Protocol of the Session on July 3, 2008

Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Insgesamt glauben wir auch, dass es sehr schwierig sein wird, eine konkrete Prognose zu machen, wie sich die Verkehrsströme bei solch einem Verkehrsticket verhalten werden. Es gibt, und das ist schon bei der Debatte hier angeklungen, einige Städte, die ein Sozialticket eingeführt haben. Zum Beispiel müssen wir bei dem ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Fall Dortmund natürlich jetzt erst einmal abwarten, wie es sich entwickelt. Ich will nur sagen: Für die CDUBürgerschaftsfraktion ist es sehr wichtig, dass wir eine vernünftige Lösung finden, die nicht zulasten aller anderen Verkehrsteilnehmer der BSAG geht, die unter den normalen Tarif fallen und keine Ermäßigung bekommen. Das wird schwierig sein, und darum kommt auch diese Debatte ein Stück weit zu früh, weil wir uns noch mitten in den Verhandlungen befinden. Ich glaube, dass die BSAG das auch sehr seriös und sehr ernsthaft prüfen wird und es allerdings nicht leicht wird, denn so, wie es sich Rot-Grün auf die Fahne geschrieben hat, das Ganze kostenneutral zu machen, glauben wir, ist es sehr schwierig.

Kosten werden entstehen. Ich wünsche Ihnen, das kann ich so ruhig sagen, Erfolg! Ich habe aber meine Zweifel, dass wir zu einer schnellen Lösung kommen werden. So ist es gut, dass jetzt in dieser Debatte auch keine konkreten Zahlen über irgendwelche Preise genannt wurden. In der Tat ist als Regelsatz für Mobilität ein Betrag, wenn ich richtig informiert bin, von 18,11 Euro vorgesehen. Wir haben ein Interesse, dass auch die Hilfebedürftigen mobil sind, nicht nur um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, sondern eben auch, um Vorstellungsgespräche und Behördengänge hier in der Stadtgemeinde machen zu können.

Also, aus unserer Sicht ist die Einführung des Sozialtickets noch nicht unter Dach und Fach. Wir werden das sehr eng begleiten, und wir warten dann auf ein konkretes Konzept und werden das bewerten und davon auch unsere Zustimmung oder Ablehnung hier abhängig machen. Wie die Debatte aber schon im vergangenen Jahr gezeigt hat, sind wir offen für dieses Sozialticket. In der Tat muss man sich Dortmund einmal konkret anschauen, aber klar ist auch, Verkehrsströme und Verkehrsstrukturen sind von Stadt zu Stadt immer unterschiedlich. Das heißt, die Erfahrungen, die jetzt in Dortmund gewonnen werden, gilt es mit zu berücksichtigen, aber wir müssen hier eine eigene Bremer Lösung finden.

Von daher, meine Damen und Herren, ist die Einführung eines Sozialtickets, denken wir, eine Möglichkeit, um den Menschen hier eine Teilhabe zu ermöglichen. Wir sind sehr gespannt auf ein konkretes Konzept. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte einmal so zusammenfassen: Einigkeit besteht doch darin, dass die im Regelsatz eingeplanten Mittel für die Mobilität zu gering sind. Ich glaube, da be––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

steht tatsächlich Einigkeit, weil das mit diesen 11 Euro, das kann man sich ausrechnen bei den Preisen der BSAG hier in Bremen, nicht funktionieren kann.

Der zweite Punkt und die zweite Einigkeit besteht doch auch darin, dass natürlich alle der Meinung sind, dass es natürlich umso besser ist, je höher die Selbstfinanzierungsquote ist. Auch da, finde ich, gibt es keine Streitereien zwischen uns, das meint auch DIE LINKE, und da sind wir auf einer Spur.

Ich finde, drittens, klar muss doch auch sein, dass hier in Bremen wie auch anderswo die Gruppe von Anwendern immer relativ groß ist. In Bremen kann man doch durchaus von 100 000 ALG-II-Beziehern ausgehen, die Anspruchsberechtigte für so ein Ticket wären, und dann stellt sich natürlich die wichtige Frage: Werden sie es benutzen, oder werden sie es nicht benutzen? Okay, das ist eine Frage, wobei ich sagen muss, ich habe eigentlich noch nie wirkliche Gründe gehört, warum ein Großteil dieser Menschen es nicht benutzen sollte, um die Frage einmal so zu stellen.

