Grotheer! Das war jetzt wirklich ein Versprecher, der tiefere psychologische Ursachen hat. Auch der Kollege Grobecker hat mich damals sehr beeindruckt. Ich wollte aber eigentlich sagen, dass mir die kurze Zusammenarbeit hier in diesem Parlament mit Ihnen sehr gut gefallen hat und ich es sehr bedauere, dass Sie aus dem Parlament ausscheiden.
Nun zum Thema! Sie hatten, Herr Grotheer, schon darauf hingewiesen, dass es sich hier bei dem Stalking um Beziehungstaten handelt, und Frau Ahrens hat die Dynamik angesprochen. Es ist so, wenn man vielleicht einmal einen Telefonanruf bekommt, fühlt man sich nur belästigt. Wenn einen diese nervenden Anrufe aber nicht nur einmal, sondern den ganzen Tag über, nachts, am Arbeitsplatz erreichen, wenn dann diese Anrufe mit Forderungen, mit Drohungen, Beleidigungen oder obszönen sexuellen Anmachen verbunden sind und diese dann in das Privatleben eingreifen und eine ganz persönliche Nachstellung folgt, dann ist das ein schweres Delikt.
Das heißt, es sind nicht einzelne, vielleicht im Einzelnen kleinere Straftaten, aber es sind Straftaten, die sich in der Gesamtheit zu einem System verdichten, die die Menschen wesentlich beeinflussen und wesentlich in ihrer Gesundheit einschränken können. Sie sind, wenn man diese Dynamik nicht unterbricht – das ist, glaube ich, eines der Dinge, die wir in den Vordergrund stellen –, damit verbunden, dass immer schwerere Straftaten, insbesondere eben auch Körperverletzung bis hin zu Tötungsdelikten, damit verbunden sind.
Wichtig ist also genau dieses rechtzeitige, schnelle Handeln, das Unterbrechen dieser Spirale, und dafür ist dieses Stalking-KIT eine ganz hervorragende Einrichtung, die sehr schnell feststellt, welche Risikosituationen hier entstehen können, welche Dynamik passiert. Es wurde schon gesagt, dass drei Viertel der Täter männlich sind und 90 Prozent der Opfer Frauen. Das heißt also, es ist ein Delikt, das auch sehr stark mit den Rollenzuweisungen und auch mit dem Rollenverständnis von Männern und Frauen zu tun hat.
Bremen hat mit diesem Kriseninterventionsteam Stalking und häusliche Gewalt – kurz Stalking-KIT – ein hervorragendes Instrument entwickelt, mit dem dann diese zwei psychologischen Fachkräfte aus dem Verein Täter-Opfer-Ausgleich mit der Polizei und Staatsanwaltschaft ganz eng zusammenarbeiten und diese Dynamik, die ich am Anfang beschrieben habe, unterbrechen und auch mit der Risikoeinschätzung verhindern, dass größere Straftaten entstehen. Dennoch geht aus der Antwort des Senats hervor, dass die Stalking-Delikte fast immer auch mit anderen
Delikten verbunden sind, häufig mit Delikten mit Körperverletzung und solchen, die schwerer sind als das reine Stalking.
Das bedeutet, dass man hier einen Zusammenhang herstellen muss, und deshalb ist eine Prävention, präventive Kriminalpolitik dringend erforderlich, die hier rechtzeitig eingreift und weitere Straftaten verhindert. Gleichzeitig geht es aber auch um den Opferschutz und um die Unterstützung der Opfer, um ihre Stabilisierung. Darauf hat Frau Ahrens hingewiesen.
Dieses Projekt, das gegenwärtig aus dem AGISProgramm der Europäischen Kommission finanziert wird, stellt daher für die Bundesrepublik – und ich finde auch, darauf können wir stolz sein – einmalig eine beispielhafte Einrichtung dar, deren Erfahrungen auch auf andere Städte übertragen werden können und sollten. Daher, denke ich, sollte man überlegen, auf jeden Fall eine Finanzierung über das nächste Jahr hinaus, also über das Jahr 2008 hinaus, zu prüfen.
Ferner denke ich, dass man überlegen sollte, inwieweit nicht auch das Bundesjustizministerium hier diese Entwicklung und diese Konzeption unterstützen kann und ein solches Modellprojekt fördert.
