Protocol of the Session on June 5, 2008

Aber es ist andererseits ja auch ganz gut, dass hier im Haus noch einmal deutlich wird, wo es an einer ganz zentralen Stelle auch um Verständnis von Wirtschaftspolitik einen Unterschied gibt, nämlich, dass für die Koalitionsfraktion, insbesondere die SPD-Fraktion, Arbeitnehmer der gleichberechtigte andere Teil im Wirtschaftsleben sind, im Verhältnis zu den Unternehmen und den Unternehmern, und das ist der Unterschied, der es ausmacht, ob es einen sozialdemokratischen Wirtschaftssenator gibt oder einen anderen Wirtschaftssenator. – Danke schön!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. F o c k e [CDU]: Das ist genauso chaotisch, wie Sie Ihr Amt führen!)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Möllenstädt.

(Unruhe – Zwischenrufe)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich war ja gespannt auf die Rede des Herrn Senator, aber wenn eines sicherlich einer unabhängigen Amtswahrnehmung nicht förderlich und sinnvoll und angemessen war, dann war es diese Rede.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU – Abg. G ü n t h n e r (SPD): Jung sein ist das eine, aber Sie müssen kein Schnösel sein, Herr Dr. Möllenstädt! – Heiterkeit bei der SPD)

Ich will noch auf einige Argumente eingehen, die genannt worden sind: Zum einen das Argument, wir würden uns nicht in gleicher Weise auch mit anderen Pflichtmitgliedschaften – hier handelt es sich um eine Zwangsmitgliedschaft, bei der IHK um eine ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Pflichtmitgliedschaft nach Gesetz – auseinandersetzen! Die FDP hat ein sehr weitgehendes Reformkonzept für die IHKs vorgeschlagen. Der substanzielle Unterschied besteht nur darin, dass gerade die IHKs auch einen Beitrag zum Bürokratieabbau leisten, dadurch, dass sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Wir finden das sehr richtig und wollen das erhalten. Das geht nur, wenn man auch an der Pflichtmitgliedschaft festhält.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Jeden Tag bekommen Sie zehn E- Mails!)

Übrigens haben Sie in mir jemanden, der gern davon Abstand nehmen möchte, der sich aber irgendwann einmal davon hat überzeugen lassen, dass das so sein muss und auch deshalb so bleiben wird.

(Beifall bei der FDP)

Dies muss man in Betracht ziehen, und das hat die Kollegin Schön angesprochen, dass sich nicht allein, weil die Lebens- und Arbeitsverhältnisse Ihrer Meinung nach komplizierter geworden sind oder weil psychische und physische Belastungen weiterhin, wie übrigens schon seit vielen Hundert Jahren, im Arbeitsleben eine Rolle spielen – ich kann übrigens gar nicht erkennen, wieso Sie der Meinung sind, dass das alles viel komplizierter geworden ist, ich glaube, es war früher auch nicht einfach, Arbeitnehmer zu sein, das muss man an dieser Stelle auch einmal sagen –, daraus nun eine Pflichtmitgliedschaft oder Zwangsmitgliedschaft bei der Arbeitnehmerkammer herleiten lässt. Auch das Argument, Frau Busch, die Arbeitnehmerkammer hätte mit ihrem segensreichen Armutsbericht ihre Bedeutung unter Beweis gestellt, kann dadurch widerlegt werden, dass auch auf Bundesebene die Bundesregierung einen Armuts- und Reichtumsbericht regelmäßig – in guter Qualität, wie ich finde – herausbringt und zum Beispiel auch die HansBöckler-Stiftung, das müssten Sie doch wissen, auch solche Berichterstattungen publiziert. Ich finde, dass sie all diesen Einrichtungen einfach nicht gerecht werden, wenn Sie das hier in dieser Form herabwürdigen.

(Beifall bei der FDP – Abg. Frau B u s c h [SPD]: Entschuldigen Sie, dass ich in fünf Mi- nuten nicht alles gesagt habe, was ich weiß!)

Zur Kollegin Troedel: Wir haben die Kirchen in dem Antrag mit erwähnt, weil dies zeigt, dass Institutionen reformfähig sind, wenn man sie nur lässt! Trauen Sie denn dieser Arbeitnehmerkammer nicht zu, dass sie sich auch anpassen kann, auch wenn nicht mehr jeder dort zur Mitgliedschaft gezwungen wird? Wir tun das sehr wohl, weil wir denen durchaus zutrauen, dass sie sich anpassen können und auch un

ter anderen Rahmenbedingungen gute Arbeit – vielleicht noch bessere Arbeit als jetzt – leisten können.

(Beifall bei der FDP)

Weiterhin gilt es natürlich, auch den Vorwurf, wir seien arbeitnehmerfeindlich, den Frau Busch hier eingebracht hat, doch einmal entschieden zurückzuweisen. Ich kann Ihnen versichern, und das sehen Sie doch auch, der kleine Mann steht hier genau vor Ihnen, das können Sie doch wohl erkennen,

(Beifall bei der FDP – Heiterkeit bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Heutzutage ist die Arbeiterklasse pro- moviert!)

und der sagt Ihnen auch, die Gewerkschaften nehmen sicherlich Partikularinteressen wahr, aber ich muss Ihnen sagen, ich habe denen eigentlich immer abgenommen, dass sie das glaubwürdig und vernünftig tun.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Sie haben zu viel geredet in den letzten Tagen!)

