Protocol of the Session on April 9, 2008

Frau Präsidentin, verehrte Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Ich bin jetzt seit 1989 in Bremen. Woran ich wirklich keinen Mangel in Bremen erlebt habe, war ein Mangel an Nachtleben. Vielleicht müssen wir Herrn Ella noch einmal einen Stadtführer geben. Ich kann Ihnen deutliche Tipps geben, wo man zu jeder Tages- und Nachtzeit hingehen und etwas erleben kann. Ich glaube ganz deutlich, da ist Bremen, weil ich viele andere große Städte kenne, mit dem Viertel und dem vielfältigen Kleinkram, den es da gibt, und der offenherzigen und der sehr bunten Form von Bevölkerung und Ähnlichem mehr, was diesen Ruf angeht, ganz weit vorn. Da kann in manchen Fällen nur Berlin mithalten. Andere große Städte machen um 23 Uhr dicht, da gehst du um halb zwölf auf die Straße und denkst, du bist an einem toten Bahnhof. Daran hat Bremen wirklich keinen Mangel.

Was ich auch interessant finde, dass es eine der wenigen Debatten ist, in der es auch um Einsatz von Geld geht und in der noch keiner der Beteiligten oder Rednerinnen und Redner Karlsruhe in den Mund genommen hat.

(Beifall bei der Linken)

Ich möchte nur darauf hinweisen, dass eben zwölf Jahre Große Koalition und insbesondere die tourismusorientierten Großprojekte, die hier schon genannt wurden, einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet haben, dass Bremen mit seiner Ausgabenpolitik in der Öffentlichkeit, bei anderen Parteien und anderswo einen schlechten Ruf hat. Was überhaupt nicht geht, auch nur die Idee zu entwickeln, dass man zu einer solchen Politik wieder zurück will!

(Beifall bei der Linken und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Dann haben wir eine Situation, und da muss man sich auch einmal klar werden, das ist auch schon gesagt worden, man hätte, selbst wenn man wollte und man es richtig finden würde, so etwas zu machen, noch nicht einmal die Möglichkeit dazu, weil man in einer maßlosen Großmannssucht dieses Geld von künftigen Legislaturperioden schon für Projekte einge––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

setzt hat, von denen man nicht genau wusste, was eigentlich daraus wird. Jetzt die Erfolge herauszupicken und einfach zu negieren, dass das viele Geld in den Sand gesetzt worden ist, finde ich völlig konzeptionslos und auch die falsche Art und Weise.

(Beifall bei der Linken)

Ich möchte darauf hinweisen, wenn wir über Tourismus reden, eine Form von Idee oder Perspektive, was einmal daraus wird, darf man sich nicht nur auf das Marketing konzentrieren. Ich sage einmal ganz deutlich: Wir haben jetzt einen Haushalt mit einem Kulturteil beschlossen, darin haben wir etwa 80 Millionen Euro, ich habe die Zahl nicht genau im Kopf. Ein Großteil davon wird einen entscheidenden Einfluss darauf haben, ob Touristinnen und Touristen Bremen attraktiv finden oder nicht, und was man damit macht. Also muss man als Erstes, wenn man über Marketing und Tourismus nachdenkt, einmal schauen, wo es sogenannte Synergieeffekte zwischen diesen beiden Feldern gibt. Ich bin relativ sicher, dass man da viele attraktive Sachen machen kann, insbesondere dann, wenn man einmal ein bisschen den Fokus von Großveranstaltungen und Großevents wegnimmt und wieder auf die Stadtteile schaut und ein bisschen mehr kleinräumig organisiert.

Des Weiteren ist es für mich so, dass die Tourismusbranche ein Feld ist, das nicht zur unmittelbaren Daseinsvorsorge gehört, daher finde ich, dass bestimmte Formen von freiem Spiel der Kräfte auch richtig sind. Da müssen die Leute auch in der Lage sein, ihre Marketingkosten ein Stück weit selbst zu tragen. Da kann man einen Motor haben, aber wenn der Motor so arbeitet, dass die, die damit fahren, ständig zu einem kommen und wieder betankt werden wollen, dann ist es ein falscher Motor.

Irgendwann müssen die Leute, die das Ding fahren, auch selbst tanken, und dann kann man das anschieben, dann kann man das unterstützen, dann kann man möglicherweise an der einen oder anderen Stelle auch noch einmal wieder etwas anschieben. Aber bestimmte Dinge auf Dauer zu subventionieren, insbesondere, wenn man das in das Verhältnis setzt zu dem Geld, was uns im sozialen Bereich auch fehlt

(Beifall bei der Linken)

und weil die Haushaltslage nicht die beste ist – –. In einer solchen Situation, finde ich, darf man auch darüber nachdenken, dass sich eben bestimmte Wirtschaftszweige selbst finanzieren. – Vielen Dank!