Meine Damen und Herren, dieses Stalking-KIT leistet hervorragende Arbeit. Ich glaube, das ist fraktionsübergreifend klar. Stalking ist ein Delikt, das wir bekämpfen müssen und wofür wir die Voraussetzungen schaffen müssen, dass es eingeschränkt wird. Die Fallzahlen sind gewaltig gestiegen. Mit der Anfrage – das fand ich sehr informativ vom Senat – wird deutlich, dass wir hier in diesem Hause weitgehend wohl auf einer Linie liegen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat sind wir uns bei dem Thema, so denke ich, fraktionsübergreifend weitgehend einig. Deswegen will ich auch darauf verzichten, hier noch einmal auf die gesamte Fülle der Entwicklung in der Rechtsgeschichte in diesem Bereich einzugehen.
Abschließend kann gesagt werden, es hat viel Zeit gebraucht, bis das Phänomen Stalking, verstanden als das willentliche und wiederholte Verfolgen oder Belästigen einer Person, in das Bewusstsein von Gerichten, Staatsanwaltschaften und Polizei gelangt ist. Opfern von Stalking boten die bestehenden Gesetze lange Zeit lediglich ungenügende Möglichkeiten
zur Strafverfolgung. Das Gesetz zur Strafbarkeit beharrlicher Nachstellungen ist am 31. März dieses Jahres – Kollege Grotheer hat das bereits erwähnt – in Kraft getreten. Stalkingopfer sollen dadurch strafrechtlich besser geschützt werden.
Das Gesetz sieht unter anderem den neuen Tatbestand der Nachstellung, so wie es Kollegin Ahrens bereits geschildert hat, in Paragraf 238 des Strafgesetzbuches vor. Das Gesetz in seiner jetzigen Ausgestaltung führt allerdings nach Meinung der FDP zu einer Reihe von nicht unerheblichen Ermittlungsund Beweisschwierigkeiten in der Praxis, da es eine verhältnismäßig große Zahl von unbestimmten Rechtsbegriffen enthält, und diese Einschätzung sehen wir leider für Bremen auch mit Blick auf die Antwort auf die Frage 4 der Großen Anfrage, die hier diskutiert wird, bestätigt.
Die FDP hält es im Interesse der Opfer daher für den falschen Weg, Stalking allein mit Mitteln des Strafrechts bekämpfen zu wollen, und gerade hier finden wir, dass die Arbeit des Kriseninterventionsteams Stalking und häusliche Gewalt einen ganz entscheidenden Beitrag leisten kann, um wirksam gegen Stalking vorzugehen. Die Arbeit des Kriseninterventionsteams Stalking und häusliche Gewalt zielt insbesondere auf eine Verbesserung der Handlungsstrukturen zwischen den beteiligten Institutionen, und wir finden, das ist auch ein geeigneter Ansatz, der in Bremen weiterhin verfolgt und gestärkt werden sollte.
Aus Sicht der FDP ist es unbedingt erforderlich, dass die begleitenden Strukturen des Stalking-KIT mit den Schwerpunkten Kriminalprävention auf der einen Seite und Opferschutz auf der anderen Seite erhalten bleiben. Nur wenn diese Strukturen erhalten bleiben, kann Stalkingopfern wirklich zeitnah geholfen werden, und wir begrüßen die gute Arbeit, die dort geleistet wird, hier an dieser Stelle ausdrücklich und wünschen uns, dass das Team dort weitermachen kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus unserer Sicht ist eindeutig, dass die Nachhaltigkeit des Projektes „Kriseninterventionsteam Stalking und häusliche Gewalt“ nicht gefährdet werden darf, auch weil dieses Projekt zu einem der wenigen Modellprojekte zählt, die nationale und europäische Reputation besitzen. Ich hoffe, dass das, was Kollege Frehe angedeutet hat, nämlich eine Unterstützung dieses Projektes durch das Bundesministerium für Justiz, möglich wird. Das wäre wirklich ein hilfreicher Weg.