Wenn man deren Budget kennt, weiß man einfach, wenn man bestimmte Fahrten machen will – und da gibt es viele, die vielleicht gern mit dem Fahrrad fahren oder gern laufen, aber wenn man einmal an das andere Ende der Stadt will, vielleicht sogar wegen eines Vorstellungstermins –, dann nimmt man auch einmal ganz gern die Straßenbahn. Von daher finde ich das eigentlich eine wirklich interessante Frage: Warum sollen Menschen das nicht benutzen?

Soweit ich es überblicken kann, ist es doch auch so: In allen Städten, wo man angefangen hat, das einzuführen, wo es mit dem Preis einigermaßen auch stimmte, sind die Zahlen hochgegangen. Das Einzige, was man feststellen konnte, ist: Wenn der Preis wiederum zu hoch ist, den man am Anfang ansetzt, dann wird natürlich die Anzahl derjenigen, die die Karte benutzt, geringer werden.

(Abg. F r e h e [Bündnis 90/Die Grünen]: Die Zahlen sind in Berlin sehr gering, weil es 35 Euro kostet!)

Dazwischen ist sicherlich ein Spagat zu machen, aber ich sage einmal so, trotzdem scheinen sich doch viele in diesem Haus hier einig zu sein. Sie haben es in den Koalitionsvertrag geschrieben, wir haben es als großes Wahlkampfthema gehabt, wir sind uns da einig. Dann wird hier bemängelt, dass wir zum zweiten oder dritten oder vierten Mal, und vielleicht machen wir es auch noch zum sechsten Mal, hier eine Große Anfrage gestartet haben, dann ist das für uns doch auch nur eine Frage der Transparenz. Wir haben das Thema damals eingebracht und haben gesagt, wir wissen nicht genau, ob Rot-Grün das so ernst nimmt, ob sie das, was sie in den Koalitionsvertrag geschrieben haben, so ernst nehmen. Deshalb haben

wir es bei uns noch einmal eingebracht, dann hat das normale Spiel stattgefunden, und dann ist es in die Ausschüsse überwiesen worden. Da haben wir auch gesagt, okay, in die Ausschüsse überweisen, das kann ein richtiger Weg sein.

Dann haben wir in den Ausschüssen gesessen und gewartet, und wir haben in den Ausschüssen, wiederum in der Sozialdeputation, auch versucht, Anfragen zu machen, und das hat eine ganze Zeit gedauert, dann wurden die Anfragen irgendwie erst gar nicht gehört, dann haben wir darauf bestanden, dass sie ins Protokoll aufgenommen werden, dann wurden sie am Ende der Sitzung behandelt. Es wurde nie ein schriftlicher Bericht gegeben, nur ein mündlicher, es wurde gesagt, es sind die Verhandlungen mit der BSAG, wir haben aber nie einen richtigen Bericht darüber gelesen, wie nun der Stand mit der BSAG ist. Deshalb finde ich es völlig legitim für eine Linke und aus einem Transparenzbedürfnis heraus, das sie auch vor sich her tragen, sagen, wir wollen Transparenz gewährleisten, dass wir an einer bestimmten Stelle einfach eine Große Anfrage machen

(Beifall bei der LINKEN)

und fragen: Wie weit ist es denn? Von daher würde ich einfach sagen: Wenn es einen Sinn dieser Debatte heute gegeben hat, sollte vielleicht auch endlich für alle klar werden, dass es offensichtlich alle gemeinsam wollen, und dann müssen wir das jetzt anpacken. Dann bin ich auch dafür, dass in der Deputation solche Berichte einmal anders laufen, dass wir meinetwegen auch einmal gemeinsam mit der BSAG sprechen oder wie auch immer, weil dann für uns auch eine Transparenz gegeben ist, und wir können dann besser nachvollziehen, ob es denn nun tatsächlich so ernst gemeint ist oder nicht. Andererseits wäre es auch schön, wenn die Koalition dann auch einmal sagen würde, wir strengen uns tatsächlich an, und wir geben uns auch eine Zielvorgabe. Das, finde ich, ist zu erwarten, und dann frage ich einmal: Ende des Jahres? 1. Januar 2009?

