Protocol of the Session on July 3, 2008

Es ist aber sehr wohl möglich, dafür als Gegenleistung zu verlangen, dass jemand auch zum Beispiel für eine gemeinnützige Arbeit zur Verfügung steht oder sich in den Arbeitsmarkt vermitteln lässt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ob die Sanktionsregeln in Paragraf 31 Sozialgesetzbuch II zu scharf sind, darüber kann man reden. Ich meine auch, dass sie an einigen Stellen zu scharf ausfallen oder auch missbräuchlich angewendet werden können und auch angewendet werden. Sie sind aber grundsätzlich erforderlich, wenn man von dem Grundsatz ausgeht, dass arbeitsfähige Arbeitslose sich bemühen müssen, wieder in Beschäftigung zu kommen. Meine Kollegin Frau Garling hat schon gesagt, dass es den Betroffenen eben auch nützt, um die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu bekommen und nicht einfach mit einer niedrigen Grundsicherung abgespeist zu werden.

(Abg. Frau N i t z [DIE LINKE.]: Wo ist die Beschäftigung, um die sie sich bemühen sol- len?)

Zum Beispiel werden zunehmend Leute vermittelt. Ich weiß nicht, ob Sie von Bremerhaven wissen, dass zunehmend Langzeitarbeitslose zum Beispiel bei bremenports vermittelt werden mit einem speziellen Programm. Ich denke, solche Beschäftigungen existieren. Ansonsten sind die Verstöße nicht nur diese, dass sie zum Beispiel eine angebotene Arbeit nicht annehmen, sondern viele Sanktionen – das haben Sie selbst dargestellt – sind zum Beispiel Meldeversäumnisse.

(Glocke)

Meldeversäumnisse bedeuten schlicht, dass ein Arbeitsloser nicht mehr erreichbar ist.

Ihre Redezeit ist zu Ende!

Dann muss ich noch einmal wiederkommen und Ihnen den zweiten Teil meiner Ausführungen darbieten. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Möllenstädt.

(Abg. B e i l k e n [DIE LINKE.]: Es muss nicht jeder zu allen Anträgen reden!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, das kam aus berufenem Munde!

Liebe Frau Nitz, ich glaube, in der Bewertung und Einschätzung, dass auf dem Arbeitsmarkt insbesondere in dem Segment für Menschen, die langzeitarbeitslos sind, noch einiges zu tun und zu verbessern wäre, stimmen wir durchaus überein. Gleichwohl haben wir uns ein wenig gefragt, was Sie uns mit Ihrer Frage sagen wollen beziehungsweise wo der Mehrwert darin bestehen soll, denn als Sanktionen bezeichnet man ja angedrohte Strafmaßnahmen, die darauf ausgerichtet sind, unerwünschtes Verhalten zu unterbinden und damit Normen durchzusetzen.

(Abg. Frau N i t z [DIE LINKE.]: Schön in Wikipedia nachgelesen!)

Das ist bereits hier von Vorrednern ausgeführt worden! Aus unserer Sicht ist die beste Sanktion freilich die, die nicht verhängt werden muss.

(Beifall bei der FDP)

Dies gilt natürlich ausdrücklich auch für die Sanktionen nach dem Paragrafen 31 SGB II, nach denen Sie gefragt haben.

Interessanterweise, das geben die Antworten des Senats auch her, wird der geringste Teil der SGB IIKundinnen und -Kunden überhaupt sanktioniert, und das zeigt doch eigentlich, dass diese Sanktion ihren Zweck offenbar hinreichend erfüllt.

Auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion DIE LINKE, können doch unmöglich wollen, dass diejenigen, die sich weigern, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, die darin festgelegten Pflichten zu erfüllen oder eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit, die angeboten wird – das ist eben die Voraussetzung –, auszuführen, dies auch noch ohne Sanktionen tun können. Gerade das ist doch nicht in Ihrem Interesse, könnte ich mir vorstellen, denn das ist doch hochgradig

ungerecht, wenn Sie beklagen, dass es ohnehin zu wenig Möglichkeiten für Arbeit und Arbeitsgelegenheiten gibt.

(Beifall bei der FDP)

Wenn das anders sein sollte, lassen Ihre Fragestellungen doch vermuten, dass Sie sich von einem doch relativ zentralen Element unseres Sozialstaats, nämlich dem Prinzip des Förderns und Forderns, verabschiedet haben.