Man kann aber eines aus dem aus meiner Sicht gelungenen Projekt auch sehen: Dass nämlich – so gut es ist, dass wir europäische Mittel für solche Pro
jekte und solche Strukturen auch befristet bekommen – im gleichen Atemzug auch wichtig ist, es immer gleich am Anfang mitzudenken, wie das weitergeführt werden kann, wenn diese Mittel nicht mehr zur Verfügung stehen. Das ist ja auch keine neue Erkenntnis, aber ich denke, es beweist sich an diesem Thema wie an vielen anderen guten und erfolgreichen sozialen Projekten in Bremen und Bremerhaven eben auch sehr deutlich, dass es ganz wichtig ist, wenn wir solche Projekte beginnen, solche Strukturen schaffen, uns auch gleich am Anfang zu überlegen, in welche Richtung das in Zukunft weitergeführt werden kann.
Die Unterstützung der FDP hierbei haben Sie auf jeden Fall. Wir sind guter Hoffnung, dass es gelingen wird, dort auch eine langfristige finanzielle Absicherung gewährleisten zu können. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir begrüßen diese Anfrage, und wir erkennen auch sehr stark an, was Bremen bisher in diesem Bereich geleistet hat, die Vorredner haben das hervorgehoben. Das können wir nur unterstreichen. Gut, dass es diese detailreiche Anfrage für das wichtige Thema gibt, das kann ich hier nur ausdrücklich anerkennen.
Wir unterstützen die EU-Initiative „Kriseninterventionsteam Stalking und häusliche Gewalt“ selbstverständlich, die hier vom Täter-Opfer-Ausgleich e. V. in Bremen ausgeführt wird. Der Kollege Frehe hat schon gesagt, die Fallzahlen sind gestiegen. Ich darf einmal sagen, dass es vermutlich damit zu tun hat, dass eben dieses Phänomen nach und nach stärker erkannt wird; das ist wohl die Ursache, die ich hier zu behaupten wage.
Wir haben es in anderen Zusammenhängen auch schon hier im Hause zu Protokoll gegeben, die Vorrednerinnen und Vorredner haben schon gesagt – ich will nicht alles noch einmal wiederholen, aber einige wichtige Aspekte –, dass dies mit dem traditionellen Verhältnis von Männern und Frauen zusammenhängt, das sich langsam, sage ich einmal, wandelt. Dieser langsame Wandel zeigt auch, dass bestimmte Dinge, die früher als normal angesehen wurden, heute nicht mehr als normal angesehen werden und in diesem Fall alles andere als normal sind, nämlich bis hin zur Strafwürdigkeit.
Das ist aber auch der Grund, aus dem das schwer zu erkennen ist. Ich denke, es gibt das Problem, dass auch die Opfer erst in den letzten Jahren nach und nach ein Bewusstsein dafür haben, dass sie Grund ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
haben, sich zu wehren, dass sie nun Gott sei Dank auch eine rechtliche Basis haben, sich zu wehren. Das ist ein Wandel, den wir hier in Bremen gemeinsam unterstützen, was ich natürlich sehr gut finde, denn die Sache braucht diese Unterstützung wegen der Faktoren, die ich genannt habe, und wegen der Kompliziertheit insbesondere, dass die Täter – Frau Kollegin Ahrens hat darüber gesprochen – natürlich hilfebedürftig sind und sich selbst zum Teil als Opfer fühlen.
Das kann die ganze Sache natürlich kompliziert machen, ich will es aber jetzt im Einzelnen nicht noch einmal aufführen über das hinaus, was ich gerade schon gesagt habe, sondern diese Einigkeit bei diesem Thema hier im Hause außerordentlich begrüßen.
Der Knackpunkt sind natürlich grundsätzlich die Finanzen. Wir wollen eine klare Zusage auch an diesem Punkt haben, an dem man mit relativ wenig Geld viel erreichen und sagen kann, wenn sie im Zusammenhang mit der ganzen Sparerei nach irgendwohin brav melden wollen, was sie gespart haben und wo sie eingespart haben, so eignet sich dieser Punkt auch nicht dafür. Das können Sie dann weitermelden! Sie können auch die ganze Liste weitermelden, wir brauchen eine Sanierung bei den Einnahmen. Das wiederholen wir allerdings etwas öfter, weil das ein Kernproblem von Bremen ist. – Danke schön!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte das Thema nicht in die Länge ziehen, aber dennoch die Gelegenheit nutzen, mich an dieser Stelle auch persönlich für die Zusammenarbeit mit Herrn Grotheer zu bedanken.
