Protocol of the Session on July 3, 2008

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Kastendiek.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich mir die einzelnen Redebeiträge anhöre, wird mir eigentlich nicht ganz klar, was eigentlich mit diesem Antrag bezweckt wird.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich glaube, wir sind uns darüber einig, dass der Industriebereich, die Industrieunternehmen hier am Standort Bremen, in unserem Bundesland, eine sehr hohe Bedeutung haben. Es ist gesagt worden, Bremen und Bremerhaven ist der sechstgrößte Industriestandort Deutschlands. Wir haben hier große Industriebetriebe, und dass die uns am Herzen liegen, ist, glaube ich, selbstredend. Wer auf dem Bremer Wirtschaftsabend in der vergangenen Woche in der Handelskammer war, wird ja auch gehört haben, wie Herr Rürup, der nun überhaupt nicht so eindeutig in die eine oder andere Richtung festzulegen ist, davon gesprochen hat, dass es eine Reindustrialisierung Deutschlands gibt. Daher ist dieser Bereich auch für Bremen und Bremerhaven von großer Bedeutung.

Wenn ich mir aber diesen Antrag durchlese, dann fällt mir doch erst einmal auf – und da sind wir gar nicht so weit voneinander entfernt –, dass hier doch dieser Antrag so ein bisschen nach dem Motto gemacht wurde „Wir packen einmal alles hinein, was so da ist“, ein „Wünsch-dir-was-Kalender“, und dann auf der anderen Seite bloß nicht zu konkret werden, denn man könnte ja vermuten, dass hier auch Konflikte oder Befindlichkeiten innerhalb der Koalition angesprochen werden sollen und dass man an dieser Stelle wohl offensichtlich elegante Wege geht, um hier darum herumzukommen. Damit werden wir dem

Ansatz, der Bedeutung und der Notwendigkeit, sich mit dem Thema Industriepolitik auseinanderzusetzen, überhaupt nicht gerecht.

(Beifall bei der CDU)

Ich denke von daher, dass dieser Antrag zu unkonkret, zu ungenau, zu unspezifisch ist, und, wie gesagt, mein Eindruck, wohl auch eher – ich kann da nur Vermutungen anstellen – Befindlichkeiten bedienen soll. Wir haben in der Vergangenheit, und das hat der Senat zumindest in den Papieren, die er bisher vorgelegt hat, immer wieder bestätigt, auch gestern zuletzt in der EU-Strategie des Senats, dass er nicht wirtschaftssektoral übergreifend agiert, sondern sich die einzelnen Themenstellungen im Sinne einer Cluster-Bildung anschaut.

Was auch vorhin gesagt worden ist: Industrie ist sehr unterschiedlich. Es gibt große Industriebetriebe, es gibt kleine Industriebetriebe, es gibt Kleinstindustriebetriebe, die aber, wenn man es einmal ganz genau betrachtet, überhaupt nichts miteinander zu tun haben. Daimler hat nichts mit einer Schilderfabrik in Grambke zu tun, und die Stahlwerke haben nichts mit einem Schlossereibetrieb im Gewerbegebiet zu tun, insofern, weil die Anforderungen, Notwendigkeiten, die diese Unternehmen haben, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten, nichts miteinander zu tun haben. Deshalb muss hier sehr spezifisch auf die einzelnen Punkte eingegangen werden. Ich möchte einmal wissen, wie Sie sich hier innerhalb der Koalition in den nächsten zwei Jahren mit der Frage auseinandersetzen werden, wenn es um die Frage der CO2-Emissionsrechte für die Stahlwerke geht, für Arcelor-Mittal.

(Abg. P o h l m a n n [SPD]: Da brauchen Sie keine Angst zu haben, wir stehen auf der Seite der Stahlwerker!)

Da möchte ich einmal wissen, wie Sie sich hier auseinandersetzen, ob Sie dann industriepolitisch hier die klare Linie fahren oder sagen, nein, das geht alles nicht. Setzen Sie sich einmal mit dem Vorstand auseinander, wo da die Probleme sind und wie damit umgegangen werden muss.

Deswegen sind wir der Auffassung, dass es in den einzelnen Wirtschaftsthemen – so wie in der Vergangenheit, das waren gute Ansätze, der Senat hat es auch in der Vergangenheit, in den letzten Wochen und Monaten wieder bestätigt – der sinnvolle Ansatz ist bezüglich der Notwendigkeiten eines Themas, ob es die Windenergie ist, ob es die Gesundheitswirtschaft ist, oder ob es andere Themenstellungen sind, zu schauen, wie wir der Verknüpfung zwischen Innovationen, Unternehmen, Beschäftigung, Markt und Nachfrage letztendlich gerecht werden können und hier nicht mit so einem allgemeinen „Wünsch-dir-was

Kalender“ agieren. Es ist viel zu unkonkret. Von daher glaube ich, dass hier ein Papiertiger produziert wird.

