Als Linke glauben wir dennoch, dass diese Zahlen alarmierend sind, aber nicht quantitativ, sondern vor allen Dingen strukturell für dieses Land. Aus unserer Sicht sind diese Daten nur parallel zu lesen, zum Beispiel zum Armutsbericht der Arbeitnehmerkammer.
Nur wenn man die Ergebnisse dieses Armutsberichts im Kopf hat von der schon verfestigten Gettoisierung einzelner Stadtteile, von der Überschuldung, den fehlenden Bildungsmöglichkeiten, dem Abbau öffentlicher Einrichtungen, von Schwimmbädern bis Freizeitheimen, von der Perspektivlosigkeit Jugendlicher bezüglich Ausbildung und Job und von der Bandenbildung als Familienersatz, erst wenn man das zusätzlich parallel liest und im Kopf hat, dann sieht man die wirkliche Katastrophe oder das wirklich Alarmierende in dieser Stadt.
Das ist aus Sicht der Linken die wirkliche Katastrophe. Klar ist, auch das will ich deutlich sagen, da gebe ich Frau Winther recht, natürlich ist es immer in bestimmten Teilen wie zum Beispiel bei der Justiz, aber auch bei der Polizei, auch eine Frage der personellen Ausstattung, und das, was man aus dem Justizbereich hört, deutet sicher deutlich darauf hin, dass da mehr Stellen geschaffen werden müssen. Ich finde, auch das ist selbstredend, aber ich denke insgesamt, in der Verbindung, die ich aufgezeigt habe, auf der einen Seite von Kriminalität, Armut und Gettoi
sierung in dieser Stadt, liegen die Punkte, wo wir ansetzen müssen. Da werden jetzt gerade die kommenden Haushaltsberatungen zeigen, wer hier tatsächlichen Veränderungswillen für diese Missstände an den Tag legt und wer sie auch umsetzen will. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Gestatten Sie mir zu Beginn meiner Rede ein persönliches Wort! Die Debatte zu diesem Thema hat in der vergangenen Woche eine Schärfe erreicht, die keiner Debatte guttut. Es tut mir leid, in welche Richtung die Debatte gelaufen ist! Die Kolleginnen und Kollegen im Haus wissen, mir und der FDP geht es bei unserer parlamentarischen Arbeit niemals um Diffamierung, sondern stets um Klärung von Sachverhalten im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Bremens.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die Messerstecherei in der Silvesternacht und die Entscheidungen der Justiz, die diese – es wird unterstellt – erst ermöglicht haben sollen, sind in diesen Tagen Anlass für eine breite öffentliche Debatte. Viele Menschen in Bremen beschäftigt die Frage, ob die Justiz ihrer Verantwortung genügend nachgekommen ist, die Bevölkerung vor Menschen, von denen Gefahrenpotenzial ausgeht, wirksam zu schützen.
Vergeblich sucht der Bürger nach vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen, warum in dem hier angesprochenen Fall Haftverschonung gewährt wurde und warum Auflagen gelockert wurden. So ging es auch den Kolleginnen und Kollegen im Rechtsausschuss in der vergangenen Woche. Wir als FDP halten es für absolut unerlässlich, dass Richter ihre Entscheidungen unabhängig treffen können. Genauso unerlässlich ist es, dass Staatsanwälte hartnäckig dranbleiben können und dafür geeignete – auch materielle – Rahmenbedingungen vorfinden.
Hierfür und für das Klima des Miteinanders an den Gerichten trägt nach unserer Auffassung der Justizsenator Verantwortung. Die Debatte hat – das ist hier auch schon mehrfach durchgeklungen – aber noch eine zweite Seite. Dabei geht es um die Frage, inwiefern über Entscheidungen von Gerichten öffentlich und parlamentarisch debattiert werden darf und muss. Hierzu sage ich: Die Bürgerinnen und Bürger werden nur dann dauerhaft Vertrauen in die Justiz haben, wenn sie nachvollziehen können, wie rich
terliche Entscheidungen zustande kommen. Das ist schon mehrfach hier in der Debatte erwähnt worden: Urteile ergehen nun einmal im Namen des Volkes.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, richtig ist: Bürgerinnen und Bürger können vielleicht nicht jedes Detail der Rechtsauslegung nachvollziehen, aber die Angemessenheit des Ergebnisses können viele sehr wohl beurteilen. Dazu gehört als notwendige Voraussetzung, dass die Öffentlichkeit informiert wird. Daher halten wir es auch für falsch, dass der angesprochene Prozess gegen einen der mutmaßlichen Tatbeteiligten jetzt möglicherweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit fortgeführt werden soll.
Erfreulich – und das will ich ehrlicherweise auch an dieser Stelle sagen – ist doch in diesem Zusammenhang, dass sich die bei Weitem überwiegende Zahl von Gerichtsentscheidungen deutscher Gerichte auf eine breite Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger berufen kann und nur ausgesprochen wenige Fälle überhaupt Anlass zu öffentlichen Diskussionen bieten.
Die grundsätzliche Möglichkeit zur Diskussion über Entscheidungen von Gerichten und die Rückkopplung der Richterschaft mit Bürgerinnen und Bürgern und ihren gewählten Volksvertretern aber stellt ein wesentliches Element jedes demokratisch verfassten Rechtsstaates dar. Sie ist zugleich wesentliche Grundlage und Voraussetzung für ein anhaltend hohes Ansehen und eine hohe Akzeptanz von Gerichtsentscheidungen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche uns allen ein erfolgreiches Jahr 2008!