Wir haben im Untersuchungsausschuss „Klinikverbund“ sehr eng miteinander zusammengearbeitet, in unserer Funktion als Jugendpolitiker natürlich auch. Wir haben uns öffentlich auch gern einmal gekabbelt, das ist so! Das ist grundsätzlich so, wenn man gemeinsam in der Regierung ist. Wenn man in Regierung und Opposition zueinander steht, kann man sich auch kabbeln, das ist überhaupt kein Problem. Insofern – Herr Präsident, Neutralität war von Ihrer Seite an der Stelle ja nicht so ganz gewahrt – kann man auch einmal die Opposition loben, wenn sie denn Gutes an der Stelle macht!
Bezogen auf die psychisch kranken Täter, die Sie angesprochen haben, sind wir völlig einer Meinung. Aber gerade im Bereich Stalking sind diejenigen, die eine psychische Erkrankung nachweislich haben, diejenigen, die uns nachher am Schluss die größtmöglichen Probleme machen. Das sind diejenigen, die wir überhaupt nicht begrenzt bekommen und bei denen wir bisher keine wirkliche Handhabe haben, wenn
sie sich noch unterhalb der Forensik, also unterhalb von der Zwangseinweisung, befinden, wie wir tatsächlich dort das Stalking unterbrechen.
Ein allgemeiner Appell vielleicht an dieser Stelle, und dann würde ich auch noch gern zwei Fragen stellen, weil Herr Mäurer ja hier heute, soweit ich das verstanden habe, zu der Großen Anfrage Stellung nehmen wird.
Mir ist es wichtig, dass Stalking, wenn es denn erfasst wird, nicht mitgemacht wird von den anderen, sondern wer auch immer Stalking in seiner Umgebung feststellt, der möge bitte daran mitwirken, dass Täter gestoppt werden! Hier gilt ganz klar für uns als CDU-Fraktion, und ich denke, das kann ich hier für alle Fraktionen sagen: Wer Täter erkennt beim Stalking, der sollte daran mitwirken, Täter zu stoppen, damit Stalking in der Umgebung nicht stattfindet.
Nun, Herr Senator, eine Frage! Wir haben nicht nur steigende Stalkingfälle, sondern wir haben darüber hinaus auch im Bereich der sexuellen Selbstbestimmung, vorsätzlicher Körperverletzung, allgemeiner Straftaten wie in Paragraf 238 Strafgesetzbuch oder anderer Straftaten, die mit dem Bereich Stalking zusammenhängen – der Bereich, den das Sonderdezernat bei Ihnen mit drei Staatsanwältinnen bearbeitet –, steigende Fallzahlen. Mich würde interessieren: Wie hoch sind diese Fallzahlen im Moment? Wie sieht das mit der Arbeitsbelastung insgesamt aus?
Das ist auch ein ganz wichtiger Punkt: Stalkingopfer möchten, wenn sie etwas zur Anzeige bringen, natürlich nicht drei Jahre später die juristische Abarbeitung dieser Fälle haben. Hier ist die Frage, inwiefern das noch zu leisten ist oder wie dort insgesamt die Arbeitsbelastung aussieht. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie in Ihrer Antwort darauf eingingen!
Das zweite Thema ist, Sie haben auf die Frage 9 geantwortet, dass der Senat inzwischen festgestellt hat, dass junge Polizeibeamte zwar schon im Thema „Stalking und häusliche Gewalt“ geschult werden, dass es aber insgesamt – so haben Sie es geschrieben – „einen größeren Ausbildungsbedarf noch gibt“, wozu Sie eine modulare Ausbildungseinheit entwickeln wollen. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie uns hier mitteilen könnten, bis zu welchem Zeitpunkt das der Fall sein sollte.
Schließen möchte ich an der Stelle, denn ich habe große Einigkeit hier bei allen Fraktionen festgestellt, mit dem nochmaligen Appell: Wenn wir uns so einig sind an dieser Stelle, dann lassen Sie uns dafür sorgen, dass das Stalking-KIT über das Jahr 2008 hinaus finanziert wird! Vielleicht bekommen wir ja auch noch eine Aussage, denn die SPD war bisher die einzige Fraktion, die sich nicht eindeutig geäußert hat, obwohl ich meine, verstanden zu haben, dass
sie auch für die Fortführung ist. Vielleicht könnte dazu der Senat auch gleich noch Stellung beziehen. – Danke schön!