Der Senator sagt gerade, er wäre heute Nachmittag nicht im Hause, ob wir die Debatte nicht doch zu Ende führen und dann ein bisschen später wieder beginnen könnten.
Wenn die Mehrheit des Hauses dafür ist, dann rufe ich als nächsten Redner auf den Abgeordneten Ella.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist doch schon etwas ungewöhnlich, was wir hier als Antwort des Senats auf die Große Anfrage vorliegen haben. Da wird beispielsweise der Umweltschutzumsatz in der Region München im Jahr 2003 mit 2 Milliarden Euro angegeben. Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, aus der Studie „Umweltwirtschaft im Land Bremen“, die der Senat als Quelle angegeben hat. Dort finden Sie auf Seite 69 eine ganz ähnliche Tabelle, nur ist dort der Umsatz in der Region München mit 1,3 Mil
Ebenfalls bemerkenswert: Man vergleicht Bremer Zahlen aus dem Jahr 2005 mit denen anderer Regionen aus dem Jahr 2003. Wir haben hier einen erfreulicherweise hochdynamischen Wirtschaftszweig, also sind die Zahlen nur noch bedingt vergleichbar.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU – wo auch immer Sie jetzt gerade stecken, die Stuhlreihen sind ja etwas gelichtet –,
Sie haben diese Anfrage natürlich mit dem Hintergedanken gestellt, die Arbeit Ihres ehemaligen Senators gut aussehen zu lassen, aber das gelingt nur teilweise. Unbestritten und für uns natürlich sehr zu begrüßen sind die enormen Wachstumsraten der Windkraftbranche. Hier stehen die Chancen gut, die gesamte Wertschöpfungskette bei uns im Land anzusiedeln, also einen echten, auf Neudeutsch, Cluster zu bilden. Gleichzeitig muss man aber festhalten, dass der Bereich Windkraft zwar sehr gut aufgestellt ist, sonst aber kein Bereich besonders herausragt. Abfall- oder Wasserwirtschaft gibt es in jeder Kommune, das ist nicht unbedingt ein Alleinstellungsmerkmal für Bremen.
Natürlich haben wir hervorragende Forschung im Bereich der Meereswissenschaften. Ein Konzept, wie man dies in industrielle Arbeitsplätze umsetzen könnte, fehlt aber, meine Damen und Herren. Dies geht natürlich auch an die Adresse der neuen Regierung: Wo ist das durchdachte Konzept? Wo sind die Perspektiven, wenn es mit der Windenergie nicht klappen sollte? Natürlich benötigen wir Cluster, aber wir haben mit einseitigen Wirtschaftsstrukturen in der Geschichte unserer Städte zu viele schlechte Erfahrungen gemacht.
Ungeklärt und von uns in der Wirtschaftsdeputation bereits angesprochen bleibt auch die Frage, woher die qualifizierten Arbeitskräfte im Bereich Windenergie kommen sollen. Die Mittel für die Qualifizierung der Fachkräfte sind zwar aufgestockt worden, aber gibt es überhaupt genügend ausreichend vorgebildete Fachkräfte?
Abschließend bleibt noch festzustellen, dass sich die Antwort auf die Große Anfrage in die Problematik rund um die Wirtschafsförderung einreiht. Es fehlt
eine klare Linie, und es ist nicht ersichtlich, wie der Senat gesunde Strukturen und neue Arbeitsplätze schaffen möchte, aber damit reiht er sich in die Reihe seiner Vorgänger ein. Einfach nur Sparen und Kürzen ist jedenfalls kein Konzept.
Herr Präsident, verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich interpretiere diese Antwort und auch die Anfrage in ähnlichem Sinne wie mein Vorredner. Sie soll einerseits, ich sage einmal, im Namen des jetzigen Senats, deutlich machen, dass durchaus in der Vergangenheit das eine oder andere geleistet worden ist, aber dass viele Dinge – möglicherweise auch in den Zwängen der schwarz-roten Koalition – hängen geblieben sind und dass man jetzt deutlich bessere Chancen hat, Dinge, die darüber hinaus gehen, umzusetzen. Ich will versuchen, das im Detail zu kritisieren. Meiner Meinung nach zeigt die Anfrage, dass die Förderung der Umweltwirtschaft in Bremen in den letzten achteinhalb Jahren schlicht zu kurz gekommen ist. Das Programm zur Förderung von anwendungsorientierter Umwelttechnik hat in den letzten achteinhalb Jahren ungefähr 40 Millionen Euro an Fördermitteln erhalten. Wenn ich mir anschaue, was in demselben Zeitraum an Milliarden Euro – ich schätze ungefähr jedes Jahr 500 Millionen Euro – an investiven Mitteln im Haushalt eingestellt war, dann entsprechen 40 Millionen Euro einem Prozent. Ich finde, dass angesichts der Probleme von Umweltschutz und Ähnlichem ein Prozent definitiv zu wenig ist, und ich hoffe, dass das in Zukunft besser wird.