(Abg. Frau N i t z [DIE LINKE.]: Wo ist da das Sozialstaatsprinzip beim Fordern?)

Ich würde das bedauern, aber den Eindruck kann man bei der einen oder anderen Frage hier schon vermuten.

(Beifall bei der FDP)

Unser Sozialstaat gewährt Hilfen, nämlich mit der Erwartung, dass die Hilfeempfänger in einem im Gesetz beschriebenen angemessenen Rahmen alles tun, um die eigene Hilfebedürftigkeit auch zu überwinden. Das ist der Anspruch, der darin formuliert ist, und ich finde, das ist ein richtiger Anspruch!

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Frau N i t z [DIE LINKE.])

Im Übrigen ist das auch die berechtigte Erwartung der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler beziehungsweise derjenigen, die versichert sind, bezogen auf das SGB III, die nämlich die ganze Last der Kosten, auch die Kosten für die Bürokratie, die damit verbunden sind, zu tragen haben. Ich weiß nicht, wie Sie denen erklären wollen, dass Sie von einem solch fundamentalen Prinzip hier abrücken wollen.

Ich mag auch wenig verstehen von dem, was Sie als linke Politik bezeichnen, aber ich erlaube mir doch die Frage: Was ist das für eine Linke, die die Interessen der Arbeitenden in unserer Bevölkerung, die nämlich Beitragszahler sind, so völlig aus den Augen verliert, wie Sie das tun und in Ihrem Redebeitrag hier auch dargelegt haben?

(Abg. B e i l k e n [DIE LINKE.]: Von lin- ker Politik verstehen Sie nichts! – Abg. Frau T r o e d e l [DIE LINKE.]: Herr Dr. Möllen- städt, Sie haben nicht zugehört!)

Wir können uns gern weiter darüber unterhalten, aber ich finde diesen Ansatz schon spannend!

Bei denjenigen, die sich nicht an die Regeln des SGB II halten, handelt es sich offensichtlich um eine sehr kleine Minderheit. Vor dieser Minderheit muss die Mehrheit der SGB II-Kunden, die sich aus ihrer schwierigen Lage selbstverständlich möglichst schnell

selbst wieder befreien wollen, geschützt werden. Das will ich auch sehr deutlich sagen!

(Beifall bei der FDP)

Sozialhilfebetrug ist kein Kavaliersdelikt, sondern schadet der Allgemeinheit, auch das muss hier gesagt werden.

(Beifall bei der FDP)

Das gilt auch für Straftaten, die von SGB II-Kunden vorgeblich als Folge von Leistungskürzungen verübt werden. Der Zugang zu den Sozialgerichten steht allen SGB-II-Kunden selbstverständlich offen, und wie die in der Antwort genannten Statistiken zeigen, werden die Sanktionsfälle dort ja auch sehr sorgfältig bearbeitet.

Es ist erklärtes Ziel aller Bundesländer, zu einer Begrenzung bei den in jüngerer Zeit explodierten Ausgaben der Länder für Prozesskostenhilfe zu kommen. Die knappen finanziellen Ressourcen der Länder im Bereich der Prozesskostenhilfe sollen nach Überzeugung der FDP-Fraktion nur denjenigen zugutekommen, die sie wirklich benötigen, also denjenigen, die ein geringes Einkommen haben. Vor diesem Hintergrund ist auch der in der Frage angesprochene Entwurf für ein Prozesskostenhilfebegrenzungsgesetz grundsätzlich zu begrüßen. Der hier von Ihrer Fraktion, liebe Kollegin Frau Nitz, vorgebrachte Vorwurf sozialer Kälte, läuft da aus meiner Sicht völlig ins Leere.

(Beifall bei der FDP)

Lassen Sie mich abschließend noch eines sagen! Ihre Fragen gipfeln in der Unterstellung, die Regelungen des Sozialstaates würden gegen das Verbot von Zwangsarbeit verstoßen. Kritik an der Praxis der Hilfegewährung im Rahmen des SGB II mag in mancherlei Hinsicht berechtigt sein, aber dies darf nicht zum Anlass genommen werden, diese Problematik in einer Art und Weise zu überhöhen und zum Maß aller Dinge zu erklären, wie DIE LINKE dies auch mit dieser Anfrage wieder tut. Ich finde – das gestatten Sie mir als persönliches Wort! –, es angesichts von Millionen Toten durch Zwangsarbeit ziemlich ungeheuerlich, eine so gravierende Menschenrechtsverletzung in Beziehung mit einer gesetzlich vorgesehenen Kürzung von SGB II-Leistungen zu setzen, wie es DIE LINKE in ihrer Anfrage getan hat!