Deshalb finde ich es auch unangemessen, dass Sie hier den Beitrag der Gewerkschaften derartig schmälern.

Zu den anderen Berufsgruppen: Warten Sie unsere Vorschläge ab, und beachten Sie auch einmal, was ich so regelmäßig veröffentliche! Dabei sind schon einige Vorschläge gewesen, auch zum Beispiel zur Liberalisierung des Apothekenmarktes. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP – Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Herr Dr. Möllenstädt, bekomme ich ein Autogramm von Ihnen?)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Kau.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Jean-Jacques Rousseau hat schon vor 200 Jahren in Voraussicht gesagt:

(Unruhe bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Glocke)

„Der Mensch ist frei geboren und liegt doch überall in Ketten“, und das ist hier in Bremen auch so.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP – Hei- terkeit bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Sie wollen doch nicht behaupten, ich beschäftige in meinem Hause – Herr Dr. Güldner, ich weiß nicht, wo Sie Ihre beruflichen Qualitäten gesammelt haben! – 630 Mitarbeiter, und glauben Sie mir, dass die Wahrung deren Interessen nicht allein vom Betriebsrat wahrgenommen wird,

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das machen Sie vom Vorstand aus!)

sondern dass wir vom Vorstand aus die Arbeitnehmerinteressen in jeder Hinsicht auch mit wahrnehmen, sonst könnten sie diese motivierten Leistungen gar nicht bringen!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie wollen doch nicht wirklich behaupten, dass es in diesem Lande, das ich liebe – ich bin hierher gezogen und will hier bleiben –, nicht reichhaltig freie Angebote gibt. Wir haben Gewerkschaften, Frau Ziegert vertritt sie, wir haben Parteien, wir haben Betriebsräte in allen Unternehmen, sogar gesetzlich freigestellte. Wir haben Kirchen, Verbände, die Verbraucherzentrale, Rechtsanwälte mit Prozesskostenhilfe und freie Trägerschaften. Wenn Sie einmal in der Woche den „Weser-Kurier“ aufschlagen und lesen, finden Sie eine ganze Seite mit Hilfsangeboten, eine Seite für jede Gruppe, die irgendeinen Nachteil oder ein Defizit hat. Gott sei Dank gibt es eine Selbsthilfegruppe und einen Kreis, der sich um sie kümmert, und zwar ohne Pflichtmitgliedschaft.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben jede Menge Institutionen, Herr Nagel, die sich auch gesamtwirtschaftlich organisieren. Schauen Sie sich das BAW an, es liefert auch wunderbare Berichte! Schauen Sie sich die BertelsmannStiftung an!

(Heiterkeit bei der SPD und beim Bünd- nis 90/Die Grünen)

Sie müssen ja auch nicht im „Club of Rome“ Zwangsmitglied sein, um zu deren Erkenntnissen zu kommen. Ich fordere auch keinerlei Abschaffung der Arbeitnehmerkammer, ganz im Gegenteil: Wenn Sie meine Person richtig kennen, und ich die Möglichkeit hätte, so wie bei der Handelskammer oder hier in der Politik, meine Mitwirkung einzubringen, würde ich es tun. Ich habe schon manches Ehrenamt übernommen, aber in dieser Kammer kann man sich demokratisch nicht legitimieren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich prophezeie Ihnen, auch wenn wir das heute nicht beschließen, noch ist in diesem Land jedes Mo

nopol gefallen, noch ist jedes geschlossene System vom Limes bis zur DDR untergegangen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie wollen doch nicht ernsthaft behaupten, dass in den anderen 14 Bundesländern, Herr Dr. Güldner, die Arbeitnehmerrechte von Menschen im Ruhrgebiet, in großen Städten, dass sie dort nicht wahrgenommen werden. Wenn das alles richtig wäre, müsste Herr Senator Nagel eine Bundesratsinitiative starten, um die anderen Menschen in den anderen Ländern auch mit einer solchen Arbeitnehmerkammer zu beglücken.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das sagt der Vorstandsvorsitzende ei- ner großen Bank!)

Mir geht es abschließend darum, dass die Arbeitnehmer und die Zuhörer an den Radiogeräten wissen, wenn sie jeden Monat auf ihren Gehaltsstreifen schauen und immer weniger netto haben: Diese Koalition fügt einen Abzug hinzu! – Danke schön!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Busch.

(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Langsam kommt die Fratze des Kapitals durch! – Widerspruch bei der CDU – Abg. F o c k e [CDU]: Das muss gerügt werden! Ich habe das genau gehört!)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Busch. Bitte, Frau Busch!

(Unruhe – Glocke)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kau, Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 1974: Die den Arbeitnehmerkammern – Anmerkung: in Bremen und im Saarland – zugewiesenen Aufgaben sind als legitim öffentliche Aufgaben im Sinne der Rechtsprechung anzuerkennen. Das gilt bis heute auch für Sie.

(Zuruf von der CDU: Was man darf, muss man doch nicht machen!)