Ich frage mich auch, Herr Senator, Sie haben ein Strukturkonzept angekündigt, in dem genau diese Themenstellungen wie Gewerbegebiete, wie Wirtschaftsförderung bearbeitet werden sollen: Wie steht zum Beispiel dieses angekündigte Strukturkonzept zu diesem Masterplan Industrie? Herr Liess, Sie haben es, glaube ich, gesagt, wir haben schon drei, vier Masterpläne mit Erfolg erstellt. Das ist vollkommen richtig, aber es waren eher regionale, themenbezogene Masterpläne, aber nicht ein solcher Ansatz, wie der von Ihnen hier gewählt ist. Ich glaube auch, wenn man sich den Masterplan Industrie in Hamburg anschaut, in dem Leitlinien formuliert sind, dass das an der Stelle auch ein anderes Ergebnis hat als das, was Sie hier vorhaben.

Von daher lehnen wir Ihren Antrag ab. Die Industriepolitik hat für uns eine hohe Bedeutung, man muss aber differenziert und konkret herangehen und nicht so allgemein und unverbindlich, wie Sie es hier versuchen. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Ella.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Masterpläne sind offenbar in Bremen angesagt: Masterplan Kultur, Masterplan Krankenhaus, Masterplan Überseestadt, Masterplan Logistik und jetzt Masterplan Industrie. Wie wäre es noch mit Masterplan Dienstleistungen, Masterplan Tourismus, Masterplan Umweltwirtschaft, Masterplan IT oder mit einer Schamfrist nach der Großen Anfrage, die mein Kollege Herr Dr. Möllenstädt letztens hier vertreten hat, den Masterplan Gesundheitswirtschaft? Oder vielleicht den Masterplan Masterpläne? Aber den gibt es, glaube ich, schon!

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, mit lauter Masterplänen lässt sich die Ideen- und Konzeptlosigkeit von Koalition und Senat nur mühsam verschleiern.

(Beifall bei der FDP)

Wohin will man eigentlich, wie Herr Möhle eben zu Recht sagte? Ich möchte daher zu Beginn erst einmal ein wenig der heißen Luft aus Ihrem Antrag lassen. Da heißt es nämlich unter anderem: „Die Bürgerschaft unterstreicht die Bedeutung eines starken, erfolgreichen und innovativen industriellen Sektors für die Zukunftsfähigkeit des Landes Bremen.“ Da setzt die Bürgerschaft aber einmal Zeichen!

(Beifall bei der FDP)

Symbolpolitik, mehr ist das nicht! So kann man Ratlosigkeit natürlich auch zu verstecken versuchen, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!

(Beifall bei der FDP)

Eines leugnet die FDP-Fraktion allerdings nicht: Der Masterplan Logistik und auch beispielsweise der Bericht des Technologiebeauftragten enthalten wertvolle Anregungen. Hier wurde gut gearbeitet, und wir können auch eine Menge für unsere politische Arbeit mitnehmen. Daher an dieser Stelle noch einmal unseren ausdrücklichen Dank an die Ersteller dieser beiden Werke!

Womit ich aber auch schon zum größten Problem dieses Antrags komme! Hier sollen nicht mehr unabhängige Stimmen zu Wort kommen, das ist eben schon angesprochen worden. Ein Bericht des Senats, wie der Masterplan Logistik, der in der Schwächenanalyse lange politische Entscheidungswege aufführt, ist so eher unwahrscheinlich. Eine Kritik an der Vernetzung zwischen dem Mittelstand und der hiesigen Forschungslandschaft wie im Bericht des Technologiebeauftragten gibt es nicht. Der Senat sieht die bestehenden Instrumente als ausreichend an, wie wir in der Drucksache 17/420 lesen konnten. Glauben Sie denn ehrlich, dass ein von der Behörde erstellter Masterplan eine kritische Analyse vornehmen würde, vielleicht sogar die eigene Arbeit infrage stellt? Wohl kaum!

(Beifall bei der FDP)

Schwächenanalysen müssen deshalb von außen kommen. Gerade bei uns im Land, wo eingefahrene Strukturen und Seilschaften an zu vielen Stellen die Politik bestimmen, können wir darauf nicht verzichten. Für die dann daraus folgende Arbeit haben wir kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den bremischen Behörden, zumindest, solange sie nicht wie die Abteilungsleiter im Wirtschaftsressort behandelt werden, sind sie auch motiviert.

(Beifall bei der FDP – Abg. F e c k e r [Bünd- nis 90/Die Grünen]: Schöner Schwenk!)

Fassen wir noch einmal zusammen! Der Wirtschaftssenator ist trotz aller Versprechungen nicht in der Lage, Konzepte vorzulegen. Wir haben auch schon öfter kritisiert, dass es nicht sein kann, wenn erst ein Haushalt beschlossen wird und danach überlegt wird, was man mit dem Geld denn nun machen soll. Aber vielleicht haben wir uns ja getäuscht, und das Konzept wird rechtzeitig zum Doppelhaushalt 2010/2011 vorliegen.

