Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es soll ja schon einmal einen Senator gegeben haben, der die Antwort auf eine Große Anfrage verlesen hat. Das war, glaube ich, Herr Senator Beckmeyer. Ich warte, bis irgendeiner noch einmal auf die Idee kommt, wirklich von diesem Angebot Gebrauch zu machen!
Die Lissabon-Strategie, das ist in der Diskussion gestern hier im Hause deutlich geworden, ist ein wichtiger wesentlicher Bestandteil innerhalb der EUPolitik nicht nur Bremens, sondern der Bundesrepublik Deutschland, aber auch der EU insgesamt. Das Ziel der Europäischen Union ist dabei, mithilfe des Pro
gramms der Lissabon-Strategie die Europäische Union innerhalb von zehn Jahren, das heißt, ausgehend vom Jahr 2000, bis zum Jahr 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensgeschützten Wirtschaftsraum der Welt zu machen, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren Zusammenhang zu erzielen. Vor diesem Hintergrund hat der Europäische Rat in seiner Regierungskonferenz im März den Programmzyklus 2008 bis 2010 beschlossen. Mittel- und Schwerpunkt dieses Programmzyklus sind die Bereiche der Erschließung des Unternehmenspotenzials, der Bildungsangebote und das Thema Innovation, das uns hier schon mehrmals in den vergangenen Wochen sehr intensiv beschäftigt hat, auch gestern. Das sind die drei wesentlichen Fragen.
Wir haben in der April-Sitzung des Parlamentsausschusses über die Ergebnisse der Frühjahrskonferenz gesprochen, diskutiert, und mit dem Verweis des Europasenators wurde die Diskussion mit dem Verweis auf die EU-Strategie des Senats verwiesen, sodass wir auch mit Spannung erwartet haben, was der Senat in seiner Strategie diesbezüglich niederschreibt und als Position für sich in Anspruch nimmt. Leider war das Ergebnis nach unserer Auffassung unbefriedigend, sodass wir diese Große Anfrage eingereicht haben, um hier auch nachzufragen, was die Schwerpunkte vor diesem Hintergrund sind, welche Punkte auf lokaler Ebene dazu beigetragen werden können, um diese Ziele der Lissabon-Strategie letztendlich zu erreichen. Die drei wesentlichen Punkte habe ich eben genannt.
Über das Thema Innovation haben wir hier in den vergangenen Wochen, ich wiederhole mich, mehrmals diskutiert und gesprochen. Ich glaube, es ist deutlich geworden, wo die Zwangspunkte, wo die Ansatzpunkte letztendlich sind. Dazu gehört natürlich: Wie organisiere ich Organisationsprozesse? Wo sind die Defizite? Wenn ich es auf die lokale Ebene des Raumes Bremen herunterbreche, kann ich nur immer wieder auf die ZEW- und BAW-Studie verweisen hinsichtlich der Themenstellung Prozess- und Produktinnovation auf der einen Seite. Das Thema Bildungsangebote – nun ist der Kollege Rohmeyer gerade nicht hier – diskutieren wir hier auch, aber diese Diskussion um die Strukturen von Schule ist natürlich auch ein wesentlicher Bestandteil, letztendlich ein wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang.
Ein Punkt, der sich, einmal abgesehen von den Punkten, die in der Großen Anfrage vom Senat beantwortet worden sind, überhaupt nicht wiederfindet – und das macht uns ein wenig nachdenklich –, ist der Punkt der Erschließung des Unternehmenspotenzials, und hier insbesondere der Bereich der KMU, wie wir kleine und mittelständische Unterneh
men – und nicht die großen, die haben überall ihre Verbände und überall ihre Lobbyarbeit – an diesem Prozess beteiligen, wie wir das Potenzial, das dieser Prozess freisetzen kann, auch in die kleinen und mittelständischen Unternehmen hineinbringen. Das Potenzial in kleinen und mittelständischen Unternehmen ist im Vergleich zur Großindustrie ein gewaltiges! Wenn man das über die letzten zehn Jahre betrachtet – als in der Phase des Arbeitsplatzabbaus, aber auch in den letzten zwei, drei Jahren des Arbeitsplatzzuwachses, die meisten Arbeitsplätze weniger abgebaut worden sind und die meisten entstanden sind –, sind es die Kleinst-, kleinen und inhabergeführten mittelständischen Unternehmen. Deswegen ist es wichtig, dass wir uns hier an dieser Stelle mit diesem Potenzial auseinandersetzen.
