Protocol of the Session on May 8, 2008

(Abg. K o t t i s c h [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke)

werden mit Leistungskürzungen, höheren Zusatzzahlen, Praxisgebühren und immer höheren Beiträgen unsozial und unverschämt abgezockt, meine Damen und Herren! Das ist die Tatsache!

Herr Kollege Tittmann!

Nein, im Moment nicht!

(Abg. Frau T r o e d e l [Die Linke]: Herr Präsident, schreiten Sie ein, das ist Rassis- mus!)

Herr Kollege Tittmann, ich habe Sie lange Zeit nicht unterbrochen!

Nein, im Moment nicht!

Eine Zwischenfrage möchte Herr Tittmann nicht annehmen. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass wir zu dem Thema Gesundheitswirtschaft im Lande Bremen reden!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der Linken)

Sie müssten jetzt zum Thema zu kommen!

Darf man noch nicht einmal mehr die Wahrheit sagen?

(Zurufe)

Kommen Sie nach vorn und widerlegen mir das! So sieht Ihre Sozialpolitik aus, meine Damen und Herren von der SPD! So sieht das aus!

Die älteren deutschen Menschen können immer mehr dazubezahlen, werden immer mehr abgezockt, und für alle anderen Sachen sind Gelder da! Das ist typisch! Meine Damen und Herren, alle Warnungen der Krankenkassen, der Ärzteverbände, der Klinken,

der Apotheker und anderer Gesundheitsexperten sind bislang bei allen Parteien auf taube Ohren gestoßen. Ein Skandal sondergleichen ist, dass im Zuge dieser Gesundheitsreform alles darauf hinausläuft, dass sich hierzulande offenbar nur noch Reiche Gesundheit leisten können, und die Armen können früher sterben.

(Glocke)

Das ist die Folge Ihrer Gesundheitspolitik!

Herr Kollege Tittmann, einen Moment bitte! Entweder Sie kommen jetzt wirklich zum Thema Gesundheitswirtschaft im Lande Bremen, oder ich muss Ihnen das Wort entziehen!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der Linken)

Meine Damen und Herren, klatschen Sie ruhig! Das, was ich sage, ist genau zum Thema!

Nein, das ist nicht das Thema!

(Zurufe)

Dass Sie das aufregt, das glaube ich Ihnen gern! Habe ich einen Nerv getroffen? Das glaube ich Ihnen! Ja!

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Sie haben hier nichts getroffen, das ist das Problem!)

Meine Damen und Herren, abschließend sei gesagt, die Gesundheitsreform gefährdet akut eine sozial gerechte medizinische Versorgung und Betreuung im Lande Bremen. Darüber hinaus werden Ärzte unweigerlich zu Berichteschreibern und Leistungskatalogeanwendern herabgewürdigt, entmündigt, Patienten werden dann menschenunwürdig als wandelnde Fallpauschalen in dem Überweisungsmarathon dahinvegetieren. Das nennen Sie dann eine sozial gerechte Gesundheitsreform für das Land Bremen. Ich nenne das eine einzige, große politische Schande, Ihre Gesundheitsreform im Land Bremen! – Ich danke Ihnen!

Herr Kollege Tittmann, ich sage Ihnen das noch einmal: Sie haben total am Thema vorbeigeredet!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der Linken)

Das Präsidium hat hier nicht die Aufgabe zu zensieren, aber das war nun total daneben!

Ich rufe auf Herrn Kollegen Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Auch Die Linke ist der Meinung, dass Gesundheitswirtschaft, wie wir es bei den meisten – außer dem letzten Vorredner – gehört haben, ein sehr wichtiges Thema ist. Dabei gibt es, ich will es etwas verspielt ausdrücken, viel zu entdecken und viel darüber zu wissen. Da muss sicherlich auch noch von der Politik und ihrer Kontrollfähigkeit einiges getan werden. Das ist für mich nicht in Frage zu stellen.

Interessant finde ich an der Stelle aber, das muss ich hier auch noch einmal wieder sagen, die Genese dieser Großen Anfrage. Wenn man dort einmal hineinschaut, die „Financial Times“ schreibt einen kleinen Artikel, in dem kurz einmal erwähnt wird, dass aus ihrer Sicht in Bremen irgendwie nicht alles so läuft, wie die „Financial Times“ sich das vorstellt, und die FDP macht dann gleich eine Große Anfrage daraus.

(Abg. Frau D r. M o h r - L ü l l m a n n [CDU]: Das ist nicht die erste Große Anfra- ge!)

Nein, nicht die erste, aber trotzdem! Ich denke, das ist überspannt. Dabei treibt die FDP besonders um, und auch das finde ich leicht amüsant, ob Bremen in Dubai und auf der Messe „Arabic Health“ prominent vertreten ist. Keine Ahnung! Herr Brumma hat darauf hingewiesen, es wird in der Richtung einiges gemacht, das Krankenhaus Links der Weser hat es versucht, es hat mittlerweile – zumindest die kardiologische Praxis im LdW – eine Zweitniederlassung in Dubai. Auch dort ist vieles auf dem Weg, und es bedarf jetzt nicht einer Großen Anfrage der FDP.

Sehr geehrte Damen und Herren, trotzdem sage ich, Gesundheitswirtschaft mit ihren Tausenden Beschäftigten ist in Bremen ein wichtiger wirtschaftlicher Sektor. Ich frage mich allerdings nur, warum man sich über Dubai Gedanken macht, wenn man doch gleichzeitig beobachten muss, dass einem vor der Haustür Gesundheitsdienstleistungen für die Menschen einfach wegbrechen.