(Beifall bei der Linken)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schrörs.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich beginne einmal mit Ihnen, Herr Ella: Dass jetzt die FDP, das ist mehrfach angeklungen, offensichtlich Gastronomie und Livemusik auch durch den Staat finanzieren lassen will, das finde ich beachtlich, muss ich sagen. Das ist eine neue Erkenntnis, die ich über die FDP habe.

(Abg. E l l a [FDP]: Sie sollten zuhören!)

Herr Ella, dass Sie im Übrigen auch selbst noch nicht verarbeitet haben, dass 1994 das Jahr war, in dem zwei Senatoren einen Space Park in Bremen gegründet haben. Der eine hatte etwas mit der FDP zu tun, der hieß nämlich Jäger, und es gab einen, der mit den Grünen zu tun hatte, der hieß Fücks.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/ Die Grünen]: Den kannte ich schon!)

Also tun Sie doch bitte nicht so, Herr Ella, als ob Sie damit im Grunde genommen nichts zu tun hätten.

(Glocke)

Herr Dr. Schrörs, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Buhlert?

(Zuruf: Der war damals auch dabei!)

Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, dass, nachdem diese Grundsatzentscheidung gefallen war, viele Wirtschaftlichkeitsberechnungen, Besucherschätzungen und so weiter gemacht wurden, die dann zum Ende der neunziger Jahre hin vielleicht schon deutliche Signale gaben, man hätte die Reißleine für dieses Projekt ziehen müssen?

Sie sollten jetzt nicht so tun, als ob Sie zu dem Zeitpunkt nicht davon überzeugt gewesen wären, dass Sie dies richtig gemacht haben. Da hinterher zu diskutieren, zehn Jahre später, was man dort hätte machen können, hilft nicht viel weiter.

(Beifall bei der CDU)

Entscheidend ist die Entscheidung, die damals getroffen worden ist.

(Zuruf: Fragen Sie einmal, wie Sie die Entscheidung umgesetzt haben!) ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft. (A) (C)

Der Abgeordnete Dr. Schrörs hat signalisiert, dass er keine weitere Zwischenfrage gestatten möchte.

Sie wissen, dass wir begrenzte Redezeit haben. Trotzdem will ich noch einen letzten Satz zur FDP an dieser Stelle sagen. Herr Ella, nach der Rede, die Sie gehalten haben, habe ich den Eindruck, Sie möchten der Begründer eines, ich nenne es einmal, „Ella-Gedächtniszentrums“ in Bremerhaven werden.

(Heiterkeit – Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. F o c k e [CDU]: Da geht doch niemand hin! – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Schon wieder ein Flop!)

Ein Punkt, der mehrfach angesprochen worden ist, ist die Frage der Leistung der privaten Wirtschaft. Ich denke, an dieser Stelle sollten alle hier im Hause sehr froh darüber sein, dass gerade in diesem Bereich sowohl bei der Kultur als auch in der Wirtschaft ein großes Maß an Initiativen erfolgt ist. Ich finde, das darf man gerade an dieser Stelle nicht vergessen. Sollte es die Wirtschaft nicht gegeben haben, würde das sehr viel schlechter aussehen, als es zurzeit sowieso schon aussieht.

Noch einmal zurück zu meinem ersten Teil, den ich anschließen wollte. Die Familie wurde eben gerade von Ihnen erwähnt, das hatte ich auch auf meinem Zettel. Es stand bei mir allerdings dahinter: Zukünftig soll sich das Marketing verstärkt darauf ausrichten. Da frage ich: Womit wollen Sie es denn machen? Sie haben gerade eben beschrieben, dass Sie Geld nicht zur Verfügung haben. Also wie wollen Sie einen solchen Teil machen? So ist es auch mit den Marketinggesellschaften. Ich zitiere mit Genehmigung der Präsidentin: „Die Budgets der Gesellschaften wurden im Rahmen der Haushaltsaufstellung zwar neu justiert und im Einzelfall auch gekürzt, können aber auch bei spezifischen Themen und Anlässen durch Projektmittel ergänzt werden.“ Beispiel: Kirchentag! Der Kirchentag kostet 7,9 Millionen Euro. Davon bekommt die Bremer Touristik-Zentrale nicht einen Cent für das Marketing. Nur, dass man das einmal weiß! Die Kürzung des Budgets insgesamt, habe ich gesagt, ist an dieser Stelle ein wesentlicher Teil. Es gibt den Ansatz bei der Bremer Touristik-Zentrale, dass die Bremer Touristik-Zentrale im Grunde genommen das Geld, das sie bekommt, statt für Marketingmittel auszugeben, leider dafür ausgeben muss, um ihre Fixkosten zu decken. Eine unmögliche Situation, dass eine städtische Gesellschaft an dieser Stelle, statt Marketingmaßnahmen durchzuführen, Personal- oder sonstige Sachen finanziert, eine unmögliche Situation!