Was sagt der Europäische Rat zu diesem Punkt? Was man auf lokale Ebene herunterbrechen kann, ist die verstärkte Unterstützung von forschenden und innovativen KMU – hier wird wieder die Brücke zum Thema Innovation geschlagen –, sowie die Unterstützung bei der Begleitung von KMU an Clustern und natürlich auch eine Erleichterung des Zugangs zu Finanzmitteln für KMU. Da spielt sicherlich eine Rolle, wie es mit der BAB weitergeht, das wird sicherlich auch eine Fragestellung sein. Ich will jetzt hier das Grundsatzthema Wirtschaftsförderung nicht wieder auf den Tisch bringen, das sind andere Tagesordnungspunkte, aber letztendlich ist ja, unabhängig davon, ob nun auf Zuschuss- oder Darlehensbasis, die Hürde, wie ich die Instrumente näher an die KMUs heranbringen kann. Das sind die entscheidenden Punkte. Da finden wir leider zu wenig, wenn überhaupt etwas in der Beantwortung dieser Anfrage auf die – –.
Ich habe diesen Zwischenruf erwartet, Herr Dr. Kuhn! Wenn Sie sich die Fragestellung genau durchlesen, sehen Sie natürlich auch allgemeine Fragestellungen, die nicht auf diesen Punkt gesondert abheben, vollkommen richtig, aber schon konkret nachgefragt, was denn der Senat dazu beitragen will, um die Lissabon-Strategie zu unterstützen, und das schließt natürlich die Punkte nicht aus, Herr Dr. Kuhn. Von daher würde ich Ihrem Senat, den Sie ja tragen, an dieser Stelle schon ein bisschen mehr zutrauen, als einfach nur formal Fragen zu beantworten, was er hier an der Stelle leider gemacht hat.
Ein sicherlich ganz interessanter Punkt, der, glaube ich, auch gestern schon angesprochen worden ist – ich glaube von Ihnen, Frau Hiller –, ist die Frage der Flexibilisierung der Arbeitsmärkte; eine ganz wichtige Fragestellung, über die man auch unter den Arbeitsmarktpolitikern, aber auch Wirtschaftspolitikern
intensiv diskutieren kann. Mich treibt es immer wieder um, dass dort, wo flexiblere Bedingungen herrschen als in der Bundesrepublik Deutschland, die Arbeitslosigkeit in den vergangenen zehn Jahren nicht so stark angewachsen ist, auf der anderen Seite aber auch die Menschen schneller wieder in den Arbeitsmarkt hineingekommen sind.
Das ist das Spannungsfeld zwischen denjenigen, die in den Arbeitsmarkt hineinwollen und denen, die nicht hinauswollen, aber ich finde, wenn Erfahrungen zeigen, dass überall dort, wo Flexibilität existiert, die Menschen auch schneller wieder an Arbeit herankommen und wir das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit in dem Maße nicht haben, dann darf es hier keine Denkblockaden geben.
In diesem Sinne gibt es noch eine Menge zu tun, und wir hoffen, dass der Senat sich dies auf die Fahnen schreibt. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich will hier jetzt nicht eine Wiederholung der Debatte von gestern beginnen. Wir reden heute zum Thema „Lissabon-Strategie – lokaler Beitrag Bremens?“, so ist die Überschrift über diesen Großen Anfrage. Ich habe mir die Antwort sehr genau angesehen, und ich finde, dass hinter dieser Aussage „lokaler Beitrag Bremens“ kein Fragezeichen, sondern ein Ausrufezeichen gehört, weil ich der Meinung bin, dass sehr deutlich gezeigt worden ist, wie erfolgreich diese Umsetzung in Bremen stattfindet.