(Beifall bei der FDP)

Mehr noch, das Fehlen von Konzepten scheint inzwischen ja auch die Koalitionäre nervös zu ma

chen. Also wollen sie erst einmal Masterpläne erstellen. Macht sich gut, man zeigt Engagement und hat nach ein paar Monaten eine nette, aber auch ziemlich teure Hochglanzbroschüre in der Hand oder meinetwegen, wie im Fall des Masterplan Logistik, auch eine matt glänzende. Ob daraus dann etwas entsteht, ist natürlich eine andere Frage. Die Handlungsempfehlungen müssen aufgegriffen werden, es muss daraus auch politische Arbeit entstehen. Es reicht nicht aus, sich selbst für die positiven Seiten, die ein solcher Bericht mit sich bringt, auf die Schulter zu klopfen.

Daher stimmen wir Ihrem Antrag nicht zu. Einfach einmal die verschiedenen Industriezweige zusammenwerfen, das bringt keinen Mehrwert für uns. Die kleinen und mittleren Unternehmen finden keine Beachtung, die besonderen Schwächen, die wir bereits kennen – etwa das Fehlen von Forschungsabteilungen in unserem Land oder das Fehlen von Entscheidungskompetenz vor Ort – werden nicht benannt. Ein Gesamtkonzept entsteht nicht. Masterpläne, wie sie hier im Antrag gefordert werden, sind schlicht Ausdruck von Einfallslosigkeit und sollen nicht vorhandene Tätigkeit vertuschen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Möhle.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dat wör jo nu mool bannig veel dumm Tüch! Das habe ich gestern gelernt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Herr Ella, der Masterplan hat genau den Zweck, klarzumachen, welche politischen Linien die rot-grüne Regierung in der Industriepolitik vertritt. Das wäre für Sie die Chance, anhand dieses Masterplans – –.

(Abg. Ella [FDP]: Sachkonzepte?)

Hören Sie erst einmal zu, dann lernen Sie hier etwas! Das ist genau der Punkt, sich hier hinzustellen, kein Konzept. Wir sagen, wir wollen ein Konzept öffentlich an der Frage Industriepolitik diskutieren, da beschweren Sie sich darüber! Das ist für die Opposition eigentlich die Chance mitzugestalten, mitzureden und auch Vorschläge zu unterbreiten, darauf legen wir doch großen Wert. Mich ärgert das maßlos, weil auf der einen Seite ein Stück weit auch von der CDU immer von Konzeptionslosigkeit geredet wird, dann erarbeitet man ein Konzept, ein Mas––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

terplan ist deutlich gesagt nichts anderes, und dann sagen Sie: Nein, das wollen wir auch nicht!

(Abg. D r. B u h l e r t [FDP]: Nein, Sie wol- len erst eines entwerfen, Sie haben keines!)

Was wollen Sie denn nun eigentlich wirklich? Zur LINKEN will ich noch einmal sagen: Der Antrag liegt seit dem 25. Mai vor, Ihr Änderungsantrag kommt heute hier auf den Tisch geflattert. Ich finde, für eine ordentliche parlamentarische Bearbeitung Ihrer Anliegen ist das wirklich nicht redlich. Ich kann, ehrlich gesagt, in der Kürze der Zeit – der ist mir eben gerade auf den Tisch geflattert – gar nicht sehen, ob das wirklich Sinn macht, was Sie da aufgeschrieben haben oder nicht. Der eine oder andere Punkt ist vielleicht nachdenkenswert. Wir werden Ihren Änderungsantrag ablehnen und werden uns im Weiteren aber in der Diskussion auch um die von Ihnen angeregten Fragen kümmern, das ist überhaupt gar kein Problem.

Noch einmal zu Herrn Kastendiek. Ich verstehe das nicht! Sie sagen, der Masterplan Industrie aus Hamburg wäre irgendwie auch sinnlos. Haben Sie sich dieses Konzept einmal angeschaut?

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Das habe ich doch gar nicht gesagt!)

Das habe ich so verstanden!

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Nein, da haben Sie nicht zugehört! Vielleicht einmal nicht so viel quatschen, sondern zuhören, Herr Möhle!)

Ich habe schon zugehört, aber Sie haben den Masterplan deutlich als nicht so wichtig bezeichnet! Das ist im Prinzip ein Stück weit Vorbild für das, was ich mir für diesen Masterplan erwarte. Im Übrigen hat die Handelskammer Hamburg daran mitgearbeitet. Ich verstehe ehrlich gesagt die Kritik an der Idee, einen Masterplan Industrie für Bremen zu fertigen, überhaupt nicht. Ich finde, dass wir in der Diskussion um die Fragen, die zentral wichtig für den Standort in Bremen sind, vielleicht auch mit Ihrem Wissen und mit Ihrem Engagement, vorangehen sollten. Sie sollten von so einer Fundamentalkritik daran, dass man so etwas erarbeitet, vielleicht Abstand nehmen und sich daran einfach beteiligen. Mein Interesse ist es, den Standort Bremen am Ende zu stärken und offen zu machen, was rot-grüne Politik an dieser Stelle macht.