Protocol of the Session on September 11, 2008

Erstens: Die tariflich Beschäftigten bei der DTKS, Deutsche Telekom Kundenservice, erhalten seit ihrer Ausgliederung acht Prozent weniger Lohn bei gleichzeitiger Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit um vier Stunden.

Zweitens: Die tariflich Beschäftigen bei der VCS, Vivento Customer Service, erhalten seit ihrer Ausgliederung 10,5 Prozent weniger Lohn – seit 2004 gab es hier auch keine Lohnerhöhungen mehr –, sie müssen ebenfalls 4 Stunden länger pro Woche arbeiten. Hinzu kommt, dass an den Vivento-Standorten im Vergleich zur DTKS zwei- bis dreimal so viele Menschen aus Leih- und Zeitarbeit beschäftigt werden. Diese Menschen haben am Ende des Monats, damit sich die Telekom im Wettbewerb behaupten kann, gerade einmal 870 Euro netto zum Leben.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Einen Arbeitsplatz!)

Es gibt eine Redensart, die diesen Zustand sehr gut beschreibt: Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel!

Einen dritten Punkt will ich Ihnen auch noch nennen, Herr Röwekamp! Denn es gibt noch die ehemaligen VCS-, also ehemaligen Vivento-Standorte, die jetzt an die Bertelsmann-Tochter arvato verkauft wurden. In einigen Städten bekamen die Mitarbeiter einen Vorgeschmack auf das, was ihnen blüht, wenn der Konzern nach Ablauf der mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di vereinbarten Haltefrist weitere Callcenter verkauft. Die Beschäftigten werden derart unter Druck gesetzt, dass sie sogar Verträge mit einem Jahresbruttogehalt von 15 000 Euro unterschreiben und so eine Lohnsenkung von bis zu 30 Prozent in Kauf nehmen. Die wöchentliche Arbeitszeit im Vergleich zu Vivento ist hier noch einmal um zwei Stunden pro Woche angehoben worden. Die Bedrohung der Konditionen für Mitarbeiter in diesen Netzzentren ist ein Skandal, und das muss auch öffentlich immer wieder so genannt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Telekomvorstand versucht, mit einem beherzten Griff in die Geldbeutel der Beschäftigten Umsatzverluste auszugleichen und Gewinnmargen zu erhöhen. In diesem Zusammenhang ist es vielleicht auch notwendig, noch einmal zu verdeutlichen, dass auch in diesem Jahr die Dividenden für Anteilseigner um ein Vielfaches gestiegen sind.

Die LINKE unterstützt hier die Beschäftigten und Betriebsräte in ihren drei Kernzielen, die da wären: Erstens, Sicherung der tarifpolitischen Konditionen, zweitens Ausschluss betriebsbedingter Beendigungskündigungen und Verkaufsverzicht und drittens gesicherte und verbesserte Bedingungen für Beamte.

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Deutsche Telekom plant nicht nur deutliche Einschnitte bei ihren Callcentern, wie Sie, liebe Koalition, in ihrem Antrag schreiben, sondern sie führt einen Kahlschlag in ih

ren Strukturen durch. Über die Tarifeinigung im letzten Jahr wurden Leitlinien für weitere Veränderungen mit den Betriebsräten verabredet. Arbeit sollte möglichst in der Fläche erhalten bleiben, um auch Präsenz in den einzelnen Regionen zu zeigen. Standortkonzepte sollten frühzeitig mit den Betriebsräten beraten werden. An diese Vereinbarungen hat sich die Telekom nicht gehalten. Stattdessen wurden nach unserem Kenntnisstand die Bürgermeister von den Standortschließungen informiert, bevor dem Gesamtbetriebsrat oder ver.di die Pläne auch nur vorgestellt wurden. Wenn dem so ist, lieber Herr Bürgermeister, dann frage ich Sie: Wo war zu diesem Zeitpunkt Ihre Initiative und Ihr Einsatz für die Beschäftigten der Telekom?

(Beifall bei der LINKEN)

Der Standort Bremen ist mit etwa 170 Mitarbeitern von einer Schließung betroffen. Die Arbeit soll zwar nicht wegfallen, aber mit dem Standort Leer vereinigt nach Oldenburg verlagert werden. Wir haben hier auch schon von den Auswirkungen vor allem für Kolleginnen und Teilzeitbeschäftigte gehört, die dann ihre Tätigkeit aufgrund des zusätzlichen Fahrweges nicht mehr ausüben können. Aber die Entscheidung der Telekom ist gefallen, und insofern müssen wir hier feststellen, dass uns ein typischer SPD/Grüne-Antrag vorliegt, um einfach nur den Schein zu wahren, weil er im Grunde nichts nützt. Oder sind Sie etwa der Auffassung, dass Sie mit diesem Antrag und mit diesem Inhalt noch auf die Telekom einwirken können?