Es wurde dort auf fünf Seiten ausführlich dargestellt, was im Bereich Wirtschaft, Wirtschaftsförderung und auch Wissenschaft und Forschung hier im Land Bremen gemacht wird und zudem, Herr Kastendiek, auch noch darauf verwiesen, was in der Europa-Strategie zum Beispiel im Handlungsfeld der regionalen Wirtschaftspolitik formuliert ist. Ich finde es sehr gut, dass das nicht noch einmal wiederholt worden ist, sondern dass eben dieser Hinweis auch ausreicht, und ich denke, Sie hätten das durchaus auch in einem anderen Papier nachlesen können!
Ich möchte zu dem Punkt der gerade kleinen und mittelständischen Unternehmen, zu dem ich gestern schon gesprochen habe, jetzt nichts weiter anführen. Ich denke, dass auch gerade das sehr stark im Blickpunkt der Wirtschaftsförderung liegt und auch zukünftig liegen wird.
Nur noch zwei Anmerkungen zu Ihrer Anfrage! Erstens haben Sie ein Zitat aus der Zielsetzung der Lissabon-Strategie gebracht, ich würde das hier gern einmal kurz zitieren mit Erlaubnis des Präsidenten. Sie schreiben dort, dass das Ziel der Lissabon-Strategie ist, den „wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensgestütztesten Wirtschaftsraum der Welt zu erreichen, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen, und mit einem größeren Zusammenhalt zu erzielen“. Das haben Sie eben hier auch wiederholt. Zwei Punkte daran sind für mich noch einmal wichtig, sie etwas näher zu beleuchten. Ich finde es genau richtig zu sagen, wir brauchen bessere Arbeitsplätze. Dass wir zurzeit in der Europäischen Union mehr Arbeitplätze haben, ist allgemein bekannt. Das Problem ist, dass sie auch besser sein müssen und nicht, dass wir immer mehr Arbeitsplätze gerade in dem Bereich der nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung und der auch nicht existenzsichernden Beschäftigung haben.
Das andere ist, dass das eigentliche Zitat anders heißt, nämlich geht es dann weiter: „einen größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen“. Das haben Sie natürlich nicht hier mit hineinformuliert, obwohl die Regierungschefs, so, wie eben von Ihnen auch schon dargestellt, im März 2007 beschlossen haben, dass gerade diese Lissabon-Strategie zu Wachstum und Beschäftigung, Innovation und Wissenschaft die sozialen Ziele der Mitgliedsstaaten stärker zu berücksichtigen hat.
Auch wird in der Europäischen Union gerade erkannt, dass die Lebensverhältnisse und die Schutzrechte von Bürgerinnen und Bürgern auch eine wichtige Zielsetzung der Europäischen Union ist.
Eine zweite Anmerkung zum Abschluss! Ich gehe auf das ein, was Sie zum Thema Flexicurity-Modell schon gesagt haben. Da haben Sie in der Frage 5 von der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes gesprochen. Genau das ist auch bezeichnend für Ihre Denkweise. Zum Flexicurity-Modell gehört nämlich nicht nur die Frage der Flexibilität des Arbeitsmarktes, sondern auch die der Sicherheit, das heißt der sozialen Schutzrechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.