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Erlanson, auch wenn Sie es sagen, es stimmt nicht, es sind sich nicht alle einig, dass dieses Ticket so eingeführt werden soll: Wir wollen nicht, dass das zulasten anderer Dinge im kommunalen Haushalt geht! Das ist uns eine wichtige Sache, und das können Sie nicht einfach so wegwischen mit Ihren Argumenten!

(Beifall bei der FDP)

Es geht darum, dass so etwas als Unternehmensentscheidung im Unternehmen sicherlich finanziert werden kann, aber keine Sache ist, die dann am Ende im Sozialhaushalt an anderer Stelle fehlt. Das darf nicht sein! Wenn es Ihnen ein solches Anliegen ist und Sie in den Ausschüssen sitzen – ich habe eben noch einmal bei den Kollegen gefragt; in der Baudeputation, welche die Deputation ist, die als Auftraggeber quasi gegenüber der BSAG fungiert, dort habe ich das als Thema von Ihnen nicht gefunden, da bin ich Stellvertreter, und die Kollegen hatten auch keine Erinnerung daran –, sprechen Sie es bitte in den Ausschüssen auch an, in denen es auch behandelt werden muss, und eben nicht nur dort, wo Sie meinen, dass es dort hingehört, sondern auch da, wo es hingehört! – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat Herr Staatsrat Golasowski.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst einmal bedanke ich mich für den Dank, den ich gern an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die an den Antworten gearbeitet haben, weitergebe.

Es gibt zwei Alternativen, wie man als Kommune zu einem ermäßigten Ticket kommt. Ich mag das Wort Sozialticket nicht so sehr, ich werde jetzt von ermäßigtem Ticket reden,

(Beifall bei der SPD)

weil das immer so etwas Stigmatisierendes hat.

Wie kommt man an ein solches ermäßigtes Ticket als Gemeinde heran? Die eine, naheliegende Möglichkeit ist die, dass die Gemeinde eine solche Leistung beim Verkehrsunternehmen bestellt, und dann wird sie geliefert. Die andere Möglichkeit ist, dass das Verkehrsunternehmen prüft, ob es durch eine Umschichtung der Preisgestaltung eine solche Ermäßigung anbieten kann. Eine Bestellung eines ermäßigten Tickets vonseiten der Gemeinde liegt uns nicht vor. Das heißt, es geht nur über die zweite Alternative. Die BSAG muss prüfen, und das prüft sie zurzeit auch, ob es möglich ist, durch eine Änderung der Preisgestaltung zuschussfrei ein solches ermäßigtes Ticket zur Verfügung zu stellen.

Was uns dabei nicht passieren darf, ist, dass wir meinen, dass durch das Gesetz der großen Zahl die Sache immer kostengünstiger wird und dann zuschussfrei realisiert werden kann. Das wäre eine Milchmädchenrechnung, und vor der müssen wir uns wahren. Ich darf, Frau Präsidentin, aus Wikipedia einmal zitieren: „Als Milchmädchenrechnung wird unter anderem die finanzielle Planung eines Vorhabens bezeichnet, bei der abzusehen ist, dass diese

das Vorhaben niemals tragen wird beziehungsweise bei der unterstellt wird, dass sie das Vorhaben nicht tragen kann, weil sie auf Trugschlüssen beruht.“ Davor müssen wir uns schützen, wenn wir ein solches ermäßigtes Ticket einführen wollen.

(Abg. R u p p [DIE LINKE]: Aber wir sind ja keine Milchmädchen!)

Wir haben bisher folgende Prüfung vorgenommen: Eine Prüfung – –. Übrigens, das mit den Milchmädchen ist überhaupt nicht diskriminierend!

(Abg. Frau T r o e d e l [DIE LINKE]: Doch!)

Damit sind die Milchmädchen der Meierei Bolle in Berlin gemeint, die dafür bekannt waren, dass sie aufgrund einfacher Rechenschemata in der Lage waren, schnell die Pfennigbeträge für die ausgelieferte Milch auszurechnen. Das können Sie bei Wikipedia gern nachlesen!

