieu zu verbessern. Darüber hinaus fordern wir den Senator für Inneres auf, das Thema in der nächsten Innendeputationssitzung auf die Tagesordnung zu setzen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Fecker.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Große Anfrage der CDU lässt ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

sich rechtlich betrachtet leicht oder eben nicht leicht beantworten. Prostitution und Gewerberecht, Bordelle und Gaststättenrecht, die Diskussion unter Juristen wäre wahrscheinlich spannend. Hinter diesen juristischen Einschätzungen stehen allerdings rund 1000 Einzelschicksale mit teilweise verheerenden Biografien und erschütternden Schicksalen. Mit ihrer Anfrage richtet die CDU den Fokus auf ein Milieu, das wir alle nur am Rande – wenn überhaupt – wahrnehmen, aber über das wir als Politik nicht so einfach hinweggehen können. Wir alle sind gefordert, zumindest den ordnungs- und strafrechtlichen Rahmen abzusichern, in dem sich die Menschen dort bisher teilweise ohne jeden Schutz bewegen. In Bremen gibt es beispielsweise keine rechtliche Definition, was eigentlich genau ein Bordell ist. Die reine Verwaltungslehre sagt uns auch, dass eine Anmeldung als Gewerbe schwierig ist und auch ein Bordell einmal nicht so eben unter das Gaststättenrecht zu fassen ist. Wir sind jetzt also schlauer, was alles nicht geht, aber damit dürfen wir uns definitiv nicht zufriedengeben, meine Damen und Herren. Wir Grüne wollen Prostitution anerkennen und die Menschen rechtlich und sozial absichern, weg von der Unterdrückung und weg von der Doppelmoral in unserer Gesellschaft.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Auch wenn das Ziel klar ist, müssen wir trotzdem anerkennen, dass alle bisherigen als auch, glaube ich, zukünftigen Regelungen immer auf ein geteiltes Echo stoßen werden. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die in Bremen lang geführte Diskussion um die sogenannten Bock-Scheine. Ich denke, wir müssen es hinbekommen, ein Modell für Bremen zu entwickeln, das niederschwellig, aber trotzdem wirksam ist. Hohe rechtliche Hürden drängen die Menschen in die Illegalität, und gerade das, da sind wir uns, glaube ich, einig, wollen wir definitiv nicht. Die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen haben sich daher verständigt, sich gemeinsam mit der CDU über mögliche Lösungen zu informieren, die in der Deputation für Inneres zu diskutieren und am Ende des Prozesses auch zur Entscheidung zu kommen. Das von Ihnen, Herr Hinners, angesprochene Dortmunder Modell, also das Zusammenwirken vieler staatlicher Akteure und der Betroffenen, könnte eventuell eine mögliche Lösung sein.

Für uns ist der heutige Tag allerdings erst der Anfang der Debatte. Die grüne Bürgerschaftsfraktion wird sich an dieser Debatte mit dem Ziel beteiligen, die Arbeits- und Lebensverhältnisse der betroffenen Prostituierten zu verbessern und skrupellosen Menschenhändlern und Zuhältern in Bremen das Leben so schwer wie irgend möglich zu machen. – Herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Tittmann.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Große Anfrage der CDU, Bordellbetreiber stärker zu kontrollieren und die Transparenz im Milieu zu verbessern, ist auf Grundlage einer stark zunehmenden gewalttätigen Auseinandersetzung gerade in diesem undurchsichtigen dunklen Milieu – in Hamburg, aber nicht nur in Hamburg, haben wir doch schon lange eine Zunahme eines brutalen und blutigen sogenannten Zuhälterkriegs zu verzeichnen – eine wichtige und richtige Anfrage. Die Dunkelziffer solcher gewalttätigen Auseinandersetzungen in diesem Milieu dürfte weitaus höher liegen, als man überhaupt erahnen könnte.

Tatsache ist doch, dass unzählige Prostituierte mit Gewalt, Folterschlägen, Vergewaltigung, Erpressung, Passentzug und so weiter bestialisch dazu gezwungen werden, ihr Gewerbe im Bordell oder zu Hause ausüben zu müssen. Ich nenne hier nur einmal das ganz große Problem der Zwangsprostitution im Zusammenhang mit niederträchtigen Scheinehen und Menschenhandel. Hier muss zum Schutz unzähliger Frauen und junger Mädchen schnellstens politisch gehandelt werden. Das heißt erstens, Bordellbetreiber müssen viel stärker und effektiver kontrolliert werden. Die bisherigen laschen Kontrollen reichen bei Weitem nicht dazu aus, um das sehr große Problem der Zwangsprostitution auch nur ansatzweise in Griff zu bekommen. Zweitens muss die Transparenz im Milieu dringend verbessert werden, obwohl das gerade in diesem dunklen Milieu sehr schwer sein dürfte. Drittens müssen effektivere, bessere gesetzliche Regelungen beschlossen und umgesetzt und das bestehende gesetzliche Strafmaß auch konsequent angewendet werden.

Auch das Zeugenschutzprogramm für betroffene Frauen und Mädchen muss dringend verbessert werden. Es muss so effektiv verbessert werden, dass es auch den Namen Zeugenschutzprogramm wirklich verdient, damit mit diesem wichtigen Anreiz die widerliche Zwangsprostitution auch wirklich effektiv bekämpft werden kann. Man kann ja nur hoffen, dass im Zusammenhang mit einer verstärkten Bekämpfung der Zwangsprostitution der ehemalige koksende, vorbestrafte Moralapostel, immer noch ein Moralapostel der Nation, Michel Friedman nicht noch einmal wieder in die Fänge der Ermittlungsbehörden gerät.

(Glocke)