(Beifall bei der FDP, bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das alles, meine Damen und Herren, hilft auch denjenigen insbesondere nicht, zu deren Anwalt Sie sich erklären wollen. Lassen Sie sich das gesagt sein! Ich glaube, es wäre hier manches Nachdenken angebracht gewesen. Das hat offensichtlich vor den

Fragestellungen nicht stattgefunden. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Frehe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zu dem zweiten Teil noch etwas vortragen, insbesondere zu der Frage der doch relativ hohen Zahl von Widersprüchen! Natürlich ist es nicht gut, wenn eine Verwaltung so arbeitet, dass viele gegen diese Bescheide Widerspruch einlegen müssen. Die Vermutung aber, dass es sich bei jedem Widerspruch um eine ungerechtfertigte und völlig überzogene Sanktion handelt, ist schlicht falsch.

Wir haben als Sozialgerichte damals, als ich noch Richter am Sozialgericht war, sehr genaue Kriterien ausgearbeitet, unter denen in einen Leistungsbescheid eingegriffen werden kann. Eine Leistungseinstellung ohne Bescheid ist schlechterdings unmöglich. Was zulässig ist, ist lediglich die Leistung vorläufig auszusetzen, wenn eine Mitwirkung nicht erfolgt. Dann wird die Leistung aber sofort, bei erfolgter Mitwirkung, nachgezahlt.

Wenn Sie im Grunde genommen eine dieser Sanktionen anwenden wollen, müssen Sie einen Aufhebungsbescheid machen. Um diesen Aufhebungsbescheid machen zu können, müssen Sie vorher eine Anhörung machen. Da geschehen die meisten Fehler. Deswegen haben wir eine so hohe Fehlerquote, weil offensichtlich hier schon die Widerspruchsausschüsse das kassieren und dann im Grunde genommen fehlerhafte Aufhebungsbescheide nicht weiter in der Welt lassen. Wenn wir hier eine relativ hohe Fehlerquote haben, müssen wir darüber reden, dass tatsächlich die einzelnen Sachbearbeiter präziser arbeiten, aber man kann nicht zwingend daraus schließen, dass dort ausschließlich Willkür passiert.

Weiter zu den Sanktionsinstrumenten! Es gibt in der Tat die Möglichkeit – man kann Zweifel daran haben, ob das sinnvoll ist –, die Leistungen auch für die Unkosten der Unterkunft zu streichen. Ich persönlich bin der Auffassung, dass ich das nicht für eine geeignete Sanktion halte, sondern schlichtweg für falsch. Aber es ist nun einmal Bundesrecht. Ich habe nachgefragt. Es ist mir von den Arbeitslosenberatungsstellen nicht mitgeteilt worden, dass das tatsächlich zu Wohnungsverlusten führt. Wir haben in Bremen ein Instrument, dass rechtzeitig über die spezielle Wohnberatung weitergemeldet wird, dass hier die Wohnung gefährdet wird und damit darlehensweise die Mietkosten auch übernommen werden können, sodass tatsächlich Obdachlosigkeit abgewendet wird. Vor dem Räumungsbescheid wird hier also eingegriffen. Ich finde gut, dass wir in Bremen solch eine Sicherung vereinbart haben.

Die Einführung von Gerichtsgebühren – und das ist mein letzter Punkt – halte ich auch für fragwürdig, darauf hat meine Kollegin, Frau Garling, schon hingewiesen. Wir als grüne Fraktion sind der Auffassung, dass der Zugang zu den Sozialgerichten nicht durch weitere Vorleistungen eingeschränkt werden soll. Dahinter stand die Idee, dass man willkürliche Klagen, also insbesondere bestimmte Prozesshansel, abhalten könne. Wir sind der Auffassung – das ist auch meine Erfahrung und die der überwiegenden Sozialrichterschaft –, dass es weniger als ein Prozent sind. Dafür kann man nicht solche Hürden für andere, berechtigte Anliegen bei den Sozialgerichten aufbauen.