(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Das kommt ja von der richtigen Seite des Hauses! – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Dann nützt ja Ihre Rede jetzt auch nichts!)

Da aber dieser Antrag auch nicht schadet – wir sprechen also über einen Antrag mit Placeboeffekt –, sondern gegenüber den Beschäftigten vielleicht ein kleines positives Signal sendet, und zwar ein Signal der Solidarität aus der Bremischen Bürgerschaft heraus, werden wir ihn natürlich nicht ablehnen.

Zum Schluss noch zwei Fragen, und es würde mich freuen, wenn Sie darauf in Ihrem Beitrag eingehen könnten, Herr Bürgermeister! Was mich interessiert, ist: Welche Leistungen hat die Telekom eigentlich aus dem sogenannten Telekomvertrag mit dem Land erhalten, und warum sind diese nicht an den Erhalt der Arbeitsplätze gebunden worden, sodass sie jetzt zurückgefordert werden könnten?

(Glocke)

Und letzter Satz: Wie will der Senat konkret auf die Telekom hinsichtlich Erhalt von Arbeitsplätzen einwirken und die Nachteile für Arbeitnehmerinnen

und Arbeitnehmer im Zusammenhang mit Privatisierung verdeutlichen?

(Beifall bei der LINKEN – Abg. R ö w e - k a m p [CDU]: Der kauft die Mehrheit der Aktien, das ist ganz einfach!)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Ella.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Entscheidung der Telekom, den hiesigen Rufdienst zu schließen und die Arbeitsplätze nach Oldenburg zu verlagern, ist bedrückend. Nicht nur, dass in Bremen damit eine große Zahl von Arbeitsplätzen verloren geht, es ist auch für die Betroffenen in der Mehrzahl ein schwerer Schlag. Den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wünsche ich, dass sie die persönlichen Probleme, denen sie nun ausgesetzt sind, gut lösen können!

Es ist erforderlich, dass sich die Politik für Arbeitsplätze einsetzt, es ist sogar eine ihrer Hauptaufgaben. Nur wer Arbeit schafft und sichert und damit Menschen eine Lebensgrundlage bietet, hat als Politiker eine Legitimation.

(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Was hat dann Herr Westerwelle?)

dies sei erwähnt, obwohl es in diesem Fall nicht zutrifft, dafür nicht Subventionen notwendig sind, die nicht lebensfähige Strukturen aufrechterhalten sollen.

Dennoch möchte ich für die FDP-Fraktion einige kritische Anmerkungen machen! Wir halten es für sehr schwierig, von der Telekom zu verlangen, sie solle eine regionalpolitische Verantwortung übernehmen. Im Jahr 2001 hat der damalige Senat die Eröffnung eines Rufdienstes der Firma Viag Intercom im Technologiepark sehr begrüßt; eine Ansiedlung, die nur möglich war, weil der Telekommunikationsmarkt geöffnet wurde, eine Ansiedlung, die sich auch nur halten konnte, weil diese Firma der Telekom Marktanteile genommen hat.

Meine Damen und Herren, wir müssen uns schon überlegen, ob wir bereit sind, beide Seiten der Medaille zu tragen. Der Telekommunikationsmarkt ist noch immer stark in Bewegung, die Telekom verliert aus verschiedenen Gründen weiter Marktanteile und braucht daher weniger Kapazitäten. Es ist nicht gerade ein Zeichen von Ehrlichkeit, die positiven Seiten für eine Neuansiedlung gern mitzunehmen, die negativen Seiten aber nicht tragen zu wollen. Ebenso – es wurde eben schon angesprochen – hat der Senat die Möglichkeit genutzt, Kommunikationsdienstleistungen über eine Tochterfirma der EWE-Gruppe zu beziehen, durchaus berechtigt, wenn man den damaligen Pressemitteilungen glaubt, es wurde dadurch

gespart, und die Leistungen wurden besser. Aber, meine Damen und Herren, da bin ich einmal gespannt, mit welcher regionalpolitischen Verantwortung, wie es in der Vorlage heißt, der Senat vor der Telekom punkten möchte.