Es ist auch schon deutlich gemacht worden, dass Umweltwirtschaft nicht nur Windenergie ist. Gut ist, wenn die Windenergie in Bremen boomt, aber schlecht ist, wenn man nur auf dieses eine Pferd setzt. Die Themen sind genannt: Biogasanlagen, Wärmedämmung, Solartechnik, dezentrale Kraftwärmekopplung und so weiter. Dass es hier einen erheblichen Nachholbedarf gibt, zeigt die Zahl, dass Bremen bisher nur circa 2 Prozent seiner Energie aus erneuerbaren Quellen gewinnt, und das ist zu wenig. Ich meine, dass wir ein Umweltkonzept brauchen, welches das Bekannte umsetzt und Neues entwickelt, und zwar auf der Grundlage von öffentlicher Förderung und mit deutlichem öffentlichen Einfluss, um auch die Ziele mitzubestimmen.
(Beifall bei der Linken) ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft. Drittens: Umweltwirtschaft – und darauf möchte ich besonders hinweisen – ist nicht per se sozial. Wir wissen alle, dass insbesondere arme Länder unter den Folgen von Klimakatastrophen und Umweltverschmutzung leiden. Wir wissen auch, dass in Bremen insbesondere arme Stadtteile unter den Folgen von Umweltverschmutzung, Lärm und Ähnlichem leiden. Hier müssen Konzepte der Umwelttechnik eingreifen, damit sich das ändert. (Beifall bei der Linken)
Was meines Erachtens viel wichtiger ist: Wenn Sie einmal den neuesten Armutsbericht der Arbeitnehmerkammer anschauen, werden Sie feststellen, dass die Anzahl der ALG-II-Bezieherinnen und -Bezieher in den letzten 24 Monaten nahezu konstant geblieben ist, plus/minus 500. Das macht eines deutlich: Möglicherweise kommen Dinge wie Umweltwirtschaft, Aufschwung und Ähnliches bei vielen ALGI-Empfängerinnen und -Empfängern an. Wir schaffen in der Tat möglicherweise sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze, aber – und hierauf möchte ich deutlich hinweisen – auf der Ebene der ALG-IIBezieherinnen und -Bezieher kommt bisher die wirtschaftliche Entwicklung und auch die umweltwirtschaftliche Entwicklung nicht an. Hier sehe ich eine ganz deutliche Aufgabe für die Politik. Ich glaube, wir brauchen ein Konzept öffentlich geförderter Beschäftigung in Kopplung mit umweltwirtschaftlichen Gedanken und Konzepten.
Viertens: Ich meine, dass Umweltwirtschaft ein Wachstumsmotor ist, aber ich meine auch, dass das nicht alles ist. Die Tatsache, dass Umweltwirtschaft sich gut verkaufen lässt, dass man dafür marktfähige Produkte entwickeln muss, darf nicht eine Begründung für den Abschied aus der politischen Verantwortung sein. Ich weiß ganz genau, dass es zumindest am Anfang viele Produkte in diesem Bereich gibt, viele Maßnahmen, die man treffen kann, die zunächst nicht wirtschaftlich und nicht vermarktungsfähig sind, dennoch haben wir hier eine Verantwortung, solche Dinge auch dann zu entwickeln, wenn sie nicht profitabel sind.
Dazu braucht es politische Konzepte und öffentliches Geld. Es braucht auch öffentliche Daseinsvorsorge, vor allem dann, wenn wir wollen, dass Energie und Mobilität bezahlbar sind für alle, dass Beteiligung an Umweltschonung und Umweltschutz nicht eine Frage des Geldbeutels ist. Ich glaube, letztendlich werden wir auch darüber reden müssen, wieder Stromnetze in die öffentliche Hand zu bekommen, und wir werden auch darüber reden müssen, die Stadtwerke wieder in die öffentliche Hand zu bekommen.