(Beifall bei der CDU)

Über das Konzept „zwei Städte und ein Land“ haben wir gesprochen. Mit dem Geld, was dort zur Verfügung steht, kann man kein Konzept erstellen. Damit kann man auch keine Marke aufbauen. Ich finde einfach auch, Herr Senator Nagel, Sie sollten noch einmal eine kleine Anleihe machen an das, was der Beck’s-Chef früher hier gemacht hat, der dann Wirtschaftssenator war. Josef Hattig hat hier wahnsinnige Möglichkeiten für die Marke erschlossen, und er weiß, wie man Marken nach vorn bringt. Vielleicht sollten Sie bei ihm einmal ein bisschen Nachhilfe nehmen, wie man Marken, nämlich die Marke Bremen, nach vorn bringen kann. Ich komme zum Ende.

(Beifall bei der CDU – Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Gloystein hätte vermutlich auch Bier genommen!)

Meine Damen und Herren, dieses Zitat kennen Sie. Ich will es aber gerade in diesem Zusammenhang noch einmal sagen: „Wer aufhört zu werben, um Geld zu sparen, kann ebenso seine Uhr anhalten, um Zeit zu sparen.“ Henry Ford hat das gesagt. Sie werden dieses Zitat kennen, es passt sehr gut zu diesem Teil. Fazit: Es gibt in dieser Antwort des Senats wunderschöne Formulierungen: Es sollte, es wird vorgelegt, es wird der Bedeutung angemessen, es muss vorgeführt werden. Nur, was gibt es? Es gibt kein Tourismusprogramm, es gibt weiter sinkende Mittel für diesen Teil Tourismus, es gibt keine Pläne, was man konkret machen will. Es ist im Prinzip eine Boykott-Erklärung.

(Glocke)

Ich komme sofort zum Ende. Die Große Koalition hat den Zug auf das Gleis gesetzt und dafür gesorgt, dass diese alte Lokomotive durch eine moderne Zugmaschine ersetzt wurde.

(Zuruf: Ersetzt wurde durch uns!)

Weitere Waggons wurden angekoppelt, und es wurde dafür gesorgt, dass Tempo gemacht wird. Das haben wir gemeinsam gemacht.

(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Und das Gleis im Weltall?)

Damit ist Bremen gut gefahren. Der Schnellzug wurde zum Jobmotor für Bremen, es ging aufwärts. Die Übernachtungszahlen sind ebenso wie die Zahl der Tagestouristen stark angestiegen. Doch diesem Schnellzug droht die neue Regierung die Energie zu nehmen. Zuschüsse werden gekürzt, Marketingmittel werden gestrichen.

(Abg. G ü n t h n e r [SPD]: Uns wird das aber nicht so gehen, wie der Bayerischen Staatsregierung mit dem Transrapid! – Glocke)

Ich habe die Sorge, dass Rot-Grün im Bereich Tourismus den Zug von der Überholspur geholt hat und ihn auf die Standspur gestellt hat.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Möhle.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist ja so eine Sache: Schnellzüge kann man mit viel Geld kaufen, vielleicht auch eine Zeit lang am fahren halten. Die Frage ist aber, was machen Sie eigentlich, wenn Ihnen das Geld ausgeht? Das ist genau die Frage, vor der wir hier stehen! Sie haben wahnsinnig hohe Investitionssummen ausgegeben in den letzten zwölf Jahren, auch im Bereich Tourismus. Ich habe vorhin gesagt, nicht alles fand ich richtig, aber ich fand auch nicht alles falsch. Das ist ja auch hier in den Debatten belegt. Die Frage ist aber: Was machen wir jetzt eigentlich, da wir die Investitionsmittel nicht mehr haben? Das geht auch in die Richtung von Herrn Rupp. Man wird an dieser Stelle nicht mehr irgendwelche Super-Turbo-Züge kaufen können, sondern wir werden mit den Mitteln, die wir haben, das in Gang halten müssen, was läuft. Das ist die erste Priorität unserer Aufgabe.

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Ich würde mir etwas anderes wünschen. Ich hätte gern Millionen und Abermillionen Mittel haben für Werbung, für Infrastruktur und für vieles andere mehr, was diese Stadt nach wie vor auch noch braucht. Nun können Sie aber nicht so tun, Herr Dr. Schrörs, als wäre das hier der Untergang des Abendlandes. Wenn ich mir die aktuellen Daten im Tourismus anschaue, sind die ausnehmend positiv.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der FDP)