Letzten Endes ist der Weggang der Telekom ein weiterer Beweis für das vollkommene Scheitern der Idee einer sogenannten Callcenter City. Die erhofften Arbeitsplätze, die man zunächst noch hoch attraktiv fand, waren bis vor kurzem noch als prekäres Beschäftigungsverhältnis verrufen, jetzt wiederum will man sie erhalten. Plötzlich werden ja auch die vielen Teilzeitbeschäftigten gelobt. Hier müssen Sie sich im Übrigen aber noch entscheiden, liebe Koalition: Wollen Sie Teilzeitarbeitsplätze jetzt doch, oder sind diese immer noch böse?

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihr Antrag ist nicht nur reine Show, er ist auch ein Stück weit unehrlich und widersprüchlich. Aus Rücksicht auf die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden wir ihn aber nicht ablehnen, sondern uns enthalten.

(Beifall bei der FDP – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Das kommt jetzt aber am Ende über- raschend!)

Das Wort hat der Abgeordnete Tittmann.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann mich kurz fassen! Es ist schon viel gesagt worden, viel Populistik, viel Unehrliches, und es ist auch zum Teil von Show-Antrag gesprochen worden.

Selbstverständlich ist es für uns alle eine Selbstverständlichkeit, dass wir quasi – pro forma auch einige – für den Erhalt der Arbeitsplätze der Mitarbeiter der Telekom hier in Bremen kämpfen und sie auch behalten wollen. Darum werde ich auch Ihrem Antrag zustimmen. Aber, Frau Busch, jetzt kommen wir zum Aber: Ist es nicht so, dass im Aufsichtsrat, auch im Aufsichtsrat der Telekom, Gewerkschaftler der jeweiligen Gewerkschaften sitzen, die im Aufsichtsrat die jeweiligen Beschlüsse mit beschließen und mittragen, so wie zum Beispiel der mit einer Luxusreise während der Streikzeit verschwundene Bsirske-Chef, der seine Kolleginnen und Kollegen damals im Stich gelassen hat und sich aus der Verantwortung geschlichen hat?

Also, meine Damen und Herren, die Gewerkschaftler als quasi Nebenorganisation oder Unterorganisation der SPD tragen hier auch eine große Verantwortung, und deswegen, Frau Busch, sage ich Ihnen: Kommen Sie nicht mit einem weinerlichen, schaurigen Gesicht hier nach vorn, streuen den zu Recht ar

beitenden Kolleginnen und Kollegen der Telekom keinen Sand ins Getriebe, seien Sie ehrlich und sagen Sie den Leuten: Auch wir als SPD, auch unsere Gewerkschaftler tragen eine Mitverantwortung dafür, dass das so ist und dass die Beschlüsse so gefasst worden sind und so umgesetzt werden. Sagen Sie denen das ganz offen und ehrlich, aber das trauen Sie sich nicht! Die Arbeitnehmer haben mehr verdient, als mit Ihren billigen 5-Cent-Pfeifen berechtigte Sorgen zu vertreten! Seien Sie ehrlich, sagen Sie denen: Liebe Kollegen, auch wir sind daran schuld, wenn ihr euren Arbeitsplatz verliert oder wenn Arbeitsplätze verlagert werden, auch wir! Meine Unterstützung haben Sie jedenfalls 100-prozentig dazu, damit die Arbeitsplätze hier in Bremen und Bremerhaven erhalten bleiben, egal, um welche Firma es sich handelt. – Ich danke Ihnen!

Das Wort hat Herr Senator Nagel.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte war aufschlussreich. Ich freue mich für den Senat über die Unterstützung aus den Fraktionen der SPD, der Grünen und der CDU-Fraktion für den Einsatz, für den Erhalt der Arbeitsplätze. Von der linken Seite habe ich vernommen, dass Sie sich irgendwie widerwillig einreihen und viel lieber etwas ganz anderes hätten, nämlich eine sehr grundlegende Veränderung der Gesellschafts- und Wirtschaftsstrukturen – auch an diesem Punkt also Ideologien statt Brot! Insofern denke ich, dass hier deutlich wird, wer die Sorgen der Kolleginnen und Kollegen dort tatsächlich ernst nimmt.