Ich finde an der Stelle die Antwort des Senats sehr bemerkenswert und möchte deswegen diese zum Abschluss meines Beitrages hier mit Erlaubnis des
Präsidenten kurz zitieren. Sie schreiben in der Antwort, die Förderung flexibler Arbeitsmärkte und ein hoher Grad an Sicherheit können jedoch nur dann Erfolg haben, „wenn die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch in die Lage versetzt werden, sich den ständigen Veränderungen anzupassen, auf dem aktiven Arbeitsmarkt zu bleiben und in ihrem Arbeitsleben voranzukommen. Der Senat verfolgt aktive Arbeitsmarktstrategien und unterstützt das Konzept des lebenslangen Lernens.“ – Danke!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Frau Hiller hat es eben angesprochen: Es geht der SPD offensichtlich tatsächlich um das Thema bessere Arbeitsplätze, dagegen ist soweit auch nichts einzuwenden. Auf der anderen Seite, glaube ich, ist das eine ziemliche Luxusdebatte, die Sie dort führen. Vor einigen Jahren waren wir alle eigentlich noch einer Meinung, dass es wichtig sei, möglichst alles zu tun, um mehr Menschen zurück in Beschäftigung zu bringen. Ich muss sagen: Ich habe eigentlich nichts dagegen einzuwenden, wenn Menschen zu produktivitätsgerechten Löhnen beschäftigt werden. Alles andere ist dann nämlich auch eine Frage des sozialen Ausgleichs. Aber dies dann per se als schlechte Arbeit zu diskreditieren, finde ich, wird der Sache in keiner Weise gerecht.
Kommen wir zurück zu dem Thema der eigentlichen Anfrage, nämlich den Fortschritten in Bezug auf die Ziele von Lissabon! Man muss sich eines, denke ich, vor Augen führen: Da wurde ein hohes Ziel ausgerufen, nämlich Europa zum wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt zu machen. Ich glaube, es ist schon richtig – und deshalb ist die Anfrage der CDU sehr zu begrüßen –, dass man da einmal kritisch Bilanz zieht. Auch die FDP hat in Ausschüssen schon mehrfach nachgefragt, wie da eigentlich der Stand ist. Die Bilanz ist – wie nicht anders zu erwarten war und auch auf Bremen bezogen – wirklich erschütternd.
Der Wissenschaftsplan, auf den in der Antwort des Senats Bezug genommen wird, ist in seiner jetzigen Fassung zur Erreichung der Lissabon-Strategie sicherlich denkbar ungeeignet; wenn man ihn einmal aufschlägt, wird man dessen sehr schnell gewahr. Mit den bereitgestellten Mitteln können nicht genug Studierende ausgebildet werden, und die Hochschulforschung ist auf diesem Niveau in den nächsten Jah––––––– *) Vom Redner nicht überprüft
ren wohl nicht zu halten. Wenn in den nächsten Jahren aufgrund fehlender Grundausstattung die Drittmitteleinwerbung – wir haben bereits darüber gesprochen – auf dem hohen Niveau nicht mehr weiter zu halten ist, werden die Ziele der Lissabon-Strategie deutlich verfehlt werden. Das wage ich hier zu prognostizieren.
Gleichzeitig wird die Hoffnung, bis 2010 einer der 10 führenden Technologiestandorte in Deutschland zu werden, still und heimlich fallen gelassen. Der alte Senat hatte sich das immer auf die Fahnen geschrieben. Bei Rot-Grün ist überhaupt nicht mehr die Rede davon. Das, was damals schon teilweise ein wenig unglaubwürdig anmutete, ist nun völlig weg. Die damals schon luftigen Versprechungen des Plans InnoVision 2010 entpuppten sich als das, was sie sind, als leere Worthülsen. Es ist nicht gelungen, Forschungsabteilungen größerer Unternehmen von außerhalb anzusiedeln. Die Forschungsaktivitäten der KMU vor Ort sind nicht, wie erhofft, gesteigert worden, das muss man heute eindeutig feststellen.
Aber, liebe Frau Busch, die deutlichen Verbesserungspotenziale am Standort Bremen sind doch nicht zuletzt am Bericht des Technologiebeauftragten deutlich abzulesen gewesen.
Es bleibt unklar, mit welcher Strategie Bremen die Talente der Zukunft dauerhaft an sich binden will. Die Arbeitsmöglichkeiten vor Ort für gut Ausgebildete sind außerhalb der staatlich geförderten Einrichtungen noch immer nicht ausreichend,