Ich komme zum Schluss! Die Orientierung und Vermarktung ist gut, aber sie darf nicht alleiniges Ziel sein. Wir wissen, dass wir im Kapitalismus leben, und insbesondere wenn er ungezügelt ist, ist Umweltverschmutzung und Ressourcenvernichtung systemisch bedingt. Das lässt sich nachweisen und ist weit weg von Ideologie. Das ist einfach so, und wir als Politik haben die Aufgabe, Regeln zu schaffen, durch die dieser systemische Mangel aufgehoben wird. Das können wir hier auch vor Ort, wenn wir dafür sorgen, dass Umweltschutz nicht in allererster Linie eine Frage des Profits ist.
Mein Fazit ist: Zwölf Jahre schwarz-rote Koalition haben Umweltpolitik gemacht, aber meiner Meinung nach zu wenig, zu zaghaft, zu eingleisig und zu unsozial. Ich denke, dass sich das ändern muss. – Danke schön!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte im Wesentlichen zwei Anmerkungen machen, weil ich glaube, dass das hier in der Debatte nicht so stehen bleiben darf. Ganz klar ist, dass die neue rot-grüne Koalition einen Schwerpunkt in der Umweltwirtschaft setzt. Das ist unbestritten und, ich glaube, auch schon deutlich wahrnehmbar. Wir werden das gleichzeitig optimieren, und zum Optimieren gehört, dass man die Fakten zur Kenntnis nimmt.
An dieser Stelle sind zwei Klarstellungen wichtig. Die eine betrifft das Programm zur Förderung anwendungsnaher Umwelttechniken. Hier erinnere ich daran und werde das an dieser Stelle auch nicht weiter ausführen, aber ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen aus diesem Haus, das zu berücksichtigen, was wir gerade im Rechnungsprüfungsausschuss debattieren. Das gehört mit zur Einschätzung und zu dem, was der beste Weg ist, um im Bereich der Umweltwirtschaft positive Akzente zu setzen, trotz – und das ist mir heute auch zu wenig im Blick gewesen – der wirklich angestrengten Haushaltssituation. Diese können wir doch nicht einfach vergessen!
Der zweite Punkt ist: Ich glaube, es gibt auch eine Fehleinschätzung dahingehend, dass man die Effekte der Wirtschaftsförderung überbewertet, und das tut die Senatsvorlage eindeutig. Sie überbewertet die Arbeitsplatzeffekte durch die Wirtschaftsförderung hier vor Ort. Es sind letztlich immer nur Zusammenführungen bestimmter Zahlen durch das BAW-Institut. Es gibt jedoch dagegen auf Bundesebene neuere substanzielle Forschungsergebnisse, und diese muss ich jetzt erwähnen. Sie besagen nämlich, dass
60 Prozent der Arbeitsplatzeffekte auf das EEG, das Erneuerbare-Energien-Gesetz, zurückzuführen sind und dass das, was durch die öffentliche Hand in der Konkurrenz der Kommunen noch an Förderungen passiert, zu gerade einmal 4000 Arbeitsplätzen im Fund E-Bereich führt. Das müssen wir doch alles zur Kenntnis nehmen und müssen das bei der Optimierung der Förderprogramme berücksichtigen. Darum bitte ich Sie! – Danke schön!
Herr Präsident, verehrte Abgeordnete! Die Zeit drängt, trotzdem will ich noch auf ein paar Punkte eingehen. Zunächst einmal – Sie haben das alle gelesen, nehme ich einmal an – erstens: Herr Focke, seien Sie sicher, wir wollen den Pfad, den Sie begonnen haben, nicht nur fortsetzen, sondern wir wollen unsere Anstrengungen noch erheblich verstärken, das kann ich Ihnen definitiv sagen.
Zweitens zu dem, was der Kollege Liess gesagt hat zur Clusterbildung: Das ist vielleicht ein bisschen unpräzise formuliert, natürlich sind wir beim Thema Windenergie in Bremen und Bremerhaven bereits ein Exzellenzcluster, und das weiß auch jeder. Darauf haben Sie zu Recht hingewiesen.
Trotzdem, die Frage 5 bezieht sich speziell, wenn Sie noch einmal die Frage lesen, darauf, welche zusätzlichen Kooperationsmöglichkeiten mit Forschungseinrichtungen der Senat speziell sieht. Hier sehe ich in der Tat noch große Möglichkeiten, weil wir im Bereich der praxisorientierten Forschung mit der Hochschule Bremerhaven beispielsweise einen exzellenten Akteur haben, im Bereich der Grundlagenforschung haben wir in Bremen exzellente Institute, und es wird auch in Zukunft vernünftig und möglich sein, mit der Universität Oldenburg beispielsweise ganz enge Verflechtungsnetzwerke zu entwickeln, sodass wir hier in der Tat noch erheblich mehr können und auch wollen. Das war mit dieser Antwort gemeint. Wenn sie unpräzise war, bedauere ich das natürlich ausdrücklich.