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine aktuelle Stunde lässt nicht die Zeit, auf die vielen Dinge, die hier gesagt wurden – Richtiges, aber auch viel nicht Richtiges, aus meiner Sicht, und Halbrichtiges – einzugehen. In Bezug auf das Thema Jugendkriminalität wird der Senat in Kürze, wie es auch in der Koalitionsvereinbarung festgehalten wurde, ein Konzept vorlegen. Das wird eine vernünftige Basis für eine vernünftige Diskussion über dieses Thema sein.
Meine Damen und Herren, Deutschland ist eines der sichersten Länder der Welt. Wir haben dafür Sorge getragen, dass Verbrechensbekämpfung in Bremen kein leeres Wort ist und sich die Bremerinnen und
Bremer in unseren Städten wohlfühlen. Meine Damen und Herren, die erste Aussage, die ich eben gemacht habe, findet sich im Wiesbadener Beschluss der Bundes-CDU vom 5. Januar 2008: „Deutschland, eines der sichersten Länder der Welt“. Die zweite Aussage findet sich in einer Broschüre der CDU-Bürgerschaftsfraktion, mit der sie noch vor ein paar Monaten Wahlkampf gemacht hat: „Verbrechensbekämpfung und Sicherheit in Bremen sind gewährleistet.“ In dieser Broschüre – ich zitiere – steht auch: „Die Statistik weist eine verringerte Zahl von Opfern aus, die körperliche Schäden genommen haben. Wir haben rückläufige Zahlen in nahezu allen Kriminalitätsfeldern.“
Bis vor Kurzem war Bremen also sicher, und jetzt, wenige Monate danach, meine Damen und Herren von der CDU und insbesondere Sie, Herr Röwekamp, wollen Sie uns weismachen, dass Bremen die Bronx des Nordens geworden ist. – Das ist wenig glaubwürdig!
Man bedenke: Die gleiche Polizei, die gleiche Staatsanwaltschaft, die gleichen Gerichte, die gleichen Gesetze, die gleichen Regelungen, und plötzlich ist alles anders! Damit ist eines klar. Herr Röwekamp, Sie versuchen den kleinen Koch!
Sie wollen auf der vom hessischen Ministerpräsidenten erzeugten Angstwelle surfen. Nach meiner persönlichen Auffassung haben Sie, Herr Röwekamp, dafür das gleiche Motiv: Angst,
Angst vor dem Machtverlust in der Landes-CDU, meine Damen und Herren! Nicht die Sicherheit Bremens ist Ihr Thema! Ihre Unsicherheit in der Auseinandersetzung der CDU ist das Thema.
Lieber Herr Perschau, der Wortlaut Ihres Antrags lautet – ich lese ihn noch einmal vor –: „Justizpanne führt zu Messerstecherei auf der Discomeile – Wie sicher ist Bremen?“ Was sagen Sie damit? Die Entscheidung einer Kammer des Bremer Landgerichts habe eine Messerstecherei verursacht, und dies sei ein Beleg für die Unsicherheit.
Die Justiz ist ein Sicherheitsrisiko für Bremen, das ist Ihre Aussage, meine Damen und Herren! Nicht die mutmaßlichen Täter sind schuld, sondern die Richter. Zumindest für dieses unterirdische Niveau sollten Sie sich bei den Richterinnen und Richtern in Bremen entschuldigen!
Damit sage ich nicht, dass man über Gerichtsurteile nicht diskutieren kann und soll, das steht auf einem ganz anderen Blatt.
Ob die Debatte sachlich war, lieber Herr Röwekamp, das wird – –. Ich habe den Beitrag von Frau Winther nicht sonderlich sachlich gefunden, aber wir werden verschiedene Gelegenheiten haben, das Thema noch zu erörtern. Ich halte aber auch, Herr Möllenstädt, für Ihre leichtfertige Unterstellung zur angeblichen Verbindung der Justiz zum organisierten Verbrechen eine entsprechende Aussage in Richtung der Richterschaft für erforderlich, und es wäre auf jeden Fall sehr hilfreich.
Meine Damen und Herren, man kann bei Herrn Möllenstädt vielleicht noch eine gewisse Unerfahrenheit in Justizdingen annehmen, vielleicht ist das so, ich weiß es nicht. Aber umso mehr, lieber Herr Röwekamp, ist es für mich mehr als merkwürdig – ich formuliere es einmal so –, dass Sie als langjähriger Rechtsanwalt mit Ambitionen, als Organ der Rechtspflege – so steht es in der Bundesrechtsanwaltsordnung –, die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit hier in diesem Hause so an den Pranger stellen lassen.
(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Deswegen habe ich eine juristische Ausbil- dung! Ich weiß, was im Parlament keine Rolle spielen sollte! Die nächste Grenzüberschrei- tung!)
Lieber Herr Röwekamp, Sie haben in einer Pressemitteilung Ihrer Fraktion vor einigen Tagen von mir gefordert, ich solle darstellen, welche Konsequenzen ich aus dieser Richterentscheidung ziehe.
schussvorsitzenden gefragt, welche Konsequenzen sollten das sein gegen unabhängige Richter, die nicht verfassungswidrig oder rechtswidrig wären.
Ein Boulevardblatt hat das mit einem guten Gespür für die Fragen, die hinter so etwas stecken, aufgegriffen, und hat mich direkt gefragt, was Sie nur indirekt gefragt haben: Gibt es für Sie – so die Frage des Boulevardblatts an mich – Möglichkeiten, den Richter zu rügen oder gar zu entlassen? Meine Antwort und die wiederhole ich hier: Nein, wenn ich das könnte, wären die Richter nicht unabhängig und wir hätten keinen Rechtsstaat. Nur in einer Diktatur gibt es so etwas. Soweit meine Antwort und die gebe ich auch hier an dieser Stelle!