Herr Ella, von einer Show zu sprechen, das halte ich doch für etwas verwegen, denn die Sorgen der Kolleginnen und Kollegen bei der Telekom sind nicht irgendwie erfunden, sondern das sind ganz konkrete, ganz reale Sorgen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Was anderes ist denn nahe liegender, Herr Ella, als dass sich die Volksvertretung, das Parlament mit diesen Fragen auseinandersetzt und dann auch unterstützend Initiativen des Senats und eigene Initiativen voranbringt? Ich halte das für eine wichtige, eine ureigenste Aufgabe einer Volksvertretung und eines Senats, der von dieser gewählt worden ist.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Die Entscheidung der Telekom ist zumindest für uns und auch nach den Erläuterungen, die gegeben worden sind, nicht begründet und bleibt daher natürlich unverständlich und nicht nachvollziehbar. Die

se Entscheidung, und vor allen Dingen die Art und Weise, wie sie mitgeteilt worden ist, wird der Verantwortung, die auch und gerade die Deutsche Telekom hat, nicht gerecht. Denn in einer sozialen Marktwirtschaft hat jedes Unternehmen eine solche Verantwortung wahrzunehmen für die Beschäftigten und auch für die Regionen, in denen sie tätig sind und wo sie auch vielfältige Unterstützung erfahren. Das gilt unabhängig davon, ob es sich um ein öffentliches, privates oder ein ehemaliges öffentliches Unternehmen handelt.

Natürlich ist klar, dass neben dieser Verantwortung auch die Orientierung am Markt unabdingbar ist. Keiner hat das in Frage gestellt in diesem Antrag, und deshalb hat auch die Telekom ihren Teil an Verantwortung zu tragen, gerade weil sie sich am Markt damit auseinandersetzen muss. Herr Röwekamp, Sie haben Recht, in diesem Dienstleistungsbereich ist ein harter Wettbewerb im Gang über Kosten und Preise, damit muss sich jedes Unternehmen auseinandersetzen. Aber das Unternehmen ist eben nicht nur Management und Anteilseigner, das Unternehmen sind auch die Beschäftigten, die in einen solchen Prozess mit einzubeziehen sind, und das ist hier, nachdem was wir wissen, offensichtlich nicht geschehen, und das bedeutet eben auch, die unternehmerische Verantwortung im Unternehmen nicht ausreichend wahrzunehmen.

In Bremen und Bremerhaven, auch darauf ist eingegangen worden, haben wir ja gelernt, dass weltweite Strukturveränderungen, sowohl in Deutschland als auch in Unternehmen, auch mit dem Abbau einzelner Tätigkeitsfelder zu tun haben kann. Dies kann man und muss man am Ende akzeptieren, wenn eine Perspektive mit solchen Entscheidungen verbunden ist, und zwar eine Perspektive für die Standorte und für die Beschäftigten an diesen Standorten, denn am Ende werden Arbeitsplätze von Unternehmen geschaffen und nicht von der Politik.

Die Telekom hat aber, und ich unterstreiche, wie jedes Unternehmen auch, ihren Teil an Verantwortung, dass verantwortlich mit solchen veränderten Marktsituationen im Unternehmen umgegangen wird. Gerade schwierige Entscheidungen, die Einzelne betreffen in Unternehmen, müssen begründet werden und nachvollziehbar sein, und vor allen Dingen müssen sie am Ende eines Diskussionsprozesses stehen und nicht „per ordre de Mufti“ verkündet werden. Das sehen im Übrigen, auch darauf ist hingewiesen worden, viele Verantwortliche in den Städten, die betroffen sind, sie sind vor vollendete Tatsachen gestellt worden, ebenso wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens. Das ist mindestens schlechter Stil, so geht man nicht miteinander um!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Im Übrigen, auch das ist deutlich geworden, dafür bin ich als Wirtschaftssenator ganz besonders dankbar, das ist ja nicht ein Standortproblem Bremens, sondern wir haben ja sehr erfolgreich auch vor kurzem in der Airportstadt neue Arbeitsplätze in diesem Bereich schaffen können. Daraus gibt es zumindest das Indiz, dass Callcenter nun gerade nicht zwingend die gewaltigen Strukturen brauchen, die die Telekom jetzt einrichten will. Zumindest ist das eine Frage, die zu beantworten sein wird vom Unternehmen.

Bürgermeister Böhrnsen hat sich für den Erhalt der Arbeitsplätze eingesetzt. Er hat sich nicht eingereiht, Herr Röwekamp, sondern er ist an die Spitze gegangen