Der dritte Punkt ist eigentlich der erste Punkt. Ich freue mich darüber, dass alle Rednerinnen und Redner gesagt haben, auch in Zukunft in der Förderung der Umwelttechnologie einen Schwerpunkt der Politik der Landesregierung zu sehen. Das betrachte ich als Rückenwind für meine Arbeit und nehme ihn dankend auf.
Zu dem Punkt, den Herr Möhle angesprochen hat mit dem Handwerk: Es ist natürlich völlig richtig, nur dass es nicht vergessen worden ist, sondern die Methodik dieser Studie ist so, dass auf den ersten beiden Seiten die verschiedenen Sektoren auf der Grundlage der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und des Bundesministeriums für Umwelt dargelegt werden, und in diesen Sektoren spielt natürlich das Handwerk die zentrale Rolle im Bereich der Wärmedämmung, Heizungsanlagenmodernisierung, Kreislaufwirtschaft, Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft, Ressourceneffizienz. Das heißt natürlich bei dir, Eulen nach Athen zu tragen, aber ich will noch einmal sagen, uns ist voll bewusst, dass der zentrale Akteur einer erfolgreichen Umwelttechnologiepolitik der Mittelstand und das Handwerk sind, und das wollen wir auch in unserer Förderpolitik genauso zum Ausdruck bringen.
Herr Ella, zu Ihrem Punkt mit den Abgrenzungsschwierigkeiten oder was sie hier als schlampig bezeichnet haben: Sie müssen es noch einmal ganz genau lesen, und dann werden Sie feststellen, dass das nicht ganz richtig ist. Wir haben das Glück, dass wir hier in Bremen eine ganz aktuelle Erfassung haben, wo die Daten aus dem Jahre 2005 zur Verfügung gestellt worden sind. In anderen Regionen sind die Daten nicht ganz so aktuell. Wenn wir vergleichen zwischen unserer Region Bremen mit einem Anteil von 2,4 Prozent an Erwerbstätigen und München mit nur 0,6 Prozent, dann finde ich, dass man das nicht monieren sollte, sondern man sollte darauf eher stolz sein!
Was Frau Mathes gesagt hat, finde ich auch sehr wichtig. Ich meine, wir haben Möglichkeiten – das ist ganz klar – mit den verschiedenen Förderprogrammen, die werden wir nutzen, ausbauen, präzisieren. Wir werden auch im Frühjahr das integrierte Energie- und Klimakonzept vorlegen, das verspreche ich Ihnen heute, Herr Focke, und darüber können wir dann streiten, ob das genug ist nach Ihrer Meinung oder zu weit geht. Ich bin gespannt auf Ihre Reaktion, aber klar ist natürlich, dass vieles, wie Frau Dr. Mathes zu Recht gesagt hat, durch bundesgesetzliche und europarechtliche Rahmenbedingungen bestimmt wird, beispielsweise die EU-Klimaschutzstrategie oder das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das Kraftwärmekopplungsgesetz, die Energieeinsparverordnung. Viele der Maßnahmen, die wir hier ergreifen können, werden ganz maßgeblich dadurch bestimmt, was an bundes- und europarechtlichen Rahmenbedingungen besteht, und diese sind im Moment eher förderlich, mindestens im Bereich Energie- und Klimaschutz.
Ich will abschließend noch ein paar kurze Gedanken äußern. Klar ist doch für uns alle, hoffe ich einmal, dass der Schutz der Umwelt, der natürlichen Lebensgrundlagen, des Klimas ein Thema ist und ein Ziel aus eigenem Recht. Das bedarf keiner Hilfsargumente. Diese Ziele, den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen, müssen wir verfolgen, aber es ist natürlich immer gut, wenn man wichtige Hilfsargumente hat, dass sich mit einer anspruchsvollen Umweltpolitik auch neue Technologien, neue Arbeitsplätze und neue Exportchancen bieten, dass wir endlich wegkommen von dieser alten unsäglichen Konfrontation Wirtschaft gegen Umwelt, sondern dass wir sagen, man kann mit ökologischen Zielen schwarze Zahlen schreiben. Ich glaube, das ist der Unterschied zu früher, wenn ich das so allgemein sagen darf.