(Beifall bei der Linken)

Dazu will ich nur einen Punkt benennen, um Sie nicht weiter mit dem Sozialklimbim, wie viele das hier empfinden, zu nerven. Bereits im Jahr 2004 hat es in dem Armutsbericht der Arbeitnehmerkammer zum Schwerpunkt Armut und Gesundheit als Warnung geheißen, aber auch fachlich ist es belegt worden, ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten, „dass es in Bremen eine Reduzierung der Gesundheitsdienste auf der kommunalen Ebene gibt, einmal durch die Einsparungen des Senats und andererseits als Folge des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes auf Bundesebene. Beides führt zumindest teilweise zu ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

schwierigen gesundheitlichen Versorgungsproblemen innerhalb der Stadtteile.“ Der Bericht kommt immerhin sogar zu dem Schluss, dass es eine signifikante Korrelation zwischen sozioökonomischer Situation und Sterblichkeit gibt. Das heißt einfach, dass Menschen in bestimmten Stadtteilen früher sterben als in anderen, und da, sehr geehrte Damen und Herren, sorgt sich die FDP über Dubai!

Ich sorge mich, und das will ich hier auch einmal ganz deutlich sagen und gleich auch auf Herrn Brumma noch einmal antworten, nicht um Dubai. Herr Brumma hat so schön und richtig gesagt, dass immerhin 27 000 der Beschäftigten der Gesundheitswirtschaft in Bremen in Krankenhäusern arbeiten. Wie wir jetzt nun seit einigen Tagen wissen, werden es demnächst nur noch 26 000 sein, weil wir 1000 davon abbauen. Dazu sage ich: Ich werde mich jetzt nicht um Dubai sorgen, sondern ich werde mich darum kümmern, was mit den 1000 abgebauten Stellen ist, was mit der Gesundheit Nord ist und, werde dementsprechend auf die Betriebsversammlungen im LdW gehen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der Linken)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Kau.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Gesundheitswirtschaft und der entsprechenden Großen Anfrage wird ein unseres Erachtens bedeutsames Thema für uns alle angeschnitten, das man nicht hoch und wichtig genug einstufen kann. Ich will hier jetzt nicht nach all den vielen Rednern volkswirtschaftliche Daten vortragen oder damit langweilen, die sind alle den Interessierten hinlänglich bekannt. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass die Wertschöpfung der Gesundheitswirtschaft bundesweit und auch in Bremen von großer und vor allem stetig zunehmender Bedeutung ist.

(Beifall bei der CDU)

Die Anzahl der Beschäftigten, das Stichwort „Jobmaschine“ fiel schon, die beachtliche Bruttowertschöpfung, der steigende Anteil am Bruttoinlandsprodukt und nicht zuletzt die Steuereinnahmen sind von einem so beachtlichen Ausmaß, dass man zu Recht von einer wesentlichen Säule der deutschen und auch bremischen Volkswirtschaft sprechen kann, Frau Rosenkötter. Dies wird sicherlich an Bedeutung gewinnen. Wir haben eine hinlänglich bekannte demografische Entwicklung, die uns immer älter und hoffentlich länger gesund sein lässt. Die jung bleibenden Alten werden immer aktiver, investieren immer mehr in Wellness, Freizeit und Gesundheit sowie angemessene und gesunde Ernährung. Das dementsprechende Angebot ist vielfältig, der Wettbewerb um die Zahlungskräftigen nimmt zu, und die Mög

lichkeiten, sich gesund und fit zu halten, werden immer reichhaltiger.

Zwischenfazit: Die Gesundheitswirtschaft hat eine inzwischen unbestrittene und wissenschaftlich unterlegte Bedeutung von soziologischem, medizinischem, sozialem und ökonomischem – kurzum gesamtgesellschaftlichem – Ausmaß, das es zu beachten und als Pflanze zu hegen und zu pflegen gilt.

Das gibt vielen Menschen Hoffnung auf gesundes Jungbleiben und Altwerden, je nachdem, von wo man es betrachtet, und es bringt den beteiligten Akteuren eine Fülle an Chancen, die man zum Vorteil aller nutzen kann.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Für Bremen müsste man sagen, „nutzen könnte“! Denn wie geht es in Bremen zu, und wie geht man damit um? Setzt der Senat pointiert auf dieses Feld? Sind wir ein Frontrunner in der Republik und in der Liga der Gesundheitswirtschaft oben aktiv und planvoll mit dabei? Steht es im Nordderby mit Hamburg eins zu null für Bremen, so wie gestern beim Fußball, oder sind wir bloß im Mittelfeld oder gar am Tabellenende der Wettbewerber in der deutschen Gesundheitswirtschaft unterwegs? Der nächste große Gesundheitskongress im September findet nicht in Bremen, sondern in Hamburg statt. Können wir den erkennbaren Trend – oder wie viele sogar konstatieren, den absehbaren Boom – in unserem Zwei-Städte-Staat für uns nutzen, oder überlassen wir wieder einmal ein wichtiges Segment der Zukunft anderen?

Wenn Sie den Bürger auf der Straße, von dem hier so oft die Rede ist, zum Thema Bremer Assoziationen mit Gesundheit befragen, wird er spontan antworten, und zwar mit: „Klinikskandal, inhaftierter Geschäftsführer, Machenschaften, Unregelmäßigkeiten, Scheitern von Private-Public-Partnerschaften und erschreckenden Untersuchungsausschussergebnissen“.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Das sind dann aber nur CDU-Mitglieder!)

Die angebliche Bremer Senatsstrategie und irgendeine gesundheitswirtschaftliche Initiative wird ihm mangels Bekanntheit wohl kaum einfallen oder über die Lippen kommen.