Wir haben bisher Folgendes getan: Wir haben uns überlegt, ob es möglich ist, aus den Erfahrungen des Jobtickets oder des Semestertickets Dinge zu übernehmen, um diese dann auf das ermäßigte Ticket zu übertragen. Das ist leider nicht so ohne Weiteres möglich, weil das Jobticket und das Semesterticket nur deswegen gut funktionieren, weil es eine zentrale Stelle gibt, die den ganzen Änderungsdienst abwickelt. Das haben wir bei den hier in Betracht kommenden Kunden der BSAG nicht. Die BAgIS hat sich nicht bereit erklärt, diese Aufgaben zu übernehmen. Jetzt müssen wir versuchen, ebenfalls eine den Verwaltungsaufwand nicht zu groß werdende Organisation aufzubauen, um ein solches Ticket anbieten zu können.

Die Nachrichten aus Dortmund sind nicht schlecht, Dortmund ist in der Tat vergleichbar. Dort wird von 85 000 Berechtigten ausgegangen, das ist auch die Zahl, die für Bremen gilt. Die gute Nachricht aus Dortmund ist, dass es bereits 20 000 Nutzer gibt, das ist ein Viertel aller Berechtigten, das macht optimistisch. Was allerdings dagegen arbeitet, ist, dass tatsächlich 27 Prozent bereits vorher ein Monatsticket hatten und deswegen aus dem Abonnement ausgestiegen sind. Ebenso gibt es erhebliche Rückgänge, das ist auch klar, bei den Normalverkäufen, denn wer ein ermäßigtes Ticket hat, wird keine Streifenkarten erwerben.

Eine weitere, nicht so gute Nachricht ist: Als wir uns einmal intensiv angeschaut haben, wie andere Städte das machen, haben wir festgestellt, dass es überall dort, wo es ein echtes Sozialticket gibt, also nicht nur eine Ermäßigung um 5 Euro, sondern auch wirklich eine Annäherung an den Satz von 15 Euro, bisher nicht ohne Zuschuss möglich war, das Ganze einzuführen. Alle Kommunen waren bis jetzt auch

vorsichtig und haben gesagt, diese Ermäßigung können wir nur erst einmal für einen Testzeitraum von zwei Jahren realisieren. Das werden wir wahrscheinlich auch machen müssen.

Was sind die nächsten Schritte, beziehungsweise woran arbeiten wir jetzt? Die BSAG erstellt eine Prognose: Wie werden sich die Fahrgastzahlen verändern? Wie werden sich die Verkehrsströme verändern? Ist es notwendig, zusätzliche Verkehrsleistungen einzuführen, das heißt zusätzliche Bahnen und Busse, weil sich das Aufkommen erhöht? Die Frage, wie das Ticket tatsächlich vertrieben wird, habe ich schon angesprochen. Da müssen wir kreativ herangehen, müssen vielleicht auch einmal mit der einen oder anderen Ungenauigkeit leben. Wenn eine Berechtigung wegfällt, muss man nicht gleich das Ticket einziehen, das würde den Verwaltungsaufwand auch erheblich verringern.

Die Frage, warum das noch nicht alles getan worden ist, denn ein Jahr Koalition ist vorbei, kann man stellen. In den Beiträgen ist angeklungen, dass das Risiko von Zuschüssen sehr hoch ist. Wir haben die glückliche Situation, dass andere Städte den Mut gehabt haben, das schon einzuführen. Es ist bekannt, ich bin praktizierender Lokalpatriot, mein Motto ist immer: Von Bremen lernen heißt siegen lernen. Ich aber glaube, in dem Zusammenhang ist das vielleicht einmal ganz gut, wenn wir von den Erfahrungen aus Dortmund, Leipzig und Köln profitieren und denen einmal über die Schulter schauen, wie sie das hinbekommen haben. Das kann dazu beitragen, keinen Trugschlüssen zu verfallen und ein belastbares Konzept vorzulegen, das wir uns für Herbst 2008 vorgenommen haben. Ich würde mich freuen, wenn ich dann hier in diesem Haus Gelegenheit habe, dieses Konzept vorzustellen. – Vielen Dank!

(Beifall)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 17/465, auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE Kenntnis.

Überfischung stoppen und Wettbewerbsverzerrung in der Hochseefischerei beseitigen

Antrag der Fraktionen der SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und der CDU vom 1. Juli 2008 (Drucksache 17/479)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Nagel.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Marken.